Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Elisabeth Keller (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Sunday, 15.03.2015, 11:59 (vor 3343 Tagen)

F387 Elisabeth Keller CH – geboren 1955 - Leiterin Sekretariat der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen, Schwarztorstr. 51, 3003 Bern, elisabeth.keller@ebg.admin.ch / Tel. 031 322 92 76 – verantwortliche Redakteurin der Fachzeitschrift „Frauenfragen“- ekf@ebg.admin.ch – Fax 031 322 92 81 – www.ekf-admin.ch

Menschenrechte: eine Chance für die Schweizer Gleichstellungspolitik
Bern, 27.11.2007 - Die internationalen Menschenrechtsnormen sind eine Chance, die Rechte der Bevölkerung in der Schweiz zu stärken und sie vor Diskriminierung zu schützen. Auch für die Verwirklichung der Gleichstellung von Frau und Mann bieten die Menschenrechte einen verbindlichen Rahmen. Die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen (EKF) legt dazu eine Studie vor und fordert die Akteurinnen und Akteure der Gleichstellungspolitik auf, die internationalen Standards besser zu nutzen.
Abstrakt, praxisfern, kein Handlungsbedarf in der Schweiz – das sind gängige Vorurteile, wenn es um die Menschenrechte geht. Eine neue Studie, welche die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen bei Dr. iur Erika Schläppi, Konsulentin für Menschenrechtsfragen, in Auftrag gegeben hat, zeigt die Aktualität und das Potenzial völkerrechtlicher Standards für die Gleichstellungspolitik auf und präsentiert Aktionslinien für deren Umsetzung in der Schweiz.
Die Schweiz hat sich auf europäischer und internationaler Ebene zur Achtung und Umsetzung der Menschenrechte und zur Gleichstellung der Geschlechter verpflichtet. Dennoch werden diese völkerrechtlichen Verpflichtungen bisher in Rechtsetzung, Verwaltung und Justiz nur wenig berücksichtigt. Häufig fehlt es an einer Gesamtschau der relevanten Instrumente oder es wird zuweilen sogar behauptet, dass das Völkerrecht die schweizerische Demokratie gefährde.
Die neue Studie der EKF, die im Herbst 2007 bereits an einem Workshop der Kommission mit rund 50 Fachpersonen diskutiert wurde, belegt dagegen, dass die geltenden Menschenrechtsnormen vor allem eine Chance sind: Das Verbot jeder Diskriminierung und die Gleichstellung der Geschlechter gehören zu den zentralen Grundsätzen der internationalen Verträge. In ihren Empfehlungen unterstreicht die Autorin deshalb, dass die menschenrechtlichen Verträge und ihre Monitoring-Mechanismen in der innenpolitischen Diskussion systematischer genutzt werden sollten als bisher.
Zeitschrift «Frauenfragen» Nr. 2.2007
Menschenrechte: eine Chance für die Schweizer Gleichstellungspolitik
Kurzfassung (d/f/i) und Integralfassung (d) der Studie: Erika Schläppi: Frauenrechte und Menschenrechte: Wie kann die schweizerische Gleichstellungspolitik die internationale Dynamik besser nutzen?
Webpublikation: www.frauenkommission.ch unter Rubrik Publikationen
- Ab sofort: Kurzfassung (d/f/i), Integralfassung (d), Auswertungsbericht Workshop (d/f)
- Ab Anfang 2008: Integralfassung französisch.
