Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

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Normative Kraft des Faktischen (Gesellschaft)

Wiki, Saturday, 02.04.2016, 14:57 (vor 2953 Tagen) @ Michi

Vorweg:
"Die Rechtswissenschaft ist eine Pseudowissenschaft, deren Ziel es ist, zu verschleiern, dass im Rechtswesen politische Macht in willkürliche Entscheidungen umgesetzt wird." - Marcel Bartels
"Ein Recht, das man sich nicht nimmt, erodiert."
"Gesetzestexte werden angewendet, wenn sie diesem Machtsystem passen und ignoriert, wenn sie nicht passen." - Rainer

Wenn Nazigesetze den Herrschenden in den Kram passen, dann werde sie eben angewendet. Warum sollten sie es nicht tun, solange sie die Macht dazu haben und das Volk ihnen diese Macht nicht streitig macht.

Merke: Es gilt die Normativität des Faktischen.
Normativität des Faktischen ist die vom Staatsrechtler Georg Jellinek geprägte Bezeichnung für die Tendenz von Machtakten und Verhaltens­regel­mäßigkeiten, als Recht zu gelten und in legitime Verhaltens­forderungen überzugehen.

Georg Jellinek beschäftigte sich mit dem Problem der Rechtsgeltung. "Geltung" im rechtlichen Sinn bedeutet nur, dass bestimmte Regeln (Rechtsordnung) für Menschen Maßgabe des Handelns sind. "Geltung" und "Wirksamkeit" müssen zusammenspielen, damit Rechtsnormen effektiv sein können. Max Weber charakterisiert die "Effektivität" einer Rechtsordnung als die "Chancen der Durchsetzbarkeit".
- WikiMANNia

Carl Schmitt (1888-1985) gilt als einflussreichster und dennoch umstrittenster Verfassungsrechtler seiner Zeit. Sein im Katholizismus verwurzeltes Denken kreiste um Fragen der Macht, der Gewalt und der Rechtsverwirklichung. - WikiMANNia

Prof. Dr. Carlo Schmid (1896-1979) war ein deutscher Politiker und Staatsrechtler.

Carlo Schmid gehört zu den Vätern des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und auch des Godesberger Programms der SPD. Er setzte sich auch stark für die europäische Integration und die deutsch-französische Aussöhnung ein. Den Nationalsozialismus bezeichnete er öffentlich als Philosophie von Viehzüchtern, angewandt am verkehrten Objekt.

Bereits im August 1948 wirkte Carlo Schmid im Herrenchiemseer Konvent, der das spätere Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in die Wege leitete, sehr maßgeblich mit. Von 1948 bis 1949 war er Mitglied des Parlamentarischen Rates und hier Vorsitzender der SPD-Fraktion und des verfassungspolitisch ausschlaggebenden Hauptausschusses sowie des Ausschusses für das Besatzungsstatut. Schmid trat im Parlamentarischen Rat unter anderem am 8. September 1948 durch eine Grundsatzrede hervor und trat für das auf seine Initiative ins Grundgesetz übernommene konstruktive Misstrauensvotum ein.

Carlo Schmid betonte in seiner Grundsatzrede vor dem Parlamentarischen Rat:

