Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wiederholung: Rezension zu "Die Wolfsfrau im Schafspelz"

Arne Hoffmann, Monday, 23.06.2003, 12:29 (vor 7624 Tagen)

Howdy,

die folgende Rezension, die ich Andreas gerade gemailt habe, hatte ich vor anderthalb Jahren schon mal in meinem e-zine INVISIBLE MEN veröffentlicht. Da mittlerweile viele neue Leser zu diesem Forum hinzugekommen sind, stelle ich sie gerne noch mal hier rein:

--- MARTINA SCHÄFER:
DIE WOLFSFRAU IM SCHAFSPELZ. AUTORITÄRE STRUKTUREN IN DER FRAUENBEWEGUNG

Der Untertitel dieser Neuerscheinung klingt verheißungsvoll - handelt es sich dabei doch um ein Tabuthema, an das trotz seiner Offensichtlichkeit bislang nur wenige heranwagten. Allerdings, so erfahren wir durch den Klappentext, geht es hier nicht um die Frauenbewegung als Gesamtheit (die autoritären Strukturen, die etwa von Christine Bergmann oder Alice Schwarzer gestützt werden, bleiben also außen vor), sondern um ihren (pseudo-)religiösen Überbau: die Wolfsfrauen- und Matriarchatsliteratur. Martina Schäfer, die selbst seit Jahrzehnten in der feministischen Bewegung aktiv ist, stellt fest, dass den meisten Titeln zufolge nicht nur "die Frau von Natur aus der bessere Mensch" sei. "Einige davon rechtfertigen sogar Gewalt und Menschenverachtung - wenn sie denn von Frauen ausgehen. Nicht zuletzt beziehen sich manche von ihnen auf zweifelhafte Autoren aus der Zeit des Nationalsozialismus oder arbeiten mit Methoden, die an die Praktiken von Sekten erinnern." Soweit der Klappentext.

Das Buch selbst löst den Anspruch ein, all diese bedenklichen Elemente überzeugend darzustellen. Um es vollständig genießen zu können, sollte man allerdings ein Mindestmaß an Vorwissen und Interesse an jenem Zweig der Frauenbewegung haben, der eine seltsame Mischung aus Urgeschichtsforschung, Mythologie und kultischer Spiritualität darstellt. Ein Glossar erklärt zwar freundlicherweise solche Begriffe wie "Siedlungsarchäologie", "Trichterbecherkultur" und "Linearbandkeramik", aber wie man schon erahnt, ist diese kritische Auseinandersetzung mit einem für die meisten eher obskuren Beschäftigungsgebiet nicht die ideale Einführungsliteratur. Wie die allermeisten Texte kann man aber auch diesen unter literatur- bzw. medienwissenschaftlichem Blickwinkel studieren - und wird mit etwas Hintergrundwissen zudem entdecken, dass vieles, was für diesen Aspekt der Frauenbewegung gilt, auch auf andere zutrifft.

"Beinahe jede der gegenwärtigen politischen Partien oder Bewegungen", so führt Martina Schäfer aus, "hat sich im Laufe ihres Bestehens einmal mit der eigenen Stellung zu und möglicherweise sogar der Herkunft ihrer Ideen aus autoritärem und rassistischem Gedankengut früherer Zeiten auseinander setzen müssen. Einzig die Frauenbewegung scheint bis heute von diesen Vorwürfen verschont geblieben zu sein." Doch würden deren "autoritäre, rassistische, antisemitische und chauvinistische Elemente", sowie "extrem menschenverachtende Bilder und Gedanken" lediglich ignoriert. "Zumindest was die Forderung nach Eigenreflexion und kritischer Aufarbeitung der eigenen Standpunkte betrifft", seien die Ansprüche der Frauenbewegung an der Frauenbewegung selbst spurlos vorübergegangen. "Wir Frauen haben übersehen, dass wir nicht von einem anderen Stern jungfräulich in diese verdorbene Welt gepurzelt sind, sondern dass wir selbst Teil und Inhalt des Systems sind." Offenkundig setzt sich mit Martina Schäfer nach Julia Kristeva, Doris Lessing und anderen prominenten Feministinnen der momentane Massenexodus aus dem feministischen Wir-guten-Frauen-gegen-diese-bösen-Männer-Dogma fort. Und Schäfer wundert sich, warum sie so lange gebraucht hat, um bestimmte Fehlentwicklungen zu erkennen: "Warum haben wir frauenbewegten Frauen dies in all den Jahren nicht bemerkt? Es ist jene Frage, die man an totalitäre Systeme gleich welcher Art stellen muss: Merkt denn niemand, was hier los ist - rechtzeitig, so dass man etwas dagegen unternehmen kann?"

