Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Amber Sayah (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Sunday, 01.02.2015, 10:52 (vor 3387 Tagen)

F350 Amber Sayah geboren 1953 in Teheran (Iran) – Studium der Germanistik und Kunstgeschichte in Göttingen - von 2004 bis 2004 Lehrauftrag an der Universität Stuttgart – seit 1995 Redakteurin für Kunst und Architektur bei der Stuttgarter Zeitung – Mitbegründerin und Moderatorin des Ludwigburger Architekturquartetts – Buchveröffentlichung: Architekturstadt Stuttgart (Belser Verlag 2012) - www.architekturquartett.de – info@architekturquartett.de - http://www.schwaebischhall.de/images/kalender/18228_1_Sayah-Amber.jpg

Vor einem Vierteljahrhundert kam ein Film in die Kinos, der zum "Rendezvous unterm Nierentisch" einlud. In Werbespots der Fünfziger wurde da gewaschen und gebügelt, gekocht und geputzt, was das Zeug hielt. Das Publikum delektierte sich nicht nur an der biederen Ästhetik der Clips, sondern auch am steinzeitlichen Gesellschaftsbild, das nebenbei darin zum Ausdruck kam: Männer, die morgens in den Opel Kapitän stiegen und ins Büro brausten, Frauen, die ihnen andächtig nachwinkten und ansonsten auf Haushalt, Kinder, Küche abonniert waren. Die Vollkatastrophe trat in diesen Frauenleben ein, wenn das Essen anbrannte oder Vati kein sauberes Hemd mehr zum Anziehen hatte. Wie schön, dachte man in seinem Kinosessel, hin- und hergerissen zwischen Schaudern und Behagen, dass diese muffigen Nierentischtage hinter uns liegen, wie schön, dass wir inzwischen alle so rundum emanzipiert sind.

Längst hat der Feminismus nach allgemeiner Ansicht sein Ziel erreicht. Die Chancengleichheit von Mann und Frau ist Konsens - auf ganzer Linie hergestellt und so unverbrüchlicher Bestandteil unseres Gesellschaftsvertrags, dass man das Thema im Prinzip abhaken kann. Verkämpfen muss sich dafür niemand mehr, keine mehr öffentlich ihren BH verbrennen. Nur wenn eine Kopftuchlehrerin ihr Haupt erhebt oder Burkaverbot und Zwangsheirat diskutiert werden, hissen Politik und Medien die Fahne der schwarz-rot-goldenen Leitkultur, auf der in Großbuchstaben die Worte "Freiheit, Gleichheit und Selbstbestimmungsrecht der Frau" eingestickt sind.

Abseits der Integrationsdebatte ist die holde Weiblichkeit jedoch gebeten, von überzogenen Forderungen abzusehen. Die amtierende CDU-Familienministerin Kristina Schröder lehnte es kürzlich in einem "Spiegel"-Interview ab, Frauen im Berufsleben durch Quoten zu fördern. Ähnlich klang das, was in einer gefeierten Rede auf dem CSU-Parteitag im November die Vizechefin der Jungen Union in Bayern, Katrin Poleschner, von sich gab. Alice Schwarzer, die Mutter der Bewegung, schlug zurück, aber allein ihre Jugend schien den Politikerinnen in dieser Auseinandersetzung recht zu geben.

Wofür Schwarzer steht, gilt als der in die Jahre gekommene, unweibliche, männerfeindliche, verbiesterte Emanzen-Feminismus alter Schule, von dem sich Frauen der jüngeren Generation distanzieren, weil sie - nochmals Schröder - gemerkt haben, "dass Partnerschaft und Kinder Glück spenden". Männer hatten aufgrund ihres scharfen Verstands sogar schon früher erkannt, dass der Feminismus eine Falle war: Frauen in ihrem Selbstverwirklichungswahn seien schuld, dass die Deutschen aussterben, diagnostizierte der FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher vor zwei Jahren, vorher stünde aber noch der Sieg des Matriarchats zu befürchten, prophezeite Matthias Matussek vom "Spiegel". Etwa zur selben Zeit wurde der "neoliberale Alphamädchen-Feminismus" beziehungsweise "Girlie-Feminismus" gegen den Feminismus der alten Schlachtrösser in Stellung gebracht: Charlotte Roche gegen Alice Schwarzer. Die Heldin von Roches "Feuchtgebieten", mit denen die ehemalige "Queen of German Pop Television" (Harald Schmidt) Auflagenzahlen erreichte wie nach ihr nur der Deutschlandabschaffer Thilo Sarrazin, verweigert sich - welch gefährlicher Tabubruch! - der Achselhaarrasur. Eine Weile lieferte das Buch dem medialen Smalltalk Futter, dann war auch das Thema durch.

