Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

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Unsere Basis wird sich immens verbreitern, wenn wir hartnäckig sind.

Karl, Monday, 25.11.2002, 10:08 (vor 8420 Tagen)

Hallo, ihr alle,

es gibt kleine Erfolgserlebnisse, die uns Mut machen können. Unser Denken verbreitet sich langsam in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen. Wir müssen nur hartnäckig sein, und nicht den Fehler machen, locker zu lassen, und etwa in unseren Anstrengungen nachlassen.
Die Hartnäckigkeit dürfte uns nicht schwer fallen, denn wir vertreten eine gerechte Sache. Ein Erfolgserlebnis sollte uns eher ein Ansporn sein als ein Anlaß, sich auf den Lorbeeren auszuruhen.
Im Grünen(!) Forum bekam ich ein Antwort-Post (in meinem Threat "MÄNNERWEHRPFLICHT ABSCHAFFEN") vom MDB Winfried Nachtwei, dem verteidigungspolitischen Sprecher der Grünen persönlich. Er nennt Dinge beim Namen, die zu benennen noch vor wenigen Jahren ein Tabu, nämlich ein Verstoß gegen die feministische "Korrektheit" gewesen wäre.
Er wagt es, das halte ich für einen Grünen wirklich erstaunlich, von "Ungerechtigkeit" zum Nachteil von Männern zu sprechen, oder hält "eine Regelung, wonach Frauen dürfen und Männer müssen, für verfassungsrechtlich bedenklich".
Lest selbst, ich dachte, ich lese nicht recht:

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Die Diskussion um eine Wehrpflicht für Frauen, allgemeine Dienstpflicht oder "Gebärpflicht" geht m.E. in eine vollkommen falsche Richtung. Die Bundeswehr hat bereits heute maximal für jeden vierten männlichen Wehrpflichtigen einen Platz. Die Debatte um eine Wehrpflicht für Frauen ist also zumindest derzeit theoretisch - die damit angesprochene Ungerechtigkeit ist aber (und das übrigens bereits seit Einführung der Wehrpflicht)konkret.

Das Verfassungsgericht hat am 27.3.2002 (2BvL 2/02)unter Verweis auf eine frühere Entscheidung (u.a. BVerfGE 12, 45 <52>) festgestellt, "dass die Beschränkung der Wehrpflicht auf männliche Bürger keinen Verfassungsverstoß darstellt". Aus dem Stegreif kann ich nicht nachprüfen, ob vom BVerfG damals auch der Verweis auf die sonstigen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben der Frauen herangezogen wurde.

Unbestritten ist aber dass in der öffentlichen Debatte - v.a. von sozialdemokratischer Seite - die Begrenzung der Wehrpflicht auf Männer mit Kinderkriegen, Kindererziehung, Versorgung von kranken Verwandten usw. begründet wurde. Das ist angesichts der nach wie vor dominanten gesellschaftlichen Praxis nicht unbedingt falsch, aber - wie Kalle schreibt - eben auch nicht generell richtig. Die gesellschaftliche Rollen von Männern und Frauen haben sich in den vergangenen Jahren derart verändert, dass diese Begründung von grüner Seite nicht für stichhaltig gehalten wird. Noch unsinniger ist natürlich die biologistische oder mit der "friedlichen Natur der Frau" begründete Auffassung, wie sie häufig von konservativer Seite vorgetragen wird.

Kommen wir zurück zum Kern:
Unsere Fraktion hat wiederholt betont, dass wir eine Regelung, wonach Frauen dürfen und Männer müssen, für verfassungsrechtlich bedenklich, halten. Deshalb wollen wir im Grundsatz: Alle sollen dürfen - keine und keiner soll mehr müssen. Wenn man - wie die meisten hier - der Auffassung ist, dass die Wehrpflicht generell oder aktuell unsinnig ist, wird sie nicht dadurch sinnvoller, dass man den vermeintlichen Unsinn auf Männlein und Weiblein verteilt.

