Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Georgia gegen Genitalverstümmelung

Arne Hoffmann, Tuesday, 30.03.2004, 00:40 (vor 7344 Tagen)

Wie gerade durch eine der von mir abonnierten Newslisten geht, hat das Parlament des US-Bundesstaates Georgia die Verstümmelung weiblicher Genitalien unter Strafe gestellt. Es gibt keine Unterscheidung zwischen einvernehmlichen und nichteinvernehmlichen "Verstümmelungen". Unter dieses Gesetz fallen auch Piercings, die sich erwachsene Frauen freiwillig setzen lassen. Männer dürfen sich weiter piercen lassen. (Klar, das Gesetz soll ja Frauen schützen.) Es drohen Haftstrafen zwischen 2 und 20 Jahren.

Vollständiger Bericht: http://www.accessnorthga.com/news/ap_newfullstory.asp?ID=34411

Arne

übers Ziel hinausgeschossen

Der Eman(n)ze, Tuesday, 30.03.2004, 00:55 (vor 7343 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Georgia gegen Genitalverstümmelung von Arne Hoffmann am 29. März 2004 21:40:49:

...ist man, wenn man volljährigen, mündigen Frauen das Piercen aus eigenem Antrieb heraus verbieten will.

Dennoch finde ich die Entscheidung grundsätzlich für begrüßenswert. Daß nicht mit gleicher Konsequenz gegen die Jungen-Beschneidungs-Industrie vorgegangen wird, ist zwar schade, negiert jedoch m.E. nicht den Beschluß.

Nicht zuletzt deswegen, weil weibliche Zwangsverstümmelungen i.d.R. wesentlich gravierender sind als männl. Beschneidungsarten.

Was das alberne Selbst-Piercing-Verbot betrifft, so werden sich die betroffenen Frauen einen Dreck darum kümmern. Oder gibt es auch öffentliche Genitalkontrollen? ;-)

Für Jugendliche finde ich ein Piercing-Verbot in gewissen Grenzen OK.

Wichtig ist grundsätzlich, daß gegen Ärzte, Quacksalber, Schamanen und sonstige Personen, die Genitalverstümmelung praktizieren, mit voller Härte vorgegangen wird. Dann packt man das Übel an der Wurzel.

gruß

Zwangsverstümmelungen

Norbert, Tuesday, 30.03.2004, 11:58 (vor 7343 Tagen) @ Der Eman(n)ze

Als Antwort auf: übers Ziel hinausgeschossen von Der Eman(n)ze am 29. März 2004 21:55:39:

Hi

Nicht zuletzt deswegen, weil weibliche Zwangsverstümmelungen i.d.R. wesentlich gravierender sind als männl. Beschneidungsarten.

IMHO bist du hier auf die übliche einseitige Propaganda hereingefallen.
Es gibt schon Berichte, wie gravierend Beschneidungen bei Jungen ausfallen, und nicht selten zum Tode führen. Eine ganz extreme Methode wird z.B. in Australien durchgeführt.
Ich halte Beschneidungen, egal bei welchem Geschlecht, als medizinisch nicht begründbar an, und somit zu unterlassen.

Allerdings sollte man damit vorsichtig sein, Riten anderer Kulturen nur aus unserer Sicht zu sehen.
Auch wir haben 'Riten', die von anderen als absonderlich gewertet werden.
Die Weisheit hat eben niemand gepachtet.

Gruß
Norbert

Re: Link dazu: Invisible-Men 8

Norbert, Tuesday, 30.03.2004, 12:08 (vor 7343 Tagen) @ Norbert

Als Antwort auf: Zwangsverstümmelungen von Norbert am 30. März 2004 08:58:19:

Link zum Thema:
Zwangsverstümmelung auch bei Jungen

Im Text nach Beschneidung suchen.

