Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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OT: Arbeitslose

Markus, Monday, 09.12.2002, 01:48 (vor 8405 Tagen)

Hallo zusammen,

ich weiß ja, dass diese Thematik nicht gerade zum Thema gehört aber Politik bleibt ja nicht wirklich aus unseren Diskussionen außen vor. Ich habe eben Christiansen und danach die Nachrichten gesehen. Wir haben im Moment 4 Mio Arbeitslose in Deutschland. Wir schimpfen hier immer so oft über die Regierung. Ich habe mir eben mal über die ganze Situation Gedanken gemacht und ein für mich auf den ersten Blick, ganz gutes Konzept entworfen. Diese Gedanken würde ich gerne hier einfach mal zur Diskussion stellen. Wie gesagt, da war die spontane Idee und dann etwa 20 Minuten für die Ausformulierung. Mehr Gedanken stecken da noch nicht drin.
Also, bei Christiansen wurde immer gesagt, dass in Deutschland das Problem sei, dass alle depressiv sind und Signale fehlen. Meine Idee für ein Signal sieht folgendermaßen aus.

Wir haben im Moment ca. 4 Mio Arbeitslose.

Wir haben im Gegenzug aber jede Menge geistigen Kapitals, das unsere Gesellschaft in Frühruhestand oder Rente schickt. Warum also dieses Kapital nicht durch ehrenamtliche Mitarbeit nutzen?

Es gibt sicher auch diverse Arbeitslose, die gute Geschäftsideen haben. Das Problem hierbei ist jedoch, dass selbst Jungunternehmerdarlehen ein Eigenkapital von mind. 15% voraussetzen. Nur welcher Arbeitslose hat dieses Geld?

Meine Idee ist also diese Komponenten zu verknüpfen. Angenommen jeder Arebitslose wüürde monatlich einen Euro in einen Fond einbezahlen (ich gehe hier der Einfachkeithalber mal von allen aus). Bei 4 Mio Arbeitslosen wären das 48 Mio Euro im Jahr, die so zusammen kommen würden.

Jeder dieser Arbeitslosen hat nun die Möglichkeit sein Konzept für die Selbständigkeit einzureichen. Dieses Konzept wird nun von ehrenamtlich arbeitetenden Fachleuten (Pensionierte) auf Marktchancen geprüft.

Andere ehrenamtliche Fachleute beraten diese neuen Selbständigen, die je nach Budget Zustimmung gefunden haben, in Fachfragen mit ihrem Know How.

Die neuen Selbständigen verpflichten sich bevorzugt Arbeitslose einzustellen, die in diesen Fond einbezahlt haben.

Kontrolliert sollte das Ganze durch ehrenamtlich rennomierte Promis werden, damit sichergestellt ist, dass sich keiner persönlich aus diesen Fond bereichert.

Dies Ganze ist als Signal zu verstehen. Die Arbeitslosenzahlen werden durch 1000 oder 10.000 Eingestellte sicher nicht merkbar sinken.
Dennoch denke ich, dass man so dieses in meinen Augen verschwendete Wissens-Know-How, das man in Rente schickt positiv nutzen könnte. Das Kollektiv der Arbeitslosen sorgt für das Kapital.

Man würde Innovation ein Forum geben und könnte Leute von der Straße holen.

Wie gesagt, ich bin mehr ein Mensch, der sich nicht nur hinsetzt, nörgelt aber selbst hilflos die Hände in den Schoß legen möchte. Ich meine sich auf andere verlassen kann ja ganz nett sein, nur ob es wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, wage ich zu bezweifeln. Über konstruktive Kritik wäre ich dankbar. Verbesserungsvorschläge, weitere Anregungen wären klasse.

Gruß, Markus

Re: OT: Arbeitslose

Manfred, Monday, 09.12.2002, 11:42 (vor 8405 Tagen) @ Markus

Als Antwort auf: OT: Arbeitslose von Markus am 08. Dezember 2002 23:48:35:

Hallo, nur mal so meine erste Reaktion (aus der Hüfte quasi :-)

Also, bei Christiansen wurde immer gesagt, dass in Deutschland das Problem sei, dass alle depressiv sind und Signale fehlen.

