Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Blick aus Frankreich auf die deutsche Misere

Garfield, Tuesday, 09.05.2006, 19:10 (vor 6556 Tagen) @ Kollege

Als Antwort auf: Re: Blick aus Frankreich auf die deutsche Misere von Kollege am 09. Mai 2006 14:03:

Hallo Kollege!

"Ist es das große Problem der Deutschen, ständig Grundsatzdiskussionen
führen zu müssen? Und diese Sündenbockmentalität, immer einen Schuldigen parat zu haben?"

Ich sehe die Ursache dafür nicht in einer speziellen deutschen Mentalität, sondern eher im grandiosen Versagen der deutschen Spitzenpolitik auf dem Gebiet der Rentenversicherung.

Ludwig Erhard soll Konrad Adenauer schon in den 1960er Jahren auf eine durch den Geburtenrückgang infolge des "Pillenknicks" verursachte mögliche Gefährdung des Rentensystems angesprochen haben. Adenauer soll gefragt haben, wann sich das auswirken wird. Als er hörte, daß das erst in 40 Jahren ein Problem sein könnte, soll er gesagt haben, daß man sich darüber noch keine Gedanken machen müsse...

Ich weiß nicht, ob die Geschichte so stimmt. Immerhin trat der "Pillenknick" in Deutschland erst nach 1965 auf, Adenauer war aber nur bis 1963 Bundeskanzler. Erhard war auch nur bis 1963 Wirtschaftsminister und danach bis 1966 selbst Bundeskanzler.

Wie dem auch sei: Spätestens Mitte der 1970er Jahre war klar, daß die Erwerbslosenzahlen nun langfristig gesehen immer weiter ansteigen werden. Der Pillenknick war tatsächlich gar keine Gefahr für das Rentensystem - den hätte man durch Einwanderer ausgleichen können. Aber bei steigenden Erwerbslosenzahlen konnten weder ein Anstieg der Geburtenzahlen noch Einwanderung das allmählich zunehmende Rentenproblem lösen.

Unsere Spitzenpolitiker haben nicht nur nichts dagegen getan, sondern den Zusammenbruch des Rentensystems noch beschleunigt, indem sie beispielsweise die Rücklagen der Rentenkassen immer weiter verringerten und sie immer wieder durch Leistungen belasteten, für die keinerlei Rentenbeiträge eingezahlt wurden. Um sich dann darüber zu wundern, wie es wohl sein kann, daß so viele Steuergelder dazu gezahlt werden müssen.

Heute werden die Folgen dieser Mißwirtschaft immer deutlicher. Was sollen unsere Spitzenpolitiker nun tun? Ihr Versagen eingestehen und den Bürgern offen sagen, daß sie - und nur sie - dafür büßen müssen, indem sie jetzt zwar hohe Rentenbeiträge zahlen müssen, in Zukunft aber keine Renten mehr bekommen, von denen sie noch leben können? Und somit leider auch nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, selbst ausreichend fürs Alter vorzusorgen?

Die Lage wird sowieso durch die Massenarbeitslosigkeit, durch Hartz IV usw. immer kritischer. Wenn man da noch solch eine Bombe zündet, könnte man womöglich ähnliche Zustände bewirken wie in Frankreich...

Was kann man also tun, wenn man ungestört so weiter wurschteln möchte wie bisher, nach dem Motto "nach mir die Sintflut"? Wenn man sich ungestört die eigenen Einkommen, Privilegien und Pensionen weiter erhöhen möchte, ohne durch lästige Krawalle der aufgebrachten Bürger belästigt zu werden?

Dann muß man sich Sündenböcke suchen. Man verfährt nach dem Motto "teile und herrsche" und hetzt Junge gegen Alte und natürlich auch Eltern gegen Kinderlose auf. Die Alten sind dann gierig und wollen die Jungen als Sklaven zur Finanzierung ihrer Renten mißbrauchen. Die Jungen dagegen sind faul, dumm und arbeitsscheu. Die Kinderlosen sind egoistisch und nur darauf bedacht, ihre Luxusvillen mit Geldsäcken zuzustapeln. Die Eltern schließlich sind asozial und schmarotzen mit ihren vielen Kindern auf Kosten anderer. So erreicht man, daß alle sauer aufeinander sind, verbal oder gar körperlich aufeinander eindreschen und gar nicht mehr daran denken, wer uns die Suppe wirklich eingebrockt hat und sie nun leider nicht mit auslöffeln will - unsere werten Spitzenpolitiker.

Freundliche Grüße
von Garfield


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