Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wehrpflicht

Bruno, Friday, 14.03.2003, 13:45 (vor 7734 Tagen)

Liebe Forenteilnehmer,

ich weiß, ich bin etwas spät, aber dieser Beitrag ist als Nachzügler-Antwort zu den Wehrpflicht-Beiträgen gedacht.

Ich halte die einseitige Wehrpflicht für ungerecht und denke, dass sich der Feminismus langfristig selber schadet, wenn er sich gegen die Wehrpflicht für Frauen ausspricht. Dem üblichen Pauschalgrund zum Trotz (Frauen müssen ja schon Kinder kriegen) bleibt immer der Eindruck, die Frauen wollten sich vor der Pflicht drücken, was ich persönlich den meisten Frauen nicht unterstellen möchte. Aber der Eindruck ist da. Die Feministinnen haben ja, soweit ich weiß, früher nicht so vehement um das Recht auf Dienst an der Waffe gekämpft. Das wurde erst doch eine Einzelinitiative einer Frau erstritten. Den Feministinnen war vielleicht klar, dass wenn sie auf das Recht pochen auch die Frage nach der Pflicht gestellt werden würde und dass sie dann Farbe bekennen müssten.

Ein anderer Punkt ist der, dass bei der Diskussion um die Wehrpflicht auch immer außer Acht gelassen wird, was wäre, wenn es tatsächlich auch eine Wehrpflicht für Frauen geben würde. Würde man dann Frauen in gleichem Maße in Krisengebiete oder anders gesagt „an die Front“ schicken wie Männer? Ich glaube nicht, denn in unserer Kultur existiert statistisch belegt, zumindest was gefährliche Jobs anbelangt (vgl. z.B. „Sind Frauen bessere Menschen?“, Arne Hoffmann), m.E. immer noch eine falsch verstandene Ritterlichkeit. Diese kindische Ritterlichkeit wird bedauerlicher Weise von Männern nicht weniger gepflegt als von Frauen (Quasi: „Das gehört sich doch nicht, dass Männer in der Etappe (=Ausdruck für die Soldatentätigkeit weit hinter der Front) bleiben, während die Frauen kämpfen müssen“). Ich glaube, es ist deshalb nicht auszuschließen, dass, auch wenn eine Wehrpflicht für Frauen existieren würde, nach wie vor bevorzugt Männer „an die Front“ geschickt würden. Die einzige Änderung wäre, dass sie nicht von männlichen sondern von weiblichen Generälen geschickt würden.

Gruß und schönes Wochenende

Bruno

Re: Wehrpflicht

Maesi, Tuesday, 01.04.2003, 23:29 (vor 7716 Tagen) @ Bruno

Als Antwort auf: Wehrpflicht von Bruno am 14. März 2003 11:45:18:

Hallo Bruno

Ich halte die einseitige Wehrpflicht für ungerecht und denke, dass sich der Feminismus langfristig selber schadet, wenn er sich gegen die Wehrpflicht für Frauen ausspricht.

Der Feminismus bezieht IMHO keine einheitliche Stellung zur Wehrpflicht, ausser, dass er sie fuer Frauen ablehnt. Etliche sind wohl dafuer, die Wehrpflicht abzuschaffen, ein paar wenige (wahrscheinlich fast niemand) moegen vielleicht fuer eine wirklich Allgemeine Wehr- oder allenfalls Dienstpflicht sein, den meisten ist es schlichtweg egal, solange Frauen nur weiterhin von einer (wie auch immer gearteten) Dienstpflicht dispensiert bleiben. Sprueche wie 'die Maenner sind selber schuld, schliesslich haben sie ja die Wehrpflicht eingefuehrt' oder 'sollen die Maenner selber schauen, dass die Wehrpflicht abgeschafft wird, uns Frauen betrifft das nicht' und dgl. mehr sind deshalb recht haeufig und wurden von Frauen (Feministinnen?) auch schon in diesem Forum geaeussert.

Dem üblichen Pauschalgrund zum Trotz (Frauen müssen ja schon Kinder kriegen) bleibt immer der Eindruck, die Frauen wollten sich vor der Pflicht drücken, was ich persönlich den meisten Frauen nicht unterstellen möchte.

