Moderne Arbeitszeiten (Beispiel 2)
Und hier nun ein weiteres Beispiel
Beispiel 2:
September 2002:
Schrichten GmbH Kunststoff- und Formentechnik
Grünes Licht für neue Arbeitszeiten
Ampelkonten bei der Schrichten GmbH
Wenn die Tage kürzer werden, kaufen die Menschen mehr
Lampen. Die größere Nachfrage zwischen September und
April bekommt die Schrichten GmbH in Schmallenberg
regelmäßig zu spüren. Das Spezialunternehmen fertigt unter
anderem für die Lampenindustrie Spritzgussteile aus
Kunststoffen. Kurze Lieferzeiten und rasche
Auftragsabwicklung erwarten auch die anderen großen
Auftraggeber von dem Zulieferbetrieb aus dem Sauerland.
Bislang machten die Beschäftigten in der Produktionshalle
oder im Werkzeugbau dann Überstunden.
Von der 40-Stundenwoche zur Jahresarbeitszeit
In intensiven Produktionsphasen, beim Bau der Formen für
den Spritzguss oder wenn die ersten Muster vom Band
laufen, sind manches Mal 10-Stunden-Tage vonnöten,
während zu anderen Zeiten nicht jeder ausgelastet ist.
Im September 2001 vereinbarte die Belegschaft ein
Arbeitszeitenmodell, das hier mehr Spielraum bieten sollte.
Überstunden werden heute nicht mehr ausbezahlt, sondern
dem Jahresarbeitszeitkonto der Mitarbeiter gut geschrieben.
Statt Geld gibt es für die geleistete Arbeit Freizeitausgleich.
Bei plus/minus 30 Stunden steht die Ampel auf grün - das
Konto kann kurzfristig ausgeglichen werden. Die gelbe
Phase bedeutet, dass bereits 60 Stunden verbucht wurden -
Stunden die der Mitarbeiter seinem Unternehmen noch
"schuldig" ist oder die durch Mehrarbeit entstanden sind.
Betrieb und Mitarbeiter überlegen dann, wann das Konto
über Freizeitausgleich ausgeglichen werden kann.
Stechuhr abmontiert
Den Überblick über den Stand des Stundenkontos gibt ein
modernes Zeiterfassungssystem. Gezählt wird jede Minute.
Abwarten im Mantel vor der Stechuhr, bis der große Zeiger
auf der zwölf ist, das hat heute keiner mehr nötig. Der
Werkzeugmacher an der Drehbank weiß es zu schätzen:
"Wenn ich morgens den Kaffe in Ruhe ausgetrunken habe,
gehe ich zur Arbeit - ganz gleich ob es kurz nach sechs oder
kurz vor sieben ist. So passt die Arbeitszeit einfach besser zu
meinem Lebensrhythmus." Das neue System hat ihn überzeugt.
Stichwort: Qualitätssicherung
Die neuen Arbeitszeiten passen auch bestens zur innovativen
Planung der Arbeitsabläufe im Unternehmen. Als Team sind
die Mitarbeiter heute für die einzelnen Aufträge
verantwortlich. Vom Konstrukteur bis zum
Maschinenbediener ist da jeder und jede in das laufende
Projekt eingebunden. Wenn für den Kunden die Form, in die
später die Kunststoffe eingespritzt werden, konstruiert und
gebaut wird, wenn der Musterungsprozess beginnt und das
neue Werkzeug auf der Maschine eingerüstet wird, werden
mehr Mitarbeiter gebraucht als später, wenn das Produkt in
Serie vom Band läuft. "Da hilft ein solches
Arbeitszeitenmodell enorm", weiß der Leiter der Abteilung
Qualitätswesen, Thomas Mönig, "weil man damit die
Zusammenarbeit der einzelnen Mitarbeiter viel besser
abstimmen kann." Dazu kommt, dass anstehende Projekte
selbstverständlich zu Ende gebracht werden, wenn man am
nächsten Tag dafür früher nach Hause gehen kann.
Mitwirkung der Belegschaft
Im Rahmen der Arbeitszeitberatung NRW wurde im Betrieb
vorab eine Arbeitsgruppe gebildet. Werkzeugbauer,
Angestellte und Mitarbeiter aus dem Management saßen mit
am Tisch und überlegten gemeinsam: Wie müssen die
Kernzeiten besetzt sein, wo ist die Eingleitphase und die
Ausgleitphase, welche Absprachen erfordert die Produktion
im durchlaufenden Schichtbetrieb?
Das Ergebnis in Form einer Betriebsvereinbarung bringt
Spielraum für beide Seiten. Mussten sich die Beschäftigten in
der Vergangenheit für jeden Arztbesuch oder Behördengang
frei nehmen, so können sie dies heute leicht und
unbürokratisch aus ihrem Stundenplus bestreiten. Andere
setzen beim Jahresurlaub angesparte Überstunden ein.
Insbesondere die ausländischen Mitarbeiter ziehen eine
längere Sommerpause der Überstundenzahlung vor. Von der
Formel "Freizeit statt Geld" ist heute die Mehrheit überzeugt.