Adresse für Rückfragen:
- Elisabeth Keller, Leiterin Sekretariat der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen, Schwarztorstr. 51, 3003 Bern, elisabeth.keller@ebg.admin.ch / Tel. 031 322 92 76, Fax 031 322 92 81
- Erika Schläppi, Dr. iur., Autorin der Studie, erika.schlaeppi@bluewin.ch / Tel. 031 332 95 60

http://www.news.admin.ch/message/?lang=de&msg-id=15923

Ein Quantensprung für die Gleichstellungspolitik:
Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking
Gespräch mit Elisabeth Keller, Geschäftsführerin der Eidgenössischen
Kommission für Frauenfragen (EKF) und vor 15 Jahren Mitglied der Schweizer
Delegation an der vorerst letzen Weltfrauenkonferenz in Beijing.
von Lilian Fankhauser
LF: Obwohl die Schweiz 1995 noch nicht Mitglied der UNO war, hat sie an der
Weltfrauenkonferenz in Peking als vollwertige Partnerin teilgenommen – Sie waren Teil dieser
Delegation. Inwiefern war diese Konferenz prägend für Ihre Arbeit bei der Eidgenössischen
Kommission für Frauenfragen (EKF)?
Ich möchte kurz präzisieren: An der Weltfrauenkonferenz nahm ich nicht als Vertreterin der
Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (EKF) teil, sondern als Mitarbeiterin des
Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EGB), für das ich damals das
Dossier „Internationale Frauenfragen“ betreute. Die Federführung der Delegation 1995 in Beijing
hatte das EBG, Delegationsleiterin war Bundesrätin Ruth Dreifuss als damalige Innenministerin.
Patricia Schulz, die Leiterin des EGB, war stellvertretende Leiterin. Es ist tatsächlich so, dass diese
Konferenz einen Meilenstein für die Entwicklung der Frauenrechte darstellte, und zwar weltweit:
Zwar wurden auch an der 3. Weltfrauenkonferenz 1985 in Nairobi bereits recht viele unterschiedliche
Themen bearbeitet, doch Beijing war diesbezüglich ganz klar ein Quantensprung: In der
Aktionsplattform, die am Schluss der Konferenz verabschiedet worden ist, wurden 12 inhaltliche
Kapitel definiert, die von Armut von Frauen über Bildung, Mädchen bis hin zur politischen
Partizipation und der Durchsetzung der Menschenrechte für Frauen reichen. Von besonderer
Tragweite war die Aufnahme des Themas Gewalt an Frauen – das war damals neu: 1979, als die
„Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women (CEDAW)“
verabschiedet wurde, wäre dies noch undenkbar gewesen. Diese breite Themensetzung in Beijing und
die Diskussionen, die daraus entstanden, waren wirklich überraschend und überwältigend.
Welche Umsetzungen folgten nach 1995 auf Bundesebene?
Ganz wichtig war, dass wir uns in Folge der Konferenz bei allen Themen sowohl nationale wie auch
internationale Massnahmen überlegt haben: Das heisst, wir haben uns auch unseren eigenen blinden
Flecken zugewandt. Besonders spannend war die Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt:
Bestimmte Formen von Gewalt an Frauen wurden vor 1995 in der Schweiz meistens einzig mit Blick
gegen aussen wahrgenommen. Die Problematik der Zwangsheiraten oder auch weibliche
Genitalverstümmelung wurden beispielsweise nur in Bezug auf andere Staaten thematisiert. Als ich in
der „Interdepartementalen Arbeitsgruppe Folgearbeiten“, die nach der Konferenz für die
Bundesverwaltung einberufen worden ist, einbrachte, dass auch in der Schweiz diese Formen von
Menschenrechtsverletzungen vorkommen, wurde ich zuerst belächelt. Das gebe es „bei uns“ nicht.
In der Arbeitsgruppe Folgearbeiten haben wir uns bewusst mit allen 12 Themenschwerpunkten
beschäftigt und den Aktionsplan der Schweiz, den wir 1999 veröffentlichen konnten, explizit auf alle
Themen ausgerichtet. Ziel des Aktionsplanes Schweiz war es, Ziele und Massnahmen zu definieren,
um die Gleichstellungsarbeit in den verschiedenen Bundesämtern voranzubringen, ein Hauptziel war
dabei das Gender Mainstreaming. In dem Sinne kann man wirklich sagen, dass die Konferenz die
Gleichstellungsarbeit in der Schweiz massgeblich beeinflusst hat, auch wenn wir bisher nicht die
Erfolge verzeichnen können, die uns 1995 vorschwebten.
