Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Dr. Ute Vogt (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Wednesday, 19.03.2014, 14:55 (vor 3879 Tagen)

F154 Dr. Ute Vogt – geboren am 03.10.1964 in Heidelberg (Baden-Württemberg) – Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg und der Verwaltungswissenschaften an der Deutschen Hochschule Speyer – als Rechtsanwältin in Pforzheim tätig - von 1999 bis 2009 Landesvoritzende der SPD in Baden-Württemberg – von 2002 bis 2005 parlamentarische Staatssekretärin – Mitglied des Deutschen Bundestages von 1994 bis 2005 – von 2006 bis 2009 Mitglied des Landtages Baden-Württemberg - Anschrift: Wilhelmsplatz 10, 70182 Stuttgart - www.ute-vogt.de – stuttgart@ute-vogt.de – internet@ute-vogt.de - http://www.stuttgarter-nachrichten.de/media.media.5cd5f2db-4b85-4433-8c3e-4ed42cead0c4.normalized.jpeg

Und deshalb sendet der Privatsender seit heute Morgen ein Gespräch von Ute Vogt, die während des Interviews an einen Lügendetektor angeschlossen wurde. "Was glauben Sie, Frau Vogt, können Frauen besser als Männer?", fragt Moderator Oliver Ostermann. Der SPD-Spitzenkandidatin hört man die Freude an der Antwort an, sie scheint geradezu die Fäuste zu ballen beim Reden: "Frauen", sagt Ute Vogt, "sind einfach viel lebenspraktischer, Frauen reden nicht so lange um den heißen Brei herum, sie sagen ihre Meinung, und da weiß man, woran man ist." Sie hätte auch sagen können "ich" statt "Frauen", denn Ute Vogt stichelt im Wahlkampf gegen den drögen CDU-Ministerpräsidenten Günther Oettinger und kokettiert mit ihrem frischen und offenen Image.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,407523,00.html

Die Macht der Frauen - die Frauen der Macht
Eva Rühmkorf und Ute Vogt -- Es gibt mehr Frauen als Männer in Deutschland. Schon deshalb hängt vom weiblichen Wahlverhalten ab, wie die Bundestagswahl 2002 ausgeht. Aber haben sich Frauen in den vergangenen Jahren auch in der Politik selbst durchgesetzt? Darüber sprach die Bundestagsabgeordnete UTE VOGT (geboren 1964) mit EVA RÜHMKORF (geboren 1935), der ersten deutschen Frauenministerin. Das Gespräch, ein Auszug aus dem gerade erschienenen Band "Wir sind die Besseren", wurde moderiert von JÜRGEN LEINEMANN und HORAND KNAUP
Frau Vogt, hat die Frauenbewegung ihr politisches Bewusstsein geprägt oder ist das Geschichte, die mit Ihnen gar nichts mehr zu tun hat?

Vogt: Ich habe die Frauenbewegung nur in und über die SPD wahrgenommen. Als ich zur SPD kam, war das für mich überhaupt kein Thema. Ich war im Ortsverein als Schriftführerin die einzige Frau im Vorstand. Begonnen habe ich eher in dem Sinne: "Wer was will und kann, der kann sich auch durchsetzen." Ich habe das auch so empfunden, wiewohl ich mehrfach Erlebnisse hatte, die mich doch etwas aufschrecken ließen. Im Ortsverein sind wir abends oft lange sitzen geblieben. Wir haben einmal nach einer Sitzung bis drei Uhr früh getrunken und waren eigentlich gemütlich beisammen. Da sagt ein älterer Genosse zu mir, weißt du, ich finde toll an dir, dass du immer dabei bleibst, mittrinkst und nicht so früh heimgehst. Eben so wie wir Männer. Da habe ich ihn gefragt, was er sagen würde, wenn seine Frau nachts um halb drei heimkäme. Bei meiner Frau kann ich mir das nicht vorstellen, hat er geantwortet. Solche Dinge sind mir ein paar Mal passiert. Da war mir klar, wenn du dich so verhältst wie die Männer, hast du eine gewisse Akzeptanz. Ich habe dann erst über eine Freundin, die in der SPD frauenpolitisch aktiv war, ein Sensorium für die Frage entwickelt. Der Schlüssel war aber die Quotendebatte. Am Anfang war ich überhaupt nicht dafür, dann habe ich im Laufe der Diskussion doch angefangen, mir über die Rollenverteilung Gedanken zu machen.

Rühmkorf: Warum waren Sie nicht für die Quote?

Vogt:Weil ich es ja selber geschafft hatte. Und ich mir sagen konnte, na ja, wer gut ist, kann auch was erreichen, ich habe es ja auch erreicht. Durch Gespräche mit vielen Frauen und durch Erfahrungen in der Alltagspolitik habe ich dann aber doch gemerkt, dass ich privilegiert war. Ich brachte schon von meinem Elternhaus her nicht das klassische Rollenverständnis mit und war insofern anders gerüstet. Das war bei vielen anderen nicht so. Außerdem hab′ ich zunehmend erkannt, dass ich zwar durchsetzungsfähig bin, dass aber in dem Moment, in dem es um Macht und Einfluss geht, die Bereitschaft der Männer umgehend aufhört, dich einzubeziehen und großzügig zu sein. Das hat kräftig zu der Einsicht beigetragen, dass es freiwillig nicht geht.

Gab es denn ältere Genossinnen in der Frauenbewegung, die Ihnen Vorbild waren?

Vogt:Eher nicht. Es gab eine gleichaltrige Freundin, die schon zwei Jahre länger in der SPD war, die mit mir diskutierte und mir ihre Erfahrungen mitgab. Aber die älteren waren weit weg. Zu denen hatte ich früher überhaupt keinen Zugang, weil die sich mit Themen beschäftigten, die mich nicht interessierten. Das waren überwiegend berufstätige Frauen oder Frauen mit einem bestimmten Habitus, Seidenschal und feinen Klamotten, und das war nicht meine Welt. Nein, das Thema Frauen kam erst über besagte Freundin, Heike, und als wir anfingen, zum internationalen Frauentag gemeinsame Sachen zu planen. Die DKP- und Juso-Frauen haben ein gemeinsames Kabarett auf die Beine gestellt. Das war sehr prägend, denn da ergaben sich Begegnungen mit Frauen und ihren sehr unterschiedlichen Erfahrungen, das hat mich sensibilisert. Aber ohne das Engagement in der SPD wäre mir das Thema wohl fremd geblieben.

Und was Frau Rühmkorf in Hamburg auf die Beine gestellt hat, haben Sie gar nicht zur Kenntnis genommen?

Vogt:Ich habe es wahrgenommen, als ich mit der Kommunalpolitik anfing. Ihre Begründungen habe ich aufgegriffen, als ich versuchte, die Gleichstellungsstelle in Wiesloch umzusetzen. Auf meinem ersten Parteitag 1988 in Stuttgart habe ich meine erste Rede für die Quotierung gehalten. Die baden-württembergische SPD war damals ja noch dagegen.

Rühmkorf: Finden Sie es denn heute auch noch richtig, dass die Quotierung eingeführt wurde?

Vogt:Natürlich. Man sieht es doch überall, wo die Quote nicht greift. Man hat es früher gesehen, als Abgeordnete aus Baden-Württemberg nur über Listen in die Parlamente kamen, hatten wir den notwendigen Frauenanteil. Die Kolleginnen aus Nordrhein-Westfalen hatten das nie. Und so ist es in allen Bereichen, wo es keine formale Quotierungsvorgabe gibt. Selbst in der SPD kommen Frauen immer noch nicht ausreichend zum Zug. Noch heute ärgert mich, wenn es um Führungspositionen geht, dass wir zu wenig Absprachen treffen, um Frauen in Position zu bringen. Aber SPD und Gesellschaft wären ohne die Quote nicht so weit wie sie es sind. Wir hätten zum Beispiel niemals so einen hohen Frauenanteil im Bundestag, niemals.

Aber für das Gleichstellungsgesetz, das im Sommer 2001 in Rede stand, haben Sie sich nicht stark gemacht.

