Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wie versprochen: Grundsatztext

susu, Sunday, 02.03.2003, 23:53 (vor 7914 Tagen)

Der große Grundsatztext oder auch: Der keine Unterschied

Ich bemühe mich hier um Kürze, denn dieser Text ist höchstens als Essay gedacht, nicht als erster Entwurf einer längeren Arbeit. Bis jetzt habe ich nicht vor, mal ein Buch zu schreiben... Zur besseren Lesbarkeit und um mich vor endlosem SHIFT+2 drücken zu bewahren habe ich auf Gänsefüßchen um die Begriffe Mann, Frau, männlich, weiblich, Männlichkeit und Weiblichkeit verzichtet, sie können von den Lesenden mitgedacht werden.

Teil 1: Some boring theory

Ohne Theorie geht gar nichts, weil ohne sie der Rahmen fehlt, in dem Genderpolitik gemacht werden kann. Nur wenn die einzelnen Probleme auf gemeinsamme Ursachen reduziert werden können, ist es möglich sie wirklich zu lösen und auch präventiv zukünftige Probleme erst gar nicht entstehen zu lassen. Ich beziehe mich auf dekonstruvistische Thesen, die von Butler und ihren NachforgerInnen formuliert wurden, beziehe aber auch eine weitere Ebene mit ein, nämlich die Konstruktion von Eigenschaften und Tätigkeiten als geschlechtlich, die erst die Grundlage für das "doing gender" bieten, das von Butler dargestellt wurde.

Unsere Kultur definiert so gut wie jede Tätigkeit oder Eigenschaft entweder als männlich oder weiblich, wobei verschiedene Eigenschaften und Tätigkeiten (ab jetzt zusammenfassend als Praxen bezeichnet) verschieden stark geschlechtlich geprägt sind. Beispiele:
1. Ein Mensch geht über die Straße.
2. Ein Mensch stillt ein Kind.
3. Ein Mensch ejakuliert.
4. Ein Mensch ist blond.
5. Ein Mensch ist kurvenreich gebaut.
6. Ein Mensch ist bärtig.
Wenn wir eine Gruppe fragen, welches Geschlecht die Menschen in den Beispielsätzten besitzen, so werden wir bei 1 und 4 keine signifikanten Unterschiede in der Häufigkeit bei der Nennung von Mann und Frau finden, bei 2 und 5 wird es so gut wie keine Nennung von Mann und bei 3 und 6 so gut wie keine von Frau geben. Anhand dieser Praxen trefen wie auch unsere Feststellung, ob es sich bei einem Menschen um einen Mann, oder eine Frau handelt. Im Alltag werden Menschen nicht Aufgrund irgendeiner Biologie eingeteilt (Ausnahme ist hier die Medizin, die sich darauf beruft), sondern Aufgrund dieser geschlechtlichen Praxen. Hier liegt der grundlegende Unterschied zwischen den konstruktivistischen Thesen Butlers und den existentialistischen Simone de Beauvoirs. Beauvoir erklärte "Man wird nicht als Frau, geboren, man wird dazu gemacht", Butler sagt, man könne nie Frau sein, sondern nur so agieren, daß man als Frau gelesen werde, gemacht wird nicht "die Frau", sondern ein frauender Mensch (die benutzung von frau als Verb ist allerdings von mir, ich frau, du fraust, er/sie/es fraut).

Nun kommen wir zur ersten Abwertung: Der Abwertung auf der Basis von Inkongruenz. Damit die Einordnung von Menschen durch Betrachtung der geschlechtlichen Praxen funktioniert, ist es notwending einen gesellschaftlichen Druck aufzubauen, damit Frauen keine männlichen und Männer keine weiblichen Praxen besitzen. Je särker eine Praxe der Geschlechtsbestimmung dient, um so stärker die Abwertung, die Personen, die diese, wenn sie dem anderen Geschlecht zugeordnet ist, ausüben, erfahren. Dabei kann die betreffende Person diese Abwertung mildern, wenn sie eigengeschlechtlich definierte Praxen verstärkt übernimmt, der Hausmann wird gesellschaftlich tragfähing, wenn er zumindest mal im Fußballverein ist, die Karrierefrau kann ihr "unweibliches" Verhalten korregieren, indem sie ein Kind in die Welt setzt. Extreme Abweichungen werden aber weiterhin sanktioniert. Mehr zu diesem Thema gibt´s in Teil 4.

Wenn es eine erste Abwertung gibt, gibt es natürlich auch eine zweite. Diese Abwertung wurde von Theoretikerinnen der 80er Jahre herausgehoben, die dem Dekonstruktivismus eher negativ gegenüberstehen. Ihre Thesen lassen sich meiner Meinung nach allerding in zentralen Punkten in den Gedankengang Butlers einbeziehen, was ich hier jetzt versuchen werde. Diese Abwertung ist die patriarchale (um bei der Nomenklatur der Theorie aus dem die Gedanken ursprünglich stammen zu bleiben) Abwertung. Schlüsselpositionen gesellschaftlicher Macht und Anerkennung erforden Praxen, die geschlechtlich männlich besetzt sind. D.h. weibliche Praxen sind gegenüber männlichen disprivilegiert, was ihren Nutzen für die Gesellschaft nicht unbedingt wiederspiegelt (die Fähigkeit zur Erziehung von Kindern ist wahrscheinlich wichtiger als die Fähigkeit auf Kommando zu töten, dennoch bietet die Bundeswehr bessere Bezahlung, höheres Ansehen und bessere Aufstiegschancen als ein Kindergarten). Was selten betrachtet wurde, ist der Effekt dieser zweiten Abwertung auf Männer.

Teil 2: Zwei Abwertungen - vier Bewegungen

Die zwei Abwertungen ziehen vier Bewegungen nach sich:
1) Einen Feminismus (oft Essentialistisch geprägt), der versuchte weibliche Werte auf eine Stufe mit männlichen Werten zu stellen. Im Zentrum stand leider oft ein Sozialisationsfatalismus, der Männern und Frauen gar nicht zutraute anders zu handeln als es ihrem Geschlecht entsprach. Trotzdem hat dieser Ansatz die Diskussion darüber eröffnet, welche Eigenschaften eigentlich gewollt sein sollten, auch wenn er zu einigen bedenklichen Entwicklungen geführt hat.
2) Einen Post-Strukturalistischen Feminismus, der als Ziel die Aufhebung der geschlechtsbezogenheit von Praxen hat. Damit richtet er sich entschieden gegen den Essentialismus und stellt die erste Abwertung in den Mittelpunkt. Leider stimmt oft der Vorwurf, die zweite Abwertung werde vernachlässigt, Frauen müssen ja nicht jeden Blödsinn, den Männer machen auch machen (z.B. Krieg).
3) Die emanzipatorische Männerbewegung (von mir auch echte Männerbewegung genannt). Sie zeigt auf, das die neuen Männer von beiden Abwertungen dirket betroffen sind und nimmt daher eine Position ein, die zwischen beiden Feminismen liegt. Nicht zuletzt versteht sich das Autori als Teil der emanzipatorischen Männerbewegung und formuliert daher eine Geschlechterpolitik auf der Basis des Geschlechtsverständnisses beider Feminismen.
4) Die anti-emanzipatorische Männerbewegung (oder "echte Männer"-Bewegung). Die anti-emanzipatorische Männerbewegung richtet sich gegen die Bestrebungen der anderen 3 Bewegungen. Die sich hier beteiligenden Männer sind die alten Männer und von keiner der beiden Abwertungen betroffen. Sie sehen keinen Grund zur Veränderung (höchtens zum Rückschritt in einen füheren Zustand) und argumentieren oft essentialistisch. Die anti-emanzipatorische Männerbewegung richtet sich im besonderen gegen die emanzipatorische Männerbewegung und versucht diese zu ursupieren, in dem sie sich auf ihre Texte stützt, diese aber inhaltlich aushöhlt. Hier werden die von der emanzipatorischen Männerbewegung aufgezeigten gender troubles von Männern gegen die von Frauen aufgerechnet, um dann zu sagen "Seht her, die Ungerechtigkeit ist gerecht verteilt, was wollt ihr eigentlich."

Teil 3: Zur Sache, baby

Auf der Sachebene finden sich viele Beispiele, in denen die Thesen der emanzipatorischen Männerbewegung mit denen einer der beiden Feminismen zusammenfallen. Ich werde hier auf 2 Themen kurz exemplarisch eingehen, dies sind häusliche Gewalt, und Erziehung. Bei anderen Themen ist ähnliches möglich.

häusliche Gewalt:
DV (domestic violence) wurde zunächst von 1 thematisiert und zwar ausschlißlich als Gewalt, die von Männern gegen Frauen ausgeübt wurde. Es ging darum, das Schweigen der Opfer zu brechen und Möglichkeiten zu schaffen, ihnen zu helfen (Frauenhäuser, Beratungsstellen, etc.). 2 griff das Thema auf und stellte die Frage nach weiblichen Tätern und männlichen Opfern. Kritisiert wurde, daß die Eigenschaft Opfer bzw. Täter zu sein geschlechtlich fixiert wurde und damit den Opfern von Gewalt durch Frauen (Lesben und heterosexuelle Männer) und männlichen Opfer von Gewalt durch Männer (Schwulen) die Möglichkeit genommen wurde, ihr Schweigen zu brechen. 3 nahm sich der männlichen Opfer an und versucht nun, ebenfalls Beratungsmöglichkeiten und "safe spaces" zu schaffen, dabei orientiert 3 sich am praktischen Ansatz von 1 übernimmt aber die theoretischen Voraussetzungen von 2. 4 versucht derweil das Thema kleinzureden, indem erklärt wird, daß, wenn es Täter und Opfer beiderlei Geschlecht gibt, das Thema nicht mehr relevant sei. Dies müssen die anderen drei Gruppen scharf zurückweisen. 3 weist darauf hin, daß männliche Opfer von beiden Abwertungen betroffen sind, denn Opfer zu sein, heist schwach zu sein, heißt weiblich sein = doppelte Abwertung.

Erziehung:
Erziehung von Kindern ist eine weiblich Praxe, d.h. 1 kritisierte, daß sie gesellschaftlich zu wenig Anerkennung ernte, wähhrend aus Sicht von 2 die Fixierung von Erziehung als Aufgabe problematisiert wurde. Wieder trifft Männer die sich hier engagieren die doppelte Abwertung. Sie habe weniger Möglichkeiten teilzeit zu Arbeiten und werden oft im Beruf diskriminiert wenn sie z.B. Erziehungsurlaub genommen haben. 3 macht darauf aufmerksam, daß Kinder ein Recht auf einen aktiven Vater haben (so sie denn aus heterosexuellen Beziehungen stammen), Vätern die diesen Anspruch enlösen wollen oft jedoch Hindernisse in den Weg gelegt werden. Nach den Forderungen nach aktiven Vätern von 2 kommt nun die Frage nach der Förderung aktiver Väter auf, auch in Hinblick auf das Bild der Gesellschaft. 4 versucht sich jeglicher Verantwortung zu entziehen und trifft dabei zum Teil auf offene Ohren bei 1. Im Endeffekt verläuft die Diskussion zwischen 1/4 und 2/3, d.h. jeweils eine Frauen- und eine Männerbewegung vertreten ein gemeinsammes Anliegen.

Teil 4: Der ganze Rest: Queer

Schon am Anfang mag sich die eine oder der andere gefragt haben, was passiert, wenn die Geschlechtsbestimmung über die geschlechtlichen Praxen versagt. Was passiert, wenn ein Mensch beide Extreme vertritt, was, wenn er keins von beiden vertritt. Mensch mit Bart stillt, etc. Eine Sonderform ergibt sich, wenn wir die sogenannte Zwangsheterosexualität betrachten. Die Praxe Sexualität ist in einer Zwangsheterosexuellen gesellschaft sehr stark geschlechtlich fixiert. Damit gelten die beiden Sätze A:"Ein Mensch, der Sex mit einer Frau hat, ist ein Mann." und B:"Ein Mensch, der Sex mit einem Mann hat, ist eine Frau." Haben jetzt zwei Frauen Sex miteinander sind beide nach Satz A Männer, dann sind es aber zwei Männer, die Sex miteinander haben und nach Satz B logischerweise wieder Frauen... Unsere Definition der ersten Abwertung betrifft Menschen, die über die Praxen nicht sicher einem Geschlecht zugeordnet werden können und/oder wollen nicht. Tatsächlich findet sich aber auch in diesem Fall eine Abwertung auf der Basis von Über- bzw. Unterdefinition, ein Mensch kann nach bestehender Logik nur entweder ein Mann oder eine Frau sein, die Antworten "weder noch" sowie "beides" sind unmöglich. Trotzdem werden andere Gender gelebt, nur sind sie weitestgehend Stimmenlos (Schwule und Lesben sind noch die Privilegierteren Formen von Queer, was für den Rest nichts gutes heist).