Das mag auch so sein, aber es bedeutet nicht, daß diese Depression ohne reale Basis ist. Leuten, die das Glück haben finanziell gut dazustehen (womöglich noch Gehälter ohne unmittelbaren Leistungsbezug kassieren wie Politiker), mag es so vorkommen als läge alles nur an der schlechten Stimmung. Psychologie bedeutet in der Wirtschaft viel, aber nicht alles.
Sogar wenn Dein Konzept zunächst viele Leute von der Straße bringt, so existiert auch hier das Problem, daß die neuen Firmen über kurz oder lang
davon abhängig sein werden, wieviel Gewinn sie erwirtschaften können, was aber bedeutet, daß es solvente Kunden geben muß. Und daran krankts ganz real in diesem Land.
Daraus schließe ich, daß Ehrenamtlickeit hier zu einem Quasi-Grundprinzip erhoben werden müßte. In deiner Überlegung kommt diese Vokabel ja auch erstaunlich oft vor und ich finde diesen Ansatz auch essentiell. Ist nur die Frage ob dazu dauerhaft jemand Lust hat...

Mein Fazit ist insgesamt recht einfach:
1) weg mit dem Glauben im Sozialismus liege das Heil, weg mit der Angst vor Freiheit, Öffnung und Liberalismus, daher weg mit dieser Regierung. Besser heute als morgen!
2) schnellstens für umfassende Deregulierung in allen Bereichen sorgen
(was nicht so ohne weiteres klappen dürfte, weil ich hierin eine typisch deutsche Krankheit sehe, psyhologisch tief verankert)
3) als Konsequenz aus 1) und 2) schnell und deutlich runter mit der Staatsquote
4) dann einige (eher 10-20 statt 2-3) Jahre warten, bis die neue Mentalität in den Köpfen der Leute Fuß faßt, dann kommen Lebens-/Arbeitswille und bessere Stimmungslage von selber.

Gruß,
Manfred

Meine Idee für ein Signal sieht folgendermaßen aus.

Wir haben im Moment ca. 4 Mio Arbeitslose.
Wir haben im Gegenzug aber jede Menge geistigen Kapitals, das unsere Gesellschaft in Frühruhestand oder Rente schickt. Warum also dieses Kapital nicht durch ehrenamtliche Mitarbeit nutzen?
Es gibt sicher auch diverse Arbeitslose, die gute Geschäftsideen haben. Das Problem hierbei ist jedoch, dass selbst Jungunternehmerdarlehen ein Eigenkapital von mind. 15% voraussetzen. Nur welcher Arbeitslose hat dieses Geld?
Meine Idee ist also diese Komponenten zu verknüpfen. Angenommen jeder Arebitslose wüürde monatlich einen Euro in einen Fond einbezahlen (ich gehe hier der Einfachkeithalber mal von allen aus). Bei 4 Mio Arbeitslosen wären das 48 Mio Euro im Jahr, die so zusammen kommen würden.
Jeder dieser Arbeitslosen hat nun die Möglichkeit sein Konzept für die Selbständigkeit einzureichen. Dieses Konzept wird nun von ehrenamtlich arbeitetenden Fachleuten (Pensionierte) auf Marktchancen geprüft.
Andere ehrenamtliche Fachleute beraten diese neuen Selbständigen, die je nach Budget Zustimmung gefunden haben, in Fachfragen mit ihrem Know How.
Die neuen Selbständigen verpflichten sich bevorzugt Arbeitslose einzustellen, die in diesen Fond einbezahlt haben.
Kontrolliert sollte das Ganze durch ehrenamtlich rennomierte Promis werden, damit sichergestellt ist, dass sich keiner persönlich aus diesen Fond bereichert.
Dies Ganze ist als Signal zu verstehen. Die Arbeitslosenzahlen werden durch 1000 oder 10.000 Eingestellte sicher nicht merkbar sinken.
Dennoch denke ich, dass man so dieses in meinen Augen verschwendete Wissens-Know-How, das man in Rente schickt positiv nutzen könnte. Das Kollektiv der Arbeitslosen sorgt für das Kapital.
Man würde Innovation ein Forum geben und könnte Leute von der Straße holen.
Wie gesagt, ich bin mehr ein Mensch, der sich nicht nur hinsetzt, nörgelt aber selbst hilflos die Hände in den Schoß legen möchte. Ich meine sich auf andere verlassen kann ja ganz nett sein, nur ob es wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, wage ich zu bezweifeln. Über konstruktive Kritik wäre ich dankbar. Verbesserungsvorschläge, weitere Anregungen wären klasse.
Gruß, Markus

Zustimmung!(n/t)

Jens, Monday, 09.12.2002, 17:08 (vor 8405 Tagen) @ Manfred

Als Antwort auf: Re: OT: Arbeitslose von Manfred am 09. Dezember 2002 09:42:04:

Re: OT: Arbeitslose

Markus, Monday, 09.12.2002, 19:33 (vor 8405 Tagen) @ Manfred

Als Antwort auf: Re: OT: Arbeitslose von Manfred am 09. Dezember 2002 09:42:04:

Hallo Manfred,

Das mag auch so sein, aber es bedeutet nicht, daß diese Depression ohne reale Basis ist. Leuten, die das Glück haben finanziell gut dazustehen (womöglich noch Gehälter ohne unmittelbaren Leistungsbezug kassieren wie Politiker), mag es so vorkommen als läge alles nur an der schlechten Stimmung.

