Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Vergessene Debatte über den Geburtenrückgang

Garfield, Tuesday, 02.05.2006, 19:27 (vor 6574 Tagen) @ Rüdiger

Als Antwort auf: Re: Vergessene Debatte über den Geburtenrückgang von Rüdiger am 02. Mai 2006 15:07:41:

Hallo Rüdiger!

Da hast du soweit schon recht.

"Die prozentuale Arbeitslosenrate wäre allerdings wohl trotzdem dieselbe."

Ja, und damit wären die absoluten Zahlen auch höher. Die Kosten dafür würden sich dann zwar auf mehr Schultern von Berufstätigen verteilen, aber da sie höher wären, käme es auf dasselbe hinaus. Wir würden heute also nicht besser dastehen, sondern hätten genau dieselben Probleme mit der Finanzierbarkeit von Renten, Arbeitslosengeld, Kranken- und Pflegeversicherung, Sozialleistungen... Zwar kämen mehr Beiträge hinein - es müßte aber auch mehr ausgezahlt werden.

Wenn sich aber jetzt die Bevölkerungszahl durch einen starken Geburtenanstieg drastisch erhöhen würde, dann wäre das wirklich fatal. Kinder sind nun einmal nicht produktiv, wir hätten also die Situation, daß die abnehmende Zahl der produktiven Bürger auf einmal immer mehr unproduktive Bürger ernähren müßte. Ein starker Geburtenanstieg könnte nur durch eine Zunahme der Zahl der Eltern erreicht werden. Wenn dann also obendrein noch mehr Menschen Elterngeld, Kindergeld und ähnliche Leistungen für Kinder beziehen und die Kosten für Kindergärten und Schulen drastisch ansteigen würden, dann wäre schnell der Punkt erreicht, an dem das alles nicht mehr finanzierbar wäre. Also würde schon einmal überall gekürzt werden.

Dummerweise ist es aber so, daß die Wirtschaft ihre Preise üblicherweise an solche Subventionen anpaßt. Wenn man Eltern finanziell stärker subventioniert, steigt ihre Kaufkraft, und damit steigen dann auch die Preise für bevorzugt von Eltern konsumierte Produkte, also vor allem für Produkte für Kinder. Sinkt die Kaufkraft der Eltern durch Kürzung der Leistungen wieder, dann sinken erfahrungsgemäß die Preise nicht sofort im gleichem Umfang, sondern nur allmählich. Dann würden viele Eltern wirklich finanzielle Probleme bekommen.

Das wäre schon einmal das eine Problem. Das andere Problem wäre noch fataler:

Wenn man in ein Wirtschaftssystem plötzlich viele zusätzliche unproduktive Bürger hineinbringt, dann erzeugen die zwar auf den ersten Blick zusätzlichen Konsum, tatsächlich findet aber eben nur eine Umverteilung des Konsums statt: Da die unproduktiven Bürger die Mittel für ihren Konsum nicht selbst erarbeiten können, müssen sie von anderen erarbeitet werden. Im Falle von Kindern geschieht dies durch die Eltern und durch diejenigen, die von Unterstützung für Kinder nicht profitieren, diese Unterstützung aber finanzieren, also vor allem durch Menschen ohne Kinder und durch Menschen mit Kindern, die diese Leistungen für ihre Kinder aber aus irgendwelchen Gründen nicht bekommen haben.

So kann es also unter dem Strich keinen Mehrkonsum geben. Das Ganze kann sogar nach hinten losgehen. So eine Verschiebung des Konsums wird nämlich nicht gleichmäßig in allen Branchen erfolgen. Zusätzliche Menschen müssen erst einmal essen, und sie brauchen Kleidung. Kleidung wird heute beispielsweise stark in Asien produziert. Wenn nun mehr Kleidung aus Asien konsumiert wird, dafür aber weniger andere Produkte aus deutscher Produktion verkauft werden, dann freut man sich zwar in Asien über neue Aufträge und neue Jobs, aber das nützt den Deutschen nichts. Ganz im Gegenteil: Hier steigen dann die Erwerbslosenzahlen fröhlich weiter...

Wenn es nun so wäre, daß die Unternehmen ihre Produktion nach der Bevölkerungszahl richten würden und wenn auch die Händler entsprechend einkaufen würden, dann würde sich das von allein einpegeln. Das tun sie aber leider nicht, sondern sie richten sich einzig und allein nach der Nachfrage. Wenn also die Nachfrage unter dem Strich gleich bleibt, dann wird auch nicht mehr bestellt und nicht mehr produziert. Somit ist klar, wieso die Zunahme der Zahl der Kinder keine Verbesserung der Situation bringen und natürlich auch das Rentenproblem nicht lösen kann.

Sind die Kinder dann herangewachsen, finden sie auf dem Arbeitsmarkt eine anhaltend katastrophale Situation vor, und viele von ihnen werden nur drei Möglichkeiten haben: Auswandern, sich Geld zum Leben irgendwie illegal beschaffen oder aber von Sozialleistungen leben. Letzteres wird aber immer schwieriger werden, weil die Sozialleistungen immer schwerer finanzierbar sein werden.

In allen drei Fällen hat die Gesellschaft in die Kinder investiert, ohne dafür letztendlich etwas zurück zu bekommen. Wenn dann die Kriminalität durch sinkende Sozialleistungen zwangsläufig ansteigt, bringt das obendrein noch massive zusätzliche Schäden für die Wirtschaft und für private Haushalte, was die Abwärtsentwicklung beschleunigt.

Durch Bevölkerungsrückgang läßt sich das aber auch nicht so einfach lösen. Damit sinkt zwar die Zahl der Leistungsempfänger, aber auch die Zahl der Konsumenten und damit die Zahl der produktiven Bürger. Prozentual bleibt dann wieder alles gleich.

Wie man es auch dreht und wendet: Ohne deutliche Änderung des Systems kommen wir aus dem Dilemma nicht heraus. Eine Erhöhung der Geburtenzahl ist kein Ausweg.

Freundliche Grüße
von Garfield


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