Sexualwissenschaftler zur Rammstein-Posse (Gesellschaft)
Sexualwissenschaftler Christoph Ahlers im NZZ-Interview zur Causa Rammstein:
Seit über zwanzig Jahren singt Till Lindemann weltweit vor Millionenpublikum explizit von Sadomasochismus, sexueller Unterdrückung und Ausbeutung, bis hin zu sexuellem Vampirismus und Kannibalismus. Man kann wirklich nicht sagen, dass Till Lindemann mit seinen Neigungen hinter dem Berg gehalten hätte. Er sitzt auf der Bühne auf einer Peniskanone und spritzt Seifenschaum-Sperma in die Menge, die aus auffallend vielen jungen Frauen besteht.
Niemand, den das abstösst, braucht die Konzerte zu besuchen – im Gegenteil, viele Frauen nehmen einiges auf sich, um auf die Konzerte zu gehen, und reissen mitunter ihr T-Shirt hoch, um in die Row Zero zu kommen. Jede dieser jungen Frauen weiss, dass backstage weder Rommé noch Canasta gespielt werden. Da findet Sex, Drugs und Rock’n’Roll statt, und genau deshalb wollen viele Frauen dahin.
Und da kommen nach einschlägigen Erlebnissen backstage womöglich grosse Schuld- und Schamgefühle wegen des Tabubruchs hoch, die abgewehrt werden müssen, und da ist es für manche einfacher, hinterher zu sagen, dass einem etwas angetan worden sei. Dann ist der andere Täter, und ich bin Opfer und habe keine Selbstverantwortung mehr...
Aber darüber, dass es Frauen gibt, die in einer Art Angstlust, wie sie beim Konsum von Horrorfilmen entsteht, sehenden Auges genau solche Situationen aufsuchen, in denen womöglich ihre eigenen Sexualphantasien real werden könnten, und dass diese Frauen vielleicht Musik, Bands und Konzerte gut finden, bei denen es gerade darum geht – darüber darf nicht gesprochen werden.
--
Go Woke - Get Broke!