Schwere Zeiten für Papageien

Bernhard Lassahn

Bernhard Lassahn

Ab heute, also ab dem 1.4., tritt eine Neuregelung in Kraft, die alle betrifft, die einen Papagei in ihrer Wohnung haben. Die Haltung dieser seltenen Tiere wird damit noch schwieriger. Es hatte schon im Vorfeld Unmut und vereinzelte Proteste gegeben, die sind allerdings nicht an die große Öffentlichkeit gelangt. Nun ist es zu spät.

Es ist sowieso nicht lustig, einen Papagei zu halten auch wenn sich das manche so vorstellen. Ein Papagei ist kein Spaßvogel. Er macht eigentlich nur Ärger. So ein Tier ist äußerst sensibel, erfordert intensive Pflege und ist nicht gerade billig im Unterhalt. Nun wird es noch teurer.

Papageien können sprechen natürlich können sie das nicht wirklich: sie können lediglich etwas nachplappern. Vielen reicht das schon. Das macht Papageien so beliebt. Doch bei aller Begeisterung darüber, DASS sie etwas sagen, wird leicht vergessen, darauf zu achten, WAS sie überhaupt sagen. Es ist fast immer nur dummes Zeug. Und es besteht inzwischen keine Hoffnung mehr, dass sich das noch mal ändert.

Einen letzten Funken Hoffnung gab es bis vor kurzem noch. Einstein hatte bekanntlich zu seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag einen Papagei geschenkt bekommen, den er Bibo nannte und sehr mochte. Das ist wichtig, denn so ein Papagei braucht viel Zuwendung, er verträgt es nicht, wenn man ihn allein lässt; manche sind schon beleidigt, wenn man kurz das Haus verlässt, um Zigaretten zu kaufen. So war es auch bei Bibo. Als der Vogel zunehmend depressiv wurde, begann Einstein, wie seine Freundin Johanna Fantova in ihrem Tagebuch berichtet, ihm Witze und lustige Geschichten zu erzählen. Ob die Witze gegen die Depressionen geholfen haben, ist nicht bekannt; es ist auch nicht überliefert, ob sich der Papagei wenigsten einen Witz gemerkt hat.

Darauf hatten aber alle gewartet. Die deutschen Vogelfreunde besonders die Papageienfreunde Nord e.V. und die Papageienfreunde rund um Potsdam hatten schon ungeduldig nachgefragt, wann sie endlich die gesammelten Witze und Sinnsprüche aus dem Nachlass von Einsteins Papagei erwerben könnten. Sie können es nicht. So ein Buch ist, wie nun mitgeteilt wurde, gar nicht in Planung. Schade. Es hätte damit endlich einmal ein Beispiel für eine Kulturleistungen von einem Papageien gegeben, die sich sehen lassen könnte. Bibo hat uns hängen lassen, wurde in Kreisen der Papageienfreunde gezwitschert getwittert, wie man heute sagt. Auch die größten Papageienliebhaber gestehen den Mangel offen ein und fragen sich traurig und verbittert: Welcher Papagei hat denn auch jemals etwas Kluges oder Witziges gesagt?

Sie kennen die Antwort: kaum einer. In Hamburg weiß man ein Lied davon zu singen. Immer wieder haben Matrosen versucht, einen illegal eingeführten Papagei in Harrys Hafenbasar oder besser noch an Hagenbecks Tierpark zu verkaufen. Das brachte die Verantwortlichen regelmäßig in Verlegenheit. Offiziell durften sie die Tiere nicht kaufen, sie konnten es andererseits aber auch nicht verantworten, die blinden Passagiere zurück auf hohe See zu schicken. Viele waren seekrank. Schlimmer noch: Während der Überfahrt durften sie nicht entdeckt werden, deshalb wurde ihnen der Schnabel zugebunden. Nun waren sie traumatisiert. Man einigte sich schließlich irgendwie. Die geschmuggelten Papageien kamen zunächst in Quarantäne und wurden von Tierpflegern sorgfältig abgehorcht, da es leider vorgekommen war, dass die Papageien die vielen Flüche und Verwünschungen, die auf hoher See üblich sind, im Brustton einer durchaus verständlichen Empörung herausschrien, so dass man so ein Federvieh einem minderjährigen Publikum nicht zumuten konnte. Der Tierpark ist schließlich eine Attraktion für die ganze Familie.

