Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

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Moderne Arbeitszeiten (Beispiel 1)

Beatrix, Monday, 14.10.2002, 03:46 (vor 8459 Tagen)

Hallo Maesi und alle, die es (hoffentlich) interessiert:

Es ist viel getan worden in den letzten Jahren, um die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie zu erleichtern. Ich denke da z.B. an den Bundeswettbewerb "Familienfreundlicher Betrieb". Oder das eingeführte "Recht auf Teilzeitarbeit". Oder die Initiative "Frauen in Führungspositionen". Ich hab den Bücherschrank voll stehen mit Büchern und Broschüren voller interessanter Beispiele. Doch die Bevölkerung nimmt viel zu wenig Notiz.

Ich wohne ja in NRW, dem bevölkerungsreichsten Bundesland. Hier hat man sich bereits seit langem Gedanken über die Veränderung der Arbeitswelt gemacht. Es gab u.a. die Landesinitiative "Frau und Beruf" und die "Aktion 100 Betriebe".

Ich möchte gern mal zwei Beispiele bringen mit Firmen aus meiner eigenen Region, dem Sauerland.

Doch vorab ein paar Infos zu der Aktion.
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Im Rahmen des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und
Wettbewerbsfähigkeit NRW unterstützte das Ministerium für
Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie des
Landes Nordrhein-Westfalen (MASQT) die Aktion "100
Betriebe" zur Einführung beschäftigungsfördernder Arbeitszeiten.

Über 200 Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen beteiligten
sich bisher an der "Aktion 100 Betriebe". 78 davon führten neue
Arbeitszeitmodelle ein, mit zum Teil beträchtlichen Beschäftigungseffekten:
Insgesamt konnten über 600 neue Arbeitsplätze geschaffen und befriste
in unbefristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden.
Jeden Monat wollen wir Ihnen unter Betrieb des Monats ein Unternehmen
stellvertretend vorstellen.
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Dazu ein Presseartikel aus der Frankfurter Rundschau vom 11.10.2001:

Die einen malochen bis zur Erschöpfung, die anderen haben
keinen Job - das passt nicht zusammen, meint nicht nur der
DGB. Er fordert seit langem, mehr Teilzeit-Stellen zu
schaffen und Überstunden abzubauen. Wenn das nicht
gelingt, dürfte DGB-Funktionären die Lust vergehen, sich für
bescheidene Lohnforderungen einzusetzen. Die FR hat sich
Betriebe und Projekte angesehen, die Arbeit umverteilt und
Jobs geschaffen haben.

Warum lassen Unternehmer ihre Beschäftigten nach
Feierabend arbeiten statt neue Leute einzustellen? Sorgen
der "rigide Kündigungsschutz" und die "Überregulierung des
Arbeitsmarkts" dafür, dass Firmen vor Neueinstellungen
zurückschrecken, wie die Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände (BDA) meint? Oder sind Firmen
schlicht überfordert, wenn es um Personalplanung und
Umverteilung von Arbeit geht?

Vielleicht brauchen die Betriebe einfach Hilfe, dachten sich
die Teilnehmer des Bündnisses für Arbeit in
Nordrhein-Westfalen und starteten die "Aktion 100
Betriebe". Seit Januar 2000 beraten Experten solche
Unternehmen, die neue Arbeitszeit-Modelle einführen und
gleichzeitig Stellen erhalten oder schaffen wollen. Die
Fachleute geben zum Beispiel Tipps, wie man Überstunden
abbauen, Arbeitszeit-Konten einrichten oder neue
Schichtmodelle einführen kann.

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Beispiel 1:
Die Firma Schwerter in Iserlohn hat sich im vergangenen
Jahr an der "Aktion 100 Betriebe" beteiligt. Früher, erzählt
die Betriebsleiterin Elke Ossenberg, hätten die Mitarbeiter
oft nach Feierabend oder samstags gearbeitet, um die
Aufträge zu bewältigen. Trotzdem konnte der Betrieb, der
mit Eisenwaren handelt, den Kunden keinen
24-Stunden-Lieferservice bieten. Deswegen beschloss die
Betriebsleiterin, sich von Fachleuten der NRW-Aktion
beraten zu lassen: In einem Workshop entwickelten
Schwerter-Mitarbeiter aus allen Bereichen zusammen mit
einer IHK-Expertin ein neues Arbeitszeit-Modell: Seit Mai
2000 arbeiten die Beschäftigten im gewerblichen Bereich
zwischen 6 und 17 Uhr statt wie bisher von 7 bis 16 Uhr.
Die Abteilungen regeln selbst, wer früher kommt und wer
länger bleibt. Überstunden werden auf einem Konto gut
geschrieben und abgefeiert, wenn es weniger zu arbeiten gibt.

Bei der Umstellung hat Schwerter bewusst die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbezogen. "Wenn die
Mitarbeiter das Modell nicht mittragen, erreichen wir gar
nichts", argumentiert Elke Ossenberg. Das Unternehmen hat
nach ihrer Ansicht von den neuen Arbeitszeiten profitiert,
weil es konkurrenzfähiger geworden ist: Der
24-Stunden-Lieferservice sei jetzt ein realistisches Ziel, das
schon heute oft erreicht werde. Dank der neuen
Arbeitsorganisation hat Schwerter drei zusätzliche Leute
eingestellt. Gesetzliche Regelungen wie Kündigungsschutz
machten der Betriebsleiterin dabei keine Sorgen: "Wir haben
zunächst befristete Verträge abgeschlossen. Inzwischen sind
die Neuen fest angestellt." Auch zusätzliche Kosten seien nicht entstanden.

Bei der "Aktion 100 Betriebe" haben bisher über 200
Unternehmen mitgemacht; 68 hätten inzwischen neue
Arbeitszeit-Modelle eingeführt - und dadurch mehr als 500
neue Stellen geschaffen, berichtet Gabi Schilling vom Institut
Arbeit und Technik in Gelsenkirchen. Sie wertet zurzeit das
Modell aus und hat herausgefunden, dass die meisten dieser
Betriebe im Zuge der neuen Arbeitsorganisation
Überstunden abgebaut haben.

Wichtig ist nach ihrer Erfahrung eins: Wer
Arbeitszeit-Konten einführt, sollte auch regeln, was zu tun ist,
wenn die Konten über Monate hinweg proppenvoll sind.
Man könne etwa vereinbaren, dass Betriebsrat und
Unternehmensleitung ab einem bestimmten Limit über
zusätzliche Einstellungen verhandeln müssen.

500 neue Arbeitsplätze in anderthalb Jahren - das klingt
lächerlich im Vergleich etwa zum Volkswagen-Konzern, der
in Wolfsburg auf einen Streich 3500 neue Jobs schaffen will.
Allerdings sollte man kleine und mittlere Betriebe nicht aus
dem Blick verlieren, denn sie bieten in Deutschland die
meisten Stellen: Dort arbeiten rund 70 Prozent aller Beschäftigten.

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Nachzulesen unter:
[link=http://www.arbeitszeiten.nrw.de/index.html" target="blank]http://www.arbeitszeiten.nrw.de/index.html[/link]

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