Wo sehen Sie heute den grössten Handlungsbedarf auf Bundesebene?
Eigentlich kann ich heute dasselbe sagen, was bereits im schweizerischen Bericht zum Aktionsplan
der Schweiz von 2002 steht: Es fehlt an politischem Willen, um den Aktionsplan in der Schweiz
durchzusetzen – und damit auch an personellen und finanziellen Ressourcen. Eine der zentralsten
Aufgaben in den nächsten Jahren wird sein, den Bund wieder vermehrt in die Verantwortung für die
Umsetzung der Gleichstellungsanliegen zu nehmen: Es ist Pflicht des Bundes, die
Gleichstellungsarbeit auf Bundesebene, aber auch in den Kantonen voranzutreiben.
Ein zentrales Problem in der Bundesverwaltung und auch in den Kantonen ist das fehlende
Verständnis dafür, dass internationale Standards und Übereinkommen, die für die Schweiz Gültigkeit
und im Falle von CEDAW auch rechtliche Verbindlichkeit haben, ein Bezugsrahmen sind für unsere
Gleichstellungsarbeit hier in der Schweiz. Sehr viel Widerwillen fusst auf der Vorstellung, dass diese
Übereinkommen zusätzlichen Aufwand bedeuten. Dabei können wir von der Denkarbeit, die sich dort
niedergeschlagen hat, für unsere Arbeit profitieren. Eine Arbeit, die wir hier sowieso leisten müssen,
zum Beispiel bei der Bekämpfung von Armut, im Bildungsbereich, bei der politischen Partizipation
etc. Erika Schläppi hat in der 2007 im Auftrag der EKF verfassten Studie gezeigt, dass sich Bund und
Kantone auf die Vorarbeit, die in Beijing geleistet worden ist, abstützen können. Deshalb wird eine der
Herausforderungen der nächsten Jahre sein, den Bundesämtern klar zu machen, dass diese
internationalen Dokumente für unsere Arbeit besser genutzt werden können – und auch müssen. Und
wir müssen dafür sorgen, dass die verschiedenen Diskurse in der Schweiz zusammen gedacht werden
– etwa der Gleichstellungs- mit dem Menschenrechtsdiskurs, die sich in den letzten Jahren stark
auseinander bewegt haben.
1995 hat die letzte Weltfrauenkonferenz stattgefunden: Wann folgt die nächste?
Das Interessante ist, dass die 1995 definierten Ziele und Massnahmen, wie sie in der Aktionsplattform
festgehalten sind, nach wie vor aktuell sind: Die Problemlagen sind heute genau so brisant wie damals.
Mit dem Unterschied, dass es heute nicht mehr möglich wäre, ein solches internationales Papier zu
verabschieden, es wäre schlicht nicht mehr konsensfähig. Dies ist auch, so würde ich meinen, der
Grund, weshalb seither keine Weltfrauenkonferenz mehr einberufen worden ist: Jeder Versuch, über
die damals gesetzten Ziele hinauszugehen, so ist man sich einig, wäre zum Scheitern verurteilt
gewesen. Das hat mit dem internationalen politischen Kontext, wie etwa mit dem Regierungswechsel
in einigen wichtigen Staaten, zu tun. Die Aktionsplattform von Beijing wird aber in der
Gleichstellungsarbeit nach wie vor als wichtiger Referenzrahmen benutzt, um den Stand der
Gleichstellung in den einzelnen Ländern zu überprüfen. Auch der CEDAW-Ausschuss bezieht sich bei
seinen länderspezifischen Empfehlungen (Concluding Observations) jeweils auf die Aktionsplattform
von Beijing. Die Dynamik von Beijing ist noch längst nicht erlahmt.