Vogt:Nein, ich muss aber auch sagen, ich habe ein bisschen ein Problem damit, fehlende Gleichberechtigung zu beklagen. Das haben die Kolleginnen sehr ausgeprägt gemacht, die das Gleichstellungsgesetz propagiert hatten. Ich hätte es lieber gehabt, wenn man im Sinne einer Querschnittsregelung verfahren wäre, dass überall dort, wo es normale gesetzliche Regelungen gibt, ein entsprechender Passus für die Frauen reinkommt. Es gab in der Fraktion als Reaktion auf das ausbleibende Gleichstellungsgesetz einen Antrag, der die Wirtschaft aufgefordert hat, bestimmte Dinge einzuhalten. Der Antrag begann damit, dass nach dem Grundgesetz alle Frauen und Männer gleichberechtigt sind, die Wirklichkeit aber anders aussieht. Das hat mich ziemlich wütend gemacht. Das sind wortwörtlich die gleichen Sätze, mit denen ich 1989 im Gemeinderat meine Sache begründet habe. So kann man heute einfach nicht mehr argumentieren. Ich war so verärgert, dass ich gegen den Antrag gestimmt habe. Ich kann es einfach nicht mehr hören, wir sind gleich, aber eigentlich sind wir es ja doch nicht.

Rühmkorf: Es ist aber so.

Vogt:Kann schon sein, aber man darf irgendwann auch einmal anders auftreten. Man könnte sich zum Beispiel hinstellen und sagen, wir können was, und wir nehmen, was uns gehört. Viele Kolleginnen treten immer noch so jammervoll auf, damit kann ich nichts mehr anfangen.

Rühmkorf:Es gibt ein paar Redewendungen, die kann ich auch nicht mehr hören. Ich hätte sicher heute auch keine Lust mehr, noch einmal Frauenpolitik zu machen. Gleichzeitig finde ich gut, dass es dieses Klageweibergehabe kaum noch gibt. Wir hatten das noch, es war auch berechtigt und notwendig. Aber quer durch die Generationen ist inzwischen ein neues Selbstbewusstsein entstanden, und das hängt auch mit der Quotierung zusammen. Im Übrigen auch mit den Auswirkungen auf Bereiche, wo die Quotierung gar nicht verankert ist. Es gibt überall mehr Frauen, sie können auf Ergebnisse verweisen, statt nur Ansprüche einzuklagen. Die Grundüberlegung für ein Gleichstellungsgesetz war eben nicht mehr, nur etwas einzuklagen, sondern sehr konkrete, sehr vernünftige, auch sehr pragmatische und der Wirtschaft angemessene Übergangsfristen zu vereinbaren. Immerhin verpflichtet das Grundgesetz den Staat, bestehenden Ungleichheiten entgegenzuwirken. Ich finde, es war kein Klageweibergesetz, aber mich hat nicht überrascht, dass es so untergegangen ist. Es hätte mich sehr gewundert, wenn unter Kanzler Schröder ein Gleichstellungsgesetz zustande gekommen wäre. Ich glaube, das kann er ganz schlecht aushalten, weil das für ihn immer noch "Gedöns" ist. Es ist für ihn kein Thema, das er politisch ernst nimmt.

Vogt: Ich glaube, dass Schröder von seiner Frau vieles lernt. Ich habe den Eindruck, im Moment widmet er sich dem Thema Frauenpolitik stärker, als vielleicht erkennbar ist. Auch aus der Wirtschaft kommt Druck, und ich glaube schon, dass der Stellenwert der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ganz beträchtlich ist. Das hat nicht nur mit den Anforderungen aus der Wirtschaft zu tun. Er ist beim Gleichstellungsgesetz zurückgezuckt, weil er von der Wirtschaft nicht noch mal hören wollte, dass er ihnen eine neue Belastung aufdrückt. Wenn es der Konjunktur besser ginge und vielleicht auch das Betriebsverfassungsgesetz glatt durchgegangen wäre, hätte er es gemacht. Er hat die Finger davon gelassen, nicht, weil er das Thema so abwegig findet, sondern weil er die Wirtschaft nicht weiter belasten wollte.

Rühmkorf: Aber in der Bundestagsfraktion ist auch nicht dafür gekämpft worden.

Vogt:Stimmt. Aber in der Fraktion ist die Lage im Moment auch ein bisschen schwierig. Ich erzähle dazu mal eine Episode: Als im Jahr 2000 der neue wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion gesucht wurde, war für kurze Zeit eine junge Kollegin im Gespräch. Dann trat auch ein Mann als Bewerber auf und wurde gewählt. Bei einem Frauentreffen danach hieß es dann: Empörend! Wir lassen uns das nicht mehr bieten! Bei diesem Treffen war aber nicht Thema, dass schon wieder ein Mann eine entscheidende Position erobert hat, sondern sie haben sich darüber erregt, dass nur noch die jungen, netten und gutaussehenden Frauen was werden. Die anderen, die die Arbeit gemacht haben, so war der Tenor, werden aufs Abstellgleis geschoben.
Das ist das Problem in dieser Fraktion: Es gibt zwar Solidarität unter den Frauen, aber manchmal bricht auch offener Neid aus. Ich weiß, dass manche sich gar nicht mit mir freuen, wenn wir Erfolg haben. Bei mir im Landesverband war das total anders. Da sind die Frauen meine stärkste Stütze. Aber in der Bundestagsfraktion habe ich den Eindruck, dass einige Frauen überhaupt nicht damit zurecht kommen und nach dem Motto rummaulen, "jetzt kommen die jungen Dinger, kriegen die Posten und wir alten Kämpferinnen haben nichts". Das finde ich schade, aber vielleicht ist es ja auch menschlich.

Der Generationenkonflikt ist stärker als die Frauensolidarität?

Vogt:Es gibt Situationen, in denen ich wirklich das Gefühl habe, die kommen damit überhaupt nicht klar, dass wir es manchmal leichter haben. Es gibt aber auch andere - mit Ulla Schmidt etwa haben wir überhaupt keine Probleme.

Wie ist das bei theoretischen Diskussionen: Spielen Frauen dabei überhaupt keine Rolle? Sagen die Frauen, wir haben an dieser Stelle erhöhten Diskussionsbedarf? Oder sagen sie, wir sind in diesem Punkt ganz anders?

Vogt: Im Moment spielen sie keine Rolle.

Rrühmkorf:Ich bin ja nicht mehr aktiv in der Parteiarbeit. Aber ich vergleiche und verfolge die Entwicklung. Wenn ich mich zum Beispiel daran erinnere, welche intensiven friedenspolitischen Diskussionen unter Frauen früher in der AsF stattgefunden haben. Wie die feministische Diskussion und auch die Frage, wie gehen wir mit der autonomen Frauenbewegung um, die Frauen bewegt hat. Was das für ein zentrales Thema war! Wie intensiv sich die AsF früher mit der Gentechnologie oder der Atomenergie beschäftigt hat. Heute höre ich da keinen Pieps mehr, und es kann nicht nur an mir liegen, dass ich nichts höre. Es muss einen absoluten Stillstand geben. Ich nehme jedenfalls die Frauen an den Stellen, an denen sie in der Partei organisiert sind, als Kraft des Diskutierens und Bewegens und Vorantreibens nicht mehr wahr.

Wie erklären Sie sich, dass die Frauen als organisierte Einheit in der Politik und auch in der SPD praktisch nicht mehr vorkommen?

Rühmkorf:Ich glaube, es geht vielen aus meiner Generation, aber auch den etwas Jüngeren wie mir: Sie fragen sich, muss ich das eigentlich machen, bis ich zusammenbreche? Können jetzt nicht mal die Jüngeren ran? Dann gucke ich hin und stelle fest, die haben andere Themen. Gut, sage ich mir, ist vielleicht auch in Ordnung, wenn die sich anderen Themen widmen.

Was haben Sie falsch gemacht, dass niemand nachgewachsen ist?

