Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Presse berichtet über Platzverweis für prügelnde Männer

Arne Hoffmann, Friday, 30.08.2002, 13:06 (vor 8504 Tagen)

Die Frankfurter Rundschau meldet in ihrer Ausgabe vom 30.8.2002:

--- Häusliche Gewalt: Landtag beschließt Platzverweis
WIESBADEN. Hessische Polizisten können prügelnde Ehemänner künftig für 14 Tage der Wohnung verweisen. Ein entsprechendes Gesetz hat der Landtag am Donnerstag einstimmig beschlossen. Zugleich hält Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU) aber an Kürzungen unter anderem bei Gewaltberatungsstellen und Frauenhäusern um 5,6 Prozent fest. Sie geriet deshalb am Donnerstag unter Beschuss von SPD und Grünen: Gerade wenn Familien gewalttätige Männer aussperrten, bräuchten sie Hilfe und Unterstützung, sagte etwa Petra Fuhrmann (SPD). Die Sozialministerin hielt den Kritikern entgegen, die Kürzungen seien "mit Augenmaß" vorgenommen worden.
Der polizeiliche Platzverweis gegen gewalttätige Männer betrifft voraussichtlich jedes Jahr tausende Familienmitglieder im Land. Wie groß der Beratungsbedarf wird, hatte die Jura-Professorin Dagmar Oberlies unterstrichen. So sei zum Beispiel die Kontrolle des Platzverweises bisher unzureichend geregelt. Die Frauen bräuchten auch rechtliche Hilfe, weil der polizeiliche Platzverweis von einem Richter bestätigt werden muss. Um dafür mehr Zeit zu gewinnen, hatte die SPD durchgesetzt, den Platzverweis bei Bedarf um 14 Tage zu verlängern. ---

Quelle: http://www.fr-aktuell.de/fr/0407/t0407004.htm

Kaum anders formuliert, also vermutlich aus derselben Feder stammend, ist ein Artikel, der im Presseverbund Rhein-Main (Wiesbadener Tagblatt, Wiesbadener Kurier, diverse Mainzer Zeitungen etc.) erschien:

--- Kürzung bei Frauenhäusern durch
Landtag beschließt außerdem Platzverweis für prügelnde Männer

Vom 30.08.2002

Wiesbaden. (lhe) Hessische Polizisten können prügelnde Ehemänner künftig für 14 Tage der Wohnung verweisen. Ein entsprechendes Gesetz hat der Landtag gestern einstimmig beschlossen. Zugleich hält Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU) aber an Kürzungen im Sozialhaushalt etwa bei Gewaltberatungsstellen und Frauenhäusern um 5,6 Prozent fest.
Sie geriet deshalb unter Beschuss von SPD und Grünen: Gerade wenn Familien gewalttätige Männer aussperrten, bräuchten sie nach dem mutigen Schritt Hilfe und Unterstützung, sagte etwa Petra Fuhrmann (SPD).
Mehrere Initiativen wie zum Beispiel der Verein gegen sexuelle Gewalt „Grundwasser“ in Wiesbaden fürchteten um ihre Existenz oder müssten Mitarbeiter entlassen, sagte Fuhrmann. Am Mittwoch hatten 150 bis 200 Mitarbeiter und Unterstützer hessischer Frauenhäuser in Wiesbaden demonstriert und dann im Landtag eine Resolution übergeben.
Die Sozialministerin hielt den Kritikern entgegen, die Kürzungen seien "mit Augenmaß" vorgenommen worden. 5000 Euro Kürzung wie beim Bensheimer Frauenhaus brächten keine Schließung oder Entlassung. Schuld seien die Steuereinbrüche wegen der "katastrophalen Finanzpolitik" des Bundes, auf die das ganze Land und auch das Sozialministerium reagieren müssten. Sie hoffe außerdem darauf, dass mit dem Platzverweis gegen gewalttätige Partner weniger und nicht mehr Frauen Schutz in Frauenhäusern suchen müssten.
Der polizeiliche Platzverweis gegen gewalttätige Männer betrifft voraussichtlich jedes Jahr tausende Familienmitglieder im Land. Allein im Kreis Groß-Gerau fielen jährlich etwa 100 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt an, sagte Innenminister Volker Bouffier (CDU) im Landtag. Ungleich öfter komme es erst gar nicht zur Anzeige, hatten Experten Ende Mai bei einer Landtagsanhörung mitgeteilt. Rund 2200 hessische Frauen und ebenso viele Kinder suchen nach Schätzungen der FDP-Landtagsfraktion jedes Jahr Schutz in einem der 34 hessischen Frauenhäuser.
Wie groß der Beratungsbedarf wird, wenn in solchen Fällen künftig der Täter und nicht die Opfer gehen müssen, hatte bei der Landtagsanhörung die auf das Thema spezialisierte Frankfurter Jura-Professorin Dagmar Oberlies unterstrichen. So sei zum Beispiel die Kontrolle des Platzverweises bisher unzureichend geregelt. Viele Frauen hätten Angst vor der Rückkehr rachsüchtiger Männer.
Unklar sei auch, ob und wie für 14 Tage weggeschickte Männer einen Teil des Hausrates mitnehmen dürfen. Die Frauen brauchten auch rechtliche Hilfe, weil der polizeiliche Platzverweis von einem Richter bestätigt werden muss. Um dafür mehr Zeit zu gewinnen, hatte die SPD durchgesetzt, den Platzverweis bei Bedarf um 14 Tage zu verlängern.