Teil 5: Warum Frauen nicht zuhören und Männer immer Schuhe kaufen (oder so ähnlich)

"It´s the biology, stupid!" Oder auch "What about the body?" Was soll schon sein? Aber ich weis was gemeint ist. Nämlich: Es gibt eben zwei biologische Geschlechter und die haben eben unterschiedliche Physis und Psyche. Das Problem mit dieser Ansicht ist folgendes: Schon bei den primären Geschlechtsteilen gibt es Ausnahmen, bei den sekundären gibt es schon mehr Ausnahmen als nicht-Ausnahmen und bei den sogenannten tertiären liegt der Gausskurvenpeak des einen Geschlechts in einem Bereich, in dem die Gausskurve des anderen Geschlechts noch größer als das 2^-0,5-Fache des Peakwertes ist und das entspricht den Erwartungen für ein nicht mit dem Geschlecht korreliertes Merkmal. Statt Männern und Frauen könnten wir also genau so gut LinkshänderInnen und RechtshänderInnen nehmen, da käme dasselbe bei rum. Davon ab hängen viele der Meßbaren Körpereigenschaften von den Lebensgewohnheiten der gemessenen Personen ab, d.h. auch von geschlechtsbezogenen Praxen. Dazu kommt, daß Biologie heute tatsächlich kein Schicksal mehr ist und selbst die immer genannten biologischen Grundlagen von allen adaptiert oder abgeschaft werden können. Männer können Kinder kriegen und stillen, Frauen können das Menstruieren auch schon in den frühen 20ern sein lassen, kein Unterschied, der nicht klein genug zu überwinden wäre.

Teil 6: Ausblicke

Was bleibt? Sozial konstruierte Regeln, die die Freiheiten einzelner Menschen beschneiden. Geschlechterpolitik steht vor zwei großen Herausforderungen, die miteinander verwoben sind. Und wenn alle, die diese Politik wünschen an ihrer Durchsetzung mitarbeiten, dann ist sie nicht nur eine Utopie, sondern tatsächlich realisierbar. Und das letzte, was eine Bewegung braucht, die sich unter anderem gegen die Unterscheidung der Geschlechter wendet, ist diese Unterscheidung in sich selbst und interne Steitereien. Diskussion heist immer auch miteineander zu reden, anstatt gegeneinander. Wenn das mal überall ankäme, dann wäre schon viel gewonnen. Denn beim derzeitigen Kampf zwischen Männerbewegten und Frauenbewegten gibt es einen ganz klaren Verlierer: Die Sache.

susu

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Arne Hoffmann, Monday, 03.03.2003, 15:11 (vor 7913 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Wie versprochen: Grundsatztext von susu am 02. März 2003 21:53:25:

Hi Susu,

ah, dein angekündigter Grundsatztext, sehr schön. Ich war ja schon die ganze Zeit gespannt darauf. Es tut mir gut, mal wieder einen Text zu lesen, der sich auf sehr grundlegender Ebene mit unserem eigentlichen Thema beschäftigt.

Ich bemühe mich hier um Kürze, denn dieser Text ist höchstens als Essay gedacht, nicht als erster Entwurf einer längeren Arbeit. Bis jetzt habe ich nicht vor, mal ein Buch zu schreiben ...

Ich kann hier schon mal vorausschicken, dass ich deine Gedanken sehr interessant und weiterführend finde. Falls ich je einen Reader zur Geschlechterdebatte herausgeben würde, würden sie sicherlich darin landen. Allerdings sind von mir momentan keine derartigen Bücher geplant. Es gibt zwar ein paar Zeitschriften, an die ich bei Interesse deinen Text weitervermitteln könnte, aber er baut stark auf Auseinandersetzungen auf, die sich hier in der letzten Zeit vollzogen haben und die von den meisten Lesern dieser Zeitschriften noch nicht rezipiert worden sind. Insofern könnten deine Gedanken für sie etwas schwer zugänglich sein. Allenfalls könnte man sich überlegen, ob man ihn nicht wenigstens dem Berliner männerrat zukommen lässt, damit er wenigstens IRGENDWO im Web gespeichert ist, außerhalb von Diskussionsforen.

Zu Teil 1 habe ich soweit keine Einwände, nur eine Ergänzung:

Diese Abwertung ist die patriarchale (um bei der Nomenklatur der Theorie aus dem die Gedanken ursprünglich stammen zu bleiben) Abwertung. Schlüsselpositionen gesellschaftlicher Macht und Anerkennung erforden Praxen, die geschlechtlich männlich besetzt sind.

Es wäre mir schon wichtig festzuhalten, dass meiner Einschätzung nach diese Abwertung auf einer Ebene geschieht, die ich jetzt mal "gesellschaftliche Makrostruktur" nennen möchte. Ich habe nämlich den Eindruck, dass auf anderen Ebenen, die nicht weniger grundlegend sind, der Mann und nicht die Frau abgewertet wird, beispielsweise auf der familiären und der sexuellen. Die Mutter wird als "höherwertig" betrachtet und hat auch mehr Macht über Kinder als der Vater, kann dadurch mindestens momentan auch mehr Macht über den Vater selbst ausüben als umgekehrt, im sexuellen Bereich erscheint die Frau per se als zärtlich und rein, der Mann hingegen als triebhaft und animalisch. Wenn es Abweichungen von diesem Idealbild gibt, werden sie entsprechend deutlich gemacht ("Schlampen", "Weicheier" etc.) Beides führt zu einer Sozialisation in Kindheit und Jugend, die wiederum dazu führt, dass viele Frauen und Männer die Frau an sich als (mindestens moralisch) überlegen sehen und ihr deshalb besondere Zuwendung zukommen lassen. Das aber nur als Exkurs, ich wollte hier keine eigene Debatte aufmachen.

1) Einen Feminismus (oft Essentialistisch geprägt), der versuchte weibliche Werte auf eine Stufe mit männlichen Werten zu stellen. Im Zentrum stand leider oft ein Sozialisationsfatalismus, der Männern und Frauen gar nicht zutraute anders zu handeln als es ihrem Geschlecht entsprach. Trotzdem hat dieser Ansatz die Diskussion darüber eröffnet, welche Eigenschaften eigentlich gewollt sein sollten, auch wenn er zu einigen bedenklichen Entwicklungen geführt hat.

Zu welchen?

3) Die emanzipatorische Männerbewegung (von mir auch echte Männerbewegung genannt). Sie zeigt auf, das die neuen Männer von beiden Abwertungen dirket betroffen sind und nimmt daher eine Position ein, die zwischen beiden Feminismen liegt. Nicht zuletzt versteht sich das Autori als Teil der emanzipatorischen Männerbewegung und formuliert daher eine Geschlechterpolitik auf der Basis des Geschlechtsverständnisses beider Feminismen.

Okay, das ist also meine eigene Fraktion. Wobei ich mich noch daran gewöhnen müsste, als "das Autori" bezeichnet zu werden. ;-)

4) Die anti-emanzipatorische Männerbewegung (oder "echte Männer"-Bewegung). Die anti-emanzipatorische Männerbewegung richtet sich gegen die Bestrebungen der anderen 3 Bewegungen. Die sich hier beteiligenden Männer sind die alten Männer und von keiner der beiden Abwertungen betroffen. Sie sehen keinen Grund zur Veränderung (höchtens zum Rückschritt in einen füheren Zustand) und argumentieren oft essentialistisch. Die anti-emanzipatorische Männerbewegung richtet sich im besonderen gegen die emanzipatorische Männerbewegung und versucht diese zu ursupieren, in dem sie sich auf ihre Texte stützt, diese aber inhaltlich aushöhlt.

Wobei den Verfassern dieser Texte, also den emanzipatorischen Männern (wie jetzt beispielsweise mir), von den beiden Feminismen der Vorwurf des "Beifalls von der falschen Seite" gemacht wird. Also nach dem Motto: "Wenn Arne sowas schreibt, braucht er sich nicht zu wundern, wenn irgendwelche reaktionären Knacker das als Material gegen die Emanzipation verwenden." Was ich als höchst unfaire Argumentation empfinde. Genausogut könnte man sich dagegen wenden, dass Gruppen wie Amnesty Menschenrechtsverletzungen an den Palästinensern thematisieren, weil das den Nazis Futter für ihr Bild vom bösen Juden gibt.

Hier werden die von der emanzipatorischen Männerbewegung aufgezeigten gender troubles von Männern gegen die von Frauen aufgerechnet, um dann zu sagen "Seht her, die Ungerechtigkeit ist gerecht verteilt, was wollt ihr eigentlich."

Richtig. Diese Bestrebungen gab es leider schon, seit die emanzipatorische Männerbewegung aufkam. Sobald zum Beispiel in den USA bekannt worden war, dass Männer im gleichen Ausmaß Opfer häuslicher Gewalt werden wie Frauen, haben konservative Kreise das als Rechtfertigung für Kürzungen von Geldern für Frauenhäuser benutzt. Solange das mit diesem Argument geschieht, muss man sich dem natürlich entgegenstellen. (Ob es nicht andere Gründe für solche Kürzungen geben kann, etwa dass die Notwendigkeit sich als nicht so hoch herausstellt wie zuvor angenommen, bleibt dahingestellt.)

Auf der Sachebene finden sich viele Beispiele, in denen die Thesen der emanzipatorischen Männerbewegung mit denen einer der beiden Feminismen zusammenfallen.

Definitiv. Exakt darum arbeiten in den USA ja schon Teile der emanzipatorischen Männerbewegung etwa mit den "individual feminists" zusammen. Ich sage voraus, dass wir hierzulande in ein paar Jahren auch so weit sein werden.

DV (domestic violence) wurde zunächst von 1 thematisiert und zwar ausschließlich als Gewalt, die von Männern gegen Frauen ausgeübt wurde.

Klar. Das war in der "Emma" sogar noch 2002 der Fall.

Es ging darum, das Schweigen der Opfer zu brechen und Möglichkeiten zu schaffen, ihnen zu helfen (Frauenhäuser, Beratungsstellen, etc.). 2 griff das Thema auf und stellte die Frage nach weiblichen Tätern und männlichen Opfern. Kritisiert wurde, daß die Eigenschaft Opfer bzw. Täter zu sein geschlechtlich fixiert wurde und damit den Opfern von Gewalt durch Frauen (Lesben und heterosexuelle Männer) und männlichen Opfer von Gewalt durch Männer (Schwulen) die Möglichkeit genommen wurde, ihr Schweigen zu brechen. 3 nahm sich der männlichen Opfer an und versucht nun, ebenfalls Beratungsmöglichkeiten und "safe spaces" zu schaffen, dabei orientiert 3 sich am praktischen Ansatz von 1 übernimmt aber die theoretischen Voraussetzungen von 2. 4 versucht derweil das Thema kleinzureden, indem erklärt wird, daß, wenn es Täter und Opfer beiderlei Geschlecht gibt, das Thema nicht mehr relevant sei. Dies müssen die anderen drei Gruppen scharf zurückweisen.

Zustimmung.

3 weist darauf hin, daß männliche Opfer von beiden Abwertungen betroffen sind, denn Opfer zu sein, heißt schwach zu sein, heißt weiblich sein = doppelte Abwertung.

Stimmt. Oder plakativer: "Zur Hölle mit den Jammermaskus in der Opferrolle - ich will richtige Männer!" Auch diese doppelte Abwertung muss natürlich bekämpft werden. Männliche Opfer brauchen denselben Schutz wie weibliche. Und da die Gesellschaft ihnen diesen Schutz nicht freiwillig gibt, werden sie ihn lautstark einfordern müssen, statt sich ein weiteres Mal durch Diffamierung zum Opfer machen zu lassen.

Erziehung (...) Im Endeffekt verläuft die Diskussion zwischen 1/4 und 2/3, d.h. jeweils eine Frauen- und eine Männerbewegung vertreten ein gemeinsammes Anliegen.