Als nach 1945 die Hamburger ihre geliebten Papageien, die sie in ihren Wohnungen hielten, sich nun aber nicht mehr leisten konnte, im Tierpark entsorgen wollten, trat das Problem auf andere Weise auf. Es waren nicht nur harte Zeiten für die Tierfreunde in Hamburg angebrochen, es war auch richtig schlimm für die armen Papageien: Sie wurden von ihren Bezugspersonen getrennt und mussten zunächst eine Aufnahmeprüfung bestehen, bei der auch Vertreter der alliierten Besatzungsmächte zugegen waren. Dabei mussten sie ihr komplettes Repertoire aufsagen, und erst nachdem sichergestellt war, dass sie nicht Heil Hitler! sagten, wurden sie aufgekauft und durften öffentlich ausgestellt werden.

Heinrich Heine war bekanntlich kein Freund von Papageien, er ist vielleicht der berühmteste Papageien-Verächter, von dem wir wissen. Angeblich ging es um Eifersucht. Die damals einzige Freude seines Lebens war, wie er schrieb, eine junge Schuhverkäuferin, die er sich ins Haus geholt hatte, die weder lesen noch schreiben konnte, und die er als rund, drall und ewig heiter lobte. Heine konnte aber so wie Herbert Grönemeyer nicht tanzen oder tat es zumindest ungern, und wenn er mit ansehen musste, wie die dralle Schönheit den Tanzboden eroberte und dabei ihren, wie der Dichter schrieb, dicken Popo herumwirbelte, dann kochte es gefährlich in ihm hoch. Schließlich kochte es über, als er mit ansehen musste, wie sie mit dem Papagei, der bezeichnenderweise Cocotte hieß, intim schäkerte, ihn dagegen vernachlässigte. Es wird behauptet, dass sich Heine daraufhin Rattengift besorgt und Cocotte vergiftet habe. Möglicherweise ging es dabei nicht nur um Eifersucht. Wahrscheinlicher ist, dass Heine verhindern wollte, dass sich Cocotte die obszönen Ausdrücke, die er von der drallen Schönheit sowie die eher untypischen Flüche, die er von ihm selbst aufgeschnappt hatte, der Nachwelt überliefern und damit seinen Ruhm als feinsinnigen Dichter beschädigen würde. Denn so ein Vogel kann, wie wir von Flauberts Papagei wissen, bis zu zweihundert Jahre alt werden.

Die Schimpfwörter sind ein echtes Problem. Auch die Papageienfreunde wissen das und leiden darunter. So manches Freundschaftstreffen von lokalen Vereinen ging schon nach kurzer Zeit im Streit wieder auseinander, wenn Papageien mit dabei waren, auch die Gründung eines Dachverbandes scheiterte bisher an dem ewigen Gemeer und Geschimpfe. Der Papageien-Stammtisch Leipzig, der sich regelmäßig im Zoo trifft, hatte schon vor Jahren die Befürchtung geäußert, dass es noch richtig Ärger geben könnte, wenn die Empfindlichkeiten in Sachen Political correctness zunehmen und die Papageien ihre Freunde und Helfer mit reinreißen könnten. Der Ärger kommt nun. Er kommt jedoch es geht nicht um Worte von ganz anderer Stelle.

Daran ist womöglich ausgerechnet der Papagei nicht ganz unbeteiligt, den Joseph Haydn einst auf einem Gemüse- und Blumenmarkt in London erworben hatte. Als nach Haydns Tod im Jahre 1809 der Nachlass versteigert wurde, brachte dieser lebende Papagy aus dem Geschlecht der gelehrigen Jakos die Rekordsumme von umgerechnet 32.500 Euro ein. Dieser Jako, der vermutlich der teuerste Papagei aller Zeiten war, konnte Papa Haydn sagen. Haydn selber war bekanntlich kinderlos, er redete jedoch gerne seine Musiker als Kinder an. Diese kleine Bemerkung Papa Haydn gilt als die bisher einzige zitierwürdige Äußerung von einem Papagei. Sie ist nicht boshaft, ist nicht als Beleidigung gemeint und sie ist jugendfrei. Hemingway soll übrigens auf die Frage, ob der Name Papa Hemingway so wurde er selber gelegentlich genannt sich auf das berühmte Vorbild Papa Haydn beziehe, nur geantwortet haben: Bullshit!

Doch der Haydn-Papagei, dem schon mit dem Kunstobjekt Daddybird im Jubiläumsjahr 2009 ein Denkmal gesetzt wurde, konnte noch mehr. Er konnte die Melodie von Gott erhalte Franz, den Kaiser nachahmen. Das ist nicht weiter verwunderlich; Haydn selber hatte ihm die Melodie vorgespielt, manchmal bis zu dreimal am Tag. Zwar wird es geklungen haben, als wäre da jemand im Stimmbruch, doch damit ebnete dieser Papagei, ohne es zu ahnen, den Weg für die neuen Regelungen. Denn nun war erwiesen, dass so ein Tier nicht nur Texte nachsprechen, sondern auch Musik speichern und übertragen konnte.

