Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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ungeborene Zukunft (Allgemein)

bbberlin @, Monday, 22.07.2013, 13:07 (vor 3953 Tagen) @ André

Dazu ein Auszug aus Die Ehe stirbt an vergiftetem Obstsalat und die Kinder bringt der Klapperstorch.

Da geht es um eben diesen Brief. Und die Sprache, denn:

Die Sprache selber lässt Mängel und Lügen erkennen. Manchmal kommt sogar mehr ans Licht, als einem Autor lieb ist.

Und an der spannenden Stelle heißt es:

Und jetzt kommt es. Ich darf den Tiefpunkt des Briefes ankündigen. Ich gebe zu: An dieser Stelle war ich nicht nur tief erschüttert, sondern »zutiefst«.

Wenn zwei Menschen egal welchen Geschlechts sich füreinander entscheiden und Verantwortung für sich, die Gesellschaft und die geborene als auch ungeborene Zukunft übernehmen wollen, dann ist dies zutiefst schützenswert.

Bisher dachte ich immer, dass es nur gewisse Anwälte schaffen, auf kleinem Raum so viel zu verdrehen. Die »Verantwortung« ist wieder da. Natürlich spricht nichts gegen Verantwortung. Im Gegenteil. Doch wir sollten kurz vorspulen und das Ende des Satzes ansehen, wo uns der Superlativ »zutiefst« wie ein Warnlicht entgegenblinkt.

Ein Superlativ ist oft eine Fehlermeldung, so auch hier. Es heißt: »Wenn zwei … Verantwortung … übernehmen wollen, dann ist dies zutiefst schützenswert.« Schützenswerte Verantwortung, das ist – sagen wir mal, gewöhnungsbedürftig. Eine Verantwortung, die ihrerseits geschützt werden muss, ist keine, auf die ich mich verlassen möchte. Ich denke da an das Lied von Georg Kreisler, »Schützen wir die Polizei«.

Das ist, wie jeder weiß, der Kreisler kennt, ironisch gemeint. Wie sonst? Wer sollte die Verantwortung übernehmen für die, die die Verantwortung tragen? Wir sind am Tiefpunkt angelangt, weil Verantwortung nicht zu Gleichstellung passt. Wenn jemand Verantwortung
für einen anderen übernimmt, ist er übergeordnet. Andererseits ist jemand, der Schutz für sich in Anspruch nimmt, nicht gleichgestellt. Er ordnet sich unter. Wer soll in einer gleichgestellten
Gesellschaft die Verantwortung übernehmen?

Eine schöne Verantwortung ist das! Das Band, »das unsere Gesellschaft im Kern zusammenhält«,
wird reißen, bevor es zur ersten Belastungsprobe kommt. Wir haben es geahnt. Die Vorkämpfer für die Gleichstellung haben es selbst zugegeben und ihr Versagen angekündigt. Erinnern wir uns: Wofür wollen die zutiefst schützenwerten Leute Verantwortung übernehmen? Erstens »für sich« – gut. Zweitens für »die Gesellschaft« – auch gut, aber mit Vorbehalt. Dann wurde die Katze aus dem Sack gelassen. Denn wofür noch? Achtung: »für die geborene als auch ungeborene Zukunft«.

Hier soll Verantwortung für etwas übernommen werden – und gleichzeitig für das Gegenteil davon. Das ist keine Verantwortung mehr. Wenn man die Verantwortung sowohl für das Gelingen als auch für das Scheitern übernimmt und dabei von Anfang an beides gleichsetzt, dann wird aus der Verantwortung eine Lizenz zum Zerstören. Future und No Future sind dann zwei Seiten derselben wertlosen Münze. Mich machen Formulierungen schwindelig, die gleichzeitig
das Gegenteil von dem bedeuten sollen, was sie sagen, die Ja und Nein in eine Aussage packen. Dem Verfasser des Briefes geht es offenbar nicht so.

Bei der »geborenen als auch ungeborenen Zukunft« kommt noch etwas dazu. Geboren
wird nicht die Zukunft, geboren werden erst einmal Kinder. Geborene Zukunft ist Gegenwart mit Kindern. Und die »ungeborene Zukunft«? Ist das die Zukunft derer, die keine Kinder haben? Oder eine Zukunft ohne Kinder? Oder eine Zukunft, in der es zwar Kinder gibt, die aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht »geboren« wurde? Es wird uns nicht verraten. Vermutlich müsste der Satz heißen: »Wenn zwei Menschen … Verantwortung für … geborene als auch ungeborene Kinder übernehmen wollen.«

Dieser Satz wird uns nicht zugemutet. Deshalb flüchtet sich der Briefschreiber in schlechte Lyrik und versteckt sich hinter dem Platzhalter »Zukunft«. Klar, »geborene als auch ungeborene Zukunft« klingt irgendwie liberal und pathetisch zugleich. »Geborene als auch ungeborene Kinder« dagegen würde einfach nur grausam klingen, weil Leben und Nichtleben gleichgestellt werden – am Beispiel eines Lebewesens und nicht eines leblosen Abstraktums. Leben und Nichtleben sollen gleich viel gelten. Dazu müssen wir im höchsten Maße gleichgültig werden. Wenn wir das schließlich sind, beschädigen wir nicht etwa das ungeborene Kind, sondern das lebende, das die Dornenhecke aus Verhütung und Abtreibung passiert hat, mit unserer Gleichgültigkeit. Das Programm des Briefschreibers enthält eine Aufforderung zu liebloser
Gleichgültigkeit gegenüber Kindern.


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