Deine Argumentation macht Sinn.

Trotzdem werden andere Gender gelebt, nur sind sie weitestgehend Stimmenlos (Schwule und Lesben sind noch die Privilegierteren Formen von Queer, was für den Rest nichts gutes heist).

Definitive Zustimmung. Ein weiterer Bereich, wo Diskriminierung daraus resultiert, dass man/frau sich der gesellschaftlichen Zustimmung von Geschlechterrollen entzieht. Eine Diskriminierung, die natürlich bekämpft werden sollte.

"It´s the biology, stupid!" Oder auch "What about the body?" Was soll schon sein? Aber ich weis was gemeint ist. Nämlich: Es gibt eben zwei biologische Geschlechter und die haben eben unterschiedliche Physis und Psyche. Das Problem mit dieser Ansicht ist folgendes: Schon bei den primären Geschlechtsteilen gibt es Ausnahmen, bei den sekundären gibt es schon mehr Ausnahmen als nicht-Ausnahmen und bei den sogenannten tertiären liegt der Gausskurvenpeak des einen Geschlechts in einem Bereich, in dem die Gausskurve des anderen Geschlechts noch größer als das 2^-0,5-Fache des Peakwertes ist und das entspricht den Erwartungen für ein nicht mit dem Geschlecht korreliertes Merkmal.

Das könnte man vielleicht etwas weniger kompliziert formulieren, aber ich verstehe, was du meinst. Und das führt mich zu den Schlussfolgerungen: (I) Es gibt keine klare biologische Grenze zwischen Mann und Frau, sondern ein Kontinuum. (II) Das Geschlecht ist nur begrenzt biologisch bestimmt. Wobei dur mir vermutlich bei (II) schon widersprechen würdest, weil es deiner Auffassung nach vermutlich "das Geschlecht" überhaupt nicht gibt, da also auch nix biologisch bestimmt sein kann. Ganz so weit würde ich persönlich nicht gehen. Aber den biologischen Essentialismus, wie er momentan dank Alan und Barbara Pease wieder Hochwasser hat, finde ich viel unsinniger und verheerend.

Was bleibt? Sozial konstruierte Regeln, die die Freiheiten einzelner Menschen beschneiden. Geschlechterpolitik steht vor zwei großen Herausforderungen, die miteinander verwoben sind. Und wenn alle, die diese Politik wünschen an ihrer Durchsetzung mitarbeiten, dann ist sie nicht nur eine Utopie, sondern tatsächlich realisierbar. Und das letzte, was eine Bewegung braucht, die sich unter anderem gegen die Unterscheidung der Geschlechter wendet, ist diese Unterscheidung in sich selbst und interne Steitereien. Diskussion heist immer auch miteineander zu reden, anstatt gegeneinander. Wenn das mal überall ankäme, dann wäre schon viel gewonnen. Denn beim derzeitigen Kampf zwischen Männerbewegten und Frauenbewegten gibt es einen ganz klaren Verlierer: Die Sache.

Auch das sehe ich genauso, und vermutlich geht es anderen ähnlich. Wobei wir ja gesehen haben, dass die praktische Umsetzung schwierig ist und der Streit um die Sache immer wieder auf die persönliche Ebene gerät, weil (a) bei vielen Diskutanten persönliche Hintergründe eine Rolle spielen (wir sind nun mal alle keine Roboter oder Androiden), weil (b) anti-emanzipatorische Strömungen eben auch gehört werden wollen und sogar ein Recht darauf haben und (c) immer mal wieder ein paar Leute in der Diskussion herumwüten, die an einem sachlichen Gespräch so ziemlich überhaupt kein Interesse haben, sondern sich vor allem persönlich profilieren und ihre Aggressionen ablassen möchten. Diese drei Dinge sehe ich als größten Hemmschuh in einer konstruktiven Geschlechterdebatte.

Lieber Gruß

Arne

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

susu, Tuesday, 04.03.2003, 23:13 (vor 7912 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Arne Hoffmann am 03. März 2003 13:11:53:

Hallo Arne.

ah, dein angekündigter Grundsatztext, sehr schön. Ich war ja schon die ganze Zeit gespannt darauf. Es tut mir gut, mal wieder einen Text zu lesen, der sich auf sehr grundlegender Ebene mit unserem eigentlichen Thema beschäftigt.

Ja, war mal wieder Zeit...

Ich kann hier schon mal vorausschicken, dass ich deine Gedanken sehr interessant und weiterführend finde. Falls ich je einen Reader zur Geschlechterdebatte herausgeben würde, würden sie sicherlich darin landen. Allerdings sind von mir momentan keine derartigen Bücher geplant. Es gibt zwar ein paar Zeitschriften, an die ich bei Interesse deinen Text weitervermitteln könnte, aber er baut stark auf Auseinandersetzungen auf, die sich hier in der letzten Zeit vollzogen haben und die von den meisten Lesern dieser Zeitschriften noch nicht rezipiert worden sind. Insofern könnten deine Gedanken für sie etwas schwer zugänglich sein. Allenfalls könnte man sich überlegen, ob man ihn nicht wenigstens dem Berliner männerrat zukommen lässt, damit er wenigstens IRGENDWO im Web gespeichert ist, außerhalb von Diskussionsforen.

Ich warte erst einmal die Ergebnisse der Diskussion ab und überarbeite den Text dann. Ich kann mir vorstellen ihn dem Männerrat zuzuschicken, vieleicht stelle ich den Text auch noch auf eine eigenen Seite, wenn Interesse besteht kann er dann von anderen verlinkt werden (eventuell mit näheren Betrachtungen zu weiteren Themen als seperate Texte).

Es wäre mir schon wichtig festzuhalten, dass meiner Einschätzung nach diese Abwertung auf einer Ebene geschieht, die ich jetzt mal "gesellschaftliche Makrostruktur" nennen möchte. Ich habe nämlich den Eindruck, dass auf anderen Ebenen, die nicht weniger grundlegend sind, der Mann und nicht die Frau abgewertet wird, beispielsweise auf der familiären und der sexuellen. Die Mutter wird als "höherwertig" betrachtet und hat auch mehr Macht über Kinder als der Vater, kann dadurch mindestens momentan auch mehr Macht über den Vater selbst ausüben als umgekehrt, im sexuellen Bereich erscheint die Frau per se als zärtlich und rein, der Mann hingegen als triebhaft und animalisch. Wenn es Abweichungen von diesem Idealbild gibt, werden sie entsprechend deutlich gemacht ("Schlampen", "Weicheier" etc.) Beides führt zu einer Sozialisation in Kindheit und Jugend, die wiederum dazu führt, dass viele Frauen und Männer die Frau an sich als (mindestens moralisch) überlegen sehen und ihr deshalb besondere Zuwendung zukommen lassen. Das aber nur als Exkurs, ich wollte hier keine eigene Debatte aufmachen.

Die zweite Abwertung ist tatsächlich eine Abwertung, die eher die gesellschaftliche Makrostruktur betrifft. Ich würde die von dir beschriebenen Abwertungen als Abwertungen der ersten Art beschreiben. Die Mutter wird als höherwertig betrachtet, weil aktive Elternschaft als weiblich betrachtet wird, eine aktive Mutter ist eine richtige Frau, ein aktiver Vater ein Waschlappen. Ich finde Robin Williams zwar als Schauspieler gottenschlecht, verweise in diesem Zusammenhang aber gerne auf Mrs. Doubtfire. Die Eigenschaften die den Vater zum Loser machen, machen ihn als "sie" zur perfekten Haushälterin. Und dabei ändert sich der Charakter nicht im geringsten.

Ähnliches gilt für die sexuelle Ebene. Da fällt mir spontan der Film "But I´m a cheerleader" ein, an dessen Ende Geschlechtverkehr von einer Ex-Gay Trainerin erklärt wird. Auf die Frage eines werdenden Ex-Gays "What about forplay?" kommt als Antwort "Now, forplay is for sissies. Real man shove it in and pull out." Eine Sexualität, die mehr ist als stupides Gerammel gilt eben als unmännlich.

>Trotzdem hat dieser Ansatz die Diskussion darüber eröffnet, welche Eigenschaften eigentlich gewollt sein sollten, auch wenn er zu einigen bedenklichen Entwicklungen geführt hat.<<

Zu welchen?[/i]

Die essentialistische Prägung hat u.a. die Ablehnung von Transgender und Sm zu Folge, über die wir im "Genderqueere Sprachkritik"-Thread geredet haben. Auch Biologismen, wie sie bei Solanas vorkommen, sind aus diesem Ansatz erwachsen. Und nicht unerwähnt bleiben darf natürlich die Wissenschaftskritik Iragarays, die im Ernst erklärte, die Mathematik müsse abgeschafft werden, weil Frauen wegen der Menstruation die 0 nicht verstehen könnten, außerdem sei Gravitation ein Synonym für Vergewaltigung, weil die Schwerkraft Vergewaltigungsopfer daran hindere zu entkommen. Es ist erstaunlich, daß das noch als Feminismus deklariert bekommt (Achtung Falle: Gerne wird von der Differenzthese gesprochen, damit sind manchmal Unterschiede zwischen Männern und Frauen im Sinne Iragarays gemeint, manchmal auch individuelle Differenzen zwischen Geschlechstgenossen oder Genossinnen nach Butler. Das Wort ist mitlerweise so konfus besetzt, daß einige Texte beide sich gegenseitig ausschließende Konzepte benutzen.).

Okay, das ist also meine eigene Fraktion. Wobei ich mich noch daran gewöhnen müsste, als "das Autori" bezeichnet zu werden. ;-)

Das Autori bezieht sich auf das Schreiberi des Grundsatztextes, du bleibst im Deutschsprachigen Raum bis auf weiteres der Autor schlechthin auf diesem Gebiet.

Wobei den Verfassern dieser Texte, also den emanzipatorischen Männern (wie jetzt beispielsweise mir), von den beiden Feminismen der Vorwurf des "Beifalls von der falschen Seite" gemacht wird. Also nach dem Motto: "Wenn Arne sowas schreibt, braucht er sich nicht zu wundern, wenn irgendwelche reaktionären Knacker das als Material gegen die Emanzipation verwenden." Was ich als höchst unfaire Argumentation empfinde. Genausogut könnte man sich dagegen wenden, dass Gruppen wie Amnesty Menschenrechtsverletzungen an den Palästinensern thematisieren, weil das den Nazis Futter für ihr Bild vom bösen Juden gibt.

Der Vorwurf kommt eher aus der einen Ecke, zumindest fanden sämtliche Butlerianerinnen in meinem Umfeld dein Buch ziemlich gut. Was daran liegen dürfte, daß diese theoretische Richtung schon mit "den Frauen" nichts mehr anfangen kann und eben auch keinen Sinn darin sieht, über "die Männer" zu reden. Wenn´s dich tröstet: Es gibt tatsächlich Leute, die Amnesty diesen Vorwurf machen. Oder auch denen, die gegen einen neuen Irakkrieg sind, sie seien für Saddam (Genial: In vielen Amerikanischen Imbissen heißen french fries jetzt freedom fries. Ein Bekannter sagte: Es ist immer klasse, wenn Leute öffentlich dumm sind).

Richtig. Diese Bestrebungen gab es leider schon, seit die emanzipatorische Männerbewegung aufkam. Sobald zum Beispiel in den USA bekannt worden war, dass Männer im gleichen Ausmaß Opfer häuslicher Gewalt werden wie Frauen, haben konservative Kreise das als Rechtfertigung für Kürzungen von Geldern für Frauenhäuser benutzt. Solange das mit diesem Argument geschieht, muss man sich dem natürlich entgegenstellen. (Ob es nicht andere Gründe für solche Kürzungen geben kann, etwa dass die Notwendigkeit sich als nicht so hoch herausstellt wie zuvor angenommen, bleibt dahingestellt.)

Z!

Definitiv. Exakt darum arbeiten in den USA ja schon Teile der emanzipatorischen Männerbewegung etwa mit den "individual feminists" zusammen. Ich sage voraus, dass wir hierzulande in ein paar Jahren auch so weit sein werden.

Das sehe ich ähnlich. Es gibt ja jetzt schon einige Ansätze, die hoffentlich Früchte tragen werden. Ich würde mich Freuen, wenn es bald ein deutsches G-PAC geben würde, also eine Organisation, die die relevanten Gruppen an einen Tisch bringt (die National Conference on Gender wird von NOW, diversen Männerrechtsorganisationen, den Lesbian Avengers, einigen allgemeinen Queer-Gruppen, Transsexual Menace und den Hermaphrodites with attitude mitgetragen, alle stellen Redner im Rahmen des Gesammtprograms).