Elisabeth Keller
Elisabeth Keller ist Politologin und Juristin, sie ist seit 1990 Geschäftsführerin der Eidgenössischen
Kommission für Frauenfragen (EKF). Die EKF wurde 1976 vom Bundesrat als
ausserparlamentarische Kommission zur Umsetzung der Gleichstellung von Frau und Mann
eingesetzt. Elisabeth Keller war 1995 Mitglied der Schweizer Delegation in Beijing, und Mitglied der
interdepartementalen Arbeitsgruppe zur Vorbereitung von Beijing und den Folgearbeiten. Für die EKF
war sie im Juli 2009 vor dem UNO-Frauenrechtsausschuss CEDAW in New York zur Präsentation der
EKF-Stellungnahme zum Dritten Staatenbericht der Schweiz.
Beijing plus 15
Das Interview entstand im Anschluss an den Workshop „15 Jahre Beijing Platform for Action:
Rückblick und Ausblick“ vom 30. Oktober 2009, der vom Wissenschaftlichen Forum von WIDE
Switzerland und dem IZFG durchgeführt worden ist. Es erscheint in der Zeitschrift genderstudies
1/2010 des IZFG.

www.wide-network.ch/pdf/Aktuell.../Interview_Keller_Nov_09.pdf


Noch nie war der Anteil der Frauen in der Landesregierung so gross. Hat dies den Bundesrat und seine Arbeit verändert? Eine Zwischenbilanz.
Die schwatzen und gestikulieren, lesen Zeitung – und tun so, als gäbe es diese Frau gar nicht. Als stünde sie nicht vor ihnen im Ratssaal: Ruth Dreifuss, die erste linke Bundesrätin, die ihnen, den bürgerlichen Männern, kurz zuvor, im März 1993, von zornigen Frauen auf dem Bundesplatz aufgenötigt wurde. «Wie sich die Männer unserer Ruth gegenüber aufgeführt haben damals, das war demonstrativ verachtend», erinnert sich Rosmarie Zapfl, Ex-CVP-Nationalrätin und heute Präsidentin des Frauenlobbyverbands Alliance F. «Wie sie extra Lärm machten, damit man nicht versteht, was sie sagt!»

Ruth Dreifuss, diese widerspenstige Gewerkschafterin, die per Zufall in die Landesregierung rutschte, nachdem die Bürgerlichen der Feministin Christiane Brunner ein verruchtes Leben angedichtet und die Sozialdemokraten den an Brunners Stelle gewählten unglücklichen Francis Matthey zum Verzicht gezwungen hatten.
Als Ruth Dreifuss ihrer Parteikollegin Christiane Brunner vorgezogen wird, sitzt auch Ueli Maurer in der berüchtigten rechten Saalhälfte. Erst seit knapp zwei Jahren ist er damals im Nationalrat, ein Hinterbänkler noch. Drei Jahre später wird er Präsident der SVP, weil sich kein anderer findet, der den Job machen will. Von da an kreuzen sich seine Wege immer öfter mit jenen von Christiane Brunner, denn sie übernimmt die Führung der SP Schweiz. Man begegnet sich als politische Kontrahenten in Fernsehdebatten und auf Podien. Und immer öfter auch abseits des Scheinwerferlichts. Brunner und Maurer, beide aus einfachen Verhältnissen stammend, aber komplett verschieden sozialisiert – er der konservative gelernte Buchhalter, sie eine 68er-Anwältin –, lernen sich kennen und schätzen. Von der Öffentlichkeit unbemerkt entwickelt sich eine tiefe Freundschaft.

