Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Leserbrief an die ZEIT wg Ehegattensplitting ist frauenfeindlich

goprojekt, Saturday, 17.08.2002, 15:04 (vor 8517 Tagen)

hi zusammen. nachfolgender leserbrief ging an die ZEIT

Sehr geehrter Herr Konrad,

das Ehegattensplitting ist zweifellos ein interessanter Teilaspekt im Steuersystem dieser Republik. Und, wie Sie richtig entwickeln, stellt dieser Teilaspekt ein Elend für beide davon unmittelbar Betroffenen dar, weil Ehegattensplitting und Scheidungs(un)recht nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können. Darüber hinaus erfüllt das Ehegattensplitting auch die selbst gestellte gesellschaftspolitische Aufgabe nicht nur nicht. Es ist sogar kontraproduktiv. Bis hierhin bedanke ich mich für Ihren Beitrag. Aber dann. Die richtigen Argumente im richtigen Zusammenhang lassen bei Ihnen nur eine Schlussfolgerung zu: Ehegattensplitting ist frauenfeindlich. Nicht etwa ehefeindlich, familienfeindlich, kinderfeindlich, weil ja immerhin mindestens zwei unmittelbar betroffen sind. Nein, frauenfeindlich. Angesichts des demographischen Desasters könnte man auch zu gesellschaftsfeindlich, republikfeindlich gar menschenfeindlich kommen. Sie aber schreiben frauenfeindlich. Nimmt man den gesellschaftlichen Kern des Unwohlseins am Ehegattensplitting, dann liegt er in der Motivation zur Asozialität und der Vernichtung von Humankapital. Das aber sind zwei Aspekte, die praktisch das gesamte Steuersystem dieser Republik prägen. Das ganze System also frauenfeindlich? Wohl kaum. Was also soll ich Ihnen wünschen? Mehr Augenmass im Genderdiskurs. Das wünsche ich Ihnen. Ihr

den artikel findet ihr [link=http://www.zeit.de/2002/34/Wirtschaft/200234_forum.html"target="blank]hier[/link] gruss goprojekt

Re: Ehegattensplitting - frauenfeindlich?

Peter, Sunday, 18.08.2002, 05:14 (vor 8516 Tagen) @ goprojekt

Als Antwort auf: Leserbrief an die ZEIT wg Ehegattensplitting ist frauenfeindlich von goprojekt am 17. August 2002 12:04:44:

Hallo goprojekt,

was ist der Kern deiner Aussage? Du findest Ehegattensplitting ehefeindlich, familienfeindlich, kinderfeindlich, vielleicht auch gesellschaftsfeindlich, republikfeindlich oder gar menschenfeindlich. Es scheint dich zu stören, dass Kai Konrad als Argument gegen das Ehegattensplitting aufführt, es sei frauenfeindlich. In eurem Urteil zur Sache seid ihr also einig, nur die Begründung ist falsch. Ist das so wichtig?

Die Benutzung des Argumentes 'frauenfeindlich' zeigt doch erst mal nur, dass dieses Argument in unserer jetzigen Gesellschaft großes Gewicht besitzt. Dass das Gewicht zu groß im Vergleich zu anderen Eigenschaften (s.o.), darin sind wir beide uns einig. Du hättest Konrad fragen können, wie wichtig ihm dieser Aspekt seiner Argumentation ist. Vielleicht ist er wirklich überzeugt davon - vielleicht hat er es auch nur benutzt, weil er sich davon mehr Wirkung erhofft.

Meine eigene Einstellung zum Ehegattensplitting ist gespalten: Einerseits begünstigt hier der Staat die Ehen viel mehr, als er die Familien begünstigt. Andererseits macht Arbeitsteilung mit Spezialisierung ein Ehepaar effektiver bei der Bewältigung der notwendigen Arbeit, wie man es ja auch in unser heutigen Wirtschaft macht. Die Arbeitsteilung kann aber auch zur Entfremdung vom gemeinsamen Ziel führen, wenn es nicht mehr erkannt wird.

Gruß,

Peter

PS
Ich las einmal, was ein Rechtsprofessor über Gerichtsurteile sagte. Es gebe vier Fälle:

1) Urteil falsch, Begründung falsch
- Das sei gottseidank sehr selten.

2) Urteil falsch, Begründung richtig
- Das werde vom Berufungsgericht am leichtesten erkannt und berichtigt.

3) Urteil richtig, Begründung falsch
- Das sei der bei weitem häufigste Fall.

4) Urteil richtig, Begründung richtig
- Das sei ihm leider noch nie begegnet.