Stimmt. Oder plakativer: "Zur Hölle mit den Jammermaskus in der Opferrolle - ich will richtige Männer!" Auch diese doppelte Abwertung muss natürlich bekämpft werden. Männliche Opfer brauchen denselben Schutz wie weibliche. Und da die Gesellschaft ihnen diesen Schutz nicht freiwillig gibt, werden sie ihn lautstark einfordern müssen, statt sich ein weiteres Mal durch Diffamierung zum Opfer machen zu lassen.

Z! Opfer sind eben Opfer und es geht nicht darum in eine "Opferrolle" zu verfallen, denn der Opferstatus ist ja nicht frei gewählt. Besonders perfide ist da die Position von 4: "Zur Hölle mit den Jammermaskus - Ich bin ein richtiger Mann!" Frei nach dem Motto: Männer die Opfer werden, haben sich nur nicht richtig gewehrt. Erinnert mich sehr an die Bibelstelle, wo gefordert wird, Frauen die Vergewaltigt werden zu steinigen, weil sie nicht laut genug geschrien haben... Und außerdem: Das muß mann abkönnen, Boys don´t cry, der Indianer kennt keinen Schmerz. Man stelle sich vor, Pascal wäre nicht ermordet worden, sondern wäre nach ein paar Jahren voller Angst und Scham an die Öffentlichkeit getreten... Wer sich über irgendetwas unterhalb von Mord beklagt, ist nach gängiger Meinung ein Weichei, fehlte nur noch der Satz: "Was dich nicht umbringt macht dich härter."

Das könnte man vielleicht etwas weniger kompliziert formulieren, aber ich verstehe, was du meinst. Und das führt mich zu den Schlussfolgerungen: (I) Es gibt keine klare biologische Grenze zwischen Mann und Frau, sondern ein Kontinuum. (II) Das Geschlecht ist nur begrenzt biologisch bestimmt. Wobei dur mir vermutlich bei (II) schon widersprechen würdest, weil es deiner Auffassung nach vermutlich "das Geschlecht" überhaupt nicht gibt, da also auch nix biologisch bestimmt sein kann. Ganz so weit würde ich persönlich nicht gehen. Aber den biologischen Essentialismus, wie er momentan dank Alan und Barbara Pease wieder Hochwasser hat, finde ich viel unsinniger und verheerend.

Es gibt ja einige biologische Geschlechtsdefinitionen. Und bei keiner gibt es nur zwei Möglichkeiten, wobei die Zahl derer, die aus dem Schema Mann/Frau herrausfallen variiert. D.h. viele Erkenntnisse haben geringen Aussagewert. Ich erinnere mich noch an die Geschichte mit den geistigen Behinderungen bei Männern, die auf das einzelne X-Chromosom zurückgeführt wurden. Nur gibt es eben auch XXY-Männer und X0-Frauen, bei denen jeweils die Erklärung für das andere Geschlecht greift. Insofern sind auch Biologen oft oberflächlich, wenn es um Geschlecht geht und die populäre Berichterstattung dann um so mehr.

Auch das sehe ich genauso, und vermutlich geht es anderen ähnlich. Wobei wir ja gesehen haben, dass die praktische Umsetzung schwierig ist und der Streit um die Sache immer wieder auf die persönliche Ebene gerät, weil (a) bei vielen Diskutanten persönliche Hintergründe eine Rolle spielen (wir sind nun mal alle keine Roboter oder Androiden), weil (b) anti-emanzipatorische Strömungen eben auch gehört werden wollen und sogar ein Recht darauf haben und (c) immer mal wieder ein paar Leute in der Diskussion herumwüten, die an einem sachlichen Gespräch so ziemlich überhaupt kein Interesse haben, sondern sich vor allem persönlich profilieren und ihre Aggressionen ablassen möchten. Diese drei Dinge sehe ich als größten Hemmschuh in einer konstruktiven Geschlechterdebatte.

Wobei unter (c) auch einige sind, die das sachliche Gespräch unterbinden wollen, weil sie kein Interesse daran haben, daß der Kleinkrieg zwischen Positionen, die sich sehr ähneln aufhören könnte und plötzlich eine Zusammenarbeit zwischen FrauenrechtlerInnen und MännerrechtlerInnen entsteht, die sich gegen bestehende Verhältnisse richtet.

susu

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Arne Hoffmann, Wednesday, 05.03.2003, 14:29 (vor 7911 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von susu am 04. März 2003 21:13:35:

Hi Susu,

Ich warte erst einmal die Ergebnisse der Diskussion ab und überarbeite den Text dann. Ich kann mir vorstellen ihn dem Männerrat zuzuschicken, vieleicht stelle ich den Text auch noch auf eine eigenen Seite, wenn Interesse besteht kann er dann von anderen verlinkt werden (eventuell mit näheren Betrachtungen zu weiteren Themen als seperate Texte).

Ja, das wäre doch eine gute Idee. Auf diese Art könnte er den unterschiedlichsten Gruppierungen zur Verfügung stehen: Transgendern, Feministinnen, Männerrechtlern usw.

Die essentialistische Prägung hat u.a. die Ablehnung von Transgender und Sm zu Folge, über die wir im "Genderqueere Sprachkritik"-Thread geredet haben. Auch Biologismen, wie sie bei Solanas vorkommen, sind aus diesem Ansatz erwachsen. Und nicht unerwähnt bleiben darf natürlich die Wissenschaftskritik Iragarays, die im Ernst erklärte, die Mathematik müsse abgeschafft werden, weil Frauen wegen der Menstruation die 0 nicht verstehen könnten, außerdem sei Gravitation ein Synonym für Vergewaltigung, weil die Schwerkraft Vergewaltigungsopfer daran hindere zu entkommen. Es ist erstaunlich, daß das noch als Feminismus deklariert bekommt.

Das wundert mich auch. Entsprechende andere Beispiele habe ich ja in "Sind Frauen bessere Menschen?" zusammengestellt: zum Beispiel wenn das Ersetzen des ptolemäischen Weltbildes (die Sonne dreht sich um die Erde) durch das kopernikanische (die Erde dreht sich um die Sonne) von manchen Feministinnen als Bezwingung des femininen durch das maskuline Denken kritisiert wird. So als ob es frauenfreundlicher wäre, die Sonne sich weiterhin um die Erde drehen zu lassen. Sehr seltsam. --- Kennst du von Iragaray mehr als ihre Wissenschaftskritik? Wenn ja: Wie bewertest du sie denn insgesamt? Ich habe sie selber im Original nicht gelesen und weiß nur, dass sie sich an Lacan orientiert hat (er war wohl auch ihr Mentor) und zu den Dekonstruktionisten zählt. Und dass sie als Essentialistin kritisiert wurde, die eine zu enge Beziehung zwischen dem Körper und dem "wahren Selbst" geknüpft habe. Möglicherweise bist du auch deshalb nicht gerade ein Fan von ihr?

Der Vorwurf kommt eher aus der einen Ecke, zumindest fanden sämtliche Butlerianerinnen in meinem Umfeld dein Buch ziemlich gut.

Das ist interessant. Mir ist ja auch schon aufgefallen, dass manchen Feministinnen (und nicht-feministischen emanzipierten Frauen) mein Buch sehr gefallen hat, während andere noch ein Jahr nach der Lektüre toben und vor allem mit persönlichen Angriffen reagieren. Bisher hatte ich da für mich den Unterschied zwischen akademischen und nicht-akademischen Feministinnen gezogen. Frauen, die sich akademisch tiefgehend mit der Geschlechterdebatte beschäftigt hatten, fanden mein Buch eher gut, während Frauen (und Männer), die in dieser Hinsicht keine Vorgeschichte hatten, mein Buch eher als "unwissenschaftlich" ablehnten. Bezeichnenderweise hatte ja auch die "Emma", die von akademischen Feministinnen als "zu trivial" kritisiert wird, "Sind Frauen bessere Menschen?" verrissen und in einem Artikel versucht, ausgerechnet mich als Vertreter der anti-emanzipatorischen Männer hinzustellen. Wobei die Redakteurin nicht mal den Titel meines Buches richtig zitieren konnte, also vielleicht die 600 Seiten erst recht nur kursorisch gelesen hat. (Ich mach´s meinen Lesern ja auch nicht gerade leicht, zugegeben ... :-) Deine Unterscheidung "EssentialistInnen" vs. "ButlerianerInnen" könnte aber mehr Sinn machen. Muss ich mal drüber nachdenken.

Was daran liegen dürfte, daß diese theoretische Richtung schon mit "den Frauen" nichts mehr anfangen kann und eben auch keinen Sinn darin sieht, über "die Männer" zu reden.

Ja, klar, das erwähne ich ja auch in meinem Buch: Ob es nicht sinnvoller wäre statt von "dem Mann" von "Mann (1)", "Mann (2)" usw. zu sprechen (und analog natürlich bei Frauen). Damit könnte man ein wenig dieser sprachlichen Hypnose entgegenwirken, die dazu führt, dass manche nur ein Kollektiv Mann bzw. ein Kollektiv Frau wahrnehmen. Allerdings ist so eine Sprachregelung in der Praxis wohl noch schwerer umzusetzen als "das Autori". ;-)

Das sehe ich ähnlich. Es gibt ja jetzt schon einige Ansätze, die hoffentlich Früchte tragen werden. Ich würde mich Freuen, wenn es bald ein deutsches G-PAC geben würde, also eine Organisation, die die relevanten Gruppen an einen Tisch bringt (die National Conference on Gender wird von NOW, diversen Männerrechtsorganisationen, den Lesbian Avengers, einigen allgemeinen Queer-Gruppen, Transsexual Menace und den Hermaphrodites with attitude mitgetragen, alle stellen Redner im Rahmen des Gesammtprograms).

Meine Unterstützung hätte so ein deutsches G-PAC jedenfalls. Weißt du, wie reibungsfrei der Meinungsaustausch in dieser Organisation funktioniert? Nach allem, was ich bisher so über die NOW gehört habe, erscheint sie mir eher fundamentalistisch ausgerichtet (wobei da jede regionale Gruppe ihren eigenen Stil haben mag).

Opfer sind eben Opfer und es geht nicht darum in eine "Opferrolle" zu verfallen, denn der Opferstatus ist ja nicht frei gewählt. Besonders perfide ist da die Position von 4: "Zur Hölle mit den Jammermaskus - Ich bin ein richtiger Mann!" Frei nach dem Motto: Männer die Opfer werden, haben sich nur nicht richtig gewehrt.

Definitiv Z!

Es gibt ja einige biologische Geschlechtsdefinitionen. Und bei keiner gibt es nur zwei Möglichkeiten, wobei die Zahl derer, die aus dem Schema Mann/Frau herrausfallen variiert. D.h. viele Erkenntnisse haben geringen Aussagewert. Ich erinnere mich noch an die Geschichte mit den geistigen Behinderungen bei Männern, die auf das einzelne X-Chromosom zurückgeführt wurden. Nur gibt es eben auch XXY-Männer und X0-Frauen, bei denen jeweils die Erklärung für das andere Geschlecht greift. Insofern sind auch Biologen oft oberflächlich, wenn es um Geschlecht geht und die populäre Berichterstattung dann um so mehr.

Nicht nur für mich, sondern vielleicht auch für andere Leser: Gibt es eigentlich ein deutsches Einstiegs-Buch, das du zum Thema Transgender empfehlen kannst? Also jetzt vielleicht nicht ganz so trivial wie "Mann oder Frau - Wenn die Grenzen fließend werden", aber auch nicht auf der Ebene abstraktester genderphilosophischer Diskussionen? Einen einigermaßen tiefgehenden, informativen Einführungsband eben?

Wobei unter (c) auch einige sind, die das sachliche Gespräch unterbinden wollen, weil sie kein Interesse daran haben, daß der Kleinkrieg zwischen Positionen, die sich sehr ähneln aufhören könnte und plötzlich eine Zusammenarbeit zwischen FrauenrechtlerInnen und MännerrechtlerInnen entsteht, die sich gegen bestehende Verhältnisse richtet.