Das hatte schon dazu geführt, dass Anfang der 90er Jahre gezielt das Gerücht verbreitet wurde, der Papagei von John Lennon würde noch zahlreiche bisher unveröffentlichte Lieder kennen. Yoko Ono hatte die bisher unter Verschluss gehalten, weil sie eifersüchtig war; der Papagei hieß nämlich Julia benannt nach der Mutter von John. Erst nachdem Yoko Ono so lange auf den Vogel eingeredet hatte, dass er unmissverständlich Julia, oh no! sagen konnte, wurden die Lieder freigegeben. Die Enttäuschung war groß. So viele Lieder waren es gar nicht. Es war nur eins. Als im Jahre 1995 mit Free As A Bird eine Single veröffentlicht wurde, bei der John Lennon unter Verwendung einer alten Tonbandaufnahme sozusagen aus dem Grab heraus singt und sich dabei von den noch lebenden Beatles Paul, Georg und Ringo sowie dem Papageien begleiten lässt, waren die Illusionen verflogen. Der Vogel konnte nur dieses eine Lied wahrscheinlich nur deshalb, weil er selber darin besungen wurde. Selbst hartnäckige Beatles-Fans (zu denen ich gehöre) äußerten sich zurückhaltend: So doll war der Song nun wieder auch nicht. Er wurde auch kein Nummer-1-Hit, wie das sonst bei den Beatles üblich war.

Der Papagei wird als Musiker sowieso überschätzt. Ein heimischer Vogel, wie beispielsweise die frei fliegende Amsel ist wesentlich begabter. Die Amseln haben das erst neulich wieder deutlich gemacht, als sie täuschend echt die Klingeltöne von Handys nachahmten. Als das bekannt wurde, hat das Fremdenveen sind, versucht man nun mit allen nur denkbaren Mitteln, neue Touristen anzulocken und die Aufmerksamkeit irgendwie auf Bonn zu lenken. Wenn nun Besuchergruppen aus dem In- und Ausland das Beethoven-Haus besuchen, dann werden sie schon auf dem Weg dahin mit Vogelstimmen begrüßt, die ihnen den Eindruck vermitteln sollen, dass es zwar nicht die Spatzen sind, die die Musik von Beethoven von den Dächern pfeifen, aber immerhin die Amseln. Die dürfen das auch. Amseln eigenen sich nicht zur Käfighaltung, sie sind im wahrsten Sinne free as a bird.

Aber die Papageien sind es nicht. Nach den neuen Richtlinien werden Papageien als nicht-digitale Tonträger eingestuft ganz unabhängig davon, wie gut ihre Qualität als Tonträger ist. Für die Besitzer von Papageien heißt das: Es werden GEMA-Gebühren fällig. Von Seiten der GEMA wird argumentiert und das lässt sich nicht von der Hand weisen , dasses sich bei den musikalischen Vorträgen nicht um Eigenkompositionen handelt, sondern um die Wiedergabe von geschützten Werken. Und so müssen ab heute alle, die so ein seltenes und durchaus schwieriges Tier in der Wohnung halten, eine monatliche Gebühr entrichten, die sich, wie das bei der GEMA üblich ist, nach der Größe des Raumes richtet und ganz unabhängig davon, ob ein zahlendes Publikum vorhanden ist oder nicht, erhoben wird.

Besonders hart trifft es alle, die einen Beo haben. Der Beo gilt zwar nicht als besonders dekorativ (schwarzes Kleid, gelber Schnabel), er ist aber eine echte Doppelbegabung und kann sowohl Sprache als auch Musik reproduzieren. Er kann noch mehr; der Beo ist ein wahres Allround-Talent. Das mussten die Betreiber von Eisdielen erfahren, die sich einen Beo als Alternative zur Musikbox angeschafft hatten. Was passierte? Der Beo präsentierte den Gästen nicht etwa ein originelles Musikprogramm oder eine sprachliche Darbietung von literarischem Wert, vielmehr wiederholte er die Geräusche der Espressomaschine in voller Länge. Das gilt nach den neuen Bestimmungen als E-Musik und ist besonders teuer. Obendrein wird bei einer Bar oder einer Eisdiele eine beträchtliche Raumgröße angenommen. Für die meisten Eiscafé-Beos ist es das Aus.

Auch die Papageien haben es schwer. Sie müssen wegen der GEMA-Regelungen raus aus der guten Stube und kommen nun in die kleine Besenkammer oder in die Toilette, wo die sie Melodie der Wasserspülung nachsingen können. Nun kann man alle Hoffnungen darauf, dass von Papageien jemals etwas Bemerkenswertes überliefert wird, fahren lassen. Es ist wirklich bedauerlich. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine neue Bestimmung, die so gut sie auch begründet sein mag mehr Schaden als Nutzen bringt.

Bernhard Lassahn