Quelle: http://www.main-rheiner.de/region/objekt.php3?artikel_id=962478

Wie man sieht ist "Täter" und "Mann" in den Artikeln durchgehend gleichgesetzt. Das Gewaltschutzgesetz mag dem Wortlaut nach geschlechtsneutral gehalten sein. Die öffentliche Wahrnehmung indes wird noch immer ganz gezielt und einseitig gesteuert. Frauen als Täterinnen kommen in der Realität so oft vor wie Männer – in einer öffentlichen Berichterstattung wie dieser werden sie komplett unter den Teppich gekehrt.

Re: Presse berichtet über Platzverweis für prügelnde Männer

Manfred, Friday, 30.08.2002, 13:56 (vor 8504 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Presse berichtet über Platzverweis für prügelnde Männer von Arne Hoffmann am 30. August 2002 10:06:25:

Genau, auch ich bin mittlerweile sehr sensibel geworden für diese Form des Sprachgebrauches.
Hessische Polizisten können prügelnde Ehemänner künftig für 14 Tage der Wohnung verweisen...
"prügelnd" einfach so... Eine Person (weiblich) behauptet es, die andere Person (männlich) ist es. So einfach ist das.
Man erinnert sich: Da kann so manche(r) Attentäter(in) in flagranti inmitten des Blutbades erwischt werden, die rauchende Maschinenpistole noch in der einen Hand, das bekennerschreiben in der anderen. Hier machen sich die beteiligtn rmittler, Medien und sonstige stets die Arbeit diese solange als "mutmaßliche" Terroristen zu bezeichen bis das Urteil gerichtlich gefällt wurde. Sogar wenns Jahre dauert und kein zweifel an der Schuld besteht. Vergleichen wir das mal mit der Berichterstattung in den Fällen des Gewaltschutzgesetzes. Sofern man das noch als Berichterstattung bezeichnen kann.
Staatlich organisierter Rufmord ist das.
Manfred

Re: Presse berichtet über Platzverweis für prügelnde Männer

Joachim, Saturday, 31.08.2002, 10:32 (vor 8503 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Presse berichtet über Platzverweis für prügelnde Männer von Arne Hoffmann am 30. August 2002 10:06:25:

Hier ist noch so ein Artikel über die so bösen Männer und den unschuldigen braven Frauen!
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Rettungsanker für Frauen, wenn Männer zuschlagen

Polizisten beraten Frauen am Opfertelefon rund um die Uhr, wenn's zu Hause kracht. Mehr Handlungsmöglichkeiten mit neuem Gesetz

Von unserer Mitarbeiterin
PETRA GEISBÜSCH

BERNKASTEL-WITTLICH. Schlagen, treten, nötigen: Wenn Ehemänner oder Partner zu Hause ausflippen, greift die Polizei längst hart durch. Das neue Opfertelefon bietet kompetente Hilfe für die Frauen.

Die Zahlen sind nur schätzbar. Jede siebte Frau zwischen 21 und 59 Jahren soll laut einer Erhebung des Niedersächsischen Kriminologischen Forschungsinstituts bereits Opfer von häuslicher Gewalt geworden sein. Die äußert sich keineswegs allein in körperlicher Gewalt mit sichtbaren und damit beweisbaren Verletzungen, häufig kommt es auch zur seelischen Zerstörung der Frau.
"Regionaler Runder Tisch in der Eifel"

"Männer behaupten gerne, dass sie genauso von häuslicher Gewalt betroffen seien wie die Frauen und erzählen von prügelnden Frauen", berichtet Gerd Schneider, Leiter des Kommissariats 2 in der Kriminalinspektion Wittlich. "Das können wir nicht bestätigen." Es sind zu 99,9 Prozent die Frauen, die darunter leiden, und denen geholfen werden muss.