Du meinst, dass es Leute gibt, die diesen Kleinkrieg bewusst schüren, damit die bestehenden Verhältnisse bestehen bleiben? Okay, ich habe ja auch schon über eher konservative Strömungen geschrieben, die den Konflikt zwischen Männern und Frauen anheizen, damit die sozusagen miteinander beschäftigt sind, statt sich zu verbünden, die Gesellschaft zu verändern und diesen Konservativen so einen Teil ihrer Macht zu nehmen. Sprichst du davon, oder meinst du etwas anderes? Ich überlege gerade, ob es von anderen politischen Strömungen ähnliche Versuche des Aufspaltens gibt.

Herzlicher Gruß

Arne

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

susu, Wednesday, 05.03.2003, 22:52 (vor 7911 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Arne Hoffmann am 05. März 2003 12:29:27:

Hi Arne

Das wundert mich auch. Entsprechende andere Beispiele habe ich ja in "Sind Frauen bessere Menschen?" zusammengestellt: zum Beispiel wenn das Ersetzen des ptolemäischen Weltbildes (die Sonne dreht sich um die Erde) durch das kopernikanische (die Erde dreht sich um die Sonne) von manchen Feministinnen als Bezwingung des femininen durch das maskuline Denken kritisiert wird. So als ob es frauenfreundlicher wäre, die Sonne sich weiterhin um die Erde drehen zu lassen. Sehr seltsam. --- Kennst du von Iragaray mehr als ihre Wissenschaftskritik? Wenn ja: Wie bewertest du sie denn insgesamt?

Ich habe die Moralphilosophischen Gedanken zum Teil gelesen (Ethik der sexuellen Differenz) und fand sie ziemlich verworren. Und dann gab es noch die sprachphilosophischen Ansätze der ecriture feminique, die ich nur sekundär rezipiert habe. Da habe ich nur mit dem Kopf geschüttelt.

Ich habe sie selber im Original nicht gelesen und weiß nur, dass sie sich an Lacan orientiert hat (er war wohl auch ihr Mentor) und zu den Dekonstruktionisten zählt. Und dass sie als Essentialistin kritisiert wurde, die eine zu enge Beziehung zwischen dem Körper und dem "wahren Selbst" geknüpft habe. Möglicherweise bist du auch deshalb nicht gerade ein Fan von ihr?

Ich würde diese Kritik teilen, vor allem weil ich den Begriff von Differance, wie er bei Lacan auftaucht, außerhalb des iragarayschen Kosmos stets anders verstanden gesehen habe (Ich habe Lacan selbst noch nicht gelesen, zu wenig Zeit und Geld...). Es gibt in Körper von Gewicht einen Abschnitt, der besagt, daß Irragaray der Verdiesnt zukomme, die Irrtümer der Philosophiegeschichte schonungslos aufzudecken und dann mimetisch zu immitieren. In dieser Form läßt sich Iragaray durchaus positiv verstehen, nur erfordert es eben die genaue Kenntniss des Originals, um die Parodie zu verstehen und ich kann von mir nicht behaupten Schopenhauer und Aristoteles gut genug zu kennen um den Witz zu verstehen... Allerdings ist die Rezeption in weiten Teilen der Feministinnen durchaus eine wort-wörtliche und eben keine high brow Drag-show für PhilosophInnen. Ich geb´s zu - das ist letztendlich die "Beifall von der falschen Seite"-Argumentation mit Worten großer Silbenzahl... (Ich sollte Iragaray nochmal lesen und das mit einbeziehen) Vor ein paar Wochen schrieb ich ein Versöhnlichse Lied, in dem es heißt:
Wir stritten rum die halbe Nacht
Wer von uns den Phallus hat
und ob das Überhaupt
einen Unterschied macht
und ob Differance denkbar ist
ohne Opposition
und bedachten dabei Butlers
Iragaray Rezeption

Ein Poststrukturalistisches Liebeslied, so to speak :)

Das ist interessant. Mir ist ja auch schon aufgefallen, dass manchen Feministinnen (und nicht-feministischen emanzipierten Frauen) mein Buch sehr gefallen hat, während andere noch ein Jahr nach der Lektüre toben und vor allem mit persönlichen Angriffen reagieren. Bisher hatte ich da für mich den Unterschied zwischen akademischen und nicht-akademischen Feministinnen gezogen. Frauen, die sich akademisch tiefgehend mit der Geschlechterdebatte beschäftigt hatten, fanden mein Buch eher gut, während Frauen (und Männer), die in dieser Hinsicht keine Vorgeschichte hatten, mein Buch eher als "unwissenschaftlich" ablehnten. Bezeichnenderweise hatte ja auch die "Emma", die von akademischen Feministinnen als "zu trivial" kritisiert wird, "Sind Frauen bessere Menschen?" verrissen und in einem Artikel versucht, ausgerechnet mich als Vertreter der anti-emanzipatorischen Männer hinzustellen. Wobei die Redakteurin nicht mal den Titel meines Buches richtig zitieren konnte, also vielleicht die 600 Seiten erst recht nur kursorisch gelesen hat. (Ich mach´s meinen Lesern ja auch nicht gerade leicht, zugegeben ... :-) Deine Unterscheidung "EssentialistInnen" vs. "ButlerianerInnen" könnte aber mehr Sinn machen. Muss ich mal drüber nachdenken.

Wobei das zum größten Teil deckungsgleich sein dürfte. Ich suche immer noch nach einem Text, in dem Butler für Laien zugänglich gemacht wird und der triviale Feminismus ist mindestens sozialisationsfatalistisch (sag das dreimal hintereinander...), wenn nicht gar essentialistisch.

Ja, klar, das erwähne ich ja auch in meinem Buch: Ob es nicht sinnvoller wäre statt von "dem Mann" von "Mann (1)", "Mann (2)" usw. zu sprechen (und analog natürlich bei Frauen). Damit könnte man ein wenig dieser sprachlichen Hypnose entgegenwirken, die dazu führt, dass manche nur ein Kollektiv Mann bzw. ein Kollektiv Frau wahrnehmen. Allerdings ist so eine Sprachregelung in der Praxis wohl noch schwerer umzusetzen als "das Autori". ;-)

Oder männernde bzw. frauende Menschen...

Meine Unterstützung hätte so ein deutsches G-PAC jedenfalls. Weißt du, wie reibungsfrei der Meinungsaustausch in dieser Organisation funktioniert? Nach allem, was ich bisher so über die NOW gehört habe, erscheint sie mir eher fundamentalistisch ausgerichtet (wobei da jede regionale Gruppe ihren eigenen Stil haben mag).

G-PAC fasst die Statistiken, die von den verschiedenen Organisationen ermittelt werden zusammen, innerhalb von G-PAC funktioniert das sehr gut, weil die, die da aktiv mitwirken eben kein Interesse an Konfrontation haben. Bei der NCG sieht das dann so aus, daß die verschiedenen Gruppen aufeinander prallen, aber eben unter der Prämisse die von G-PAC aufgestellte Bill of Gender rights zu unterstützen. NOW ist meines Wissens ähnlich organisiert, wie der deutsche Frauenrat, d.h. die Haltung hängt stark von den beteiligten Gruppen ab und die sind in den USA weit stärker diversifiziert als in Deutschland. NOW hat seit 98 Transpeople an Bord, hat auf die Kritik Schwarzer, Lesbischer und unteren sozialen Schichten angehörender Frauen, daß der Feminismus white straight and middle class sei reagiert und ist dadurch letztendlich recht Pluralistisch geworden. NOW gibt mitlerweile viele einerseits/andererseits Erklärungen heraus und arbeitet zum Teil schon mit denen zusammen, die in den frühen 90ern die Organisation frustriert verließen (War Warren F. nicht genauso Mitglied wie Rikki Anne W.?)

Nicht nur für mich, sondern vielleicht auch für andere Leser: Gibt es eigentlich ein deutsches Einstiegs-Buch, das du zum Thema Transgender empfehlen kannst? Also jetzt vielleicht nicht ganz so trivial wie "Mann oder Frau - Wenn die Grenzen fließend werden", aber auch nicht auf der Ebene abstraktester genderphilosophischer Diskussionen? Einen einigermaßen tiefgehenden, informativen Einführungsband eben?

Da muß ich mit Daniel K. "Puh" sagen. Es gibt so gut wie keine Deutschsprachige Literatur zum Thema und eigentlich bin ich froh über jedes Buch, was überhaupt erscheint. Es gab ja mal diese Essay-Sammlung in der auch der Sandi Stone Text enthalten war und von der ich vermute, daß sie gut war. Aber: Out of print. Vieleicht erbarmt sich irgendein Verlag mal und übersetzt die beiden Wilchins Bücher. Mir fallen gerade mal 3 Bücher ein, die sich allgemein mit Transgender beschäftigen, von denen 2 Psychologische Abhandlungen zum Thema "Geschlechtsidentitätsstörung als Folge Frühkindlicher Fehlentwickung" sind und Volkmer Siguschs "Geschlechtswechsel", daß zumindest einigermaßen verständlich geschrieben ist, sich aber primär mit TS (und da auch vor allem MtF TS) befasst. Und wenn wir berücksichtigen, das Sigusch dank seiner "One size fits all"-Behandlungsrichtschnur, die mitlerweile Standard in der Psychologischen Praxis in Deutschland ist, bei allen, die nicht in das simpelste Raster von TS fallen einen schlechten Ruf hat, ist auch das nicht zu empfehlen. Sonst gibt es höchstens noch ein paar Biographien und ein wenig Belletristik.

Du meinst, dass es Leute gibt, die diesen Kleinkrieg bewusst schüren, damit die bestehenden Verhältnisse bestehen bleiben? Okay, ich habe ja auch schon über eher konservative Strömungen geschrieben, die den Konflikt zwischen Männern und Frauen anheizen, damit die sozusagen miteinander beschäftigt sind, statt sich zu verbünden, die Gesellschaft zu verändern und diesen Konservativen so einen Teil ihrer Macht zu nehmen. Sprichst du davon, oder meinst du etwas anderes? Ich überlege gerade, ob es von anderen politischen Strömungen ähnliche Versuche des Aufspaltens gibt.

Ich denke schon, daß das eher aus dem konservativen Lager kommt. Obwohl es natürlich auch bei den progressiven Positionen die "agree with us on everything or we won´t help with anything" Fraktion gibt.

susu

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Arne Hoffmann, Thursday, 06.03.2003, 00:04 (vor 7911 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von susu am 05. März 2003 20:52:03:

Hi Susu,

Ich würde diese Kritik teilen, vor allem weil ich den Begriff von Differance, wie er bei Lacan auftaucht, außerhalb des iragarayschen Kosmos stets anders verstanden gesehen habe (Ich habe Lacan selbst noch nicht gelesen, zu wenig Zeit und Geld...).

Ich habe auch nur seinen Essay über Poes "Purloined Letter" im Original gelesen und festgestellt, dass Lacan wirklich so verquast schreibt, wie man ihm vorwirft.

Es gibt in Körper von Gewicht einen Abschnitt, der besagt, daß Irragaray der Verdiesnt zukomme, die Irrtümer der Philosophiegeschichte schonungslos aufzudecken und dann mimetisch zu immitieren. In dieser Form läßt sich Iragaray durchaus positiv verstehen, nur erfordert es eben die genaue Kenntniss des Originals, um die Parodie zu verstehen und ich kann von mir nicht behaupten Schopenhauer und Aristoteles gut genug zu kennen um den Witz zu verstehen ... Allerdings ist die Rezeption in weiten Teilen der Feministinnen durchaus eine wort-wörtliche und eben keine high brow Drag-show für PhilosophInnen. Ich geb´s zu - das ist letztendlich die "Beifall von der falschen Seite"-Argumentation mit Worten großer Silbenzahl ...

Naja, du kritisierst hier ja eher die Rezeption als den Originaltext. Wobei man sich allerdings auch fragt, welche Qualität eine Satire haben mag, wenn sie 95 Prozent der Rezipienten nicht als solche erkennen, sondern für bare Münze nehmen.

Wir stritten rum die halbe Nacht
Wer von uns den Phallus hat
und ob das Überhaupt
einen Unterschied macht
und ob Differance denkbar ist
ohne Opposition
und bedachten dabei Butlers
Iragaray Rezeption
Ein Poststrukturalistisches Liebeslied, so to speak :)

Klasse. Jetzt brauchen wir nur noch eine hübsche Melodie, und dann schicken wir DICH in die nächste Staffel von "Deutschland sucht den Superstar". ;-)

Wobei das zum größten Teil deckungsgleich sein dürfte.