Rühmkorf:Das ist eine Frage, die mir immer wieder gestellt wird, und die ich nach wie vor nicht richtig nachvollziehen kann. Wieso soll ich, wieso sollen wir etwas falsch gemacht haben, wenn sich die nachfolgende Generation anders verhält, wenn sie andere Probleme hat und andere Ziele verfolgt? Ich glaube, es ist häufiger so in der Geschichte, nicht nur bei Bewegungen. Es gibt eine Zeit des Aufbruchs, es gibt eine Zeit, in der etwas erreicht ist, und es gibt dann eine Zeit, in der die Gründerinnen verschwinden und viele Dinge selbstverständlich sind und auch einen guten Weg weitergehen, ohne dass die "Bewegung" noch eine Rolle spielt. Vieles hat sich positiv entwickelt, nur gibt es eben diese Ideologie- oder Visionsdiskussionen nicht. Vielleicht ist aber auch einfach nicht die Zeit dafür.

Vogt: Ich verstehe die Frage gar nicht. Welche Nachfolgerinnen sollen denn fehlen?

Es ist ja sicher nicht so, dass die Frauenthematik ab- und durchgearbeitet wäre, dass Frauen vollauf gleichberechtigt wären und sie selbstverständlich Kanzler oder Bundespräsident werden könnten.

Vogt:Nein, aber in gewisser Weise hat sie sich auch etwas verändert. So fand ich es absolut richtig, am Ende der Debatte zu sagen, Frauenpolitik ist Querschnittsaufgabe. Ich halte es für einen ganz entscheidenden Schritt, wenn Frauenpolitik nicht mehr ein Feld ist, wo Frauen möglichst was für Frauen entwickeln sollen, sondern wenn jeder, egal wo er Politik macht, das Thema im Kopf hat. Das führt zwangsläufig dazu, dass die Frauen, die die Debatte im klassischen Sinne geführt haben, zurückstecken und weniger werden. Jetzt sagen die Frauen, wir sind da und erschließen uns die Bereiche, die wir uns schon immer erschließen wollten. Deshalb vermisse ich die Bewegung auch nicht. Das Frauenthema hat derzeit Konjunktur, aber im Wesentlichen aus ökonomischen Gründen: Frauen sollen qualifiziert werden, plötzlich ist die Ganztagsbetreuung der Kinder ein Thema. Aber doch nur, weil die Frauen als Arbeitskräfte entdeckt werden, die wir brauchen, um den Wohlstand zu sichern.

Rühmkorf:Das können Sie in Wellen durch die ganze Geschichte verfolgen. Das ist nichts Neues und war schon immer so. Frauen waren immer dann gesucht, wenn sie gebraucht wurden. Dann waren sie gefragt, und es war auch gut für die Entwicklung der Kinder. Und wenn dann wieder ausreichend Männer zur Verfügung standen, waren die Kinder bedauernswerte "Schlüsselkinder".

Ging es nicht auch darum, die Gesellschaft insgesamt weiter zu entwickeln?

Rühmkorf:Schon, deshalb sehe ich die Rückschläge mit Gelassenheit. Das gehört zur historischen Entwicklung. Im Übrigen fangen wir nicht jedes Mal wieder bei Null oder minus drei an, sondern es geht jedes Mal auf einem höheren Niveau weiter. Wenn heute Frauen gebraucht werden, sind es wahrscheinlich nicht mehr die Hilfsarbeiterinnen und die Lohndrückerinnen, sondern qualifizierte Frauen. Wahrscheinlich werden auch sie wieder den Lohn drücken, wenn sie wegen der Kombination von Familie und Beruf nur Teilzeitarbeiten annehmen können oder wollen. Die Männer machen bei Teilzeit einfach nicht mit, da können wir diskutieren, solange wir wollen. Aber es ist immerhin ein anderes Niveau, auf dem das stattfindet. Die nächste Frauenbewegung kommt. Ob ich sie noch erlebe, weiß ich nicht - aber sie wird kommen.

Vogt:Ich glaube, dass die nächste Frauenbewegung einfach handeln wird. Sie wird sich nehmen, was sie für richtig hält. Aber im Prinzip muss man und müssen wir Frauen jetzt schon die Chance nutzen. Die ganze Zeit über hat der Frauenarbeitsmarkt keinen Menschen interessiert. Und ich würde auch hier wieder pragmatisch sagen, lasst uns die Chance nutzen, lasst uns jetzt schauen, wie wir es schaffen, möglichst viele Frauen in viele gute Positionen zu kriegen. Und wenn wir die Positionen haben, brauchen wir keine Debatte mehr zu führen, sondern dann machen wir einfach das, was wir für richtig halten. Aber es ist schon interessant, wie bedeutend das Thema urplötzlich ist. Vorher hat kein Mensch für den Frauenarbeitsmarkt geworben, auch die Wirt-schaft nicht.

Rühmkorf:Das müssen auch gar nicht Feministinnen oder Frauenförderinnen sein. Es ist inzwischen ein Stück Normalität, dass auch Frauen da sind.
vogt: Und doch muss man sich im Klaren darüber sein: Auch wenn Frauen in die Positionen hineinkommen und sich vieles automatisch ändert, brauchen wir untereinander Verbindungen, am besten ein Netzwerk. Insofern ist es schon notwendig, dass diejenigen, die Führungspositionen innehaben, diese auch in einem gewissen Bewusstsein ausüben. Die Frauen müssen sich eine solche Stabilität erkämpfen, dass keine Wellenbewegung mehr daraus wird und sie wieder abwärts geschickt werden können, wenn es der Arbeitsmarkt verlangt. Man braucht also Verbindungen. Aber ob daraus eine große Theoriedebatte entsteht oder ob nicht der Netzwerkgedanke weiter entwickelt wird, würde ich mal offen lassen.

Frau Rühmkorf, haben Sie das Gefühl, dass Ihr Erbe als Frauenpolitikerin verantwortungsvoll verwaltet wird?

Rühmkorf:Ich würde sagen, ja. Ich bin voller Hochachtung gegenüber den kommunalen Frauenbeauftragten, ich finde es faszinierend, was sich da entwickelt. Ich weiß, dass sie es streckenweise noch sehr viel schwerer haben als wir. Wir waren neu, das war aufregend, es war politisch ein Thema. Die müssen ihre Dinge jetzt gegen eine lethargische Verwaltung durchsetzen und schaffen es teilweise auch. Das finde ich richtig toll. Ein bisschen traurig ist es schon, wie die neue Generation viele Errungenschaften wie selbstverständlich annimmt und gar nicht sieht, dass das einmal hart erkämpft worden ist. Es erschreckt mich, wenn ich lese und höre, dass die Generation nach mir das Gefühl hat, da haben ein paar Frauen ohne BH in lila Latzhosen rumgejammert, aber vielmehr war da nicht. Da denke ich manchmal, Frauen, habt ihr gar nicht gemerkt, wie wir gekämpft haben und wie wir Dinge vorbereitet haben, und wie wir sozusagen wechselseitig aufeinander stolz sein könnten?

Vogt:Als ich in den Bundestag kam, war mir sehr bewusst, in welchen Ausschuss ich wollte und in welchen auf keinen Fall. Ich habe gesagt, ich mache alles, nur nicht den Ausschuss für Frauen, Jugend und Familie. Weil ich glaube, dass Frauen, wenn sie früher versucht hätten, in anderen Themenbereichen Kompetenz und Schlüsselpositionen zu erreichen, heute weiter wären. Zum Beispiel Heide Simonis: Es war doch genial zu sagen, ich werde Finanzministerin. Ich fand immer wichtig, dass man die Themen, in denen man wirklich was zu sagen hat, beherrscht. Deshalb kam für mich auch gar nicht in Frage, dass ich erst einmal in den Ausschuss für Frauen, Jugend und Senioren gehe, nur weil ich eine Frau bin. Ich habe im Gegenteil ganz bewusst daraufhin gearbeitet, in den Innenausschuss zu kommen.

Rühmkorf:Junge Frauen sollten auch im Kommunalbereich in den Hauptausschuss oder Haushaltsausschuss hinein, wo du siehst und lernst, wie Politik gemacht wird. Und sie sollten keine Angst haben, weil die Jungs es auch nicht besser können. Die tun nur so, aber auch die wissen alle am Anfang nicht, wie ein Haushalt aussieht.