Also es gibt da aber Zahlen, die ich leider nicht per Link nachweisen kann, die besagen, dass die Menschen in Deutschland im Moment ihr Geld sparen, weil sie Angst um ihre Arbeitsplätze haben. Die Zeichen von denen die Politiker sprechen, sind in sofern wichtig, als dass man sich einfach wieder traut z.Bsp. ein Haus zu bauen, für das man langjährige Verpflichtungen eingeht.

Psychologie bedeutet in der Wirtschaft viel, aber nicht alles.

Klar!

Sogar wenn Dein Konzept zunächst viele Leute von der Straße bringt, so existiert auch hier das Problem, daß die neuen Firmen über kurz oder lang
davon abhängig sein werden, wieviel Gewinn sie erwirtschaften können, was aber bedeutet, daß es solvente Kunden geben muß. Und daran krankts ganz real in diesem Land.

Du meinst also es gibt heute weniger solvente Kunden als vor 20 Jahren? Ich dachte immer das Problem sei, dass keiner mehr in Deutschland investieren möchte und so keine Arbeitspätze geschaffen werden. Durch dieses Projekt würde dem aber doch - sicher in kleinem Maße - entgegen gewirkt werden.

Daraus schließe ich, daß Ehrenamtlickeit hier zu einem Quasi-Grundprinzip erhoben werden müßte. In deiner Überlegung kommt diese Vokabel ja auch erstaunlich oft vor und ich finde diesen Ansatz auch essentiell. Ist nur die Frage ob dazu dauerhaft jemand Lust hat...

Natürlich ist Ehrenamtlichkeit hier elementar. Nur wir Deutschen sind ein Volk der ehrenamtlichen Tätigkeit. Ich bin mir sicher, dass sich ein Mensch ehrenamtlich für die Schaffung von Arbeitsplätzen, für den Erfolg einer Firma, den er mit beeinflußt hat, auch genauso leidenschaftlich einsetzen kann. Ich weiß von einigen Vorruhestandlern, dass sie sich gerne nützlich machen würden. Gerne das Gefühl hätten gebraucht zu werden. Natürlich kann da kein Zwang sein, aber ich denke, warum sollte man dieses Wissen einfach so einmotten.
Es gibt in diversen Städten Projekte in denen ältere Menschen in der Hausaufgabenhilfe ehrenamtlich mitarbeiten. Warum nicht auch in anderen Bereichen. Ich denke mal das sollte schon möglich sein.

Mein Fazit ist insgesamt recht einfach:


[quote]1) weg mit dem Glauben im Sozialismus liege das Heil, weg mit der Angst vor Freiheit, Öffnung und Liberalismus, daher weg mit dieser Regierung. Besser heute als morgen!
[/quote]

Ich finde diese Aussage übertrieben. Wir haben ein föderalistisches System. Und nur der Umstand, dass bei uns keine Menschen hungern müssen, ist für mich nicht gleichzusetzen mit Sozialismus.

2) schnellstens für umfassende Deregulierung in allen Bereichen sorgen
(was nicht so ohne weiteres klappen dürfte, weil ich hierin eine typisch deutsche Krankheit sehe, psyhologisch tief verankert)

Die Schweden haben da ein sehr sinnvolles System. Es ist kein Bottom-Up System, sondern ein Top-down, was soviel heißt wie dass für die Krankenkassen eben nur soundsoviel Gelder zur Verfügung stehen. Für Notfälle müssen bestimmte Gelder in Reserve gehalten werden, aber für andere Krankheitsfälle gibt es eben einen bestimmten Etat. Sprich im Februar bekommt der Aknegeschädigte noch seine Anti-Pickelcreme und im Dezember vielleicht nicht mehr. Das Sytem der Schweden ist also nicht nach oben hin offen, was die Ausgaben angeht. So wäre ein ständiger Anstieg der Krankenkassenbeiträge auch zu vermeiden.