Das mag wohl sein. Ich hab noch ein bisschen über deine These nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass mein Buch und auch diese Foren hier vielleicht aus denselben Gründen zum Teil sehr heftige Aggressionen auslösen, aus denen manche Leute auf euch Transgender mit Aggressionen reagieren: wegen dem Sprengen einer klaren Aufteilung der Geschlechterrollen. Wenn ich so das letzte Jahr Revue passieren lasse, wurde die emanzipatorische Männerbewegung am heftigsten von jenen angegriffen, die als Frauen auf der ewigen Suche nach starken Männern waren oder als Frauen UND Männer nicht akzeptieren konnten/wollten, dass wir mit Nachdruck das Thema von Männern als Opfer in die Debatte brachten. Manche Frauen sahen ihren eigenen Opferstatus gefährdet, manche Männer ihre vermeintliche Männlichkeit. Leute, die überhaupt nicht erwarteten, dass jedes Geschlecht bestimmte Rollenklischees erfüllen musste, konnten z. B. auch mit geprügelten Männern oder missbrauchten Jungen besser umgehen.

Wobei ich bezweifle, dass sich hier eine eindeutig klare Linie zwischen Essentialisten und Butlerianern ziehen lässt. Die allermeisten Leute sind doch sehr unscharf verortet und tragen Ansätze von beidem in sich. Sehr oft sind Menschen ja auch in einer bestimmten Lebensphase besonders essentialistisch, nämlich wenn sich ihre eigene Geschlechtsidentität gerade bildet und das andere Geschlecht dabei abgewertet wird: "Jungs sind doof und denken nur an das eine", "Mädels sind dumme Gänse und sind ständig am Tratschen" usw. Das legt die Frage nahe: Wenn Slogans wie "Männer sind Schweine" heutzutage längst nicht mehr nur die Teenie-Kultur durchziehen - kann das auch daran liegen, dass heutzutage ein bestimmter Reifeprozess wesentlich später abgeschlossen wird als in früheren Jahrzehnten? Oder ist sowas einfach nur eine Gegenreaktion darauf, dass die Geschlechtergrenzen in Wahrheit immer fließender geworden sind?

Ich suche immer noch nach einem Text, in dem Butler für Laien zugänglich gemacht wird und der triviale Feminismus ist mindestens sozialisationsfatalistisch (sag das dreimal hintereinander...), wenn nicht gar essentialistisch.

Ich denke, Alice Schwarzer beispielsweise befindet sich in ihren Artikeln in exakt jenem Spannungsfeld zwischen sozialisationsfatalistisch und essentialistisch. Mal heißt es in der Besprechung eines SM-Buches von Pat Califia: "Im Zuge der Emanzipation und einer sich verändernden Lebensrealität greifen eben auch Frauen in der Erotik zur Gewalt und zur Macht." An einer anderen Stelle heißt es: Frauen könnten grundsätzlich nicht pädophil sein, da "Sexualität für Frauen nicht Ausübung von Herrschaft ist". Soso. :-)

NOW ist meines Wissens ähnlich organisiert wie der deutsche Frauenrat, d.h. die Haltung hängt stark von den beteiligten Gruppen ab und die sind in den USA weit stärker diversifiziert als in Deutschland. NOW hat seit 98 Transpeople an Bord, hat auf die Kritik Schwarzer, Lesbischer und unteren sozialen Schichten angehörender Frauen, daß der Feminismus white straight and middle class sei reagiert und ist dadurch letztendlich recht pluralistisch geworden. NOW gibt mitlerweile viele einerseits/andererseits Erklärungen heraus und arbeitet zum Teil schon mit denen zusammen, die in den frühen 90ern die Organisation frustriert verließen (War Warren F. nicht genauso Mitglied wie Rikki Anne W.?)

Farrell war im Vorstand der Regionalgruppe New York von NOW - allerdings zu einer Zeit, als er noch voll auf der feministischen Linie lag und mit "The Liberated Man" ("Der befreite Mann") die These vertrat, dass Männer in gewisser Weise den Frauen unterlegen seien und zu besseren Menschen therapiert werden müssten. Das war Ende der siebziger Jahre und das, was man damals auch in Deutschland unter "Männerbewegung" verstand: Lasst uns mehr weibliche Tugenden annehmen und die Welt so von dem militärisch-industriellen Komplex befreien ... Was Farrell angeht, hat sich sein Themenschwerpunkt bzw. seine Herangehensweise ja spätestens seit "The Myth of Male Power"/"Mythos Männermacht" stark geändert, und seitdem ist er auch nicht mehr Mitglied bei NOW.

Da muß ich mit Daniel K. "Puh" sagen. Es gibt so gut wie keine Deutschsprachige Literatur zum Thema und eigentlich bin ich froh über jedes Buch, was überhaupt erscheint.

Okay, dann schau ich mir mal bei Amazon die englischsprachigen Titel dazu an.

Und wenn wir berücksichtigen, das Sigusch dank seiner "One size fits all"-Behandlungsrichtschnur, die mitlerweile Standard in der Psychologischen Praxis in Deutschland ist, bei allen, die nicht in das simpelste Raster von TS fallen einen schlechten Ruf hat, ist auch das nicht zu empfehlen.

Ah, deshalb. Ich hatte schon gehört, dass Sigusch unter Transgendern eher unbeliebt ist, wusste aber nicht warum.

Herzlicher Gruß

Arne

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

susu, Thursday, 06.03.2003, 21:22 (vor 7910 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Arne Hoffmann am 05. März 2003 22:04:08:

Hi Arne.

Ich habe auch nur seinen Essay über Poes "Purloined Letter" im Original gelesen und festgestellt, dass Lacan wirklich so verquast schreibt, wie man ihm vorwirft.

Die Poststrukturalisten erklärten Nicht-Lesbarkeit zur politischen Methode. Einige gingen noch etwas weiter... :)

Naja, du kritisierst hier ja eher die Rezeption als den Originaltext. Wobei man sich allerdings auch fragt, welche Qualität eine Satire haben mag, wenn sie 95 Prozent der Rezipienten nicht als solche erkennen, sondern für bare Münze nehmen.

Wobei diese Rezeption zum größten Teil aus der Schweiz kommt, d.h. ich bin mir nicht so sicher, ob Iragaray das überhaupt mitkriegt. Nachdem ich der Schweiz vor kurzem noch ein Bussi gab, gibt´s jetzt Schelte...

Klasse. Jetzt brauchen wir nur noch eine hübsche Melodie, und dann schicken wir DICH in die nächste Staffel von "Deutschland sucht den Superstar". ;-)

Wenn ich wieder in Bonn bin, werde ich mich mal wieder an mein Homestudio dranmachen. Der Strophenteil ist arg an Opa Dylan angelehnt, der Rest hat diese 12-Tonmusik-Akkorde... Wenn´s fertig ist wird das im Eigenverlag veröffentlicht, ob der Titel der CD (andere Lieder tragen Titel wie "gender reject" und "2nd .wav of feminism") "Toilet training - advanced studies" oder "Geschlecht sucht Ärger" lauten wird, ist noch nicht sicher...

Das mag wohl sein. Ich hab noch ein bisschen über deine These nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass mein Buch und auch diese Foren hier vielleicht aus denselben Gründen zum Teil sehr heftige Aggressionen auslösen, aus denen manche Leute auf euch Transgender mit Aggressionen reagieren: wegen dem Sprengen einer klaren Aufteilung der Geschlechterrollen. Wenn ich so das letzte Jahr Revue passieren lasse, wurde die emanzipatorische Männerbewegung am heftigsten von jenen angegriffen, die als Frauen auf der ewigen Suche nach starken Männern waren oder als Frauen UND Männer nicht akzeptieren konnten/wollten, dass wir mit Nachdruck das Thema von Männern als Opfer in die Debatte brachten. Manche Frauen sahen ihren eigenen Opferstatus gefährdet, manche Männer ihre vermeintliche Männlichkeit. Leute, die überhaupt nicht erwarteten, dass jedes Geschlecht bestimmte Rollenklischees erfüllen musste, konnten z. B. auch mit geprügelten Männern oder missbrauchten Jungen besser umgehen.

Z!

Wobei ich bezweifle, dass sich hier eine eindeutig klare Linie zwischen Essentialisten und Butlerianern ziehen lässt. Die allermeisten Leute sind doch sehr unscharf verortet und tragen Ansätze von beidem in sich.

Etwas anderes zu behaupten würde ja nur eine neue dichotomische Kategorie schaffen... Dann könnte man sich den Poststrukturalismus auch ganz sparen. :)

Sehr oft sind Menschen ja auch in einer bestimmten Lebensphase besonders essentialistisch, nämlich wenn sich ihre eigene Geschlechtsidentität gerade bildet und das andere Geschlecht dabei abgewertet wird: "Jungs sind doof und denken nur an das eine", "Mädels sind dumme Gänse und sind ständig am Tratschen" usw. Das legt die Frage nahe: Wenn Slogans wie "Männer sind Schweine" heutzutage längst nicht mehr nur die Teenie-Kultur durchziehen - kann das auch daran liegen, dass heutzutage ein bestimmter Reifeprozess wesentlich später abgeschlossen wird als in früheren Jahrzehnten? Oder ist sowas einfach nur eine Gegenreaktion darauf, dass die Geschlechtergrenzen in Wahrheit immer fließender geworden sind?

Ich vermute eher letzteres. Und natürlich, daß andere Reifeprozesse schneller ablaufen und 9-jährige Beziehungen haben, ohne die kommunikativen Fähigkeiten, die sie nicht direkt schlechte Erfahrungen mit einem Geschlecht machen ließen.

Ich denke, Alice Schwarzer beispielsweise befindet sich in ihren Artikeln in exakt jenem Spannungsfeld zwischen sozialisationsfatalistisch und essentialistisch. Mal heißt es in der Besprechung eines SM-Buches von Pat Califia: "Im Zuge der Emanzipation und einer sich verändernden Lebensrealität greifen eben auch Frauen in der Erotik zur Gewalt und zur Macht." An einer anderen Stelle heißt es: Frauen könnten grundsätzlich nicht pädophil sein, da "Sexualität für Frauen nicht Ausübung von Herrschaft ist". Soso. :-)

Füge noch den dritten Pol Existenzialismus ein und du hast das Konzept erfasst. Solange sie sich auf de Beauvoir bezieht, geht das oftmals in die richtige Richtung, nur bleibt es selten dabei. An ihrem Buch "Der große Unterschied" gefiel mir der Untertitel und der Ausblick. Dazwischen gab es nicht viel, was zu diesen beiden Teilen passen würde...

Farrell war im Vorstand der Regionalgruppe New York von NOW - allerdings zu einer Zeit, als er noch voll auf der feministischen Linie lag und mit "The Liberated Man" ("Der befreite Mann") die These vertrat, dass Männer in gewisser Weise den Frauen unterlegen seien und zu besseren Menschen therapiert werden müssten. Das war Ende der siebziger Jahre und das, was man damals auch in Deutschland unter "Männerbewegung" verstand: Lasst uns mehr weibliche Tugenden annehmen und die Welt so von dem militärisch-industriellen Komplex befreien ... Was Farrell angeht, hat sich sein Themenschwerpunkt bzw. seine Herangehensweise ja spätestens seit "The Myth of Male Power"/"Mythos Männermacht" stark geändert, und seitdem ist er auch nicht mehr Mitglied bei NOW.

Wilchins schied aus, als ein Text von ihm/ihr gekürzt wurde, in dem es um den Zugang zu Hormonen und die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ging. Dabei wurden sowohl Probleme, die Frauen bei der Verschreibung von Hormonen während der Menopause hatten, als auch die von Transleuten, die eine HRT machten besprochen. Der letzte Teil wurde gestrichen und Wilchins stieg aus, um sich bei den "Lesbian Avengers" zu beteiligen (die immer ganz interessante Aktionen machen) und G-PAC zu gründen, weil er/sie der Meinung war, daß Themen die zusammen gehören nicht getrennt betrachtet werden sollten.

Okay, dann schau ich mir mal bei Amazon die englischsprachigen Titel dazu an.

Sobald ich meine Ausgabe von "Genderqueer" habe, werde ich dazu mal posten. Das Buch klingt extrem vielversprechend.