Während sich Christiane Brunner aus der Politik verabschiedet und nach Genf zurückgezogen hat, sitzt Ueli Maurer heute im Bundesrat und führt das männerdominierte Verteidigungsdepartement. Und macht dort, was seine Genfer Freundin nicht erstaunt, sonst aber kaum jemand von ihm erwartet hätte: Er befördert eine Frau in die oberste Hierarchie. Alle Männer hätte er haben können für den Posten als Generalsekretär. Reihenweise scharwänzelten Kader aus der Armeewelt um den neuen Chef und brachten sich ins Gespräch. Sie alle wollten wichtigster Mitarbeiter und Vertrauter des Verteidigungsministers werden. Doch Ueli Maurer wies sie ab und setzte zum ersten Mal überhaupt eine Frau an die Spitze des Generalsekretariats, die 55-jährige Chemikerin Brigitte Rindlisbacher, Mutter zweier Töchter. «Ich bin überzeugt, dass eine Kaderfrau dem VBS gut tut», begründete er im letzten Juni seine Wahl. «Es gibt eine andere Sicht der Dinge.» Er freue sich, dass die beste Bewerberin eine Frau sei, «denn ich arbeite gern mit Frauen zusammen».
Im Bundesratszimmer muss sich der Militärminister besonders wohl fühlen. Nicht nur der klobigen Holzpulte wegen, die aussehen wie Panzer und die auch so aufgestellt sind, dass jeder auf jeden zielen kann, sondern auch der vielen Frauen wegen. Zählt man als achtes Mitglied Bundeskanzlerin Corina Casanova hinzu, die jeden Mittwoch für die Vorbereitung und den reibungslosen Ablauf der Sitzungen verantwortlich zeichnet, ist der Bundesrat erstmals in der Geschichte exakt halb weiblich und halb männlich.
Regiert es sich in einer solchen Zusammensetzung anders als in einer reinen Männerriege? Und wenn ja: Wie manifestiert sich das? Ueli Maurer lehnt sich in seinem Sitzungszimmer zurück, im Blick das gerahmte Foto einer jungen Frau in Uniform, das er an die Wand hängen liess, und sagt: «Drei Frauen funktionieren in einem Gremium einfach nicht gleich wie drei Männer. Das irritiert manchmal beide Seiten.» Zudem: In einer Regierung seien alle Mitglieder Alphatiere, auch die Frauen. Als Mann müsse man sich da eindeutig umgewöhnen, «schliesslich sind es die Männer nicht gewohnt, mit so vielen weiblichen Alphatieren umzugehen». Ab und zu stehe der Vorwurf im Raum, eine Behörde wie der Bundesrat funktioniere mit so vielen Frauen nicht. «Falls dem so wäre, läge das auch an den Männern, die sich nicht auf die Qualitäten einlassen, die Frauen haben.» Frauen seien sehr zielstrebig, schnörkelloser und emotionaler als Männer. «Sie gehen direkter auf ein Ziel los und werden dadurch manchmal zurückgeworfen.» Männer hingegen seien im Umgang unkomplizierter. «Es gibt auch Spannungen, aber die sind irgendwann beigelegt. Bei Frauen dauert das länger. Darauf muss man sich einfach einstellen.»
Dass einer wie Ueli Maurer, der als SVP-Chef gern den Rabauken spielte, so redet, zeigt, wie viel sich in den letzten zwei Jahrzehnten verändert hat. Vor 25 Jahren, als mit Elisabeth Kopp die erste Frau in den Bundesrat einzog, führte das bei den männlichen Kollegen beinahe zu Schockreaktionen. Oswald Sigg, der sich seit Mitte der Siebzigerjahre im innersten Zirkel der Bundesverwaltung bewegt, erinnert sich noch bestens an diesen «big bang», wie er es nennt. Sigg war zu der Zeit Informationschef des sozialdemokratischen Finanzministers Otto Stich: «Unser Chef kam von dieser ersten Bundesratssitzung mit Frau Kopp zurück, und wir waren alle aufgeregt. Wir wollten wissen, wie es war und ob das gehe mit einer Frau. Er antwortete sichtlich beeindruckt: Jetzt reden wir plötzlich anders! Der Umgang ist rücksichtsvoller geworden.» Von 2005 bis zum März dieses Jahres konnte Oswald Sigg sich als Bundesratssprecher selbst ein Bild machen. Es möge eigenartig tönen, sagt er, «aber die Verhandlungen im Bundesrat sind wohl sachlicher geworden, seit Frauen dabei sind». Er habe ab und zu erlebt, «dass ein männliches Regierungsmitglied beim Reden abschweifte, bis eine Frau sagte: Kommen wir zum Punkt». Man siezt sich während der Sitzung, draussen ist man per Du.