Vogt: War es nicht unser Fehler, zu lange zugeschaut zu haben, dass Frauen sich auf solche vermeintlich frauenspezifische Themen konzentrieren?
rühmkorf: Ich halte es für politisch wichtig, Frauenpolitik zu machen. Aber man muss sich weigern, nur weil man Frau ist, Frauenpolitik zu machen. Ich finde es gleichzeitig sehr ungerecht, dass Frauen, Familie, Soziales und Gesundheit, um mal das Gesamtpaket zu nennen, als sogenannte weiche Felder dargestellt werden. Nur weil sie in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mit Macht verbunden sind. Für mich sind das sehr harte politische Felder. Für mich ist es auch eine Diskriminierung, Frauen dahin abzuschieben, zumal es lange Zeit gar keine anderen Chancen für Frauen gab, die sie wahrnehmen konnten.

Wie erklären Sie sich das Rollback in der Gesellschaft? Die Neigung in den Ländern und Kommunen, noch Gleichstellungsbeauftragte zu ernennen, hat doch rapide nachgelassen.

Rühmkorf: Wenn wir die Geschichte der Frauenbewegung kennen, können wir das ganz gelassen betrachten. Es geht immer wieder auf und ab. Von den Feministinnen der Neuen Frauenbewegung der siebziger Jahre war zunächst nur wenigen bewusst und bekannt, dass es Frauenbewegungen in Deutschland auch schon vor ihnen gegeben hatte. Sie glaubten, sie hätten die Frauenbewegung und ihre Themen neu erschaffen und haben sich erst später mit der eigenen Geschichte auseinander gesetzt.

Vogt:Das Selbstbewusstsein der Frauen ist ein anderes geworden. Man muss als Frau wirklich nicht mehr fragen, was darf ich, oder wie kann ich was durchsetzen. Ich glaube schon, dass Frauen gezielt schauen, dass das, was erreicht worden ist, nicht verloren geht - nur nicht mehr mit dem gleichen Duktus wie früher. Es geht gar nicht mehr um die Notwendigkeit, dass Frauen weiter Unterstützung brauchen. Es geht eher um die Art und Weise, wie man es anpackt. Mein Beispiel ist immer meine erste Fraktionssitzung damals 1994 in Berlin. Alle Frauen waren sauer auf Rudolf Scharping, weil er in seinen Fraktionsvorstand nur so viele Frauen aufgenommen hatte, wie er unbedingt musste. Und dann nur in den Positionen, in denen sie nicht viel Einfluss hatten. Scharping machte also einen Vorstandsvorschlag, der frauenpolitisch unter aller Kanone war. Vor der entscheidenden Sitzung gab es ein Frauentreffen. Dort haben wir uns den ganzen Abend über seinen Vorschlag aufgeregt, es war ein Riesengezeter. Am Ende des Abends saßen eine Kollegin und ich als Neulinge unter den Alten und haben gefragt: "Ja und jetzt, wer kandidiert nun morgen als Stellvertreterin? Was, niemand? Ihr könnt euch doch nicht den ganzen Abend aufregen, und dann tritt keine an? Das gibt es ja wohl nicht", haben wir gesagt. Dann haben die gesagt: "Nee, du weißt ja gar nicht, wie es ist, wenn du einmal antrittst und unterliegst. Dann bist du verbrannt, außerdem kann man doch nicht gegen den Vorschlag des Vorsitzenden antreten." In der Landesgruppe Baden-Württemberg haben Nicolette Kressl und ich uns wild entschlossen zu Wort gemeldet. Ich wurde daraufhin von zwei älteren Kolleginnen ermahnt, ob ich mir das gut überlegt hätte. Wenn man gleich am Anfang entsprechend auftrete, hätte man seinen Stempel weg, wir sollten vorsichtig sein. Ich habe halt meinen Teil dazu gesagt. Mir hat damals überhaupt nicht geschadet, deutlich meine Meinung gesagt zu haben, im Gegenteil. Aber das war für mich eine ganz typische Erfahrung.

Machen Frauen anders Politik als Männer?

Vogt:Teilweise schon, aber es gibt auf beiden Seiten Ausnahmen. Was Frauen weniger machen und was sicher eine Schwäche von uns ist, ist einerseits die Pflege von Kontakten. Andererseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass es wesentlich einfacher ist, mit Frauen zusammen zu arbeiten, weil man schneller zu Potte kommt. Wenn ich jemanden anrufe, dann in der Regel, weil ich was Konkretes will. Und dann melde ich mich bei der Kollegin, weil ich ein Thema habe, man klärt, was man zu klären hat, man kann ohne viel Schnörkel einfach aufs Problem zugehen und praktisch was lösen. Bei Männern ist immer unheimlich viel drumrum. Man muss ständig den Kontakt halten, und man muss sich regelmäßig treffen. Man muss zusammen was trinken gehen, damit man sich nicht aus den Augen verliert. Bei Frauen dagegen weiß ich, ich kann mich auf sie verlassen. Die sehe ich vielleicht nur zweimal im Jahr, aber ich weiß genau, die ist da, wenn ich sie brauche.

Rühmkorf: Und man weiß bei Frauen auch entschiedener, auf wen man sich nicht verlassen kann.

Vogt: Auch das, weil Frauen Konflikte austragen. Manchmal ist der dann schärfer, aber das verläuft offener.

Was machen Frauen in der Politik anders?

Rühmkorf:Sie versuchen eher, ihr Gegenüber ernst zu nehmen und nicht nur unter taktischen Gesichtspunkten zu betrachten, was nutzt mir der oder dieses, was ist das für ein Stein in meinem Puzzle. Ich kenn′ mich allerdings bei euch Jüngeren nicht richtig aus. Meine Erfahrungen beziehen sich mehr auf die Frauen, mit denen ich entweder politisch zu tun hatte oder mit denen ich selber über diesen Zusammenhang gesprochen habe. Da ist mir noch mal richtig bestätigt worden, was ich ohnehin bisher immer gedacht habe: dass nämlich der soziale Aspekt - übrigens auch in der Politik - eine besondere Stärke von Frauen ist. Im Umgang mit Übergeordneten genauso wie mit Unter- und Nachgeordneten. Sie sehen vieles ähnlich, aber erstaunlicherweise gibt es dennoch keine Kontinuität über die Generationen hinweg. Als ob eine Generation als Bindeglied zwischen Ihnen fehlt.

Gibt es überhaupt noch Unterschiede in den verschiedenen Parteien? Oder sind das Bild der Frau und ihr Selbstverständnis inzwischen überall gewandelt?

Rühmkorf:Ich bin überzeugt, dass sich die CDU als Partei nach wie vor Frauen gegenüber anders verhält als gegenüber den Männern. Ich glaube, dass das Verständnis und Selbstverständnis der CDU-Männer, übrigens auch der Männer bei der FDP, ein ganz anderes ist als bei den Grünen, bei der SPD und auch bei der PDS. Da nehme ich die drei Parteien ganz bewusst zusammen. Auch die PDS hat relativ schnell begriffen, dass sie die Frauen als politischen Faktor braucht, wenn sie überhaupt reüssieren will.

Soll das heißen, dass für die Frauen in konservativen Parteien immer noch ein überkommenes Weltbild gilt?

Vogt:Man merkt es stark daran, wie sich am Anfang die CDU-Kollegen benommen haben, als ich Vorsitzende des Innenausschusses wurde. Das hätte aus meiner Fraktion keiner so gemacht. Erstmal mussten die lernen damit umzugehen, dass eine junge Frau die Sitzung leitet. Dass man das Ganze im Griff hat und sie auch einmal zurechtweist. Nicht alle, aber es gab einige schwierige Fälle darunter. Da merkt man dann schon, dass bei uns in der Partei einiges besser geworden ist: Dass man auch zuhört, wenn Frauen was sagen; dass man bei einer Ansprache zum Beispiel Bürgerinnen und Bürger sagt, denn ich finde, bei der Sprache fängt es an. Auch zotige Sprüche sind weniger geworden. Das mögen Äußerlichkeiten sein, die aber eine Grundeinstellung ausdrücken, was sie von Frauen halten. Zoten reißen unsere Männer höchstens noch, wenn sie allein sind. Aber sie würden es nie machen, wenn wir Frauen dabei sind. Das ist ein ganz anderer kultureller Umgang als bei der Union. Ich war einmal mit einem Christdemokraten auf einer Reise, Paul Krüger, ein ehemaliger Minister. Der erzählte mir, dass es bei der SPD immer nur rothaarige Frauen gebe und dass die CDU-Frauen doch anders wären. Besonders schwierig sei es aber in der Politik, weil es in der Politik sowieso keine richtigen Frauen gebe. Im politischen Geschäft treffe man, zugespitzt gesagt, nur politische Flintenweiber. Die richtigen Frauen dagegen, die zu Hause sind und eine wirkliche Erfahrung als Frau hätten, gäbe es gar nicht in der Politik. Nicht einmal in der CDU. Ich dachte immer, in welcher Welt lebt der eigentlich, so einen Schwachsinn würde kein Sozialdemokrat erzählen. Oder sich zumindest nicht trauen, das einer Frau zu erzählen.