Und was bitte IST hier los? Wo genau sieht Martina Schäfer die Tendenzen des Feminismus, die ihr nicht lediglich fragwürdig, sondern sogar schädlich und gefährlich erscheinen? Um diese Frage zu beantworten, sollte ich erst einmal einen laienhaften Abriss dessen liefern, worum es in dem halb historischen, halb mythischen Überbau der Frauenbewegung überhaupt geht. Wie Martina Schäfer selbst einräumt, hat man es in manchen Texten mit einer fatalen "Gleichbewertung so unterschiedlicher Ansätze, Wissenschaften und Themengebiete wie der Anthropologie, der Ur- und Frühgeschichte, der diversen Atlantismythen, den Kosmostheorien" zu tun, so als ob all dies Forschungsgebiete seien, bei denen man sich gleichermaßen bedienen und dann alle "Ergebnisse" zusammenführen könne. Die Grundlage des so entstehenden Weltbildes ist die Annahme, dass es in der Urgesellschaft vor tausenden von Jahren ein die Menschheit umspannendes Matriarchat gegeben habe, eine Frauenherrschaft und damit selbstverständlich eine Welt, in der alles noch gut war. Statt Göttern wurden Göttinnen verehrt. Dieses Urmatriarchat wurde jedoch von den bösen Männern umgestürzt, die an seine Stelle eine patriarchale Weltunordnung voller Gewalt und Grausamkeit setzten. Sowohl spirituell als auch politisch sei es nun die Aufgabe der Frauen, ihre eigene Göttin in sich selbst zu finden und die matriarchale Gesellschaft wiederherzustellen, um die Erde zu retten. Wie man sieht, gehen so spekulative Geschichtsforschung, Religiosität und esoterische Selbsthilfeliteratur auf reichlich verquaste Weise ineinander über.

Martina Schäfer findet bei diesem Gedankengebäude sowie die es stützenden Texte und Aktivitäten mehrfach Anlass zu scharfer Kritik.

Zunächst einmal wird eine natürliche Überlegenheit der Frau über den Mann behauptet. Beispielsweise gelten Frauen von Natur aus als friedliebend und Männer als kriegslüstern. Martina Schäfer sieht in dieser Zuordnung "das Lieblingskonstrukt der Neuen Frauenbewegung ab den siebziger Jahren". So halte etwa Christa Mulack das weibliche X-Chromosom aufgrund seiner Größe dem männlichen Y-Chromosom für ebenso überlegen wie die weibliche Ei- der männlichen Samenzelle. Ohne Belege würden Behauptungen verbreitet wie, dass Frauen über ein aktiveres, widerstandsfähigeres Immunsystem verfügten, Männer hingegen zu aggressiveren Weltanschauungen und nationalistischeren Gefühlen neigten. Die Überbewertung von Frauen wird so mal biologisch, mal sozial legitimiert: Frauen sind eben schon von der Biologie her friedlicher. "Männliche Gewalt" hingegen, so verkünden die feministischen Autorinnen, "gefährdet das Leben auf dem Globus, egal ob nun alle oder nur einige Männer gewalttätig sind. Auf keinen Fall sind es gewalttätige Frauen, auch wenn sie hier und da Anteil an der männlichen Gewalt haben oder sie eben durch Mittäterschaft ermöglichen."

Bücher wie Elizabeth Gould Davis "Am Anfang war die Frau", das von ihren Anhängerinnen gar als "Bibel" bezeichnet wird, berichten von einem blauäugig-blonden, schlanken und hochgewachsenen Herrinnengeschlecht, dessen Angehörige vom Ende der Welt wenn nicht gar als erste und überlegene Geschöpfe von einem anderen Stern auf die Erde gekommen seien. Josefine Schreier und andere vertreten in Büchern wie "Göttinnen" die These, dass alles Übel der Welt vom "rassisch" minderbemittelten Mann ausgehe, ohne den alle Frauen qua Geburt göttlich seien. Dabei vermischen sich, wie Schäfer ausführt, gerne Sexismus und Rassismus in Sätzen wie diesem: "So dürfen wir schließen, dass überlegene, herrschende Frauen einer anderen Rasse angehörten als die Männer, die ihnen untertan waren."