Während Elisabeth Kopp als Exotikum gemustert und am Ende gar mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt wurde, ist das Geschlecht heute so gut wie kein Thema mehr. Fragt man junge Politikerinnen, ob ein zur Hälfte weiblicher Bundesrat anders regiere, erntet man ratlose Blicke. Die Frage stellt sich den Jüngeren nicht mehr. Es ist normal, wie es ist. Und selbstverständlich. «Es hat sich nichts Grundlegendes verändert, Frauen regieren nicht massgeblich anders als Männer», sagt auch Ursula Wyss, die 36-jährige Fraktionschefin der SP. Dass ein mit Frauen besetzter Bundesrat eine völlig andere Politik machen würde, «spiegelt wohl eher die Hoffnungen respektive Ängste einer Zeit, als Frauen noch nicht in solchen Funktionen waren».
Bundesrätinnen von heute müssen nicht erst um Anerkennung kämpfen. Keiner bestreitet ihre Kompetenz, nur weil sie Frauen sind. Selbst die SVP ist stolz auf ihre jungen Politikerinnen und schiebt sie gern in den Vordergrund. Ermitteln die Medien die Beliebtheit der Regierungsmitglieder, schwingen die drei aktuellen Bundesrätinnen Micheline Calmy Rey, Doris Leuthard und Eveline Widmer-Schlumpf sogar regelmässig obenaus. Das Volk traut ihnen viel zu. Der frühere Bundesratssprecher Oswald Sigg glaubt den Grund zu kennen: Frauen seien in der Regel offener, kommunikativer und extrovertierter als ihre männlichen Kollegen, könnten sich deswegen besser medial in Szene setzen. Was er nicht sagt: Die amtierenden Bundesrätinnen haben auch eindeutig mehr Charme als ihre Kollegen, selbst wenn er von der spröden Sorte einer Eveline Widmer-Schlumpf ist.
Oswald Sigg sieht in der Beliebtheit der Bundesrätinnen aber auch eine Gefahr: Während man früher die Frauen von der Politik fernhielt und sie später, als es nicht mehr anders ging, zwar mitmachen liess, aber nicht für voll nahm, droht nun das Gegenteil. Die Öffentlichkeit habe heute «überzogene Erwartungen»: dass es die Bundesrätinnen besser machen müssten als ihre männlichen Kollegen. Dass sie deren vermeintlich schlechte Eigenschaften mit weiblichem Sinn für das Gemeinwohl zu kompensieren hätten. «Es besteht eindeutig die Erwartung, dass die drei Frauen zusammen etwas vorwärts bringen in der Regierung. Und da erwartet man zu viel.»
Als grosse Minderheit sind die drei Bundesrätinnen zudem exponierter. Zwei Frauen in einem Siebnergremium stellen demgegenüber noch kein gefährliches Stimmenpotenzial dar. Im Idealfall führt die klare Unterzahl zu einer Schicksalsgemeinschaft. Als Ruth Dreifuss nach sechsjährigem Einzelkämpferinnendasein 1999 mit Ruth Metzler eine junge, national unerfahrene Kollegin bekam, schweisste das die beiden zusammen: Eine Art Mutter-Tochter-Beziehung entstand, Mutter Dreifuss stand mit Rat und Tat zur Seite.