3) als Konsequenz aus 1) und 2) schnell und deutlich runter mit der Staatsquote

Mit dem schwedischen Modell könnte ich mich anfreunden. Mit deinen anderen Forderungen weniger. Sind mir zu pauschal.

4) dann einige (eher 10-20 statt 2-3) Jahre warten, bis die neue Mentalität in den Köpfen der Leute Fuß faßt, dann kommen Lebens-/Arbeitswille und bessere Stimmungslage von selber.

Ich denke schon, dass Gewalt und Geldbeschaffung auf kriminellem Weg klar zunimmt, wenn die Leute nicht mehr wissen wovon sie die Miete bezahlen sollen. Von amerikanischen Verhältnissen halte ich persönlich recht wenig - und die würden kommen.

Gruß, Markus

Re: OT: Arbeitslose

Doc, Tuesday, 10.12.2002, 15:52 (vor 8404 Tagen) @ Markus

Als Antwort auf: OT: Arbeitslose von Markus am 08. Dezember 2002 23:48:35:

Zum Thema Arbeitslose habe ich mir selbst auch schon viele Gedanken gemacht, und das Problem ist polyätiologisch. Einige meiner Gedanken dazu sind hochradikal, aber ich war in meinem Leben auch schon mehrfach arbeitslos und glaube zu wissen, wovon ich rede.

Arbeit gibt es massenhaft in Deutschland, ich wage zu behaupten, mehr als genug für das Heer der Arbeitslosen. Nur finden Arbeit und Arbeitslose nicht zueinander.

1. Motivation
Arbeitslosigkeit wird bezahlt. Schlimmstenfalls Sozialhilfe. Aber auch wenn sich das schlimm anhört, letzten Endes ist es doch so, daß kein Mensch in diesem Lande hungern oder frieren muß. Das will ich auch nicht ändern. Doch geht es Sozialhilfeempfängern in der Regel besser als schlechtbezahlten Arbeitern, und vor allem haben sie eins: viel freie Zeit.
Arbeit ist dann ein Anreiz, wenn
a) der Lebensstandard damit deutlich über den Sozialhilfestanderd gehoben werden kann
b) die Person das auch wirklich will.
Das Motto "für ein paar Hundert Mark" verderb ich mir doch nicht meine Freizeit ist häufiger als man öffentlich zugeben will.

Eine andere Motivationsbremse ist in der Tat die Depression. Viele Menschen sind nicht in der Lage, für sich selbst wichtige Entscheidungen zu fällen bzw. Mühen auf sich zu nehmen, um ihren Status zu verbessern. Sie ergeben sich ihrem Schicksal und warten auf Erlösung von außen. Dieser Geist ist so verbreitet, daß man ihn gar nicht mehr als krankhaft wahrnimmt. Wie sonst ist es zu erklären, daß an Politiker die abstrakte Erwartung gestellt wird, die Arbeitslosenzahl zu senken, ohne zu spezifizieren, wie sie das denn eigentlich machen sollen?

Die dritte Motivationsbremse ist eine Art Kastendenken. Die Bürger dieses Landes definieren ihren Rang (Kaste) durch ihre Arbeit. Jeder will am liebsten in irgendwelche Fühungspositionen. Niedere Arbeiten wie Kanalreinigung, Müllabfuhr, Toilettenmann/frau sind verpönt, sollen das doch die Ausländer machen. Aber so funktioniert das nicht. Es können nun mal nicht alle Chef sein, jemand muß auch die anfallenden Arbeiten tun.
Arbeits-losigkeit hingegen ist heutzutage keine Schande mehr. Das ist ein Fehler, wie ich finde. Es sollte eine Schande sein.

Die vierte Motivationsbremse sind verquere Vorstellungen von Arbeit. Wenn die Senkung der Arbeitslosigkeit gefordert wird, denken alle offenbar nur an den Lohn, den sie dann kriegen, nicht aber, daß sie dafür auch etwas tun müssen. Möglicherweise sogar sehr viel. Jeder will heutzutage schnell und ohne viel Mühe reich werden, sonst "lohnt" es sich gar nicht erst, damit anzufangen. Das fängt inzwischen schon im Kindesalter an. Keiner will mehr was arbeiten, also mit seinen Händen oder seinem Gehirn etwas schaffen, auf das er dann stolz sein kann - alle wollen nur zu Geld kommen. Arbeit ist da nur ein lästiges Beiwerk.