Das hat nicht nur der Gesetzgeber erkannt. Auch lokal werden Konsequenzen aus dieser Erkenntnis gezogen. In den Kreisen Bernkastel-Wittlich, Bitburg-Prüm, Daun und dem Altkreis Zell, wurde im vergangenen Jahr ein "Regionaler Runder Tisch Eifel" zu diesem Thema gegründet. Vertreter der Politik, Justiz, Polizei, von Frauenhäusern, Beratungsstellen sowie Frauenbeauftragte werden darin richtungsweisend tätig. Dazu gehört die Einrichtung eines Opfertelefons, das ab dem 1. September rund um die Uhr betroffene Frauen berät und stärkt. "Wir versuchen zumindest, die Leitung 24 Stunden zu besetzen", sagen Kommissariatsleiter Schneider und sein Vertreter Bernd Rehm und weisen darauf hin, dass sie hin und wieder zu Einsätzen gerufen werden und deshalb nicht immer zu erreichen sind. Sie raten, es dann später noch einmal zu versuchen.

Die Hilfe, die die Polizisten den Frauen am Telefon anbieten können, ist umfassender als das noch vor einem Jahr der Fall war. Denn ähnlich wie im Bereich der sexuellen Gewalt wurden die Gesetze, die die häusliche Gewalt betreffen, zugunsten der Frauen verbessert. Seit dem 1. Januar ist in Deutschland das Gewaltschutzgesetz in Kraft, mit dessen Hilfe dem Gewalttäter umgehend und mit nachhaltigen Konsequenzen die Rote Karte gezeigt werden kann.

Gewalt zu Hause keine Privatangelegenheit mehr

Das Gesetz klassifiziert Gewalt innerhalb der Familie nicht mehr als Privatangelegenheit ab, sondern behandelt sie als einen Straftatbestand, dessen Bestrafung im Interesse der gesamten Gesellschaft liegt. Die eigenen vier Wände werden nicht länger als rechtsfreier Raum behandelt, in dem "das Familienoberhaupt" schalten und walten kann, wie es ihm gerade in den Sinn kommt. Was in weiten Kreisen nach wie vor als Kavaliersdelikt betrachtet wird, fällt längst in den Bereich der Kriminalität: Es beginnt bei Körperverletzung wie zum Beispiel einer Ohrfeige, und reicht über Nötigungen wie "Wenn du nicht mit mir schläfst, kriegst du kein Haushaltsgeld!" oder "Ich schicke dich zurück ins Ausland!" bis zur Bedrohung: "Ich bring dich um!" mit dem Messer in der Hand.

In all diesen Fällen ist durch das Gewaltschutzgesetz der Handlungsspielraum von Polizei und Amtsgericht enorm vergrößert worden. Schneider: "Konnten wir früher höchstens den randalierenden Mann auf die Wache mitnehmen und mussten ihn morgens wieder nach Hause entlassen, wo die Gewalt ihre Fortsetzung fand, so werden heute weitreichendere Maßnahmen ergriffen." Der Schlüssel wird dem Täter weggenommen und vom Amtsgericht ohne Zeitverzögerung ein so genannter Platzverweis ausgesprochen, was für den Mann bedeutet, dass er sich eine neue Bleibe suchen muss.

Auch die weit verbreitete Unsitte, Frau und Kindern in der Nähe des Hauses aufzulauern oder sie telefonisch zu belästigen, führt für den Mann inzwischen zu empfindlichen Konsequenzen. Die Verletzung von Schutzanordnungen, die von den Gerichten schriftlich ausgesprochen wurden, kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden. Für die Opfer bedeuten diese Maßnahmen ein Aufatmen und gewonnene Zeit, die sie dazu nutzen können, sich über die Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes zu informieren und sie, wenn nötig, anzuwenden.

Der "Regionale Runde Tisch" bleibt allerdings beim Thema Gewalt gegen Frauen nicht stehen. Beim Treffen in der vergangenen Woche ging es um das Thema Kinder. Denn selbst, wenn der Vater "nur" die Mutter quält, schafft das Klima der Angst eine Situation, die für die sie kaum zu bewältigen ist.

Die Nummer des Opfertelefons: 0160/97856155. Sollte eine Frau trotzdem vorübergehend eine andere Bleibe brauchen, hilft auch weiterhin das Frauenhaus Trier: 0651/74444. Wer die Nummern im Notfall nicht parat hat, erfährt sie bei der Notrufnummer 110.

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