Die drei aktuellen Bundesrätinnen dagegen meiden die Nähe zueinander. Sie sind, was man Frauen generell vorhält: schlechte Netzwerkerinnen. Das Schmieden von Allianzen ist nicht ihre Sache. Vor allem die Sozialdemokratin Micheline Calmy-Rey und Eveline Widmer-Schlumpf von der BDP pflegen den Alleingang. Beide gelten übrigens auch als schwierige Chefinnen in ihren Departementen: stur und unbelehrbar die eine, hart und detailversessen die andere. Ansonsten haben Calmy-Rey, Widmer- Schlumpf und die CVP-Frau Leuthard nicht viel gemeinsam. Ausser dem Frausein, dem Ehrgeiz und Machtwillen. Von einer Solidarität unter den Bundesrätinnen ist nichts zu spüren. Im Gegenteil: Man schenkt sich nichts, weil man sich nicht sonderlich gut versteht, und man trägt Streitereien auch öffentlich aus. Als Aussenministerin Calmy-Rey unlängst mit bittersüssem Lächeln den für die Verhaftung Roman Polanskis Verantwortlichen einen Mangel an Fingerspitzengefühl vorwarf, zielte sie damit direkt auf Justizministerin Widmer-Schlumpf.
Streiten Bundesrätinnen in der Öffentlichkeit, ist sofort von Zickenkrieg die Rede. Nicht zu Unrecht. Der hohe Erwartungsdruck von aussen sorge wahrscheinlich zusätzlich für Spannungen unter den Bundesrätinnen, vermutet Oswald Sigg, selber übrigens Mitglied der SP. «Sie sehen sich zur Profilierung gedrängt, notfalls auch auf Kosten anderer.» Er kommt zum provokativen Schluss: «Ich finde, dass es nicht einfach besser ist für die Sache der Frau, wenn man drei Frauen im Bundesrat hat.»
Selbst Elisabeth Keller von der eidgenössischen Frauenkommission räumt ein, man merke «es eigentlich nicht, dass drei Frauen im Bundesrat sind». Das allerdings sei auch nicht das Entscheidende, entgegnet Frauenlobbyistin Rosmarie Zapfl. «Es geht nicht darum, dass Bundesrätinnen Frauenanliegen vertreten, sondern dass sie jedes Thema aus der Perspektive einer Frau betrachten können.» Entscheidender als das Geschlecht, da sind sich alle Gesprächspartner einig, sind Persönlichkeit und politische Herkunft eines Bundesratsmitglieds.

Das Regieren ist also mit den Frauen nicht weiblicher geworden. Als Departementschefinnen setzen die drei Bundesrätinnen aber durchaus weibliche Akzente. Micheline Calmy-Rey setzt sich auf dem internationalen Parkett für die Rechte der Frauen ein und fördert Frauen in der diplomatischen Laufbahn. Dank speziellen Rekrutierungskampagnen etwa an den Universitäten melden sich deutlich mehr Frauen für die diplomatische Ausbildung als früher. Doris Leuthard wiederum hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2011 alle Geschäftsleitungen ihres Departements mindestens zu einem Viertel mit Frauen zu besetzen. Und Eveline Widmer-Schlumpf hat immerhin, wie Ueli Maurer, eine Frau, sogar eine aus der SVP, Sonja Bietenhard, zur Generalsekretärin ernannt. Wie sie ihre Rolle als Frau im Bundesrat sehe, darüber hat sich Eveline Widmer-Schlumpf noch nie wirklich geäussert. Für ein Interview zu diesem Thema fehle ihr leider die Zeit, lässt sie über ihre Informationschefin ausrichten
Bezeichnenderweise ist die Frauenfrage auch den beiden anderen Bundesrätinnen kein Mediengespräch wert. «Bundesrätin Doris Leuthard erachtet den Gender-Aspekt für wichtig», heisst es aus dem Volkswirtschaftsdepartement. «Im Moment stehen jedoch andere Themen im Vordergrund, vor allem Fragen rund um die Bewältigung der Krise.» Die Frauenfrage scheint überholt, damit holt man sich heute keine Beachtung mehr. Die Solidaritätskundgebung 2008 für Eveline Widmer-Schlumpf könnte die letzte grosse Frauendemo auf dem Bundesplatz gewesen sein. Auch jene Frauen aus dem Mitte-links-Lager, die damals nach Bern reisten, sind desillusioniert und beginnen sich von der Blocher-Stürzerin abzuwenden: Man habe sich menschlich und politisch in ihr getäuscht. Eveline Widmer-Schlumpf politisiere wie früher auf SVP-Linie.