Re: Ehegattensplitting - frauenfeindlich?

goprojekt, Tuesday, 20.08.2002, 12:58 (vor 8514 Tagen) @ Peter

Als Antwort auf: Re: Ehegattensplitting - frauenfeindlich? von Peter am 18. August 2002 02:14:57:

Hallo goprojekt,
was ist der Kern deiner Aussage? Du findest Ehegattensplitting ehefeindlich, familienfeindlich, kinderfeindlich, vielleicht auch gesellschaftsfeindlich, republikfeindlich oder gar menschenfeindlich. Es scheint dich zu stören, dass Kai Konrad als Argument gegen das Ehegattensplitting aufführt, es sei frauenfeindlich. In eurem Urteil zur Sache seid ihr also einig, nur die Begründung ist falsch. Ist das so wichtig?
Die Benutzung des Argumentes 'frauenfeindlich' zeigt doch erst mal nur, dass dieses Argument in unserer jetzigen Gesellschaft großes Gewicht besitzt. Dass das Gewicht zu groß im Vergleich zu anderen Eigenschaften (s.o.), darin sind wir beide uns einig. Du hättest Konrad fragen können, wie wichtig ihm dieser Aspekt seiner Argumentation ist. Vielleicht ist er wirklich überzeugt davon - vielleicht hat er es auch nur benutzt, weil er sich davon mehr Wirkung erhofft.
Meine eigene Einstellung zum Ehegattensplitting ist gespalten: Einerseits begünstigt hier der Staat die Ehen viel mehr, als er die Familien begünstigt. Andererseits macht Arbeitsteilung mit Spezialisierung ein Ehepaar effektiver bei der Bewältigung der notwendigen Arbeit, wie man es ja auch in unser heutigen Wirtschaft macht. Die Arbeitsteilung kann aber auch zur Entfremdung vom gemeinsamen Ziel führen, wenn es nicht mehr erkannt wird.
Gruß,
Peter
PS
Ich las einmal, was ein Rechtsprofessor über Gerichtsurteile sagte. Es gebe vier Fälle:
1) Urteil falsch, Begründung falsch
- Das sei gottseidank sehr selten.
2) Urteil falsch, Begründung richtig
- Das werde vom Berufungsgericht am leichtesten erkannt und berichtigt.
3) Urteil richtig, Begründung falsch
- Das sei der bei weitem häufigste Fall.
4) Urteil richtig, Begründung richtig
- Das sei ihm leider noch nie begegnet.

lieber peter,
ich finde das ehegattensplitting in keiner richtung irgendwie "feindlich" es ist schlicht blanker unsinn. das einbringen irgendwelcher "feindlichkeit" in eine diskussion ist der beste indikator dafür, dass die diskutanden gar nicht diskutieren wollen, sondern in bester manier eine diskussion abwürgen wollen. nun ist "frauenfeindlich" derartig abgedroschen, dass mir in der tat die notwendige gelassenheit fehlt, wenn diese begründung bemüht wird, um z.b. ein gesetz zu kritisieren.

nun kann man dieses argument natürlich auch instrumentalisieren. was auch immer man in zukunft kritisieren möchte, zunächst und zu aller erst wird ein "frauenfeindlicher" zusammenhang konstruiert. sozusagen die bewusste inszenierung der list der vernunft. dem könnte ich sogar etwas abgewinnen, wenn es denn tatsächlich taktik ist.

leider macht herr konrad nicht den eindruck, dieses argument taktisch in die diskussion eingebracht zu haben. es gibt wirklich menschen, für die "frauenfeindlich" eine kategorie zur beurteilung von gesellschaftlichen sachverhalten ist. in der regel ist "frauenfeindlich" also kein taktisches argument sondern ein totschlagargument für idioten, und idiotinnen natürlich.

aber wir können hier im forum anfangen, dieses "argument" zu instrumentalisieren und dann letztendlich ad absurdum zu führen. hier gleich einmal eine kleine probe mit einer kleinen transformationsleistung. ich trage ständig einen pfeifenstopfer in meinen hosentaschen. also DER pfeifenstopfer. er ist ein praktisches gerät und zunächst völlig unverdächtig, irgendwie im genderdiskurs eine "frauenfeindliche" rolle zu spielen. jetzt aber, bei genauerer betrachtung werde ich ganz blass. mein pfeifenstopfer ein "frauenfeinliches" chauvischwein. wie das? er hat einen ausklappbaren dorn, irgenwie phallisch, und sieht aus wie ein tatwerkzeug. dieses tatwerkzeug ist nur zu einem einzigen zweck erdacht worden, nämlich DIE pfeife zu penetrieren. diese sau! auch noch erzwungen. jetzt reicht's! ich fordere die abschaffung metaphorischer "frauenfeindlichkeit" in form von pfeifenstopfern. ;-)) gruss goprojekt

Re: Ehegattensplitting - frauenfeindlich?

vapautunut, Wednesday, 21.08.2002, 20:43 (vor 8513 Tagen) @ goprojekt

Als Antwort auf: Re: Ehegattensplitting - frauenfeindlich? von goprojekt am 20. August 2002 09:58:38:

hallo goprojekt,

leider macht herr konrad nicht den eindruck, dieses argument taktisch in die diskussion eingebracht zu haben. es gibt wirklich menschen, für die "frauenfeindlich" eine kategorie zur beurteilung von gesellschaftlichen sachverhalten ist. in der regel ist "frauenfeindlich" also kein taktisches argument sondern ein totschlagargument für idioten, und idiotinnen natürlich.