Ah, deshalb. Ich hatte schon gehört, dass Sigusch unter Transgendern eher unbeliebt ist, wusste aber nicht warum.

Auf transmann.de gibt es einen Artikel dazu, den verlinke ich unten.

Grüße
susu

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Arne Hoffmann, Thursday, 06.03.2003, 23:11 (vor 7910 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von susu am 06. März 2003 19:22:39:

Hi Susu,

dass Alex die Bücher von Alan und Barbara Pearse nicht findet, kann ich verstehen. Die beiden heißen in Wirklichkeit "Pease". :-)

Füge noch den dritten Pol Existenzialismus ein und du hast das Konzept erfasst.

Heißt das, du meinst, Alice Schwarzer sei existentialistisch? Inwiefern?

Solange sie sich auf de Beauvoir bezieht, geht das oftmals in die richtige Richtung, nur bleibt es selten dabei. An ihrem Buch "Der große Unterschied" gefiel mir der Untertitel und der Ausblick. Dazwischen gab es nicht viel, was zu diesen beiden Teilen passen würde ...

Enthusiastisches Z! Ich hab letztens mal wieder mit einer Frau telefoniert, die früher auch oft hier in Jörgs Forum gepostet hat, und sie war sehr erstaunt, was um Himmels Willen ich denn gegen Schwarzers Buch hätte. Sie (meine Telefonpartnerin) sei zwar leider erst dazu gekommen, die Einleitung und den Ausblick zu lesen, aber das sei doch wirklich wunder-wunderschön. Und wenn die Schwarzer sich schon im Titel gegen eine Trennung von Menschen in Männer und Frauen ausspreche, müssten wir beide doch eigentlich voll auf einer Linie liegen.

Nachdem ich damit fertig war, mir mit dem Hörer vor Verzweiflung die Stirn blutig zu hauen, erklärte ich meiner Gesprächspartnerin, das SEI ja gerade mein Problem mit dem Buch. Untertitel, Einleitung und Ausblick bilden das harmonischste Gesäusel von einer Utopie, in der die beiden Geschlechter quasi ununterscheidbar sind, und in allen Kapiteln mittendrin erscheint der Mann schlechthin als zurückgebliebener, unreifer Sextourist, Pornograph, Kinderschänder und was weiß ich nicht noch alles. Es ist mir völlig schleierhaft, wie Schwarzer diesen reaktionär-feministischen Dummfug in diesen friedliebend-ausgleichenden Rahmen spannen kann, ohne zu merken, dass sich das komplett miteinander beißt. Ich kann mir das nur damit erklären, dass sie ja in gewisser Weise selbst schon eine Doppel-Persönlichkeit angenommen hat, spätestens seit sie die ständigen Anfeindungen damit überwinden wollte, sich z. B. als Ratetante bei Fuchsberger und in diversen Talkshows als massengängig zu präsentieren. Seitdem tritt sie im Fernsehen charmant auf, augenzwinkernd und sagt solche Dinge wie "Die Frauen sind nicht die besseren Menschen, sie hatten nur weniger Gelegenheiten, schlimme Sachen anzurichten." Aber sobald man dann ihre Bücher oder ihre Zeitschrift liest, ist das uralte Freund-Feind-Gut-Böse-Schema zwischen den Geschlechtern wieder da. Die Männer machen Krieg und die Frauen kämpfen für den Frieden.

Wilchins schied aus, als ein Text von ihm/ihr gekürzt wurde

Apropos ihm/ihr: Wie möchtest du eigentlich, dass auf DICH Bezug genommen wird? Auch in dieser Form, also "Susu hat mich seinen/ihren Text lesen lassen"? Oder anders? Oder wurscht?

Da wir uns in allem anderen einig zu sein scheinen, möchte ich jetzt doch noch mal ein bisschen problematisieren. :-) Dazu möchte ich auf deine These von den zwei Abwertungen zurückkommen. Ich bin damit immer noch nicht ganz glücklich, weil ich immer noch glaube, dass da eine dritte Abwertung fehlt. Etwas unbeholfen und in Ermangelung eines besseren Ausdrucks möchte ich sie mal die "feministische Abwertung" nennen, obwohl es das nur so halb trifft. Meiner Einschätzung nach ist diese Abwertung eine, die zumindest einige Männer hier in den Foren so ärgert. Dabei geht es darum, dass klassische "männliche Tugenden" nicht mehr als solche erkannt, sondern umgedeutet werden: Aus Ehrgeiz wird meinetwegen Karrieresucht, aus Kampfesmut Aggression undsoweiter.

Ich finde, <a href= http://www.novo-magazin.de/45/novo4512.htm >dieser NOVO-Artikel[/link] gibt zumindest einiges von dem wieder, was für mich mit dieser dritten Abwertung verbunden ist:

--- Frauen gelten in vielen Zusammenhängen als die "besseren" Menschen, da ihnen die Fähigkeit zuerkannt wird, einfühlsamer, menschbezogener, friedlicher, moralischer und naturnäher zu denken und zu handeln. Das gilt für die Politik und den Journalismus wie für zahlreiche andere Berufe. (...) Der Vorwurf, Chauvi, Macho oder einfach "typisch männlich" zu sein, hat in dieser Situation an Gewicht gewonnen, und er kann für den Beschuldigten durchaus unangenehme Konsequenzen haben - z.B. in der Berufswelt. Wer hingegen die als feminin definierten Werte wie Einfühlsamkeit und Emotionalität verinnerlicht und gleichzeitig die brutale, engstirnige und gefühllose Männerwelt ablehnt, hat gute Chancen, beliebt zu sein, hohe Einschaltquoten zu erreichen oder auch gute Wahlergebnisse zu erzielen. (...) Mit den realen Lebenszusammenhängen von Männern und Frauen haben die hierbei verwendeten Attribute männlich und weiblich nichts mehr gemein. Das Geschlecht wird vielmehr einer wertenden und moralischen Typisierung unterworfen: Harte, zielstrebige, karrierebewusste, kühl kalkulierende Frauen gelten als ähnlich unbeliebt wie Männer, denen diese Eigenschaften zugesprochen werden. Solche Frauen werden mitunter als "falsche, von der Männerwelt manipulierte Wesen" bezeichnet. Hingegen werden sanfte, emotionale und sinnliche, sprich weibliche Männer, die freiwillig auf ihre Karriere verzichten und sich der Kindererziehung widmen, als die "neuen" und modernen Typen gefeiert. Der britische Soziologe Frank Füredi beschrieb auf einer Tagung in England die "politisch korrekte Hierarchie" wie folgt: "Feminine Frauen stehen an der Spitze. Die femininen Männer stehen noch vor den maskulinen Frauen auf dem zweiten Platz. Maskuline ‘Macho-Männer" bilden das Schlusslicht." Traditionell männliche Werte sind heute nicht mehr gefragt, denn sie gelten als Synonym für eine alte, untergehende, von Draufgängertum, Leistungswillen und Rationalität sowie gewaltsamer Unterdrückung und Raubbau an Mensch und Natur geprägte Gesellschaft. Das Gegenteil davon - Zurückhaltung, Skepsis gegenüber Rationalität und Wachstum, Besinnung auf die eigenen Grenzen, auf Emotionalität, Spiritualität und Nachhaltigkeit, auf eigene Schwächen und auf Bescheidenheit, sprich: die Werte der "modernen Welt" -; werden unter dem Schlagwort weiblich subsumiert. Die Schlussfolgerung ist klar und eindeutig: Männlich sein ist "out", weiblich sein dagegen "in". ---

Es ist zwar schön zu wissen, dass wir femininen Männer immerhin auf dem zweiten Platz stehen ;-) aber wenn ich ein Mann wäre, der die Werte traditioneller Männlichkeit verkörpert, würde ich mich heutzutage in vielem auch unfair behandelt - abgewertet - fühlen. John Wayne verkörpert heutzutage sicher nicht mehr die erwünschte hegemoniale Männlichkeit, vielleicht gilt er sogar mehr als das Sinnbild für eine reaktionäre Haltung, aber dabei wird doch übersehen, dass auch mit dieser "klassischen" Ausbildung von Männlichkeit viele positive Werte verbunden waren: Offenheit, Mut, Einstehen für seine Freunde, Tatkraft usw. Genauso wie deiner ersten Abwertung zufolge allzu "weibliche" Männer von gewissen Sanktionen betroffen sind, gilt doch heute dasselbe für allzu "männliche" Männer. Verstehst du, was ich meine?

Herzlicher Gruß

Arne

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Ferdi, Friday, 07.03.2003, 00:30 (vor 7910 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Arne Hoffmann am 06. März 2003 21:11:04:

Hallo Arne, Susu!

Ich verfolge schon geraume Zeit Eure Diskussion die auf einem so hohen Niveau stattfindet, dass ich Mühe habe, Euch zu folgen, denn ich bin nicht so belesen in der einschlägigen Literatur wie Ihr beide.

Aber jetzt möchte ich einmal fragen: "Männlichkeit", was hat man darunter eigentlich zu verstehen? Ich persönlich empfinde den Begriff "Männlichkeit" als einengend. Ich empfinde ihn so, dass man mir sagen wollte: "Es genügt nicht, dass Du ein biologisch vollwertiger und vollständiger Mann bist, nein, Du hast gefälligst auch *männlich* zu sein". Ich empfinde ihn also als Versuch, mich auf ein Gleis zu setzen, das in eine Richtung führt, in die ich garnicht will. Ich definiere mich als einen Menschen, der Kinder zeugen kann und auch gezeugt hat und der Frauen liebt (winkewinke Jolanda!). Dieser in meinen Augen verdammte Begriff "Männlichkeit" taucht immer und immer wieder auf. Beispiel: "Röcke tragen ist *unmännlich*". Ich selbst habe mich seit vier Jahren darüber hinweggesetzt, und zwar äusserst erfolgreich. Jetzt trage ich Röcke sogar bei der Arbeit und keiner hat was dagegen. Bin ich nun deswegen "unmännlich"? Nein! Ich bin der geblieben, der ich schon immer war, nur freier, glücklicher, aber bestimmt nicht "unmännlicher". Also, was ist dann "Männlichkeit"? Für mich ist das nix anderes als Theaterkulisse, Pappmaché. Ein Trugbild, ein Hologramm, das von Männern benötigt wird um ihr Image aufzupolieren, um Schwächen zu verdecken, um fehlendes Selbstbewusstsein zu kaschieren. Dazu benötigen sie dann so Dinge wie Porsche, Ferraris, eine Jacht im Mittelmeer oder einen Armani-Anzug, der sich über einer bis zum Platzen prall gefüllten Brieftasche ausbeult. Da, wo sich bei einem biologisch vollwertigen Mann was ausbeulen sollte, ja, da sucht man (oder frau) dann vergebens. Endweder man hat eine gewisse Ausstrahlung, dann hat man Erfolg bei Frauen, oder man hat sie nicht, dann braucht man eben so "Männlichkeiten" wie schnelle Autos etc.pp. Für mich ist also "Männlichkeit" ein anderes Wort für "Künstlichkeit". Das sind in meinen Augen Krücken, die nur wenig selbstbewusste Männer brauchen; an die die Gesellschaft aber inzwischen so gewöhnt ist, dass sie Männer ohne diese garnicht mehr als Männer wahrnehmen kann. Ich persönlich jedenfalls pfeife darauf, ich brauche sowas nicht, und ich bin sehr sehr glücklich und ausgeglichen dadurch. Weil ich keine Enerige unnötig für die Aufrechterhaltung solcher Trugbilder aufwenden muss. Die kann ich viel besser für Positives einsetzen und tue das auch.

Freundliche Grüsse,
Ferdi

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Arne Hoffmann, Friday, 07.03.2003, 00:45 (vor 7910 Tagen) @ Ferdi

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Ferdi am 06. März 2003 22:30:21:

Huch, Ferdi, was machst du denn hier? ;-)

Ich verfolge schon geraume Zeit Eure Diskussion die auf einem so hohen Niveau stattfindet, dass ich Mühe habe, Euch zu folgen ...

Keine Angst, geht mir genauso. :-)

Aber jetzt möchte ich einmal fragen: "Männlichkeit", was hat man darunter eigentlich zu verstehen? Ich persönlich empfinde den Begriff "Männlichkeit" als einengend.