2. Ausbildung
Die ist bekantlich mangelhaft. Das hätte ich auch schon Jahrzehnte vor der PISA-Studie sagen können, egal. Auf jeden Fall werden auf der einen Seite händeringend Fachleute für dieses und jenes gesucht, auf der anderen Seite steht ein Haufen tumber Köppe.
Eines der größten Probleme des Schulsystems ist, daß die Schüler als "kleine Arbeitnehmer" betrachtet werden, die eine Leistung zu erbringen haben. Ein eindeutiges und hoch genug gestecktes Bildungsziel pro Jahrgang mit Förderung von Kindern, die dieses Ziel nicht erreichen ist unbekannt. Wer es nicht schafft, der muß die Klasse halt wiederholen, und wer es dann immer noch nicht schafft, der kommt auf eine Schule mit niedrigerem geistigen Niveau und muß selber sehen, wo er bleibt.
Und dann wundern sich die Leute, daß es den Kindern an Esprit gebricht.

3. Kinder
Wer heutzutage Kinder in die Welt setzt, muß damit rechnen, nicht mehr arbeiten gehen zu können, weil er zu Hause bleiben muß. So langsam wird es ja ein wenig besser mit den Kindergarten- und Hortplätzen, aber es sieht immer noch schrecklich aus. In der Ehe hat man es zumindest noch, daß nur einer arbeitet und der andere zu Hause bleibt, aber bei alleinerziehenden Eltern ist der Ofen aus.

4. Geschiedene Ehen
Ein geschiedener Mann muß einen Großteil der Früchte seiner Arbeit abführen, ohne eine Gegenleistung zu erhalten. Das ist ja wirklich sehr motivierend. Die Frau wiederum kriegt das Geld ohne Arbeiten, und wenn sie selbst arbeitet, wird´s weniger. Auch ungeheuer motivierend.

Meine Lösung:
Wer nicht arbeitet, kriegt auch nichts. Zur Überbrückung von stellenwechseln sollte das Arbeitslosengeld als Leistung der Arbeitslosenversicherung bestehen bleiben, aber für maximal 3 Monate und unabhängig vom letzten Nettolohn. Höhe: etwa die jetzige Sozialhilfe.
Wer wegen einer Krankheit arbeitslos ist, der soll dieses Arbeitslosengeld länger bekommen, und zwar um die Dauer seiner Erkrankung länger.
Sozialhilfe ersatzlos streichen. Damit niemand hungern und frieren muß, müssen Leute ohne Geld und Einkünfte eine Unterkunft gestellt bekommen sowie Nahrung.
Solcherart sozial Untergebrachte sollten an Weiterbildungsprogrammen teilnehmen müssen, um ihre Ausbildung zu verbessern. Desweiteren sollten sie von Staats wegen für irgendeine Arbeit eingesetzt werden. Es gibt massenhaft Dinge, die sie tun könnten: Bau und Instandhaltung staatlicher Gebäude, Kurierdienste, Arbeit in Werkstätten, Rasenmähen - meinetwegen auch sinnlose Dinge, nur auf jeden Fall mit irgendwas beschäftigen. Für solche Arbeiten gibt es dann auch Vergünstigungen wie Fernsehen, Taschengeld, ein Auto, etc.
Kinder sollten ihre Eltern nichts kosten. Der Staat stellt Kleidung, Schuluniformen und ein Budget für Essen und Spielsachen. Wer reich ist, kann sich natürlich auch mehr für seine Kinder kaufen, ich rede vom Minimum. Außerdem muß ein gesetzlicher Anspruch der Eltern auf Kindergarten, Hort, etc. bestehen. Wer also arbeitet, darf sein Kind von 7-18 Uhr in staatlicher Obhut lassen.
Und diese Obhut soll gefälligst ausreichend Pädagogen beschäftigen (wieder ein paar Arbeitslose weniger) und dafür sorgen, daß die Kinder ihre Lernziele erreichen.

Damit kann man die Arbeitslosenzahl tatsächlich senken. Und sogar die Wirtschaft wieder in Schwung bringen, und vielen depressiven Leuten Sinn in ihr Leben.

Doc

Re: OT: Arbeitslose

Garfield, Friday, 20.12.2002, 19:51 (vor 8394 Tagen) @ Doc

Als Antwort auf: Re: OT: Arbeitslose von Doc am 10. Dezember 2002 13:52:15:

Hallo Doc!

