Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Starke Mädchen und starke Jungs

Joachim, Tuesday, 05.11.2002, 22:28 (vor 8438 Tagen)

Professorin Petra Focks: Verhaltensmuster spielerisch aufbrechen, um soziale Ungleichheit zu vermeiden

Von unserem Redakteur
Michael Wilke

Landkreis. Jungen sind stark und dominant, Mädchen lieb und hübsch. Die Geschlechter-Stereotype sind immer schon da in der Gesellschaft. Sie prägen Erziehung und Entwicklung, Kinder- und Erwachsenenwelten. Mädchen und Jungen können anders sein und anders werden. Im Kindergarten „experimentieren und posieren, erproben und inszenieren sie wie wild“, erklärte Dr. Petra Focks, Professorin an der Katholischen Fachhochschule für Sozialwesen in Berlin, im Tagungshaus Bredbeck. Hier sieht sie die Chance, „eingefrorene Verhaltensmuster spielerisch aufzubrechen. Ich kann neue Muster erproben.“
Am Sonnabend referierte die Autorin des Buches „Starke Mädchen, starke Jungs“ über das Thema. Vor ihr saßen über 100 Erzieherinnen aus Kindergärten. Es war der Auftakt des Fortbildungsprojekts „MädchenStärken – JungenStärken“Es geht um das Erforschen der Lebenswelten und Interessen von Jungen und Mädchen, um Theorien zur Arbeit mit Jungen und Mädchen, um die Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen, die die Gesellschaft Kindern zuweist. Dass Geschlechterrollen nicht angeboren sind, sondern zugeschrieben werden, belegte die Professorin mit einem Experiment. Ein Baby wurde zwei Gruppen von Menschen gezeigt. Einer Gruppe wurde gesagt, es sei ein Junge. Prompt urteilte die Gruppe, das Baby sei kräftig, stark und unruhig. Die andere Gruppe reagierte auf das Stichwort „Mädchen“ und beschrieb es als lieb, hübsch, artig und ruhig. „Das zeigt, wie stark das angenommene biologische Geschlecht unsere Wahrnehmung prägt“, betonte Focks. Menschen hätten Rollenbilder verinnerlicht und benutzten
sie unreflektiert. „Darum ist es wichtig, dass wir unsere Annahmen, wie Mädchen und Jungs sind, ständig reflektieren.“ Im Kindergarten probieren Jungen und Mädchen Geschlechterrollen aus – und achten genau auf die Reaktion der Erzieherinnen. Kommt keine,werten sie das als Bestätigung. Jungen tragen keine Kleider, Technik ist nichts für Mädchen– so festigen sich Rollenmuster. „Machen Sie deutlich, dass sie Technik doch interessiert – auch wenn Sie eine Frau sind.“
Geschlecht werde Jungen und Mädchen zugeschrieben, erworben und bewertet, betonte Petra Focks. Jungen lernten, dass sie fürs Entscheiden und Reparieren zuständig seien, Mädchen für das Menschliche, Fürsorgliche. „Geschlecht ist immer schon da – die Gesellschaft weist uns unsere Plätze zu wie in einem Haus.“ Männer oben, Frauen unten – hier die anerkannte Berufswelt der Männer, da die gering geschätzte, oft nicht wahrgenommene Familienwelt der Frauen.
Elternzeit? Nichts für Männer. Nur zwei Prozent bleiben zuhause und kümmern sich um Babys. Medien verstärken als „ungewollte Erzieher“ Rollenklischees. Im Kindergarten spielen die Jungen gern mächtige Anführer, wilde Räuber oder kraftstrotzende Beschützer, Mädchen mimen Prinzessinnen oder Ballerinas. Rigide Rollenbilder tun Jungen und Mädchen nicht gut. Jungen müssen „alles im Griff“ haben, da bleibt wenig Raum für Angst. Sich durchzusetzen, gilt als männlich – notfalls mit Gewalt. 96 Prozent aller Strafgefangenen sind Männer.
Mädchen entwickeln weniger Selbstwertgefühl, Aggressionen und Selbstbehauptung. Notwendige, aber nicht zugelassene Aggressionen wirkten nach innen, erklärte Focks. Die Folgen seien Magersucht und Migräne, Essstörungen und Depressionen.

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