der ausdruck 'frauenfeindlich' schwirrt am ende des artikels von herrn konrad - wie unter zwang, hier noch ein zusätzliches argument nachschieben zu müssen - mit der scheinbaren leichtigkeit einer fünf-zentner-elfe herbei. sehen wir dies zunächst als rhetorischen not(ein)fall.

es fällt jedoch etwas anderes auf:
seine argumente sind schwurbel, seine schlußfolgerung richtig:
das ehegattensplitting erhöht die scheidungsquote - so weit so gut.
aber warum ist dies lt. konrad so?
- ehegattensplitting führe zur spezialisierung der eheleute, zur verringerung des arbeitsanreizes des mit höherer steuerbelastung gesegneten, zur sozialen und kognitiven erweiterung des einen und der kompetenz und 'humankapital-einbüßung' des anderen partners.

ergo: es gäbe einen schwachen und einen starken partner, es knirscht, dem stärkeren partner tauche ein neuer partner auf, "Zurück bleibt die Schwächere, die sich mit dem Verzicht auf die eigene Karriere praktisch ausgeliefert hat."
(huch: wem ist nach dem starken bemühen, geschlechtsneutral durch den absatz zu schreiben, dieser bruch im text konrads auch so erheiternd entgegengekullert?)

der trennung solle das ehegattensplitting als abschreckend katalysierender faktor unter hilfe des scheidungsrechtes entgegenwirken, was jedoch nicht so dolle wuppe, da "sich Topverdiener solchen Zahlungsverpflichtungen häufig entziehen, indem sie ihr Einkommen herunterrechnen"
(hm, zahlen die dann nicht auch weniger steuern und ist also das ehegattensplitting für sie nicht unattraktiver? egal. wie unten skizziert ist dies allerdings sogar ein gutes verfahren, das scheidungrisiko zu senken, welches durch eine 'gelangweilte hausfrau' drohen kann)

aber das ist doch kirmes: es sind gerade die durch das ehegattensplitting "schwächeren", die
a) wie auch immer zu einem neuen partner finden und
b) die scheidung einreichen, weil sie davon gerade in solchen karl-und-karin-konstellationen prächtigen reibach machen können.

es gibt aber gerade wegen dieser scheidungsgesetze so viele scheidungen - sie lösen also das problem eher auf suboptimale weise.

für das ehegattensplitting gilt, was für die scheidungsgesetze gilt: wer heiratet, muß sich darüber im klaren sein, daß ab jetzt jeder verdienter euro, mit 50% partneranteile belegt ist und daß dies auch nach trennung und immerdar so bleiben wird. der einzige schutz (neben dem naheliegenden), ist das ankurbeln des partnereinkommens auf das eigene niveau. wenn das gelingt (was es nicht in der regel nicht wird), ist das scheidungsrecht keine gefahr mehr für die ehe, das ehegattensplitting jedoch ohne effekt.

wieso also 'frauenfeindlich', wenn es letzlich der frau zum porsche verhilft?
weil ich heute dieses schlagwort brauche, damit ein gesetz nach meinen wünschen geändert wird. in diesem sinne: beste rhetorik!

gruß,
fm

lieber fm,

goprojekt, Thursday, 22.08.2002, 15:04 (vor 8512 Tagen) @ vapautunut

Als Antwort auf: Re: Ehegattensplitting - frauenfeindlich? von vapautunut am 21. August 2002 17:43:13:

jetzt nehme ich es ;-)) noch ein bisschen üben des handgelenkes und "frauenfeindlich" findet bei mir demnächst eingang in jeden begründungszusammenhang. von daher hätte ich, hätten wir, herrn konrad wohl eher auf die brüche in seiner rhetorik aufmerksam machen sollen, damit er das nächste mal ein bisschen geschlossener rüber kommt.

nebenbei: vapautunut, schöner nick ;-)) was ich dir wünschen soll? dass dem wirklich so ist ;-)) gruss goprojekt

Re: die zeit,

vapautunut, Thursday, 22.08.2002, 20:47 (vor 8512 Tagen) @ goprojekt

Als Antwort auf: lieber fm, von goprojekt am 22. August 2002 12:04:56:

lieber groprojekt, ist scheinbar momentan ohne lektor, was zwar einerseits zur erheiterung manchmal jedoch, bei sensiblen menschen zumal, zur magenverstimmung beitragen mag.
einen tag nach dem von dir zitierten beitrag fand folgender seinen niederschlag im wirtschaftsressort.
hieraus zwei possierliche kostproben:
Frauen müssen, um Elitenanschlüsse zu produzieren, Zeitregime erobern, die sie so entlasten wie die konkurrierenden Männer.
wer? wen?
sowie
Weil wir es für kalt halten, Kinder früh wegzugeben, lassen wir nur Herzersatzdienstleister an die Kinder, keine Kognitionsexperten.
es ist so schön, viel zu schön...

gruß,
fm

nebenbei: vapautunut, schöner nick
nun, du weißt sicherlich, bei wem ich mich hierfür bedanken müßte...
was ich dir wünschen soll? dass dem wirklich so ist
yep. dem ist glücklicherweise seit nunmehr drei jahren so :-)

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