Rühmkorf:Da würde sogar ich behaupten, so denken auch die SPD-Männer nicht mehr. Das ist aber nicht mehr der Regelfall, nicht einmal in der CDU.

Vogt:Da hat sich viel geändert, und man merkt es ganz unmittelbar am Umgang. Manche in der Union sind richtige Kavaliere. Das können sie ganz gut, während unsere Kerle manchmal ein bisschen stoffelig auftreten. Aber jemanden, zumal eine jüngere Frau, in gleicher Augenhöhe anzunehmen, ist für die wahnsinnig schwer. Vielleicht bei mir noch ein bisschen mehr wegen des Altersunterschieds; du merkst einfach, dass sie es nicht gewohnt sind. Auch Angela Merkel merkt das - es ist ja auch eines ihrer großen Probleme: Diese klassischen, stark autoritär verfestigten Strukturen in der CDU, die man nicht aufgebrochen kriegt.

http://www.b-republik.de/archiv/die-macht-der-frauen-die-frauen-der-macht

Beitrag von Ute Vogt im aktuellen "Kontra", dem Magazin der Jusos Baden-Württemberg.
Ungezählte Erlebnisse könnte ich zum Schwerpunktthema dieses KONTRA beitragen. Viele, die Mut machen, aber auch ziemlich viel Gruseliges. Nicht die Erkenntnis, dass früher alles besser war, aber leider die Erfahrung, dass wir schon mal weiter waren in Sachen Feminismus und Gleichstellung in unserer SPD.
"Tipp: Halten Sie in männerdominierten Runden Gesprächsinhalte einfach, das heißt, sprechen Sie nur eine Sache an und bringen Sie die zu Ende. Fragen Sie, ob Ihre Inhalte verstanden wurden oder ob Sie Ihre Ausführungen noch weiterführen sollten. So können Sie jederzeit sicher sein, dass Ihr Gesprächspartner noch dabei ist."
Angelika Pfisterer in 'First Lady-Ladys First', S. 78
Vielleicht ist es das. Wir haben uns zu wenig angepasst. Sind zu kompliziert für die Genossen. Bestehen nicht auf Statussymbole. Wiederholen nicht, was bereits drei andere vorgetragen haben. Melden uns erst, wenn wir unseren Beitrag passend finden und landen damit am Ende der Redeliste. Der bedeutende Genosse meldet sich gleich zu Beginn. Er hat ja stets was zu sagen.
Frauen treten gerne an, um anders Politik zu machen. Verständlicher, teamorientiert und nicht so hierarchisch. Das können sie oft gut, denn Sie sind es gewohnt bescheidener zu sein. Man muss nicht vorne stehen, um etwas zu erreichen. Wichtig ist, dass sich was bewegt und nicht, wer dafür in der Zeitung steht.
Mit solchen und ähnlichen Attributen schaffen es Frauen regelmäßig in der zweiten Reihe zu bleiben, viel Arbeit zu leisten und sich dabei wohl zu fühlen.
Unsere Männer haben schnell gelernt. Natürlich geht es nicht ohne Frauen und natürlich stehen wir zur Quote und sind stolz auf so viele tolle Sozialdemokratinnen.
Aber wo sind die Machtfaktoren? In der Großen Koalition wurden stets Steinmeier, Steinbrück und Scholz als die zentralen Minister genannt. Waren Sie auch. Nicht nur, weil Sie wichtige Ressorts inne hatten, sondern weil Sie den Ton angegeben haben und auch im Hintergrund die Entscheider gewesen sind. Schauen wir auf unsere Landesregierung. Die SPD-Ministerinnen Katrin Altpeter, Bilkay Önay und Gabriele Warminski-Leitheußer sind kompetent, super fleißig und kommunikativ. Exzellente Fachfrauen, die Ihr Ressort schneller als mancher Kollege im Griff hatten und auch nach außen Wirkung entfalten. Aber wer fällt euch ein auf die Frage, wer in unserer Regierung die Macht hat? Wo stünden die Ministerinnen, wenn ihr eine Reihenfolge der Macht im Kabinett aufstellen müsstet? Wenn es um den Einfluss aufs große Ganze geht?
Die SPD hat viele Frauen. Auch an der Spitze. Und stets eine zum besonders vorzeigen. "Der Erwin Sellering, der kann leider heute Abend nicht hier sein. Aber der Erwin hat sein bestes Stück geschickt!" So begrüßte unser Parteivorsitzender am Abend der Hamburg-Wahl die Sozialministerin und stellvertretende Bundesvorsitzende Manuela Schwesig.
An welcher Stelle würdet ihr Manuela nun einordnen auf der Liste der Einflussreichen und Mächtigen an der Spitze der Bundespartei? Immerhin eine von vier „gleichberechtigten“ Stellvertreter/innen.
Wie vielerorts in der SPD gilt auch hier: Nicht allein das Amt ist wichtig für deinen Einfluss, sondern ob du dabei bist im Kreis derer, die die (Vor-)Entscheidungen treffen. Die gehört werden. Hier liegt die Schwäche der Frauen in der SPD. Viele verlassen sich zu sehr auf ihre Rolle in den Gremien und sind daher selten dabei, wenn Weichen gestellt werden.
Was lehrt uns das? Weniger Bescheidenheit! Lasst euch als Frauen nicht auf eure zugedachte Rolle begrenzen. Verlasst eben nicht nur die drei baden-württembergischen K - Kinder, Küche, Kirche, sondern auch das euch zugedachte Fachgebiet. Mischt euch ein in Debatten um Richtung und Strategie. Kandidiert, wenn ihr etwas werden wollt und traut euch was zu. Vernetzt euch mit anderen Frauen und schmiedet gemeinsam Pläne. Und nehmt es sportlich. Die Fußballbilder, die Männer häufig in die Politik einbringen, sind kein Zufall. Männer agieren in der Politik wie im sportlichen Wettbewerb. Niederlagen und Fouls nehmen sie sportlich, die Frauen nehmen sich diese zu Herzen. Das geht an die Substanz. Also lernt an dieser Stelle durchaus von den Genossen.
Aber übernehmt nicht zu viel. Ehrgeiz und Selbstbewusstsein sind wichtig. Aber Super-Wichtige gibt es schon genug. Es reicht die Strategien von Männern zu durchschauen, sie zu übernehmen empfiehlt sich nur bedingt. Denn entscheidend bleibt, dass frau am Ende jeden Tages noch in den Spiegel schauen kann und sich wieder erkennt und dann auch noch mag.

