Erfahrungsbericht vom "Männerhaus" Oldenburg nach einem halben Jahr
In der Stadt Oldenburg wurde von einer privaten Vereinigung das erste "Männerhaus" der deutschen Republik gegründet, in dem vor allem von ihren Frauen geprügelte Männer zeitweilig Zuflucht finden sollen. Nach einem halben Jahr wurde nun der folgende Erfahrungsbericht veröffentlicht (sprachlich von mir geringfügig korrigiert):
Erfahrungsbericht des Vereins "Männer-Wohn-Hilfe" e.V.
Belegung
Seit der Eröffnung war die Wohnung nur die ersten Tage unbenutzt. Nach der großen Resonanz in der Öffentlichkeit und bei den Institutionen, die sich mit dem Gewaltschutzgesetz befassen, fanden die meisten Männer den Weg zu der Schutzwohnung über Institutionen. Gerade über die Polizei kamen in der ersten Zeit viele Anfragen, auch Ausbildungsträger oder soziale Dienste waren Überweiser für die Männer.
Nach der ersten Kontaktvermittlung nahmen die Männer persönlichen Kontakt zu den Mitgliedern des Vereins auf.
Bereits nach kurzer Zeit bestand eine Warteliste zur Aufnahme in die Wohnung. Teilweise war die Wohnung doppelt belegt. Zur Zeit besteht wieder die Möglichkeit einer Belegung. Die Wohnung kann von zwei Männer oder einen Mann mit Kindern belegt werden. Aus der Tatsache, dass die Wohnung weder leer stand, noch dass es über längere Zeit eine Warteliste gab, ergibt sich, dass die Größe der Wohnung für Oldenburg angemessen ist.
Gewalt
Unserer Erfahrung nach wendet die Polizei zur Zeit das Gewaltschutzgesetz mitunter so präventiv an, dass selbst ohne Sachbeschädigung schon die Männer weggewiesen werden. Die Männer, die bei uns wohnten, haben nach ihren Aussagen in keinem Fall Gewalt gegen andere Personen angewendet. Lediglich ein Mann hat sich gewaltsam Zutritt zu der von ihm bewohnten Wohnung verschafft, als sich niemand in der Wohnung aufhielt und ihm die Herausgabe seiner dringend benötigten persönlichen Gegenstände verweigert wurde.
Trotz der ursprünglichen Auffassung keine Männer aufzunehmen, die nach dem Gewaltschutzgesetz weggewiesen wurden, haben unsere Erfahrungen gezeigt, dass dies kein Indiz für Gewalt oder Uneinsichtigkeit ist, so dass wir dies nicht mehr so streng anwenden.
Bei diesen privaten Auseinandersetzungen ist es nicht Aufgabe der Polizei, Schuld oder Unschuld festzustellen, sondern für eine Deeskalation zu sorgen. Da im Zweifelsfall die Männer weggewiesen werden, wird so das öffentliche Bild des "schuldigen" Mannes weiter verfestigt. Ein Dilemma, das im Moment nicht auflösbar erscheint und dem nur durch gezielte öffentliche Stellungnahmen entgegen gewirkt werden kann. Wie unten erwähnt ist es für eine wirkliche Bewältigung der Konflikte dringend notwendig das Täter-Opfer-Schema als Teil der Gewaltdynamik zu brandmarken und es nicht mehr anzuwenden.
Unsere ursprüngliche Überzeugung, keinem uneinsichtigen Gewalttäter zu helfen, bleibt in aller Klarheit weiter bestehen.
Kurze exemplarische Darstellung der Männer:
Ein Mann war knapp über sechzig Jahre alt. Nachdem ihm von seiner Partnerin die finanziellen Grundlagen seiner Existenz entzogen worden waren, blieb er mehrere Wochen, in denen er seine Angelegenheiten selber, teilweise unter Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes, regelte. Trotz einiger Bedenken kehrte er zu seiner Partnerin zurück.
Ein anderer Mann war bei seiner Aufnahme sehr durcheinander und wohnte bereits seit Tagen in einem Hotel. Im Laufe des mehrmonatigen Aufenthaltes konnte er sowohl eine bereits anstehende Maßnahme des Arbeitsamtes erfolgreich beenden als auch den Kontakt zu seinen Kindern sichern und ausbauen. Die Regelung seiner persönlichen Probleme wurde durch eine vermittelnde Institution unterstützt, so dass beide Lebenspartner an der Bewältigung ihrer gemeinsamen Probleme verantwortungsvoll mitwirken konnten. Dieser Mann mietet sich eine neue angemessene Wohnung, um von dort aus, die weitere Beziehungsentwicklung zu gestalten, ohne dass alte Konfliktlösungsmuster oder Abhängigkeiten dies zu negativ beeinflussen können.