Hm, es ist keineswegs so, daß ich deinen Ausführungen nicht zustimme. Eigentlich finde ich alles, was du geschrieben hast, durchaus richtig. Einige Aspekte fehlen mir jedoch noch.

Ein wesentlicher Grund, wieso Arbeit und Arbeitslose häufig nicht oder erst nach zu langer Zeit zueinander finden, besteht ja auch darin, daß so manche Unternehmen zwar immer wieder freie Stellen anbieten und sich lauthals darüber beklagen, daß sie kein Personal finden würden, dabei aber wohlweislich verschweigen, daß sie nur Hungerlöhne zu zahlen bereit sind, die die Lebenshaltungskosten kaum oder nicht decken.

Meine Verlobte ist gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau und hat mal in einem Bewerbungsgespräch erlebt, daß ihr ein Gehalt angeboten wurde, bei dem sie etwa 1000 DM netto herausbekommen hätte. Nun könnte man ja einwenden, daß das doch immer noch besser wäre als arbeitslos zu sein. Ja, aber wir zahlen ja allein an Miete schon monatlich deutlich mehr. Und wir haben kein Luxus-Penthouse, sondern eine ganz normale Wohnung. Die Miete dafür ist noch nichtmal überhöht, denn die Eltern meiner Verlobten zahlen etwa dasselbe, obwohl ihre Wohnung 30 Jahre älter ist als unsere.

Natürlich kann man theoretisch darüber reden, die Löhne und Gehälter zu senken, um so mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Dann muß dabei aber auch von vorneherein klar sein, daß das nur geht, wenn auch die Lebenshaltungskosten entsprechend sinken. Erfahrungsgemäß tun sie das aber von allein entweder gar nicht oder aber sinken weit weniger ab als die Einkommen.

Trotzdem sind heute schon immer mehr Menschen bereit, auch schlechte Arbeit gegen geringe Bezahlung zu erledigen. Mein Bruder ist auch gerade arbeitslos. Vor einigen Monaten hat er mal ausnahmsweise eine Einladung für ein Bewerbungsgespräch bekommen. Die Firma suchte ca. 10 Leute und eingeladen hatten sie 60. Sie boten 3 Euro pro Stunde. Einen Job mit so niedriger Bezahlung kann sich niemand leisten, der zur Miete wohnt und eine Familie zu ernähren hat. Mein Bruder wohnt allerdings noch bei meinen Eltern, also war es für ihn akzeptabel. Trotzdem hat er die Stelle nicht bekommen. Die Konkurrenz war immer noch zu groß.

Und genau das ist auch der Grund, wieso die Wirtschaft und damit auch die Politik die Arbeitslosigkeit gar nicht wirklich senken will.

Ich wäre auch dafür, die Leistungen für Arbeitslose deutlich zu kürzen. Es gibt definitiv genügend Leute, die sich auf Kosten der Gesellschaft einen schönen Lenz machen. Andererseits gibt es aber eben auch viele Arbeitslose, die wirklich verzweifelt Arbeit suchen, aber auch nach monatelanger oder sogar jahrelanger Suche nichts finden. In manchen ostdeutschen Gegenden liegt die Arbeitslosenquote um die 50%!

Um sicherzugehen, daß man damit wirklich nur die Gammler trifft, kann man also Sozialleistungen erst kürzen, wenn es keine unfreiwilligen Langzeitarbeitslosen mehr gibt. Wenn also genügend Arbeitsplätze vorhanden sind. Das ist momentan definitiv nicht der Fall, aus welchen Gründen auch immer.

Außerdem muß man da noch etwas berücksichigen: Arbeitslosengeld ist KEINE Sozialleistung, sondern eine Versicherungsleistung, für die Beiträge gezahlt werden! Es handelt sich dabei also um KEINE milde Gabe an Arbeitslose, sondern um eine Leistung, die ihnen zusteht, da sie sie mit ihren Beitragszahlungen erarbeitet haben. Und zwar in voller Höhe. Denn der sogenannte "Arbeitgeberanteil" wird selbstverständlich auch von den Beschäftigten des jeweiligen Unternehmens mit erarbeitet und ist somit also de facto ein versteckter Teil des Lohnes oder Gehaltes.