http://www.ute-vogt.de/index.php?nr=54781&menu=1

Plenarrede: Ute Vogt Chancengleichheit für Frauen auf dem baden-württembergischen Arbeitsmarkt- 10.10.2007
Stellv. Präsidentin Christa Vossschulte: Das Wort erteile ich Frau Abg. Vogt.
Abg. Ute Vogt SPD: Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Großmutter war 18 Jahre alt, als die Frauen in Deutschland zum ersten Mal das Wahlrecht erhalten haben. Das liegt also nur zwei Generationen zurück, und so gesehen könnte man sagen: „Mensch, was haben die Frauen in nur zwei Generationen alles erreicht! Das ist doch ganz gewaltig!“ Ich bin stolz, einer Partei anzugehören, die mit an der Spitze stand, als es darum ging, von Anfang an für diese Frauenrechte einzutreten und zu kämpfen. Aber dass es mit dem Wahlrecht allein nicht getan war, sehen wir an vielen Aspekten der Realität. Meine Generation reibt sich ja zuweilen verwundert die Augen. Wenn man in die Fünfzigerjahre zurückblickt, stellt man fest: Erst 1958 wurde in Deutschland der „Gehorsamsparagraf“ aufgehoben, der Ehefrauen tatsächlich dazu verpflichtete – ich zitiere –, „in allen das gemeinschaftliche Eheleben betreffenden Angelegenheiten“ dem Mann zu gehorchen. Ehefrauen hatten noch nicht einmal das Recht, ihren Wohnsitz selbst zu wählen. Sie durften noch nicht einmal das eigene Vermögen, das sie in die Ehe eingebracht hatten, selbst verwalten. Das war 1958 in Deutschland! Erst 1958 hat man auch die Regelung verändert, derzufolge ein Mann für seine Ehefrau deren Arbeitsverhältnis fristlos kündigen durfte. Dies war eine für den Arbeitsmarkt sehr wichtige Änderung. Schauen wir nun in die heutige Realität: Welche Freiheiten haben doch die Frauen erreicht! Manche fragen sich: Brauchen wir angesichts solcher Veränderungen in unserer Gesellschaft wirklich eine Frauenförderung? Wenn man die Bildungserfolge von Frauen betrachtet, könnte man meinen, dass die Frauen nun das erreicht haben, was wir uns immer gewünscht haben, und an der Spitze angekommen sind. Ich habe eine Tabelle mitgebracht, die das Segment derer darstellt, die akademische Ausbildungen absolviert haben. – Für den, der es nicht lesen kann, stelle ich diese Tabelle später gern zur Verfügung, Herr Kollege. Die Quote der Abiturientinnen beträgt über 50 %. Der Anteil der Studienanfängerinnen liegt auch noch bei etwa 50 %. Bei den weiblichen Studierenden ist die Zahl derjenigen, die die Abschlussprüfungen bestehen, fast genauso hoch wie die Zahl der Studienanfängerinnen. Dann jedoch geht, wie Sie sehen können, die Kurve rapide nach unten. Der Anteil der Frauen unter den Promovenden beträgt weniger als 40 %, bei den Habilitanden sind es unter 25 %. Die Frauenquote bei Professuren beträgt weniger als 15 %, und bei den – für Männer meist selbstverständlich gewordenen – C-4-Professuren sind es unter 10 %. Das heißt, wir müssen uns darüber Gedanken machen, woran es liegt, dass die Mädchen zwar am Anfang der Bildungskarriere sehr gut dastehen und die besten Voraussetzungen haben, aber im Laufe ihres Berufslebens von diesen guten Voraussetzungen nicht profitieren. Viele sehen als junge Schülerinnen oder Studierende gar nicht, dass sie Unterstützung notwendig haben. Sie sind gut, sie können etwas, sie sind sogar häufig die Besseren. Benoite Groult hat treffend beschrieben: Die jungen Mädchen glauben, den Feminismus brauche man nicht mehr, die Zeit der Diskriminierung sei vorbei. Das glauben sie so lange, bis sie anfangen zu arbeiten. Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, beginnt unsere politische Verantwortung. Das Grundgesetz sagt in Artikel 3 Abs. 2 ja nicht nur: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“, sondern im zweiten Satz auch: Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Das heißt, das Grundgesetz gibt nicht nur Gleichberechtigung vor, sondern gibt uns auch einen politischen Auftrag. Da will ich ganz konkret nach Baden-Württemberg schauen, weil wir wollen, dass dieser Frauenplenartag nicht nur wunderbar ist, weil die Männer, wenn hier vorne Frauen reden, einmal ein bisschen leiser sind als sonst, damit man die Chance hat, seine Sätze zu Ende zu bringen, sondern weil wir auch die Möglichkeit haben, hier einmal die Positionen von Frauen zur Geltung zu bringen. Das ist alles wunderbar. Aber hier im Plenarsaal gesprochene Worte allein helfen nichts. Wir brauchen auch praktische Taten zur Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Da will ich jetzt das Thema der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie aufrufen. Liebe Kollegin Krueger, ich finde, wir sollten schon deutlich machen, dass es nicht nur eine Frage von Frauen ist, ob Kinder geboren werden. Ich wehre mich dagegen, immer nur zu hören: Weil die Frauen keine Kinder bekommen, gibt es weniger Kinder. Vielleicht gibt es so wenige Kinder, weil auch zu wenige Männer bereit sind, ihre Verantwortung als Väter ganz ernst zu nehmen. Aber das Thema Kinderbetreuung wird im weiteren Verlauf noch diskutiert. Ich will einen anderen Aspekt ansprechen, der auch zum Thema Familie gehört. Der demografische Wandel – in unser aller Munde – führt dazu, dass mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft leben. Wenn wir in einen heute auf der Tagesordnung stehenden Antrag schauen, sehen wir, dass die Landesregierung zu Recht ausführt: Überwiegend wird die häusliche Pflege bzw. die Betreuung von älteren Angehörigen von weiblichen Familienmitgliedern übernommen. Die Übernahme der häuslichen Pflege ist mit erheblichen persönlichen Einschränkungen und beruflichen Nachteilen verbunden. So die Landesregierung in ihrer Stellungnahme zu dem heute auf der Tagesordnung stehenden Antrag Drucksache 14/1596. Ich sage Ihnen: Dieser ganze Frauenplenartag nützt nichts, wenn nicht auch Sie, liebe Frau Sozialministerin, Ihre Stellungnahme zur Frage der Pflege an einer Stelle korrigieren. Sie haben nämlich neben den schönen Worten in dieser Stellungnahme zu dem Antrag erst vor Kurzem eine Pressemitteilung in Ihrer Verantwortung herausgegeben. Da heißt es dann lapidar auf die sozialdemokratische Forderung nach Anrechnung der Pflegezeiten und nach einer Pflegezeit für Angehörige: Es sollte jedem Einzelnen zumutbar und möglich sein, einen kurzfristigen Zeitbedarf zur Koordinierung der Pflege eines Angehörigen in den ersten Tagen nach Eintritt der Pflegesituation abzudecken – entweder mit noch vorhandenem bezahlten Resturlaub oder einem unbezahlten Urlaub bis zu zehn Arbeitstagen. Ich sage Ihnen: Da wird wieder eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren, nämlich die Frage „Wie gehen wir mit älteren Menschen menschenwürdig um?“, allein auf die Rücken der Frauen abgewälzt, die dann wieder zu Hause bleiben sollen und sich um die Älteren kümmern sollen, während die anderen dem Arbeitsleben nachgehen. Deshalb erwarten wir vom heutigen Tag nicht nur eine Debatte, sondern wir erwarten auch, dass daraus ein Lernerfolg resultiert, dass Sie als Regierungsfraktionen und als Landesregierung insgesamt – nicht nur die Frauen in Ihren Reihen – so agieren, wie man es von aufgeklärten Menschen im Jahr 2007 erwarten kann, die mit Frauen auf gleicher Augenhöhe arbeiten und die politisch dafür sorgen, dass auch in der Praxis die entsprechenden Bedingungen geschaffen werden. Kollegin Krueger, da bin ich ganz nah bei Ihnen. Lassen wir doch die Worte von Marie von Ebner-Eschenbach als Losung für die Landesregierung gelten. Der Herr Ministerpräsident und seine Minister sowie die wenigen Ministerinnen sollten sich in der Tat merken: Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun. Also tun Sie etwas, damit wir hier nicht vergeblich geredet haben!
http://www.ute-vogt.de/?mod=content&page_id=10524

03/07/06 | 17:35
Die alten GESCHLECHTERROLLEN holen uns ein. Müssen junge Frauen wieder kämpferischer werden?


Die Geschichte beginnt rätselhaft. Einen guten Ratschlag hätte sie noch, sagt die Frau, die Expertin, am Telefon. Einen guten Ratschlag, gerne. »Schreiben Sie das Wort auf keinen Fall«, sagt die Frau, »sonst liest keiner weiter.« Sie ist mittleren Alters, sehr klug und sie erforscht, was Frauen, was Männer heute ausmacht. Welches Wort? »Gleichberechtigung halt.« Aha. Aufgelegt.