Die Wehrpflicht wird aber auch nicht dadurch sinnvoller, dass man die Ungerechtigkeit gleichmäßiger verteilt und nun jeden jungen Menschen (warum eigentlich nur die jungen?) zum Wehrdienst einberuft oder mangels Wehrdienstplätzen in sonstige staatlich organisierte Zwangsarbeitsdienste einberuft.

Eine allgemeine Dienstpflicht ist weder mit dem Grundgesetz noch mit internationalen Rechtsnormen vereinbar. Es wäre angesichts von mehr als 4 Millionen Arbeitslosen unverantwortlich, Jahr für Jahr mehr als 800.000 Männer und Frauen (so groß ist derzeit ca. ein etwa einzuberufender Geburtsjahrgang) in subventionierte Stellen unterzubringen. Dies wäre mit einem enormen Verwaltungsapparat, vielen Ausnahmeregegelungen, neuen Ungerechtigkeiten und einem hohen finanziellen Aufwand verbunden.

Ich will es bei dieser Klarstellung belassen. Dies ist mein erster Beitrag im Forum. D.h. alle die bisher vorgegeben haben, Winfried oder Winni Nachtwei zu sein, haben nicht nur geschummelt, sondern das Forum und meinen Namen mißbraucht. Ich würde es begrüßen, wenn das künftig vermieden würde.

Gleichzeitig möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich mich aus Zeitgründen nur sporadisch in die Diskussion einmischen kann. Ich verweise aber auf meine Homepage www.nachtwei.de wo weitere Informationen zu meiner politischen Arbeit zu finden sind. Dort kann man sich auch in eine mailing-list eintragen.

Soweit für heute

Ihr
Winfried Nachtwei
Sicherheitspolitischer Sprecher
Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen
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Es freut mich, sowas, wenn es auch noch recht zaghaft ist, von einem maßgeblichen Politiker lesen zu können. Ich sehe darin ein Erfolgserlebnis, das uns uns Mut machen sollte, auf dem beschrittenen Weg fortzufahren.
Habe wenig Zeit,
viele Grüße an alle

Karl

forum der grünen

Re: Unsere Basis wird sich immens verbreitern, wenn wir hartnäckig sind.

Jolanda, Monday, 25.11.2002, 13:10 (vor 8420 Tagen) @ Karl

Als Antwort auf: Unsere Basis wird sich immens verbreitern, wenn wir hartnäckig sind. von Karl am 25. November 2002 08:08:27:

Hallo Karl

Es freut mich, sowas, wenn es auch noch recht zaghaft ist, von einem maßgeblichen Politiker lesen zu können. Ich sehe darin ein Erfolgserlebnis, das uns uns Mut machen sollte, auf dem beschrittenen Weg fortzufahren.

---Vollste Zustimmung!

Liebe Grüsse
Jolanda

Re: Unsere Basis wird sich immens verbreitern, wenn wir hartnäckig sind.

Odin, Tuesday, 26.11.2002, 00:45 (vor 8420 Tagen) @ Karl

Als Antwort auf: Unsere Basis wird sich immens verbreitern, wenn wir hartnäckig sind. von Karl am 25. November 2002 08:08:27:

Hallo, ihr alle,
es gibt kleine Erfolgserlebnisse, die uns Mut machen können. Unser Denken verbreitet sich langsam in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen. Wir müssen nur hartnäckig sein, und nicht den Fehler machen, locker zu lassen, und etwa in unseren Anstrengungen nachlassen.

AMEN

Das von Dir veröffentlichte Schreiben des grünen Abgeordneten finde ich persönlich sehr ermutigend. Aus diversen Gründen bin ich nicht gegen Wehrpflicht und Zivilpflicht, allerdings natürlich gegen diese Pflichten allein auf Männerseite.
Natürlich läßt sich eine Pflicht auf Frauenseite nicht durchführen (gehe ich jedenfalls davon aus). Daher muß diese Pflicht auf Männerseite eben abgeschafft werden.
Das Schreiben war wirklich sehr aussagekräftig und sicherlich in dieser Deutlichkeit überraschend!
Odin

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