Ich wuerde nicht sagen, dass sich die meisten Frauen druecken wollen. Druecken kann man sich ja nur vor einer Pflicht, die man selber wahrnehmen muss. Wahrscheinlich lehnen die meisten Frauen eine Wehr- oder Dienstpflicht grundsaetzlich ab; in diesem Sinne druecken die Frauen sich nicht vor einer Pflicht, da sie diese ja fuer alle (also auch fuer Maenner) ablehnen.

Die Feministinnen haben ja, soweit ich weiß, früher nicht so vehement um das Recht auf Dienst an der Waffe gekämpft. Das wurde erst doch eine Einzelinitiative einer Frau erstritten.

Trotzdem wurde es als feministischer Sieg gefeiert. Das ist ja das Kranke an dieser Ideologie.

Den Feministinnen war vielleicht klar, dass wenn sie auf das Recht pochen auch die Frage nach der Pflicht gestellt werden würde und dass sie dann Farbe bekennen müssten.

Das gilt IMHO nicht nur fuer Feministinnen sondern wahrscheinlich fuer die meisten Frauen aber auch die meisten Maenner. Die wenigsten Menschen lassen sich gerne Pflichten auferlegen; wenn doch, dann meist aus der Einsicht, dass der Nutzen durch das Erbringen dieser Pflichten groesser ist als der Aerger und die Unannehmlichkeiten mit der Pflicht. Die meisten Erwachsenen sind beispielsweise steuerpflichtig; wer zahlt schon gerne Steuern, aber die meisten sehen ein, dass sie halt notwendig sind. Lediglich an der Hoehe der Steuern scheiden sich dann wieder die Geister.

Ein anderer Punkt ist der, dass bei der Diskussion um die Wehrpflicht auch immer außer Acht gelassen wird, was wäre, wenn es tatsächlich auch eine Wehrpflicht für Frauen geben würde. Würde man dann Frauen in gleichem Maße in Krisengebiete oder anders gesagt „an die Front“ schicken wie Männer?

In der Gesellschaft, wie sie derzeit existiert, wohl (noch) nicht. Aber in Zukunft koennte sich das aendern. Immerhin nehmen in der US-Armee beispielsweise Frauen exponierte Rollen ein. Allerdings nehmen sie bisher IMHO noch nicht an Infanterie-Kaempfeinsaetzen (wohl aber an Luftwaffeneinsaetzen) teil. Ausserdem handelt es sich dabei natuerlich nicht um Wehrpflichtige.

Ich glaube nicht, denn in unserer Kultur existiert statistisch belegt, zumindest was gefährliche Jobs anbelangt (vgl. z.B. „Sind Frauen bessere Menschen?“, Arne Hoffmann), m.E. immer noch eine falsch verstandene Ritterlichkeit. Diese kindische Ritterlichkeit wird bedauerlicher Weise von Männern nicht weniger gepflegt als von Frauen (Quasi: „Das gehört sich doch nicht, dass Männer in der Etappe (=Ausdruck für die Soldatentätigkeit weit hinter der Front) bleiben, während die Frauen kämpfen müssen“).

