Quoten-Diskussion an der TU geplatzt (Allgemein)
Zur Information:
Prof. Dr. Gerhard Amendt
Kundmanngasse 13
1030 Wien
amendt@uni-bremen.de
Technische Universität Berlin
Der Präsident
Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Jörg Steinbach
Sehr geehrter Herr Kollege Steinbach,
ich bringe Ihnen ein Schreiben zur Kenntnis, das ich an die Fachschaft, zu Händen von Frau Schachel, gerichtet habe, nach dem Sie mir mitteilte, dass meine Teilnahme an einer Debatte über „Frauenquoten“ unter anderem auch auf Grund von erheblicher inneruniversitärer Opposition zurückgezogen wird. Angesichts der politischen Bedeutung einer solchen Ausschließung auf Grund politischer Kriterien denke ich, dass ich Ihnen diesen Vorgang zur Kenntnis bringen sollte.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Amendt
Schreiben an die Fachschaft
Liebe Frau Schachel,
meine Ausladung von der Veranstaltung über die Frauenquoten als einer Politik „Zwischen Gleichberechtigung und Gleichmacherei“ – veranstaltet von der Fachschaft und Fakultät für Wirtschaft und Management an der TU Berlin - ist als respektvoller Versuch angelegt, mein Einverständnis dafür zu erlangen, dass meine Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und Wissenschaftsfreiheit suspendiert wurden. Allerdings steht es nicht meinem Belieben, so etwas hinzunehmen, so wenig es in Ihrem steht, sich dem inneruniversitären Druck, den anonymen Drohungen aus dem Internet wie Teilen der Berliner Szene zu unterwerfen, die Beschneidung von Freiheitsrechten immer dann fordern, wenn Geschlechterbeziehungen jenseits von Platituden und Feindbildern erörtert werden sollen.
Bedauerlicherweise beugt sich auch die Leitung der TU diesem Druck, statt dem Verhalten des Rektorats der Heinrich-Heine-Universität von 2008 und 2010 zu folgen, der unerschrocken zweimal Randallierwillige und Diskussionsverweigerer mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen in die Schranken des Rechtsstaates verwiesen hat. Und es dürfte abermals die Berliner Gleichstellungsbürokratie sein, die diesmal ein Drohszenarium vor Ort ausgebreitet hat. Nochmals: Weder darf ich Ihnen die Verletzung meiner Grundrechte nachsehen, noch haben Sie oder die Universität ein Recht, solche Verletzungen hinzunehmen.
Außerdem ist nicht nachvollziehbar, warum meine Quotenkritik zurückgewiesen wird. Kritisiere ich doch, dass die Quote Frauen ausnahmslos neuerlich dem traditionsreichen Verdacht aussetzt, dass sie es außerhalb der Familie allein nicht schaffen, sondern ein fördernder Ehemann oder staatliche Hilfe vonnöten seien, damit sie es schaffen. Das habe ich in einer kleinen Schrift unter dem Titel: Frauenquoten-Quotenfrauen. Einem geschenkten Gaul… dargestellt. Wahrscheinlich hat keiner der Kritiker das gelesen. Und entgangen scheint diesen ebenso, dass in Wien Medizinstudentinnen sich bereits gegen staatliche Bevorzugung wehren, weil sie keine Frau Dr. med. quote von Staatswegen werden wollten.
Mehr als das scheinen die diskussionsunwilligen Gegner mir aber nachzutragen, dass ich 2009 mich gegen Frauenhäuser aussprach. Allerdings unterschlagen sie, dass ich stattdessen für Zentren für Familien mit Gewaltproblemen plädiert habe, die allen Familienmitgliedern professionelle Hilfe jenseits von politischen Ideologien leisten. Wer auf Feindbilder verzichten und sich mit meinen Analysen der Geschlechterverhältnisse auseinandersetzen will, dem empfehle ich Von Höllenhunden und Himmelswesen (November 2013). Es ist ein Plädoyer für eine neue Geschlechterdebatte, die auf Diskussion beruht und fremde Meinungen ertragen kann. Für den Abschied von Klischees über Gewalt in Geschlechterbeziehungen eignet sich auch das 2014 erscheinende aus dem Englischen übersetzte Handbuch über Familiäre Gewalt und Interventionen.
Völlig unverständlich ist mir, wie angehende Akademiker sich von „Meinungen“ beleidigt fühlen können. Die Universität beruht gerade darauf, dass selbstverständlich Erscheinendes auf unhinterfragte Voraussetzungen reflektiert wird. Wer das nicht als privilegierte Chance für neuen Erfahrungen erlebt, sondern sich davon beleidigt fühlt, der verkennt das Wesen der kritischen Analyse. Der sollte die Universität verlassen, denn anders wird er seine festgefahrenen Ansichten vor dem Einbruch fremder Perspektiven nicht schützen können.
Sie hoffen in Ihrer Email, dass ich „ihre Lage nachvollziehen“ kann. Gewiss, aber ich messe Sie an ihrem politischen Verhalten. So mutig Ihr Unterfangen anfangs war, so haben Sie vergessen, dass Grundrechte wieder im Alltag auch kämpferisch bestätigt werden müssen.
Bitte veranlassen Sie, dass innerhalb der TU und den sozialen Netzwerken, sowie Personen und Organisationen dieses Schreiben zur Verfügung steht. Selbstverständlich werde auch ich diesen außergewöhnlichen Vorgang der Öffentlichkeit und der Presse in geeigneter Weise zur Kenntnis bringen. Ebenso bitte ich Sie, mein Schreiben den verbliebenen Podiumsmitgliedern umgehend zur Verfügung zu stellen. Denn wahrscheinlich wollen weder der Schriftsteller, Bernhard Lassahn, der Redakteur des Tagesspiegel, Johannes Schneider, Dr. F. Schilling, Partner bei Board Consultants International, noch Thomas Sattelberger, ehemaliger Vorstand Deutsche Telekom, an einem durch Zensur ausgedünnten Panel sich beteiligen.
Es ist bedrückendes Symptom, dass alle Welt dieser Tage über die Frauenquote spricht, dass aber ausgerechnet an der TU Berlin, Genderforscher und Frauenbeauftragte eine von Studenten initiierte Debatte abwürgen, ohne dass die Universität sich geschlossen gegen die Verletzung der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit stellt?
Mit besten Grüßen Prof. Dr. Gerhard Amendt
außerdem:
Absage: Quoten-Diskussion
Sehr geehrte Hanna Schachel!
Ausdrücklich danke ich Ihnen für Ihre Mühe und den Versuch, eine Pro-und-Contra-Diskussion zu veranstalten. Allein: Es ist nicht möglich. Das spricht nicht gegen Sie, sondern gegen die Zustände an der TU. Es ist nicht Ihre Aufgabe, für Sicherheit zu sorgen und in feinfühliger Voraussicht sich denen zu beugen, die so eine Diskussion unmöglich machen wollen. Die Argumente sind vorhanden. Natürlich hat jeder die Freiheit, ein Buch nicht zu lesen. Wenn jedoch ein Argument nicht mehr vorgetragen und zur Diskussion gestellt werden darf, dann ist das nicht nur eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern auch eine Einschränkung der Möglichkeiten des Studiums an so einer Universität.
Freundliche Grüße
Bernhard Lassahn