Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Medizinische Philosophie zur "Vater- u. Mutterschaft" (Bildung)

Rainer ⌂, Wednesday, 27.06.2012, 00:42 (vor 4315 Tagen) @ Referatsleiter 408

Zu lesen ab Mitte der PDF-Seite 260 bis 262:
http://www.medizin-philosophie.de/docs/Band%201_AdMP.pdf (Anmerkung: Es
lässt sich leider nicht hierein kopieren, warum auch immer!)

Der Text:
Damit geht eine Zersplitterung einher. Man isoliert künstlich Gene und Chromosomen, die sich in einem evolutionären Bezugsrahmen entwickelt haben, um sie in einem völlig anderen, der Umwelt der Art nicht entsprechenden Zusammenhang wieder einzusetzen. Beispiel ist das Rhesusäffchen mit den Quallengenen. Auf der (noch) menschlichen Ebene werden durch die modernen Technologien die Verwandtschaftsbegriffe zersplittert. Es gibt jetzt keinen einheitlichen Begriff „Mutter" und „Vater" mehr, er wird regelrecht zersplittert, einen einheitlichen biologischen Begriff „Mutter" gibt es nicht mehr.

Das konservative deutsche Recht hat den modernen Technologien auf seine Art Rechnung getragen. Die obige Definition des Vaterbegriffes „Als Vater ist der Mann festzustellen, der das Kind gezeugt hat." wurde aufgehoben. § 1592 BGB bestimmt heutzutage: „Vater eines Kindes ist der Mann, 1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, 2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder 3. dessen Vaterschaft nach § 1600 d gerichtlich festgestellt ist." Jetzt ist die Vaterschaft nicht an die Zeugung, sondern - wie trotz obiger Definition früher auch - an die Ehe gebunden. Es kommt jetzt auf den Bestand der Ehe zum Zeitpunkt der Geburt an. Das Augenmerk ist also auf die Geburt gelegt. Dem entspricht der neue § 1591 BGB: „Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat." Der Verfasser des Artikels im Handkommentar H. Holzhauer bemerkt dazu: „Der Rechtssatz dieser Vorschrift lag noch jedem Abstammungsrecht zugrunde, dem des BGB bisher jedoch unausgesprochen." Das neue BGB fixiert jetzt also als Vorschrift, was bisher Tatsache, aber zugleich so natürlich war, dass es nicht ausgesprochen und als Gesetz gefasst werden musste. Holzhauer kommentiert dann: „Die Zuordnung des Kindes an die Frau, die es geboren hat, ist endgültig. " Es gibt nach deutschem Recht nur eine Anfechtung der Vaterschaft, nicht aber der Mutterschaft. Eine nur genetische, also Eimutter, hat zum Kind kein Kindschaftsverhältnis. Holzhauer dazu: „§ 1591 entspricht funktional dem römischen Rechtssatz „mater semper certa est"..., der die Beweisbarkeit des Geburtsvorgangs und die Identifizierung von Mutter und Kind voraussetzt." Dieser Hinweis ist interessant. Denn hier ist die Konservativität des deutschen Rechtes besonders deutlich. Dass die Mutter entsprechend dem lateinischen Satz „Mater semper certa est" sicher ist, hat zugetroffen, solange die heute getrennten Mutterfunktionen noch nicht getrennt waren, der Mutterbegriff also einheitlich war. Heute müsste der lateinische Satz folgendermaßen lauten: „Mater semper certa esto!" — „Die Mutter soll immer sicher sein!", damit dem deutschen Recht entsprochen wird. Denn um Rechtssicherheit herzustellen, wird ein Mutterbegriff herausgegriffen und dogmatisch zur Endgültigkeit erhoben. Offensichtlich aus Angst vor der Überflutung durch die Möglichkeiten der neuen Technik wird Gesetz zum Dogma. Was würde geschehen, wenn wirklich eine Frau einen Schimpansen gebiert? Nach deutschem Recht wäre diese Frau die Mutter eines Tieres, ihres Kindes. Der Schimpanse müsste dann statusrechtlich einem Menschen gleichgestellt werden. Dieses Beispiel zeigt vielleicht, dass es schwer ist, rein gesetzlich eine konservative Einschränkung vorzunehmen. Denn dadurch dass in vielen anderen Ländern, als Vorreitern besonders in den USA und Australien, technische Neuerungen und Praktiken (z.B. die Befruchtung mit dem Samen Gestorbener) wie oben beschrieben längst unbefragt gängige Praxis sind, ist auch bei uns derartiges möglich. Eigentlich spielt es keine Rolle mehr, ob derartiges nun bei uns gemacht wird oder verboten ist. Viel wichtiger ist, dass die neuen Techniken unser Menschen- und Naturbild verändern und wir eine Antwort darauf finden müssen, wie wir heute den Menschen, die Arten, die Verwandtschaftsverhältnisse etc. definieren können, ohne angstbestimmt einen Begriff zu verabsolutieren, aber auch ohne jede Ausweitung für normal zu empfinden.