Diese falchs verstandene Ritterlichkeit wird auch heute noch ausgiebig zelebriert. In Saetzen wie, es gab xx Todesopfer, darunter yy Frauen und zz Kinder kommt sie tagtaeglich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zum Ausdruck. Erst wenn es selbstverstaendlich ist, dass unter den Todesopfern eines Ungluecks, einer Katastrophe, eines Massakers oder eines Krieges Frauen nicht mehr als die wertvolleren Menschen gesondert erwaehnt werden, haben wir diese Ritterlichkeit ueberwunden. Nirgends werden so offenkundig Maenner als Menschen zweiter Klasse diskriminiert, wie wenn es um Todesopfer geht. Selbst Witwen werden dann noch eher als Opfer bemitleidet als deren zu Tode gekommenen Maenner.
Es ist ein unverrueckbarer feministischer Glaubenssatz, dass Frauen die Hauptopfer von kriegerischen Konflikten sind, obwohl statistisch nachgewiesen die Maenner die Mehrzahl der Toten (sowohl zivile als auch militaerische Opfer), die Mehrzahl der Verletzten/Verstuemmelten und hoechstwahrscheinlich auch die Mehrzahl der Traumatisierten stellen. Natuerlich zieht sich diese ganze 'Frauen-sind-die-edleren-Opfer'-Masche auch durch alle anderen gesellschaftlich relevanten Opferthemen, sei es Obdachlosigkeit, Kriminalitaetsopfer, Scheidungsopfer, Fluechtlingsopfer, Opfer sexueller und/oder haeuslicher Gewalt, u.v.m. Letzthin habe ich gelesen, dass auch weibliche Kindersoldaten besonders bedauernswerte Opfer waeren, womit bei einer weiteren Problematik die unselige Aufteilung nach Geschlecht eingefuehrt und alsogleich klargestellt wurde, wie die Opferhierarchie aussehen soll: Zuerst gilt es die (vergleichsweise wenigen) Maedchen zu bedauern und zu unterstuetzen und dann erst kommen die (weitaus zahlreicheren) Jungs in den Genuss des Opferstatus. An Zynismus und Scheinheiligkeit ist die allgegenwaertige Leugnung, Ignorierung von maennlichen Opfern sowie die Aufteilung in edlere (=weibliche) und weniger edle (=maennliche) Opfer kaum mehr zu ueberbieten.
Die Frage ist natuerlich, ob wir eine Aenderung/Abschaffung dieser Ritterlichkeit wollen. Diese Frage wird gesellschaftlich noch kaum gestellt, geschweige denn beantwortet. Hier nimmt der Feminismus eine ziemlich zwiespaeltige Haltung ein: Einerseits werden (zumindest vereinzelt) auch Frauen als Taeterinnen wahrgenommen; Alice Schwarzer hat ja beispielsweise auch schon erkannt, dass Frauen nur deshalb weniger in der Taeterrolle auftraten, weil sie weniger Gelegenheit hatten, sich die Haende schmutzig zu machen. Solch spaerlich auftretende Selbsterkenntnis wird aber andererseits sofort wieder verdraengt mit ellenlangen Berichten ueber den ueblen Taeter Mann und das arme Opfer Frau, damit das liebgewonnene geschlechtsspezifische Opfer-Taeter-Schema nicht womoeglich noch ernsthaft in Frage gestellt werden muss. Bereits im vielgeschmaehten 'Patriarchat' wurden weibliche Opfer als hoeherwertig eingestuft als maennliche (soweit Maenner ueberhaupt als Opfer gelten konnten). Dass der Feminismus diese 'patriarchalisch inspirierte' Einteilung ohne groessere Aenderungen uebernommen, ja auf vielen anderen Gebieten sogar noch ausgebaut hat (z.B. haeusliche Gewalt), obwohl doch gleichzeitig die Emanzipation der Frau vom Manne gefeiert wurde, ist IMHO dessen beeindruckendste ideologische Leistung. Selten ist es einer Ideologie gelungen, die Extrempositionen von zwei derart diametral entgegenstehenden Denkrichtungen (einerseits die Frau als ohnmaechtiges, hilfloses Objekt, andererseits die Frau als autonom handelndes, emanzipiertes Subjekt) zu verbinden, ohne dass nennenswerte Kritik an der offensichtlichen Widerspruechlichkeit geaeussert wurde. Das geht soweit, dass selbst offensichtlichen Taeterinnen (z.B. Bobbit) die Verantwortung fuer ihr Tun abgesprochen wird, weil sie ja von einem Mann (dem eigentlich Schuldigen, auch wenn er zufaellig Opfer war) oder durch die patriarchalisch gepraegten Umstaende zur Untat getrieben worden sei. Die Konsequenz dieses abstrusen Denkens ist aber, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts fuer gar nichts verantwortlich gemacht werden koennen und somit voellig entmuendigt sozusagen auf die Urteilsfaehigkeitsstufe eines Kleinkindes herabgesetzt werden. Einige Feministinnen sind gar nicht gluecklich ueber diese Entwicklung, die Mehrzahl hingegen raekelt sich in der permanenten Opferrolle und der konstruierten Verantwortungslosigkeit und will offensichtlich gar nicht daraus ausbrechen.

Ich glaube, es ist deshalb nicht auszuschließen, dass, auch wenn eine Wehrpflicht für Frauen existieren würde, nach wie vor bevorzugt Männer „an die Front“ geschickt würden. Die einzige Änderung wäre, dass sie nicht von männlichen sondern von weiblichen Generälen geschickt würden.

Wie das Beispiel Israel zeigt, wuerde es wohl tatsaechlich so kommen.

Gruss

Maesi

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