So nebenbei erwähnt bedeutet letzteres übrigens auch, daß Senkungen dieses "Arbeitgeberanteils" tatsächlich Kürzungen des Realeinkommens von Arbeitern und Angestellten zugunsten der Unternehmensgewinne darstellen. Und daß beispielsweise die Riester-Rente bei gleichzeitiger Senkung des Rentenniveaus eine Entlastung der Unternehmen auf Kosten der Arbeiter und Angestellten darstellt. Denn Letztere bekommen einerseits dafür keinen "Arbeitgeberanteil", müssen andererseits die zusätzlichen Beitragszahlungen aber ohne wirklichen Ausgleich von ihrem offiziellen Lohn oder Gehalt leisten. Die staatliche Förderung macht den Kohl nämlich auch nicht mehr fett, und obendrein kriegt man sie später de facto auch noch wieder durch Steuern abgezogen.

Du hast noch das Problem Ausbildung angesprochen. In Deutschland haben wir die Situation, daß man sogar als Fensterputzer eine offizielle Ausbildung machen muß. Natürlich kann man so einen Job auch ohne Facharbeiterbrief machen - aber dann gibt's in der Regel weniger Geld für die gleiche Arbeit.

Wenn man also einigermaßen anständig bezahlt werden möchte, muß man in Deutschland eine Ausbildung machen. Das ist aber auch nicht mehr so einfach wie in früheren Zeiten. In den 50er/60er Jahren soll es noch so gewesen sein, daß die Unternehmen Schüler in den höheren Klassen anschrieben und höflich fragten, ob sie es nicht eventuell in Betracht ziehen würden, bei ihnen eine Ausbildung zu absolvieren. Das ist längst vorbei. Zwar schreien die Unternehmen lauthals nach hochqualifiziertem Personal, aber ausbilden sollen das dann bitteschön andere. Der ideale Stellenbewerber ist ja ohnehin etwa 25, hat 30 Jahre Berufserfahrung und natürlich das exakt passende Zeugnis oder Diplom...

Es gibt heute zwar durchaus viele Firmen, die immer wieder jede Menge Ausbildungsstellen anbieten. Da geht es aber oftmals eher darum, billige Arbeitskräfte und obendrein noch staatliche Fördermittel zu bekommen (die übrigens für Mädchen höher sind als für Jungen). Und was nützt eine Ausbildung, wenn man danach wieder arbeitslos ist und kaum Chancen auf einen festen Job hat?

Diese staatlichen Fördermittel werden dann obendrein auch nur für Jugendliche bis 19 gezahlt. Somit hat man im Alter von 20 aufwärts nochmal deutlich geringere Chancen, noch eine Ausbildungsstelle zu finden.

Von den deutschen Arbeitslosen wird immer mehr Flexibilität verlangt. Da wird dann häufig auf Länder wie die USA verwiesen, wo die Menschen eher bereit sind, auch mal den Beruf zu wechseln, wenn sie in ihrem Beruf keine Arbeit finden. Übersehen wird dabei gern, daß es in den USA eben kein so starres Ausbildungssystem mit uralten Zunftregeln aus dem Mittelalter gibt wie in Deutschland. Daß da nicht für jeden Putz-Job gleich ein Facharbeiterzeugnis verlangt wird, sondern daß da eben mehr zählt, welche Berufserfahrung man wirklich bisher gesammelt hat und wie man in den Unternehmen beurteilt wurde, in denen man vorher gearbeitet hat.

Es müßte in Deutschland möglich sein, daß jemand, der einige Zeit in einem Beruf tätig war, auch ohne jahrelange Ausbildung Facharbeiterstatus erlangen kann. Dann könnten es sich nämlich auch in Deutschland Arbeitslose leisten, den Beruf zu wechseln. Momenten ist das de facto nur möglich, wenn man das Glück hat, eine Umschulung übers Arbeitsamt machen zu können. Ansonsten riskiert man nicht nur Einkommenseinbußen, da man außerhalb des erlernten Berufes grundsätzlich nur als Hilfskraft eingestuft wird, sondern darüber hinaus noch eine Entwertung der eigenen offiziellen Qualifikation. Je länger man nämlich aus einem erlernten Beruf raus ist, umso geringer wird das Zeugnis oder Diplom bei Bewerbungen eingeschätzt. Das allein zwingt in Deutschland schon jeden Arbeitslosen dazu, auf einen Job in seinem Beruf zu bestehen und andere Angebote abzulehnen.

Und dann haben wir noch das Problem der zunehmenden Automatisierung. Vor einigen Jahren gaukelte uns Kohl noch bei jeder Gelegenheit die vielen neuen Jobs im Dienstleistungssektor vor, die es angeblich bald geben würde und die dann die aufgrund des steigenden Einsatzes von Computern, Robotern und anderen Maschinen in zunehmendem Maße verschwindenden Jobs im produktiven Bereich ausgleichen würden. Auch diese neuen Jobs wird es nicht geben. Einige Beispiele:

Kundenbetreuung per Telefon wird zunehmend mit Maschinen erledigt. Spracherkennungs-Software wird diesen Trend noch weiter verstärken.