Ein weiterer Mann blieb ebenfalls einige Wochen, in denen er sehr schnell sich neue Lebensgrundlagen schuf und trotz betriebsbedingter Kündigung nicht den Mut verlor. Auch dieser Mann kehrte nicht in das alte Haus zurück, sondern mietet sich eine neue Wohnung.
Kompetenzen
Allen Männer gemein war die Bereitschaft und die Fähigkeit, die aktuellen Lebenskonflikte offensiv und konstruktiv anzugehen. Die unterstützenden Gespräche wurden gern angenommen und konkret verwertet. Trotzdem war manchmal spürbar, wie fremd es Männern ist, Unterstützung anzunehmen und sich in solchen Situationen nicht bevormundet vorzukommen. Alle Männer haben uns die Rückmeldung gegeben, dass das Angebot der Männer-Wohn-Hilfe sehr geholfen hat, ihre Probleme anzugehen. Insbesondere die Schnelligkeit der Hilfe, die Klarheit der Unterstützungsangebote und die positive Aufnahme durch zugewandte Männer wurden von ihnen hervorgehoben.
Unsere positiven Grundannahmen über Männer wurden von den Bewohnern bisher noch übertroffen. In keinem Fall fühlten sich die anderen Bewohner durch die zeitweiligen Bewohner der Wohnung beeinträchtigt, obwohl dies zunächst vielfach von Außenstehenden vermutet wurde. Der einzige Bewohner, der ein latentes Alkoholproblem hatte, konnte dies in dieser Zeit gut regulieren und wurde von uns regelmäßig damit konfrontiert. Die Versorgung konnten die Männer erwartungsgemäß selber gut sicherstellen, ebenso wie die Sauberkeit in der Wohnung nie ein Problem war. Der Ansatz der Eigenverantwortlichkeit der Männer hat sich in vollem Umfang bewährt.
Darüber hinaus mussten mehrere Männer aufgrund ihrer psychischen Zustandes an andere Institutionen weiterverwiesen werden.
Gewaltschutzgesetz
Weitere Klärung bedürfen unserer Erfahrung nach noch die rechtliche Handhabung des Gesetzes, da zum Beispiel eine Wegweisung durch das Gericht nicht einmal befristet wurde, die Entscheidung nicht schriftlich erging und ohne Rechtsmittelbelehrung versehen war.
Männerbewegung
Auch wenn die Fachöffentlichkeit oder die Männerbewegung die erste Schutzwohnung mit großem Interesse und Erstaunen zur Kenntnis nahmen, gab es von dieser Seite keine Unterstützung des Vereins. Überhaupt ist zu konstatieren, dass bei vielen Männern oder der Männerbewegung es kaum die Idee gibt, Männer zu unterstützen.
Unsere Anfrage an Gerichte oder die Staatsanwaltschaft führten bis heute nicht zur Überweisung von Bußgeldern. Spendenaufrufe, oder Anfragen nach Sponsoring bei vielen Firmen blieben ohne Resonanz.
Zu fragen bleibt hier, welche Dynamiken dazu führten, dass es bisher fast keinen Mitgliederzuwachs oder Spenden gab. Zu denken ist dabei an die Konkurrenz zwischen Männern, die zunächst die Differenz zu anderen betont und nicht die Solidarität. Ebenso hat der vollständige Verzicht auf eine übergeordnete Ideologie und der Ausstieg aus der Täter-Opfer-Dynamik zur Folge, dass es wenig Möglichkeiten der festen Gruppenidentifikation gibt. Gerade der letzte Punkt stellt unserer Auffassung nach eine wesentliche Innovation in der Auseinandersetzung über häusliche Gewalt dar.
Existenzsicherung
Auch wenn der kleine Verein bisher keine dauerhafte Unterstützung oder Sicherstellung der Existenz erarbeiten konnte, sei darauf verwiesen, dass aus den Mittel zur Unterstützung von Selbsthilfegruppen von der BeKos die Renovierung der Wohnung bezahlt werden konnte. Mittel der Bürgerstiftung der Stadt Oldenburg wurden für die Anschaffung einer Waschmaschine und einer Musikanlage verwendet.
Allergrößter Dank gilt weiterhin unserem Sponsor der "Deutschen BauBeCon", die in uns von Anfang an großes Vertrauen setzte und auf die Grundmiete für die Wohnung verzichtet. Für die jetzt ausstehenden Verhandlungen wurde von der BauBeCon bereits Wohlwollen signalisiert.
Wir hoffen, mit diesen vorläufigen Eindrücken der ersten halben Jahres anderen Männern Mut zu machen, ebenfalls kleine konkrete Projekte in die Tat umzusetzen und sich für das Wohlergehen des eigenen Geschlechts zu engagieren.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Rosenthal
1. Vorsitzende