Gruß
Norbert

Beschneidung

Arne Hoffmann, Tuesday, 30.03.2004, 13:25 (vor 7343 Tagen) @ Norbert

Als Antwort auf: Re: Link dazu: Invisible-Men 8 von Norbert am 30. März 2004 09:08:31:

Link zum Thema:
Zwangsverstümmelung auch bei Jungen
Im Text nach Beschneidung suchen.

Einen etwas kürzeren Text dazu habe ich auch in meinem "Lexikon der Tabubrüche" veröffentlicht. Wenn ihr das Thema eh anschneiden wollt, kann ich ihn ja auch gleich hier reinstellen:

--- BESCHNEIDUNG
Der Brauch der Genitalbeschneidung von Mädchen, der vor allem in Afrika, Asien und dem Nahen Osten ausgeübt wird, hat in der letzten Zeit auch hierzulande zu erhitzten Diskussionen geführt. Mehrere prominente Frauen, darunter die Unicef-Botschafterin Sabine Christiansen sowie die Wirtschaftsexpertin Christa Müller (die Lebenspartnerin Oskar Lafontaines) haben auf dieses Problem aufmerksam gemacht, Top-Model und UNO-Sonderbotschafterin Waris Dirie hat ihre eigenen Erlebnisse in ihrer Autobiographie "Wüstenblume" verarbeitet. Darin vertritt sie Thesen wie dass die Beschneidung längst abgeschafft wäre, wenn davon statt Frauen Männer betroffen seien, und verkündet: "Vielleicht sollten die Frauen den Männern die Eier abschneiden, damit auf der Erde wieder ein Paradies entstehen kann." Das Buch wurde weltweit zum Bestseller.

Bezeichnenderweise erstreckt sich der Tabubruch noch heute allein auf die weiblichen Opfer. Beschnittene Jungen und Männer kommen in der öffentlichen Diskussion durchgehend nicht vor. Auch die Beschneidung von Knaben wird in Ländern der Dritten Welt (speziell Afrika, Vorderasien, Indonesien und Teilen Australiens) nicht unter Narkose und mit sterilisierten chirurgischen Instrumenten, sondern mit sehr primitivem Werkzeug vorgenommen. Kritiker sprechen von einem kulturell legitimierten gewaltsamen Übergriff auf Jungen und einer planmäßigen Desensibilisierung eines höchst empfindlichen und lustspendenden Organs des Mannes.

Mitte August 2001 kritisierten Menschenrechtsorganisationen erstmals die Vereinten Nationen wegen der Tabuisierung männlicher Opfer, wenn es um Beschneidungen geht. Die "National Organization of Circumcision Information Resource Centers" (Nationale Organisation des Datenzentrums zu Informationen über Beschneidung) sowie die "Attorneys for the Rights of the Child" (Anwälte der Kindesrechte) beschuldigten die UNO, mit zweierlei Maß zu messen: Während sie der Klitorisbeschneidung bei Mädchen recht aggressiv den Kampf angesagt habe, widme sie ähnlich schwerwiegenden Eingriffen bei männlichen Kindern nicht einmal ihre Aufmerksamkeit. Steven Svoboda, ein an der Elite-Universität Harvard ausgebildeter Anwalt für Menschenrechte, wies darauf hin, dass die Beschneidung von Jungen überall dort vorkomme, wo auch die Beschneidung von Mädchen stattfinde - nur sechsmal so häufig! Svoboda: "Eines Tages werden wir die fehlgeleitete Natur unserer Versuche verstehen, gewaltsame Eingriffe bei weiblichen Genitalien als kriminell zu bezeichnen, während vergleichbar ernstzunehmende, außerordentlich schmerzhafte und verstümmelnde Eingriffe bei männlichen Genitalien erlaubt sind."