Es sind bereits vollautomatische Kassensysteme entwickelt worden. Da geht man mit dem Einkaufswagen durch eine Scan-Schranke und bezahlt an einem Automaten. In den Supermärkten der Zukunft wird also im Kassenbereich maximal noch ein Wachmann benötigt, der darauf aufpaßt, daß niemand mit einem Einkaufskorb verschwindet, ohne zu bezahlen.

Im Ruhrgebiet sollen bereits vollautomatische Transportsysteme getestet werden. Die funktionieren wie ein Rohrpostsystem. Es sind also unterirdische Tunnel, in denen Transportcontainer automatisch fahren. Solche Systeme werden zunächst in Großstädten und nach und nach vielleicht sogar flächendeckend Transportaufgaben übernehmen und so menschliche Boten überflüssig machen. Zunächst nur für größere Unternehmen, dann für mittlere und kleinere Firmen und irgendwann auch mal für Haushalte...

Wir bewegen uns langsam aber sich auf den Punkt zu, wo menschliche Arbeitskraft nicht mehr zwingend benötigt wird. Das ist erstmal eine positive Entwicklung, das Problem besteht nur darin, daß unser Gesellschaftsystem nicht darauf ausgerichtet ist, sondern darauf, daß jeder Mensch für seinen Lebensunterhalt arbeiten muß.

Wir werden also auf lange Sicht gesehen nicht umhin kommen, die Gesellschaft grundlegend zu ändern. Leider läuft der bisherige Kurs der Regierungen in den Industriestaaten aber nicht dorthin, sondern man versucht, das System möglichst zu konservieren. Das wird zwangsläufig zum Chaos führen, denn je mehr Menschen weder in der Wirtschaft noch sonstwo benötigt werden, umso schwieriger wird es, die zunehmende Zahl der Erwerbslosen sozial abzusichern. Früher oder später wird das ganz und gar unmöglich werden, aber die Menschen, die dann so abserviert werden, werden sich nicht unter die nächste Brücke setzen und dort einfach verhungern. Die werden sich dann zunehmend mit Gewalt holen, was ihnen vorenthalten wird.

Es wird also einen enormen Anstieg der Kriminalität geben, und davor wird man sich langfristig nur einigermaßen schützen können, indem man die Produktionsstätten und die Wohnungen der Menschen, die noch ein geregeltes Einkommen haben, in bewachte Wohnsiedlungen verlagert. In den USA gibt es solche Siedlungen bereits.

Letztendlich wird das darauf hinauslaufen, daß es wieder Stadtstaaten geben wird, wie in der Antike. Diese Stadtstaaten werden Inseln des Wohlstandes in einem Meer des Chaos sein. Und allesamt früher oder später untergehen.

Das kann man nur vermeiden, wenn man es wieder schafft, Vollbeschäftigung zu realisieren. Wie du schon richtig geschrieben hast, müssen Arbeitslose beschäftigt werden. Es ist immer die Rede davon, daß kein Geld für Kultur oder für soziale Projekte da wäre. Wieso sollten Arbeitslose sich nicht auf diesen Gebieten betätigen?

Und wieso kann der Staat nicht, anstelle hunderte Millionen Euro an Fördermitteln in ein marodes Unternehmen zu pumpen, das dann ohnehin pleite geht, dieses Unternehmen komplett oder zumindest anteilmäßig übernehmen und dafür sorgen, daß es vernünftig saniert und somit erhalten wird? Die Theorie, daß Staatsbetriebe ineffizienter wären als private Unternehmen, ist falsch. Denn gerade große Unternehmen werden heute fast nur noch von Managern geleitet, und denen sollte es egal sein, ob sie von privaten Investoren oder vom Staat bezahlt werden.

Es geht doch eigentlich gar nicht wirklich um Arbeitsplätze, sondern um Erwerbsmöglichkeiten. Das ist im Interesse aller, also sehr wohl auch im Interesse der Wirtschaft. Dort interessiert man sich aber mehr für den sofortigen Maximal-Reibach als dafür, unsere Gesellschaft tauglich für die Zukunft zu machen. Und sägt damit emsig weiter an dem Ast, auf dem wir alle sitzen.

Freundliche Grüße
von Garfield

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