Im übrigen ist auch in anderer Hinsicht unser Bild von Familie verändert. Im Jahre 2000 wurde vom Bundestag das „Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften" beschlossen. Dieses Gesetz gilt als modern, ist aber deutlich konservativ. Denn es hält am traditionellen Beispiel der Ehe fest, dehnt sie als eheähnliche Gemeinschaft auch auf gleichgeschlechtliche Gemeinschaften aus. Bei heterosexuellen Ehen ist, wie gesagt, derjenige der Vater, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist, auch wenn ein anderer Mann das Kind gezeugt hat. Homosexuelle oder Lesben können miteinander kein Kind zeugen. Bei der Homosexuellen-Ehe geht es also nicht um Zeugung, sondern um eine rechtlich eingetragene Gemeinschaft. Die Ehe und eheähnliche Gemeinschaft der Homosexuellen sind nach den neuen Gesetzen also nicht als „Keimzelle des Staates" zu betrachten, jedenfalls nicht in genetischer Hinsicht. Die genetische Abstammung spielt in Deutschland bei der Homosexuellen-Ehe genauso wenig eine Rolle, wie bei der neuen BGB-Mutter, die ja nur in der Funktion der gebärenden Mutter zählt, unabhängig wessen Ei und damit wessen Gene sie austrägt. Deshalb zeigen die Anerkennung homosexueller eheähnlicher Verbindungen und die neuen Abstammungsgesetze des BGB in Deutschland gleichermaßen eine Abkehr vom alten Bild des Stammbaumes, der ja die genetischen biologischen Abstammungsverhältnisse darstellte. Diese Abkehr vom Mythos des Stammbaumes ist aber international. Deshalb gingen 1995 in Dänemark die Vorsitzende des Verbandes dänischer Lesbierinnen mit dem Vorsitzenden der Organisation Homosexueller eine standesamtliche Ehe ein, damit die Vorsitzende der Lesbierinnen das Recht erwarb, sich künstlich befruchten zu lassen oder ein Kind zu adoptieren. Das heißt, ein Paar heiratete gar nicht, um miteinander Kinder zu bekommen, sondern damit die Möglichkeit bestand, eine Fremdbesamung durchzuführen. Kurz danach ließ Dänemark die künstliche Befruchtung für unverheiratete Frauen und damit auch für Lesbierinnen zu, ohne dass sie deshalb eine Scheinehe eingehen müssten. Und im Jahre 2000 erklärte ein Gericht in den USA es für rechtens, dass die Namen von zwei lesbischen Frauen unter der Rubrik „Mutter" auf der Geburtsurkunde ihres künstlich gezeugten Kindes eingetragen wurden, dass die Rubrik „Vater" aber gestrichen wurde. Das Kind hatte nach der Geburtsurkunde also zwei (lesbische) Mütter, aber keinen Vater. Heute muss man damit rechnen, dass ein mit den neuen Techniken entstandenes Kind in etwa folgende Einträge in seiner Geburtsurkunde benötigt (siehe Tab. 1).

Die jeweils konkrete Geburtsurkunde müsste dann mit entsprechenden Namensnennungen oder auch Genkarten erfassen, wer die Eimutter, wer die austragende Mutter, der jeweilige Vater etc. ist und von wem bzw. von welcher Pflanze, welcher Tierart, welchem ausgestorbenen Neandertaler etc. das Fremdmaterial stammt. Da eine Großmutter ihren Enkel oder eine Schwester ihre Schwester austragen kann, ist eine deskriptive Familienterminologie unter diesen Umständen veraltet, man muss jetzt zu einer analytischen Terminologie übergehen und wahrscheinlich zu mathematischen Kürzeln kommen. OMX= 13121991+MuSchTo YvPRZ 20022002* hieße dann: DieOvarmut-ter X ist die am 13. 12. 1991 gestorbene Mutterschwestertochter Y des am 20.02.2002 geborenen Probanden Z (gemeint ist des Kindes der Geburtsurkunde).

Rainer

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