Der Titel paßt nicht. Immer mehr Männer 'steigen aus'.
Als Antwort auf: 'Der Mann von heute ist dressierter denn je' von Jörg am 18. Mai 2002 00:31:21:
Auch mir gefällt der Artikel. Deshalb stelle ich mal die Formulierungen heraus, die mich am meisten angesprochen haben. Denn dort wird genau das gesagt, was ich nun auch schon seit Jahren zu sagen versuche. Kurze Anmerkungen folgen hinter den Zitaten:
<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<
1. Das Patriarchat ist ein Mythos
.. der seltsamerweise von Frauen wie Männern akzeptiert wird.
Dass Durchschnittsmänner an ihrem Arbeitsplatz viel Macht haben, stimmt einfach nicht. In aller Regel sind sie reine Befehlsempfänger, müssen feste Arbeitszeiten einhalten und kämpfen darum, ihren Arbeitsplatz behalten zu dürfen. Frauen, die im Eigenheim Haushalt, Garten und Kinder
betreuen, haben häufig sehr viel mehr Macht und Gestaltungsfreiheit.
2. Die Arbeitswelt ist ungesund
Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren immer schärfer zur
Konkurrenzgesellschaft entwickelt. Das heisst, dass eigentlich
jeder der Feind des anderen ist. Denn jeder versucht, Karriere zu machen, möglichst viel Geld zu verdienen und sich durchzusetzen. Einigen wenigen gelingt ein Aufstieg. Der Rest kämpft bis zur Pension darum, einigermassen mithalten zu können.
Die Produktivität der Arbeitnehmer soll laufend gesteigert werden, als ob sie Maschinen wären. Für ihre Lebensqualität interessiert sich kaum jemand. Arbeit bedeutet für die meisten Unterwerfung, Anpassung und Kampf nur selten wirklich Selbstentfaltung und Zufriedenheit. I
3. Die Versorgerrolle ist undankbar
Die meisten modernen Durchschnittsmänner haben gar keine andere Wahl.
Es bleibt wenig Zeit für emotionale Kontakte, sowohl mit den Kindern als auch mit der Ehefrau; zu wenig Zeit auch für eine erfüllende Sexualität.
4. Die Männer haben Sexnotstand
Vielleicht steht auch zu wenig Zeit und Musse zur Verfügung.
Und vielleicht ist auch die Sexualfeindlichkeit von Christentum
und Erziehung mitverantwortlich dafür, dass sich in vielen
Beziehungen unter der Bettdecke nichts abspielt.
----
Ich wage die Vermutung, dass das Elend der Männer so gross
ist, dass es verdrängt werden muss. Zwar fragen sich viele mit
45 oder 50 Jahren, ob dies nun alles sei, und viele spüren ein
Unbehagen oder haben das Gefühl, das Leben sei ihnen
etwas schuldig geblieben.
Ich kann mir auch vorstellen, dass Männer der traurigen Wirklichkeit ihrer Rolle nicht in die Augen sehen wollen, weil es nichtt in ihr Selbstbild passen würde, leidend, ausgenützt, verzweifelt oderüberfordert zu sein. Denn noch immer werden Männer zu Tapferkeit angehalten; sie sollen Helden
werden, die ihre Prinzessinnen wenn schon nicht auf Händen
tragen, so doch einigermassen glücklich machen oder zumindest schön brav Geld heimbringen.
Am ehesten reflektieren Männerüber ihr Leben, wenn etwas gründlich schief geht bei Arbeitslosigkeit, nach einem körperlichen oder psychischen Zusammenbruch, nach dem Verlust der Lebenspartnerin und der Familie durch Trennung oder Scheidung.
..die Zeit wird kommen, in der die Männer erkennen, dass sie nicht länger den tapferen Helden spielen müssen, sondern sich selber und einander zuwenden dürfen.
Um in aller Ruhe anzuschauen, was sie für Bedürfnisse haben, was ihnen im Leben fehlt und was ihnen zu viel ist so, wie es die Frauen im feministischen Prozess vorgelebt haben. Denn beide Geschlechter brauchen
Selbsterkenntnis, mehr gegenseitiges Verständnis, mehr Musse und mehr Liebe. Davon würden nicht zuletzt die Kinder profitieren.
<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<
Wenn ich hin und wieder von Patriarchat schreibe oder von 'patriarchalischen' Strukturen, dann meine ich genau das, was der Autor hier unter Punkt 2 abgehandelt hat: die heutige Arbeitswelt. Ich nenne sie auch 'das System'.
Ich meine damit nicht Punkt 1, also eine soziale oder juristische Unterdrückung von Frauen, denn durch unser Grundgesetz ist die nicht mehr gegeben. Und wir reden ja hier von Deutschland und Europa, nicht von Afghanistan oder Mali.
Strukturelle Unterdrückung gibt es dagegen noch und die geschieht in erster Linie in der Arbeitswelt. Denn dort haben Männer im Konkurrenzkampf in der Regel noch einen Vorsprung. Am schlimmsten ist der Druck, den man als Arbeitnehmer dort ausgesetzt ist. Der Druck, sich an ungerechten, menschenverachtenden Methoden zu beteiligen, wenn man nicht selbst untergehen will.
Männer haben sich den menschenverachtenden Strukturen und Prozssen aus Exitenzangst viel mehr angepaßt als Frauen das bisher getan haben. Wenn Frauen vorab oder zwischendurch im häuslichen Bereich wie in einer angenehmen Enklave gelebt haben, ist ihre Distanz zum "System" einfach größer, sind sie nicht so schnell bereit, ihre Skrupel über Bord zu werfen und mitzumachen.
Aber zum Glück steigen auch immer mehr Männern aus und suchen nach Alternativen.
Wir sollten uns zusammentun.
ciao
Beatrix
gesamter Thread:
- 'Der Mann von heute ist dressierter denn je' -
Jörg,
18.05.2002, 03:31
- Re: 'Der Mann von heute ist dressierter denn je' -
Joachim,
18.05.2002, 08:44
- 'Der Mann von heute ist dressierter denn je' / Zustimmung - Norbert, 18.05.2002, 11:10
- Re: 'Der Mann von heute ist dressierter denn je' -
Maesi,
18.05.2002, 14:39
- Re: 'Der Mann von heute ist dressierter denn je' - Jolanda, 18.05.2002, 18:48
- Der Titel paßt nicht. Immer mehr Männer 'steigen aus'. - Beatrix, 18.05.2002, 19:54
- Re: 'Der Mann von heute ist dressierter denn je' -
Joachim,
18.05.2002, 08:44