"Meine Damen und Herren!
Worum handelt es sich denn eigentlich bei dem Geschäft, das wir hier zu bewältigen haben? Was heißt denn: 'Parlamentarischer Rat'? Was heißt denn: 'Grundgesetz'? Wenn in einem souveränen Staat (sic!) das Volk (sic!) eine verfassunggebende Nationalversammlung (sic!) einberuft, ist deren Aufgabe klar und braucht nicht weiter diskutiert zu werden: Sie hat eine Verfassung (sic!) zu schaffen. Was heißt aber "Verfassung"? Eine Verfassung ist die Gesamtentscheidung eines freien Volkes über die Formen und die Inhalte seiner politischen Existenz.
Eine solche Verfassung ist dann die Grundnorm des Staates. Sie bestimmt in letzter Instanz ohne auf einen Dritten zurückgeführt zu werden brauchen, die Abgrenzung der Hoheitsverhältnisse auf dem Gebiet und dazu bestimmt sie die Rechte der Individuen und die Grenzen der Staatsgewalt. Nichts steht über ihr, niemand kann sie außer Kraft setzen, niemand kann sie ignorieren. Eine Verfassung ist nichts anderes als die in Rechtsform gebrachte Selbstverwirklichung der Freiheit eines Volkes. Darin liegt ihr Pathos, und dafür sind die Völker auf die Barrikaden gegangen. Wenn wir in solchen Verhältnissen zu wirken hätten, dann brauchten wir die Frage: worum handelt es sich denn eigentlich? nicht zu stellen. Dieser Begriff einer Verfassung gilt in einer Welt, die demokratisch sein will, die also das Pathos der Demokratie als ihr Lebensgesetz anerkennen will, unabdingbar. [...]
Nur wo der Wille des Volkes aus sich selber fließt, nur wo dieser Wille nicht durch Auflagen eingeengt ist durch einen fremden Willen, der Gehorsam fordert und dem Gehorsam geleistet wird, wird ein Staat im echten demokratischen Sinne des Wortes geboren. Wo das nicht der Fall ist, wo das Volk sich lediglich in Funktion des Willens einer fremden übergeordneten Gewalt organisiert, sogar unter dem Zwang, gewisse Direktiven dabei befolgen zu müssen, und mit der Auflage, sich sein Werk genehmigen zu lassen, entsteht lediglich ein Organismus mehr oder weniger administrativen Gepräges. [...]
Zuerst räumlich betrachtet: Die Volkssouveränität ist, wo man von ihrer Fülle spricht, unteilbar. Sie ist auch räumlich nicht teilbar. Sollte man sie bei uns für räumlich teilbar halten, dann würde das bedeuten, dass man hier im Westen den Zwang zur Schaffung eines separaten Staatsvolks setzt. Das will das deutsche Volk in den drei Westzonen aber nicht sein! Es gibt kein westdeutsches Staatsvolk und wird keines geben!
Das französische Verfassungswort: La Nation une et indivisible: die eine und unteilbare Nation bedeutet nichts anderes, als dass die Volkssouveränität auch räumlich nicht teilbar ist. Nur das gesamte deutsche Volk kann "volkssouverän" handeln, und nicht ein Partikel davon. Ein Teil von ihm könnte es nur dann, wenn er legitimiert wäre, als Repräsentant der Gesamtnation zu handeln, oder wenn ein Teil des deutschen Volkes durch äußeren Zwang endgültig verhindert worden wäre, seine Freiheitsrechte auszuüben. Dann wäre ja nur noch der Rest, der bleibt, ein freies deutsches Volk, das deutsche Volkssouveränität ausüben könnte. [...]
Dazu möchte ich sagen: Eine Verfassung, die ein anderer zu genehmigen hat, ist ein Stück Politik des Genehmigungsberechtigten, aber kein reiner Ausfluss der Volkssouveränität des Genehmigungspflichtigen! [...]
Wir haben unter Bestätigung der alliierten Vorbehalte das Grundgesetz zur Organisation der heute freigegebenen Hoheitsbefugnisse des deutschen Volkes in einem Teile Deutschlands zu beraten und zu beschließen. Wir haben nicht die Verfassung Deutschlands oder Westdeutschlands zu machen. Wir haben keinen Staat zu errichten."[1]


Damit ist klargestellt, dass
* eine Verfassung durch ein freies Volk (!) in einem souveränen Staat (!) geschaffen wird,
* das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland keine Verfassung ist,
* mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland kein Staat errichtet wurde,
* durch die Gründung der Bundesrepublik Deutschland lediglich ein "Organismus mehr oder weniger administrativen Gepräges" geschaffen wurde.

Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht nur kein souveräner Staat, sie ist überhaupt kein Staat, sondern eine Verwaltungseinheit.
- WikiMANNia

[1] Carlo Schmid: "Was heißt eigentlich Grundgesetz?" - Rede vor dem Parlamentarischen Rat am 8. September 1948 (Es gibt Youtube- und MP3-Links unten im WikiMANNia-Artikel über Carlo Schmid)

Ich erinnere aber nochmals an die oben angesprochenen Grundsätze:
* "Ein Recht, das man sich nicht nimmt, erodiert."
* "Es gilt die Normativität des Faktischen."

Die Politiker können einfach sagen: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern. Und was Carlo Schmid sagte, IST Geschwätz von gestern, denn die Politiker von heute behaupten ohne Ausnahme, dass das "Grundgesetz (von den Alliierten) für die Bundesrepublik Deutschland" eine Verfassung sei. Selbst Gregor Gysi, der Rechtsanwalt und alles andere als auf den Kopf gefallen ist, spricht im Bundestag von "unserer Verfassung", als wenn es die Rede Carlo Schmids nie gegeben hätte.
Und da das Volk seinen Politikern nicht widerspricht, ist das faktisch auch der Fall. Abweichende Meinungen von wenigen Außenseitern sind dabei irrelevant. Es gibt kein höheres Recht und es gibt keine höhere Gerechtigkeit als das Recht, welches ein Volk sich nimmt.


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