Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Verena Friederike Hasel: Politische Korrektheit: Ich bin nicht mehr links, Zeit Online am 25. April 2017 (Politik)

Werner ⌂ @, Saturday, 04.08.2018, 16:15 (vor 2092 Tagen)

Verena Friederike Hasel: Politische Korrektheit: Ich bin nicht mehr links, Zeit Online am 25. April 2017

Lesenswert!

Auszug:
Die Zugehörigkeit zu einer Randgruppe wird zur Schlüssel­qualifikation erhoben. Diese Sakralisierung von Diskriminierungs­erfahrungen ist unter Linken inzwischen verbreitet. Alle, die durch Herkunft oder Geschlecht Privilegien genießen, werden mit fast religiösem Eifer angehalten, Abbitte zu leisten. Freispruch dürfen nur diejenigen erwarten, die über Unter­drückungs­erlebnisse berichten können. So grotesk übersteigert, schreckt mich das ab.
Neulich bei einem Abendessen mokierte sich eine Bekannte über all jene, die mit der EU nichts anfangen können. Sie selbst sei stolze Europäerin, und ihr Erasmus-Jahr, das sei einfach unvergesslich gewesen. Dass diese Art der europäischen Identitäts­bildung einer Elite vorbehalten ist, fiel ihr gar nicht auf. Diese gedankliche Enge versperrt auch den Blick auf die eigenen Widersprüche: Nationale Grenzen lehnt man zwar ab, aber die Grenzen rund um die eigene Komfortzone schätzt man umso mehr.

Tatsächlich werden in meinem großstädtisch geprägten Bildungs­bürger­milieu links­liberale Ansichten längst als die einzig wahre Form von Menschlichkeit gesehen. Besonders deutlich wird das in der Flüchtlings­politik. Es gebe doch tatsächlich Menschen, die für eine Obergrenze seien!, rief ein Bekannter bei einem Brunch in die Runde. Und alle schüttelten den Kopf. Unvorstellbar! Ich schwieg. Ich wollte den Morgen nicht verderben. Denn manchmal, habe ich festgestellt, ist die Stimmung auch unter denen, die prinzipiell für Vielfalt sind, nur so lange gut, wie alle einer Meinung sind.

Sobald ein Mensch linken Gesellschaftsentwürfen widerspricht, wird schnell diagnostiziert, er sei angstgesteuert. Als Gegenmittel wird die Konfrontation mit der Realität verordnet. Konservatives Denken, so die Botschaft, entsteht durch Lebensferne (der hat wohl noch nie einen Flüchtling getroffen), ist aber glücklicherweise heilbar (wird Zeit, dass er einen kennenlernt).

Mich hat gerade die Berührung mit der Wirklichkeit an meinen linken Theorien zweifeln lassen. Als ich mit Gefängnis­insassen monatelang ein Stück ein­studierte, habe ich Menschen kennen­gelernt, die mir den Glauben an die unendlichen Möglichkeiten der Resozialisierung genommen haben. Und gerade einige unserer syrischen und afghanischen Über­nachtungs­gäste haben mir klargemacht, wie unglaublich schwierig ihre Integration werden dürfte. Sehr gut erinnere ich mich noch, wie erleichtert einer von ihnen reagierte, als er sich versichert hatte, dass ich keine Jüdin sei, und wie ein anderer irritiert war, dass auch mein Mann das Baby wickelt. Mitleid erregte die Tatsache, dass wir zwar drei Kinder haben, aber nur Töchter.

Der ultimative Test für meine linke Gesinnung war jedoch die Einschulung meiner ältesten Tochter. Wir hatten die Wahl zwischen mehreren Schulen. Auf der einen, nahe gelegenen, gibt es kaum Migranten. Die andere, etwas weiter weg, hat einen Migranten­anteil von rund 80 Prozent. Gelebte Vielfalt, dachte ich, heißt ja nicht nur, im türkischen Supermarkt ein­zu­kaufen, weil sich das so schön nach Urlaub anfühlt. Also ging ich zu der zweiten Schule und sprach mit der Direktorin. Als ich ihr Büro verließ, war gerade Pause. Ich stellte mich auf den Schulhof, bis die Glocke zur nächsten Stunde läutete. Ich kam wieder und schaute mir noch eine Pause an. Kaum ein Kind sprach Deutsch, die meisten Türkisch oder Arabisch. Der Ton war rau, der Umgang ruppig. Später hörte ich von Kindern mit Migrationshintergrund, die Kinder ohne Migrationshintergrund mobbten. Ich meldete meine Tochter auf der anderen Schule an.

Solche Überlegungen fallen mir nicht leicht, weil ich mir so sicher war, als politisch links stehend zu den Guten zu gehören. Insofern kommt es für mich einer Vertreibung aus dem politischen Paradies nahe, dass ich mich von dort entferne. Zugleich kann ich nichts dagegen tun. Progressiv, das ist so ein Adjektiv, das ich immer mit Linkssein verbunden habe. Heute erscheinen mir viele Linke in ihrer Realitäts­verweigerung eher regressiv.

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Ich will, dass der Femiwahn aufhört in Deutschland, und zwar Dalli!


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