Inhaltlich und intellektuell gingen die Debattenbeiträge der letzten Zeit - sofern man die Äußerungen der Familienministerin oder die Horrorvisionen der Herren Meinungsführer so nennen will - fast immer an der Sache vorbei. Das politische Klima beeinflussen sie dennoch. Wiederholt wurde und wird klar, dass der Feminismus - per definitionem eine "Bewegung des Denkens und Handelns mit dem Ziel der Überwindung von Geschlechterhierarchien und Geschlechterstereotypen" (so die Politologin Ingrid Kurz-Scherf) - immer noch Gegner aus dem gesamten politischen Spektrum hat.

Darum schnell noch einmal ein paar Zahlen und Fakten zur Erinnerung: Frauen, so schrieb Meredith Haaf in der "Zeit" 2008, haben heutzutage die gleichen Bildungschancen wie Männer. Ihre Benachteiligung registrieren sie erst, wenn sie ihren ersten Gehaltsscheck in Empfang nehmen. Und das liegt nicht daran, dass die Dummerchen allesamt Germanistik studieren, womit man eben weniger Geld verdient als mit Elektrotechnik, wie Kristina Schröder im "Spiegel"-Interview meint. Bis zu 500 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen etwa Berufseinsteigerinnen mit einem BWL-Studium. Der durchschnittliche Gehaltsunterschied liegt bei zwanzig Prozent. Kinder bedeuten für Frauen nach wie vor einen Karriereknick. Mit dem dreißigsten Lebensjahr wechselt fast jede zweite in Teilzeitarbeit, häufig dem Nachwuchs zuliebe. Den wenigsten gelingt nach einem Wiedereinstieg der berufliche Aufstieg. Frauen in Führungspositionen oder Aufsichtsräten der großen Unternehmen kann man bekanntlich mit der Lupe suchen.

Kommt auf der Ebene der Rollenbilder die frauenverachtende Pornografisierung der Werbung und Medien hinzu. Kein Tag vergeht ohne nackte Frauen auf Seite eins der "Bild"-Zeitung, kein Musikclip ohne halb nackte Mädchen, die sich als Schlampen inszenieren und glauben, dass sie selbstbestimmt und subversiv über ihre Körperpräsentation entscheiden. Irrtum! "Die Katzenberger ist ein Tittenstar", empörte sich der "Bild"-Kolumnist Franz Josef Wagner, nachdem der SPD-Chef Sigmar Gabriel die Frau des Verteidigungsministers und das von "Bild" sonst gern hergezeigte Sexsymbol bei Gelegenheit der Afghanistanreise der Guttenbergs in einem Atemzug genannt hatte. Sind wir jetzt wieder bei der Sortierung nach Huren und Heiligen wie anno dunnemals?

Und was ist aus der Befreiung von patriarchalen Weiblichkeitsklischees geworden, gegen die unsere Mütter in Latzhosen und Schlabberröcken aufbegehrten? Ein dämliches Schönheitsideal, das, so spottet die Journalistin Annett Gröschner, an die EU-Norm für Gurken erinnert: frisch, nicht zu krumm, bestimmtes Gewicht (Gurken wurden von der Vorschrift inzwischen befreit).

Blicken wir den Tatsachen ins Auge: Auf dem Papier sind Männer und Frauen gleichberechtigt, in der Realität nicht. Das Land braucht darum wieder mehr Feminismus. Denn mit der Gleichberechtigung verhält es sich wie mit der Demokratie: Man hat sie nie sicher in der Tasche. Sie ist ein kostbares, gefährdetes Gut, das leicht verloren geht, wenn man sich nicht immer wieder und gegen alle Rückschläge und Hindernisse dafür einsetzt. Hinter das Erreichte zurückzufallen, darf eine moderne, aufgeklärte Gesellschaft sich nicht leisten. Leitkulturell kann sie sonst einpacken.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2765795_0_9223_-die-schlampen-wirken-muede.html

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