Dabei waren alle so euphorisch, damals im April. «Bravo, Eveline, Eveline, halte durch», riefen sie auf dem Bundesplatz der Bündnerin Mut zu, dass sie sich von den Rächern in der SVP nicht unterkriegen lasse. Tausende von Frauen, der Platz voll, die Fronten klar. «Wir wollten ein Zeichen setzen gegen die SVP: dass man so mit einer Frau nicht umspringen darf», sagt Rosmarie Zapfl von der Alliance F und kommt noch immer ins Schwärmen, wenn sie an jenen garstigen Freitag zurückdenkt, an dem für die Frauen die Sonne schien. War es Zufall, dass ausgerechnet eine Frau die Chuzpe hatte, gegen den Willen ihrer damaligen Partei den Übervater Christoph Blocher zu stürzen? Kein Zufall, meint Elisabeth Keller von der Frauenkommission. «Wir beobachten immer wieder, dass Frauen unkonventioneller handeln, weil sie weniger zu verlieren haben.» Auch Oswald Sigg glaubt nicht an einen Zufall: «Ich glaube tatsächlich nicht, dass sich ein Mann für dieses Manöver hätte finden lassen.» Für die Linke habe das Geschlecht noch zusätzlich eine Rolle gespielt, da man mit Eveline Widmer-Schlumpfs Wahl den Frauenanteil im Bundesrat erhöhen konnte.
Im markanten Kontrast dazu war die jüngste Bundesratswahl vom vergangenen September, als die politische Szene einen Nachfolger für Pascal Couchepin suchte, die erste seit langem, bei der nicht einmal seine Parteikolleginnen von der FDP laut nach einer Bundesratskandidatin riefen. Eine Frau zu sein, war in diesem Wahlkampf sogar fast so etwas wie hinderlich, hätte das doch zu einer weiblichen Mehrheit in der Regierung geführt. Und so sehr die Frauenfrage heute auch in den Hintergrund gerückt ist, vier Frauen im Bundesrat, das wäre vielen Männern dann doch nicht mehr geheuer. «Wissen Sie», raunt uns ein Nationalrat von der rechten Seite zu, «es reicht nun für eine Weile mit den Frauen. Man sieht ja schon jetzt: Die vertragen sich einfach schlecht.»
Wird es also noch lange dauern, bis die Schweiz mehrheitlich von Frauen regiert wird? An qualifizierten Kandidatinnen jedenfalls würde es schon heute nicht fehlen. Als mögliche Nachfolgerin von Hans-Rudolf Merz zum Beispiel wird immer wieder eine Frau genannt: Karin Keller-Sutter aus St. Gallen. Und wenn sich Moritz Leuenberger einmal verabschiedet, steht eine ganze Reihe sozialdemokratischer Parteikolleginnen bereit. Doch selbst SP-Mann Oswald Sigg hält es «in nächster Zeit nicht unbedingt für nötig, dass die Frauen die Mehrheit haben». Die ehemalige Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz geht noch weiter: «Eine Frauenmehrheit heute würde den Frauen schaden.» Zunächst müsse die Regierung reformiert werden, damit sie besser funktioniere, «bevor man Frauen verheizt».
Dabei machen sich die Frauen längst daran, die Politik im Land zu steuern. Ohne dass jemand gross Notiz nimmt davon, gelangt im nächsten Jahr schon die politische Führung im Land vollständig in weibliche Hand. Doris Leuthard wird Bundespräsidentin, die junge Pascale Bruderer führt den Nationalrat und Erika Forster den Ständerat. So etwas gab es noch nie. Und schwatzen dann die Männer von rechts immer noch zu laut, stellt ihnen eine Frau kurzerhand das Mikrofon ab.

http://www.annabelle.ch/gesellschaft/politik/die-mutter-der-kompanie-6978

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