»Gleichberechtigung halt«

Na gut. Dann schreiben wir das Wort nicht. Junge Frauen brauchen es nicht. Sie wenden das Prinzip an, seit es existiert: für sich alleine entscheiden, auf Augenhöhe leben. Darauf haben sie einen natürlichen, einen politischen Anspruch. Junge Frauen planen kurzfristig, planen langfristig. Sie machen mit Männern Schluss, wenn die nie Kinder haben wollen. Sie machen mit Männern Schluss, wenn die im Bett schlimm riechen. Sie zahlen die halbe oder auch die ganze Miete. Ihr Leben besteht aus Jobben, Studieren, Bewerben. Aus Verlieben, Lieben, Entlieben. Aus »jetzt ein Kind oder später?«-Fragen. Egal, wie dringend Deutschland Mütter, Arbeitskräfte oder Altenpfleger braucht: Frauen treffen ihre Entscheidungen selbst. Doch der Ton wird schärfer. Worte wie »Gebärstreik« und »Versorgerehe« schwirren durchs Land. Der Arbeitsmarkt ist eng. Junge Mütter sollen das Sozialsystem retten. Frau sein droht zu einer gesellschaftlichen Verantwortung zu werden. Zur biologischen Pflicht. Vor zehn Jahren gab es die ewigen Mädchen, seit einigen Jahren die Renaissance der Weiblichkeit. Werden uns die alten Geschlechterrollen zum Verhängnis? Haben wir die Emanzipation verschlafen? Was wollen junge Frauen im Jahr 2006 ? und können sie ihre Ziele erreichen? Soziologen, Psychologen, Demoskopen tüfteln und befragen, um herauszufinden, was die junge Frau will. Wonach sie sich sehnt, woran es ihr mangelt. »Klar«, sagt Martina Gille vom Deutschen Jugendinstitut in München, »junge Frauen wünschen sich am meisten, erwerbstätig zu sein und eine Familie zu gründen.« Beides. Nicht eines von beiden. Der Wunsch ist so groß, dass man meinen könnte, er müsse allein deswegen wahr werden. Aber das ist nicht so leicht, sagen die Zahlen. Im Grunde unmöglich, sagen die, mit denen man über die Zahlen spricht.
? 40 Prozent der Frauen kehren nach einer Geburt nicht mehr in den Beruf zurück, obwohl sich über 60 Prozent der Frauen mit Kindern wünschen, wieder zu arbeiten.
? Fast ein Viertel der jungen Frauen sind kurz nach Gründung einer Familie unzufrieden mit der Haushaltsaufteilung. Mehr als neunzig Prozent der jungen Männer sind zufrieden.
? Frauen verdienen im gleichen Job im Schnitt 20 bis 30 Prozent weniger als Männer.
? Sie bekommen bereits beim Berufseinstieg weniger Geld ? bei gleicher, sogar bei höherer Qualifikation.
? Frauen stellen 49 Prozent der Beschäftigten, fast die Hälfte arbeitet Teilzeit ? nur elf Prozent der Führungskräfte haben Teilzeitjobs.
? Über 35 Prozent der Menschen, die im Land unter der Armutsgrenze leben, sind alleinerziehende Mütter. Arm ist, wer weniger als 938 Euro im Monat zur Verfügung hat.
? Fast 50 % der Paare lassen sich heute nach drei bis fünf Ehejahren scheiden.
Es sieht so aus, als müssten Frauen im Lauf ihres Lebens ihre Wünsche immer kleiner und enger falten, damit sie passen. Männer nicht.Gräbt man sich durch die Massen von Studien,durch Kreuztabellen und Variablen, dann rinnen einem die Illusionen klar wie Wasser durch die Finger. Dann hat man den Eindruck: Jung sein und eine Frau sein, das ist in Wahrheit eine Krankheit. Eine Frau, das ist ein defizitärer Organismus, dem gut zugeredet und dem auf die Beine geholfen werden muss. Aber warum helfen sich Frauen nicht einfach selbst?

Weil sie sich nicht krank fühlen

Jungen Frauen gehe es bestens. Sie seien glücklich. Das sagt Stephan Grünewald, Mitbegründer und Psychologe des Rheingold Instituts in Köln. »Junge Frauen sind die sozialen Gewinner des neuen Jahrtausends.« Seit 2001 haben Grünewald und seine Kollegen 4000 Frauen zwischen 18 und 30 Jahren befragt. Er sagt, die Anfang 20-Jährigen gingen mit der sozialen Unsicherheit am besten um. Mit der Terror-Angst ebenso wie mit dem Auseinanderfallen der Sinnzusammenhänge, kurz: mit allem, was einsam und verzweifelt macht. Sie würden Netzwerke und Freundschaften bilden und seien sozial virtuoser. Sie pflegten eine kuschelige, wie Grünewald sagt, eine »harmoniesüchtige« Form der Selbststabilisierung. Frauen würden in einem dichtgewebten sozialen Netz leben, mit dem Handy als Navigationssystem und dem Wunsch, immer angebunden zu sein. Frauen fühlen. Das tun sie gerne. Und sie möchten sich nicht wie Männer fühlen. Egal, wie weit sie heute davon entfernt sind, über Feminismus nachzudenken, sie stecken doch immer mittendrin: im Glaubensstreit der feministischen Theorie. Die einen ? Gleichheitsfeministinnen ? meinen, der Unterschied zwischen Frauen und Männern solle klein sein und immer kleiner werden, bis Frauen und Männer einander nicht mehr in anerzogene Rollenbilder pressen. Bis Frauen Chef sein können und Männer Hausmann. Die anderen ? Differenzialistinnen ? reden über die »neue Weiblichkeit«. Für sie sind Frauen und Männer von Natur aus verschieden. Die Strategie, sich auf weibliche Stärken zu konzentrieren, halten sie für die bessere. Sie finden den Graben, der zwischen den Geschlechtern liegt, gut. Sie finden ihn sexy. Er trenne Prinzipien voneinander, die sich aus der Entfernung besser erkennen lassen. Dann sehe man gut, was wirklich weiblich und was wirklich männlich sei. Bislang schien die Strategie der Differenzialistinnen aufzugehen: Junge Frauen sind stolz darauf, sich das Essen zahlen zu lassen oder das Taxi nach Hause, ohne sich fragen zu müssen: »Hat er mich gekauft?« Nein, hat er nicht. Er wird am nächsten Morgen nicht sagen: »Hol die Zeitung, mach Kaffee.« Er wird selbst zum Bäcker rennen und auch Blumen mitbringen. Für den Hausgebrauch scheint das zu klappen: mit der eigenen Weiblichkeit zu kokettieren, sich nicht zum Heimchen zu machen. 2006 wird es bei H&M besonders weiblich. Weiblich wie in der guten alten Zeit. Matthias Geduhn, Sprecher von H&M, erzählt von Etuikleidern und eleganten Blusen. Von Bleistiftröcken, Perlenketten, vom Berlin der 30er Jahre. Das Hausfrauenkleidchen, das man über der Jeans tragen kann, war schon im letzten Jahr ein Renner. Anmutung: patente, nette junge Dame. Werden in diesem Herbst junge Frauen im Kostüm mit Perlenkette in den Bars sitzen und auf ihren Retter warten? Auf die Erlösung aus dem Elend eines engen Arbeitsmarkts? Gar nicht unwahrscheinlich, glaubt Stephan Grünewald. »Erlösungsfantasien« nennt er das. »Je größer die soziale Ohnmacht, desto stärker der Wunsch nach einem Versorger.« In den letzten Jahren sei dieser Wunsch besonders stark geworden. Das gelte natürlich nicht für alle jungen Frauen: Manche begreifen sich gerade jetzt als Kämpferinnen. Doch viele Frauen, so Grünewald, würden defensiver, verharrender und hofften auf einen Mann als Retter. Sie würden lieblich, servil und angepasst werden. Sie täuschten vor, mit ihrer Weiblichkeit zu spielen. In Wahrheit drohe sie wieder zu ihrer einzigen Waffe zu werden. »Aus einem Arbeitsmarkt, in dem fünf Millionen Jobs fehlen, sind Frauen ganz schnell wieder draußen«, sagt die Autorin Katja Kullmann. In ihrem Buch »Generation Ally« beanstandete sie 2003 die feministischen Versäumnisse der Girlies der Neunziger. Heute ist sie sicher: Emanzipation droht zur Klassenfrage zu werden. Nur wer Geld, wer Arbeit hat, kann sich erlauben, auf Selbstständigkeit zu pochen. »In gesellschaftlich schwierigen Zeiten werden traditionelle Geschlechtervorstellungen verschärft durchgesetzt«, glaubt auch die Sozialpsychologin Gitta Mühlen-Achs. Sie sagt im Scherz: »Dann schlägt das Imperium zurück.« Und an welcher Front greift es an? »An der Front der Mütterlichkeit. Mit dem Muttersein kriegt man die Frauen immer.« Ute Vogt hat keine Kinder. Die SPD-Politikerin ist 41 Jahre alt, nicht verheiratet. Sie forderte letzten März den CDU-Ministerpräsidenten Günther Oettinger heraus. Sie hat haushoch verloren. Mit dem Muttersein hat man im Wahlkampf oft versucht, sie zu kriegen. Man hat sie als Karrierefrau bezeichnet und das als Beleidigung gemeint. Man hat ihr verboten, über Familienpolitik zu reden, weil sie davon keine Ahnung haben könne. Wenn Ute Vogt darauf hinwies, dass es in Deutschland ein Ding der Unmöglichkeit sei, Kinder und Beruf zu vereinbaren, kochte die Stimmung: »Das ist respektlos gegenüber den Müttern! Hausfrau sein ist auch Arbeit!« »Alles ist immer ein Angriff auf die Mütterlichkeit «, klagt Ute Vogt. Für sie ein Missverständnis: wirklich schwer hätten es hier nicht die Frauen, die fordern: Lasst mich Mutter sein! Sondern die, die hinzufügen: Und meinen Beruf will ich auch behalten! Junge Frauen leben in einer Welt der gefühlten Gleichberechtigung. Während der Ausbildung, während des Studiums, in einer jungen Beziehung gibt es kaum Gründe für Argwohn. Es gibt keine Probleme, die einen ahnen lassen, dass das jemals ein Vor- oder Nachteil sein könnte: Frau oder Mann zu sein. »Solange sie keine Kinder haben, leben junge Frauen oft mit der Illusion, die Zukunft partnerschaftlich regeln zu können«, sagt Gitta Mühlen-Achs. »Männer rütteln auch nicht an dieser Vorstellung. Sie glauben ja selbst daran. Am Ende fügen sie sich aber meist sehr bereitwillig in alte Rollenmuster.« Das deutsche Jugendinstitut fand heraus: Für junge Männer ist Gleichberechtigung oft eine abstrakte Frage, die sie so selbstverständlich mit »Ja gerne!« beantworten wie die Frage, ob man ihnen ein Bier aus dem Keller mitbringen soll. Wenn es um Arbeitsteilung im Haushalt, um Geldverdienen geht, antworten sie viel zögerlicher und lange nicht so euphorisch. Wenn es so weit ist, wenn ein Kind kommt und die Frage im Raum steht, wer daheim bleibt, wer weiterarbeitet, dann ist in Deutschland der alte Weg der leichtere: Das Ehegatten-Splitting bevorteilt die Versorgerehe. »Und die Gesellschaft «, sagt Ute Vogt, »mag keine Mütter, die ihr Kind in eine Krippe geben.« Was passiert? Frauen bleiben daheim, arrangieren sich, stecken zurück. Fallen aus dem Arbeitsmarkt und bereuen das später. Frauen, die aus qualifizierten Berufen drei Jahre in Elternzeit gehen, haben kaum eine Chance, dort einzusteigen, wo sie aufgehört haben. Das Dilemma: Weil Frauen weniger verdienen, bleiben sie mit dem Kind daheim. Die Familie braucht Sicherheit. Mehr Geld gleich mehr Sicherheit. Das ist eine so zwingende Einsicht, dass man sie, die Einsicht, am liebsten links und rechts dafür ohrfeigen würde.