Natürlich heizen solche Texte weibliche Überlegenheitsgefühle an und verkaufen sich deshalb ausgesprochen gut. Der Preis dafür ist allerdings, dass alles Unheil dieser Erde einer einzigen Wurzel allen Übels zugeordnet wird. Sämtliche gesellschaftlichen Missstände haben demnach ihre Ursache darin, dass die Welt von Minderwertigen regiert wird, von Männern. Schäfer zitiert einige der entsprechenden Autorinnen: "Der Mann ist ein Feind der Natur: das Töten, das Roden, das Einebnen, die Verunreinigung und die Zerstörung sind seine instinktiven Reaktionen auf die ursprünglichen Erscheinungen der Natur, die er im Grunde fürchtet und denen er misstraut. Die Frau dagegen ist eine Verbündete der Natur, ihre Instinkte umfassen das Umsorgen, das Nähren, die Unterstützung gesunden Wachstums und die Einhaltung des ökologischen Gleichgewichts." Noch eine Nummer drastischer wird es mit einem anderen Zitat: "Die ersten Männer waren Mutanten, Missgeburten, hervorgerufen durch einen Genschaden, der vielleicht durch eine Krankheit oder ein Strahlenbombardement von der Sonne verursacht wurde." (Vor diesen Mutationen pflanzten sich die rein weibliche Menschheit angeblich durch Jungfernzeugung fort.) Die Frau hingegen habe "die natürliche Begabung, die Führung der Gesellschaft und der Kultur innezuhaben, und dass der Mann sich ihre ureigene Autorität angeeignet hat, ist die Ursache für das außer Kontrolle geratene Chaos, das die Menschheit unaufhaltsam in die Barbarei zurück führt." In manchen Texten finden sich achtmal pro Seite Schuldzuweisungen an die Gruppe der Männer. Folglich gibt es auch nur eine Möglichkeit zur Rettung: "Das einzige Gegenmittel ist die Rückkehr zu den Werten des Matriarchats und die Wiederentdeckung des immateriellen Kosmos." Martina Schäfer kommt zu dem Schluss: Wenn man in einer entsprechenden Passage die Wendung "der Mann" durch "die Juden", "die Ausländer" oder "die Asylanten" ersetzt, würde sie "die Kriterien eines rechtslastigen, rassistischen Textes erfüllen".

Bemerkenswert ist, dass ein und dieselbe Handlung als verachtenswert geschildert wird, wenn sie von Männern ausgeübt wird, aber als löblich, wen Frauen die Täterinnen sind. Bestes Beispiel ist die weibliche Beschneidung, also beispielsweise das Abschneiden der Klitoris oder der äußeren Schamlippen. Diese Praxis sei laut Meier-Seethaler nur HEUTE als Ausdruck der Herrschaft des Patriarchats zu verurteilen. Positiv wahrgenommen wird sie als unverfälschter Ausdruck des ursprünglichen Matriarchats. Dies erkenne man daran, dass "bei afrikanischen und indianischen Stämmen die weibliche Beschneidung von alten Frauen vorgenommen wird und sich daran Frauenfeste knüpfen." Eine Ablehnung dieses Ritus, wenn er von Frauen praktiziert wird, findet sich nirgendwo, denn dies hätte ja das Eingeständnis bedeutet, dass auch weibliche Herrscher umenschlich, grausam und gewalttätig sein können. Ähnlich sieht es mit der Folter und dem Menschenopfer von Männern aus, was ebenfalls als "matrizentrisches Ritual" gewürdigt wird. Wenn Frauen Männer quälen und töten, schildern die feministischen Forscherinnen dies als heroisches Martyrium, das nichts mit den "sadistischen Exzessen" unter "patriarchalen Vorzeichen" zu tun habe. Legitimiert wird dieses Handeln durch einen angeblich tief in der männlichen Psyche verwurzelten Hang zur Selbstopferung sowie generell eine größere Nähe des Mannes zum Tod, während die Frau als Gebärende Lebensspenderin sei. Martina Schäfer zitiert die entsprechende Literatur: "Durch sein Tötenkönnen wie sein Sterbenkönnen kompensiert der Mann die weibliche Gabe der Lebensspendung. Seine größere Nähe zum Tod bildet das Pendant zur größeren Lebensnähe der Frau" – ganz so, als ob Frauen nicht in der Lage wären zu töten oder zu sterben. Männer werden in diesen Texten als "dem Leben abgewandte Menschen zwischen masochistischer Todessehnsucht und aggressiven Mordgelüsten" gezeichnet, "weshalb man sie anscheinend in beiden Fällen bis zum Tod foltern darf". Martina Schäfer kommt nicht umhin festzustellen, dass, wenn die matriarchalen Theorien denn so stimmen, die Frauenherrschaft mehr Menschenleben gekostet haben, als sämtliche patriarchalen Gewaltexzesse und Hexenverbrennungen zusammengenommen. Von Frauen ausgeübte Gewalt allerdings ist hier positiv besetzt.