Auch andere Aktivisten und Aktivistinnen, so etwa Jacqueline Smith, Professorin am niederländischen Institut für Menschenrechte, sprechen sich dafür aus, die Beschneidung bei Jungen ebenso zu bekämpfen wie bei Mädchen. Svoboda verwies auch auf einen Artikel der New York Times vom 1. August 2001, dem zufolge in diesem Jahr allein in Südafrika 35 Jungen an den Folgen ihrer Beschneidung zu Tode kamen. Zehn Prozent oder mehr aller Jungen überstanden diesen aus medizinischer Sicht völlig unnötigen Eingriff nur entweder ganz ohne Penis oder lediglich mit einem entstellten Stummel. ---

Ansonsten mag sich vielleicht susu noch mal dazu äußern; er/sie kennst sich bei diesem Thema wohl noch mal um einiges besser aus als ich.

Herzlicher Gruß

Arne

Re: Beschneidung

susu, Wednesday, 31.03.2004, 01:14 (vor 7342 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Beschneidung von Arne Hoffmann am 30. März 2004 10:25:02:


Ansonsten mag sich vielleicht susu noch mal dazu äußern; er/sie kennst sich bei diesem Thema wohl noch mal um einiges besser aus als ich.

Wirklich genau kenne ich nur die Fulanis/Peul, ein afrikanischer Stamm, bei dem es nicht geschafft wurde, die Zahl der Genitalverstümmelungen von Mädchen zu reduzieren, weil diese Gruppe geschlechtsneutral verstümmelt und sie gar keinen Begriff von Geschlecht für Kinder haben. Einseitiges Angagement hat hier zu nicht geführt (es gibt allerdings noch weitere Gründe für die spezifische Problematik bei dieser Gruppe). Ich habe allerdings noch etwas zum Thema gefunden:
[image]
gibt die geographische Ausbreitung von Genitalverstümmelungen bei Männern an und deren Form.
[image]
zeigt die geographische Ausbreitung von FGM an. Die Karten sind weitestgehend identisch.

Hartgesottene können sich hier und hier Dokumentarphotos von MGM Ritualen ansehen.

Nicht zu unterschätzen ist außerdem die Gefahr von HIV-Neuinfektionen auch bei medizinisch notwendigen Beschneidungen von Jungen in Afrika. Außerhalb der größeren Kliniken steigt das Risiko HIv positiv zu sein auf das 1,5-fache, wenn beschnitten wird.

On a related Notice: Neue Statistiken zeigen, daß ca. jedes 500. Kind wegen Intersex-Syndromen genitalverstümmelt wird. Bisherige Studien gingen von jedem 2000. bis 1000. Kind aus. Das macht ca. 160.000 verstümmelte Kinder in Deutschland aus. Der Studie zufolge sind 2% aller Kinder IS, jedes 10. wird in den Industrienationen verstümmelt.

susu

Re: Georgia gegen Genitalverstümmelung

Odin, Tuesday, 30.03.2004, 02:52 (vor 7343 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Georgia gegen Genitalverstümmelung von Arne Hoffmann am 29. März 2004 21:40:49:

Wie gerade durch eine der von mir abonnierten Newslisten geht, hat das Parlament des US-Bundesstaates Georgia die Verstümmelung weiblicher Genitalien unter Strafe gestellt. Es gibt keine Unterscheidung zwischen einvernehmlichen und nichteinvernehmlichen "Verstümmelungen". Unter dieses Gesetz fallen auch Piercings, die sich erwachsene Frauen freiwillig setzen lassen. Männer dürfen sich weiter piercen lassen. (Klar, das Gesetz soll ja Frauen schützen.) Es drohen Haftstrafen zwischen 2 und 20 Jahren.
Vollständiger Bericht: http://www.accessnorthga.com/news/ap_newfullstory.asp?ID=34411

Ein schönes Beispiel dafür, wie schnell dieses "wir armen Frauen müssen geschützt werden" - Genöhle nach hinten losgehen kann: Wenn Frauen kleine Kinder sind, auf die man achten muß, dann werden sie auch mal so behandelt - also auch die erwachsenen Frauen!

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