Frauen wollen keine Männer sein

Selbst wer in Deutschland versucht, trotz aller Widerstände sein Ideal einer gleichberechtigten Beziehung zu leben, kann bitter daran scheitern. Wie Miriam Keller, 32, die im Studium schwanger wurde. Einen Sohn bekam, ihren Abschluss machte, sich bewarb. Den Kleinen betreute ihr Freund. Miriam bekam keinen Job, nicht mit Kind. Fünf Jahre nichts, nicht mal ein Praktikum. Jetzt hat sie noch einen Sohn und ist hauptberuflich Mutter. Oder Anja Grothmann, 31. Sie war vier Jahre Redakteurin, machte vier Jahre Mutterpause. Jetzt arbeitet sie wieder, doch die Kollegen sehen es nicht gerne, wenn sie früher gehen muss. Sie braucht teure Kinderbetreuung und hat bemerkt: Der Job kostet die Familie mehr, als er bringt. Ihr Mann sagt: »Was für ein kostspieliges Hobby.« Frauen wollen keine Männer sein. Leider bringt das im Berufsleben nicht viel. Umfragen sagen: Männlich aussehenden Frauen wird mehr Führungskompetenz zugetraut. Das fand die Sozialpsychologin Anke von Rennenkampff 2004 in einer Studie heraus. Von den Waffen der Frauen kann keine Rede sein. Männer um den Finger zu wickeln, hilft in Wahrheit nur so lange, wie ein Mann darauf steht. Ob einem das recht ist oder nicht: In einer Berufswelt, die männlich ist, müssen die Taktiken der Männer imitiert werden. Erst wenn man oben ist, kann man die Dinge unten verändern. Niemand weiß das besser als Alice Schwarzer: »Nicht in der Frauenecke hocken! Die Hälfte der Welt erobern«, waren die Kampfrufe der Feministinnen. Für Schwarzer ist die »neue Weiblichkeit« eine Falle, ein Rückschritt. Niemandem wurde ihre mangelhafte Weiblichkeit so sehr vorgeworfen wie Angela Merkel. Alice Schwarzer findet Angela Merkel gut. Junge Frauen lehnen Frauenquoten ab, weiß das Deutsche Jugendinstitut. Sie denken: Die Zeiten, in denen sie an der Hand genommen werden müssen, sind vorbei. Jetzt müssen sie sich anhören, dass sie zu wenig Kinder bekommen (Problem wegen der Rente), dass sie die Kinder zu spät bekommen (Problem wegen der Natur) und dass sie, sobald sie Kinder haben, zu faul sind und auf dem Arbeitsmarkt fehlen (Problem wegen der Wirtschaft). »Frauen «, sagt Gitta Mühlen-Achs, »haben es heute schwerer als früher. Die Ungerechtigkeiten sind weniger offensichtlich, die Zwänge subtiler. Frauen sind an allem, was sie nicht schaffen, selbst schuld. Männer haben sich aus der Problemwelt Frau zurückgezogen.« Frauen hungern sich auf ihr Idealgewicht runter? Selbst schuld. Fühlen sich nur mit großen Brüsten wohl? Sie tun es für sich selbst. Ziehen aus Liebe zum Freund in eine andere Stadt, finden keinen Job? Wenn man so blöd ist: selbst schuld. Frauen spielen mit ihrer Weiblichkeit, geben sich damenhaft, sind trotzdem stark und schlau. Doch die Widersprüche zwischen dem, was junge Frauen sich wünschen, und dem, was davon im Laufe ihres Lebens wahr werden kann, sind groß. Wie lang darf man die Welt um sich herum anlächeln, um all diese Widersprüche auszuhalten? »Die Träume«, sagt Gitta Mühlen-Achs, »die junge Frauen haben, sind wunderbar. Sie müssen nur viel früher damit beginnen, sich für die Realität zu rüsten.« Planmäßiger handeln. Weitsichtiger denken. Die Welt der neuen Weiblichkeit lullt angenehm ein ? die Realität aber sagt: So weit, wie wir denken, sind wir nicht. Denn was Frauen, egal wie weiblich sie wirken, wirklich wollen, ist klar: Gleichberechtigung halt.

kerstin_kullmann

http://www.neon.de/kat/147113.html

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