In mancher Hinsicht zeigt sich zudem eine erschreckende Feindseligkeit gegenüber allem, was mit Verstand und Rationalität zu tun hat. Der Glaube, zaubern oder sich selbst heilen lernen zu können, wie es in manchen Büchern versprochen wird, mag noch dem Weltbild der jeweiligen Autorinnen und ihrer Leser überlassen bleiben. Seltsam wird es, wenn "Wissenschaft" selbst sich den eigenen Maßstäben entzieht. So berichtet Martina Schäfer, dass sie die Matriarchats-Forscherin Carola Meier-Seethaler nach deren längerem Vortrag über prähistorische Kulturen, in dem aber keinerlei Jahreszahlen vorkamen, gefragt habe, wann genau das denn alles gewesen sei. Die einzige Antwort, die sie mit einem leichten, wissenden Lächeln erhielt, war "Das ist eine typisch patriarchale Frage!" Und in einem Text von Bertha Eckstein-Diener heißt es: "Wer in die Rätsel der Mutterreiche auch nur hineinahnen will, wird gut tun, alle verständlich banalen Denkketten draußen zu lassen." Das ist Schäfer zufolge kein aus dem Zusammenhang gerissener Satz, sondern Grundtendenz solcher Erörterungen.

Statt dem "patriarchalen" Nachforschen und Analysieren wird in einer Art Erweiterung des Böse-Mädchen-Kultes die Fähigkeit eingefordert, "Hassen zu lernen". Hassen nämlich gelte als Erweiterung der weiblichen Gefühlskala und wird, wie Gewaltanwendung, durch die strukturelle Gewalt, mal die Unbarmherzigkeit des Patriarchats, mal Katastrophen wie Tschernobyl legitimiert. Ohne die "Radikalität" von Hass und Gewalt machten sich "wir uns alle der Mittäterschaft schuldig". Im Telegrammstil, so Schäfer, ließen sich die feministischen Botschaften auf folgende Weise zusammenfassen: "Männer sind schlecht und unterlegen, Frauen überlegen und besser. Männer zerstören die Welt. Männer erkennen nicht die Überlegenheit der Frauen an. Ich bin eine Frau. Ich bin besser. Ich hasse die Männer."

All diese Aspekte stehen laut Schäfers Analyse in einer beunruhigenden Nähe zu typischen Merkmalen des Faschismus, wie sie etwa von Friedrich Hacker analysiert wurden: "Vermehrte Betonung und Herausstreichung der Ungleichheit zweier oder mehrerer Gruppen" im Sinne eines Wertegefälles von besser-schlechter oder überlegen-unterlegen. "Daraus folgt, dass die Besseren die Stärkeren sind, Macht, Gewalt und Einfluss ausüben sollen, können oder gar müssen". Weiter: "Rationale Argumente, wissenschaftliche Prinzipien werden als kalt abgelehnt, es herrscht ein Primat des Subjektiven und Emotionalen". Und schließlich: "Das Symptom der Dauermobilisierung schlägt sich in einem Text als ständiges Beschwören der Katastrophe, der fürchterlichen gesellschaftlichen Zustände, die von den weniger Guten ausgeht, nieder." Oder um es auf Feministisch zu formulieren: "Denn es geht um nichts Geringeres, als die Erde, unsere Planetin, in ihrer Fähigkeit, Leben hervorzubringen, vor der drohenden totalen Zerstörung zu bewahren und die bereits geschehene Zerstörung zu heilen, soweit wir können."

Feministische Texte, in denen Gewaltanwendung gegen die Männer und deren Vernichtung gefordert wird, führt Martina Schäfer nicht an (wiewohl es solche feministischen Texte gibt, Valerie Solanas ist nur das bekannteste Beispiel). Stattdessen zitiert sie, welche Vorstellungen von Geschlechterdemokratie etwa die Autorin Christa Mulack vertritt: "Daher wäre es am gerechtesten, wenn beide Geschlechter ihrem Bevölkerungsanteil gemäß über politische Mandate verfügten. Selbstverständlich sind hier auch die Interessen der Kinder mit zu berücksichtigen. Solange Kinder aber noch nicht in der Lage sind, ihre Interessen selbst zu vertreten, sollten jene damit beauftragt werden, die sich auch sonst um die Kinder kümmern, was wohl zu rund neunzig Prozent die Frauen tun. Dadurch ergäbe sich für die Frauen eine absolute Mehrheit, die keine Bevorrechtigung wäre, sondern Ausdruck dessen, dass ALLEN die gleichen Rechte zugebilligt würden. Der legitime Machtanteil der Männer läge demnach bei rund 30 Prozent." So übersichtlich bekommt man kaum präsentiert, was manche Feministinnen unter "Gleichberechtigung" verstehen.

Die sexistischen, faschistoiden und demokratiefeindlichen Tendenzen in den feministischen Texten bleiben jedoch keine bloße Theorie, sondern werden bei entsprechenden Zusammenkünften mit Praktiken verknüpft, die stark an die Manipulation in Sekten und Kulten erinnert. So berichtet Schäfer von ihrer Teilnahme an einem Ritual, das an einem Wintertag bei minus zwanzig Grad im Bayrischen Wald stattfand. Während sich die in der Rangfolge oben stehenden Frauen dabei bewegen durften, hatten ihre untergeordneten Anhängerinnen stockstarr dazustehen und die Eiseskälte zu ertragen. Dies durfte von den niedriger gestellten Teilnehmerinnen in keiner Weise kritisiert werden, denn eben diese Kritik hätte gezeigt, dass sie "noch nicht so weit", "patriarchal verseucht", "zu schwach im Glauben", also jedenfalls zu minderbemittelt seien, um sich zu äußern. Im Rahmen des Rituals findet aber nun eine Verschiebung der unangenehmen Empfindung von den kalten Füßen hin zum "Patriarchat" statt. Eigentlicher Quell für den Missmut der Teilnehmerinnen sei die Männerherrschaft, aus der sie nur diese Richtung der Frauenbewegung befreien könne (was rituell umgesetzt wird, indem die Mitwirkenden eine Kerze erhalten, die sie hinaus in die Welt tragen sollen). Andere kultische Praktiken sind die Einbindung in geheime "Covens", von denen nur die "Covenschwestern" die "wahren Namen" kennen, Treueverpflichtungen und Abschlussrituale mit verbundenen Augen, bei denen die betreffenden Frauen auf entsprechende feministische Autorinnen eingeschworen werden, die in der Gestalt von Göttinnen auftreten, darin eingeschlossen intensivste Befragungen der Aufnahmekandidatinnen, Baden, neu Einkleiden und Vermessen etc. Martina Schäfer, die all dies miterlebte, berichtet: "Wenn eine Struktur durch seine rituelle Überfrachtung zu einer später kaum, oft nur unter großen Konflikten oder Schmerzen aufzulösenden Bindung zwischen den beteiligten Frauen führte, dann dieser Coven. Heute sehe ich seine Hauptfunktion darin, die Bindung an die Führerfigur via Gruppe noch einmal abzusichern, da die Bindung an diese Frauengruppe emotional sehr verstärkt wurde." Möglicherweise war frau über diese Führerin früher oder später etwas entnervt. "Grundsätzliche Ablehnung des Ganzen hätte aber den Verlust des Covens, also einer sehr realen und teilweise innigen Freundschaft und Gemeinschaft bedeutet."

Nun könnte man es sich ja einfach machen und sich in die Vorstellung flüchten, dass alles, was Schäfer beschreibt, nur die Allmachtsphantasien einer letztlich winzigen radikalfeministischen Minderheit sind. Dies ist aber nicht der Fall. Zum einen weist Schäfer nach, wie sehr diese Gedanken in Clarissa Pinkola Estés populären Frauenklassiker "Die Wolfsfrau" eingegangen sind, der seit seinem Erscheinen 1993 mehr als zwanzig Auflagen erlebte und so nur noch mit Zimmer Bradleys "Die Nebel von Avalon" verglichen werden kann. Zum anderen finden sich ähnlich faschistoide Tendenzen inzwischen nicht nur in anderen feministischen Texten bis hin zur "Emma" (wie ich in "Sind Frauen bessere Menschen?" belege). Von einer biologisch bedingten bzw. sich sozial äußernden Minderwertigkeit des Mannes an sich sprechen inzwischen sogar "Männerforscher" wie der Soziologe Dieter Otten (http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3785720300/qid=1004867367/sr=1-23_pi/ref=sr_sp_prod/028-7818635-5037339 ) oder der Männerarzt Professor Rolf-Dieter Hesch (Mitbegründer von "Hommage" und "Men Against Violence"). Männer sind noch heute die einzige gesellschaftliche Gruppe, bei der die ihnen entgegengebrachte Menschenverachtung kaum öffentlich thematisiert werden darf. Martina Schäfers Buch ist immerhin ein Anzeichen dafür, dass solche Entwicklungen ganz allmählich nicht nur wahrgenommen, sondern sogar geäußert werden dürfen. ---

Herzlicher Gruß

Arne


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