Ja, ja, ja. Volle Zustimmung von mir und sicher auch von Susu (ohne hier vorgreifen zu wollen). "Männlichkeit" versteht sicher jeder unterschiedlich und ist auch im Laufe der Jahrzehnte, erst recht der Jahrhunderte, mit unterschiedlichen Vorstellungen verbunden. Deshalb habe ich "männlich" und "weiblich" auch in Anführungszeichen gesetzt. Ich meine mit "männlich" soviel wie:
"die traditionelle Vorstellung von Männlichkeit, wie sie vermutlich für die meisten unserer Väter noch allgemein selbstverständlich war und wie sie im Kino beispielsweise von John Wayne, Rock Hudson, Burt Reynolds, Bruce Willis und Arnold Schwarzenegger verkörpert wurde".

Das soll nicht heißen, dass ich Brüche in diesem traditionellen Männlichkeitskonzept übersehe oder ignoriere (beispielsweise wenn ein Mann, der in seiner Rolle als frauenverführender Macho auftritt, in Wahrheit homosexuell ist), noch dass ich andere Entwürfe, wie sie etwa von James Dean, Johnny Depp, Morgan Freeman oder dir, Ferdi, vertreten werden, für "unmännlich" halte. Ich muss dieses traditionelle Konzept von Männlichkeit nur irgendwie bezeichnen können. :-)

Herzlicher Gruß

Arne

"Wann ist ein Mann ein Mann ... heheyhoh ... Männer sind schon als Baby blau ..." *träller*

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Ferdi, Friday, 07.03.2003, 01:26 (vor 7910 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Arne Hoffmann am 06. März 2003 22:45:47:

Huch, Ferdi, was machst du denn hier? ;-)

Hmm, ich sitze gerade vor dem Monitor, lese Postings und verspeise Trockenpflaumen. *grins*;-)

die traditionelle Vorstellung von Männlichkeit, wie sie vermutlich für die meisten unserer Väter noch allgemein selbstverständlich war und wie sie im Kino beispielsweise von John Wayne, Rock Hudson, Burt Reynolds, Bruce Willis und Arnold Schwarzenegger verkörpert wurde

siehste, alles Hollywood-Vorbilder. Ist doch heute mit den vielen Fernsehkanälen auch so, da werden auch Vorbilder gemacht und alle stürzen sich kritiklos drauf, ohne zu überprüfen, ob das ihrer Persönlichkeit guttut oder nicht. Und hinterher wird sich darüber beklagt, dass sie ja alle so in der Masse untergehen. Wenn alle die gleiche Farbe haben, fehlt doch der Kontrast, dann wird man nicht mehr wahrgenommen. Aber dass sie (ich meine die Menschenmassen draussen) das durch ihr Konsumverhalten selbst schuld sind, darauf kommen sie nicht. Und dann kommt auf einmal einer wie der Daniel Küblböck und ist einfach er selbst. Dann auf einmal setzt es wilde, widerliche Drohungen, weil Daniel etwas vorführt, was die Masse im Grunde ihres Herzens auch sein will, sich aber nicht traut. In dem Ärger über ihre eigene Angst, sich zu entfalten, entlädt sich der Neid dann hasserfüllt auf jenen, der das locker bringt.

Das soll nicht heißen, dass ich Brüche in diesem traditionellen Männlichkeitskonzept übersehe oder ignoriere (beispielsweise wenn ein Mann, der in seiner Rolle als frauenverführender Macho auftritt, in Wahrheit homosexuell ist), noch dass ich andere Entwürfe, wie sie etwa von James Dean, Johnny Depp, Morgan Freeman oder dir, Ferdi, vertreten werden, für "unmännlich" halte.

Finde ich gut, dass Du von "Männlichkeitskonzept" sprichst. Damit drückst Du aus, dass Du das für etwas geplantes und nicht für etwas spontanes hälst. Und was geplantes, konzipiertes, also künstliches ist die "Männlichkeit" ja auch. Im Übrigen, ob jemand meinen Entwurf für "unmännlich" hält, ist mir einfach nur schnuppe. Ich weiss es besser, ich kenne mich am besten.

Wann ist ein Mann ein Mann ... heheyhoh ... Männer sind schon als Baby blau ..."

Das habe ich nicht mitgekriegt, da war ich noch zu klein. ;-))

Liebe Grüsse von einem ausserordentlich gutgelaunten Ferdi!

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Arne Hoffmann, Saturday, 08.03.2003, 13:27 (vor 7908 Tagen) @ Ferdi

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Ferdi am 06. März 2003 23:26:06:

Hi Ferdi,

siehste, alles Hollywood-Vorbilder.

Kann natürlich daran liegen, dass ich vor kurzem ein Seminar "Männlichkeit im Film" besucht habe und mir das noch nachhängt. :-)

Im Übrigen, ob jemand meinen Entwurf für "unmännlich" hält, ist mir einfach nur schnuppe. Ich weiss es besser, ich kenne mich am besten.

Das ist dann ja auch sehr gut. Aber wie du aktuell bei Max und Moni gepostet hast, fühlen sich ja immer mehr Männer abgewertet. In dem auch unter http://www.news.ch/detail.asp?ID=133577 einsehbaren Artikel heißt es: "Nach drei Jahrzehnten weiblicher Emanzipation sind viele Männer mit den Nerven am Ende. Sie fühlen sich abgewertet und von dem dumpfen Gefühl geplagt vom Aussterben bedroht zu sein. Zwischen den Geschlechtern seien wegen des schmerzvollen Leidens der Männer Neuverhandlungen nötig, heisst es in einer sozialwissenschaftlichen Studie des französischen CCA-Instituts im Auftrag der Pariser Frauenzeitschrift Elle. Jüngere Männer fühlten sich feminisiert, die mittleren Jahrgänge hätten resigniert oder seien verbittert, die Reiferen seien hilflos und sähen sich als überflüssig an. Frauen würden oft als aggressiv empfunden und ihre Unabhängigkeit als eine Form von Gewalt, kommentierte der Soziologe Robert Ebguy in Paris seine Studie."

(Natürlich wird nicht nur die Unabhängigkeit von Frauen, sondern auch die - verbale, psychische oder körperliche - Gewalt von Frauen als Gewalt empfunden.)

Das trifft ziemlich genau das, was ich meine, wenn ich von einer Abwertung traditioneller Männlichkeit spreche.

Und ich befürchte, dass wenn die Aggression mancher Frauen anhält, manche Männer darauf mit Gegen-Aggression reagieren werden, auch um so ihre verlorengegangene Männlichkeit vermeintlich wiederherzustellen. Worauf diese Frauen dann wieder die Gelegenheit haben, sich in die Opferrolle zu flüchten. Vernünftiger wäre es vielleicht, die Abwertung von Anfang an zu vermeiden.

Herzlicher Gruß

Arne

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Ferdi, Saturday, 08.03.2003, 14:36 (vor 7908 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Arne Hoffmann am 08. März 2003 11:27:29:

Hi Arne!

Jüngere Männer fühlten sich feminisiert, die mittleren Jahrgänge hätten resigniert oder seien verbittert, die Reiferen seien hilflos und sähen sich als überflüssig an.

Leider finden sehr viele Männer keine Gegenstrategien. Meiner Ansicht nach braucht sich kein einziger Mann hilflos oder überflüssig zu fühlen, wenn er aus der Entwicklung die richtigen Konsequenzen zieht. Und die heisst für mich: Befreiung von der Wirkung der "weiblichen Waffen", Eliminierung der weiblichen Einflussnahme auf die Männer, oder besser gesagt: Neutralisierung derselben.

Das funktioniert. Nach meiner Scheidung vor vier Jahren habe ich mich ganz rational und bewusst gegen die verführerische Attraktivität von Frauen immunisiert. Das hat nach meiner Erfahrung eine enorme Rückwirkung auf die Frauen selbst, was darin gipfelt, dass nun die Frauen selbst sich wie Männer verhalten und hinter einem herlaufen. Ich habe das so nicht erwartet, aber dieser Effekt hat mir eine gewisse ausgleichende Befriedigung gegeben. Hinzu kam die Erkenntnis, dass Frauen alleine nicht der Schlüssel zu einem glücklichen, zufriedenen Leben sein müssen. Leider stellen die allermeisten Männer die Frauen zu sehr in ihren Lebensmittelpunkt und das führt dann zu der jetzt beobachtbaren masslosen Überheblichkeit und Zickigkeit vor allem der mittleren und jüngeren Frauengeneration. Wenn die mal gelernt haben sollten, dass ihre Attaktivität auf Männer nicht grenzenlos ist und dass selbstbestimmte Männer ihre Gefühle und Triebe unter Kontrolle haben, dann kommen die auch schnell wieder auf den Teppich und dann ist ein Geschlechterdialog "in Augenhöhe" erst möglich.

Freundliche Grüsse,
Ferdi

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Alex, Sunday, 09.03.2003, 17:55 (vor 7907 Tagen) @ Ferdi

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Ferdi am 08. März 2003 12:36:42:

Hallo Ihr Lieben,

jetzt muß ich auch mal hier mitmischen :-)

Zum Einen, weil mir die Diskussion mit Susu übers Wochenende schon zu fehlen beginnt... kaum zu glauben, nach solchen Gesprächen kann man in kürzester Zeit süchtig werden :o)
Die Gedanken von Susu sind so tiefgründig und frei von geistigen Axiomen, wie ich es nur sehr selten erlebt habe und auf der anderen Seite so präzise formuliert dass es eine Freude ist sich damit zu beschäftigen.
Ich stimme Euch zu, dass Susu auf einem sehr hohen Niveau schreibt (und ich denke sich sogar noch bewußt zurückhält, damit wir verstehen können, was gemeint ist *g*).

Die größsten Hemmnisse am Verstehen der Texte entstehen aber nicht durch das Niveau, sondern dadurch, dass es Euch, Ferdi und Arne (mit leichten Vorteilen bei Arne), schwer fällt einen so gender-losgelösten Standpunkt nachzufühlen, wie ihn Susu einnimmt.

Das sehe ich gut, an der Art wie die Diskussion hier weitergeführt wird, wenn Susu ein paar Tage mal nicht präsent ist.

Deswegen möchte ich an dem Punkt ansetzen, an dem die Diskussion zwischen Ferdi und Arne weiterging. Auf emotionaler Ebene dürfte ich mit Susu sehr stark übereinstimmen. Ich kann es nicht so brilliant formulieren und bin bei weitem nicht so belesen, speziell auch was Gender Themen betrifft, aber vielleicht kann mein Posting helfen zu verstehen, wie jemand denkt und fühlt, der die Einteilung der Welt in männliche und weibliche Wesen von frühster Kindheit an nie verstanden bzw. später einfach für eine unsinnige Illusion gehalten hat.

Ferdi schrieb:
Aber jetzt möchte ich einmal fragen: "Männlichkeit", was hat man darunter eigentlich zu verstehen? Ich persönlich empfinde den Begriff "Männlichkeit" als einengend. Ich empfinde ihn so, dass man mir sagen wollte: "Es genügt nicht, dass Du ein biologisch vollwertiger und vollständiger Mann bist, nein, Du hast gefälligst auch *männlich* zu sein". Ich empfinde ihn also als Versuch, mich auf ein Gleis zu setzen, das in eine Richtung führt, in die ich garnicht will. Ich definiere mich als einen Menschen, der Kinder zeugen kann und auch gezeugt hat und der Frauen liebt (winkewinke Jolanda!).

Einengend ist jede Rolle, die man glaubt erfüllen zu müssen. Die Frage ist eigentlich: Wie kommt es, dass sich so viele genötigt sehen einer Illusion "Männlichkeit" oder "Weiblichkeit" nachzulaufen und sich dadurch selbst die Freiheit zu beschneiden. Bzw. anders herum: Warum "bestraft" man Menschen die dies nicht tun.

Für mich selber ist Männlichkeit und Weiblichkeit eine Illusion, zwei Worte, die über die Eigenarten des damit bezeichneten Menschen nahezu nullkommanichts aussagen.
Oder um es mit Einstein zu sagen: Alles ist relativ! Wenn ich ein Metermaß habe, kann ich dieses als Bezugspunkt verwenden um die Größe einer gemessenen Strecke zu beschreiben (Susu, nicht hauen, ich weiß, dass die Entfernung nach Einstein trotzdem noch relativ bleibt *g*).

Bei männlich/weiblich funktioniert sowas aber nicht, da jeder Mensch sein eigenes Metermaß hat.
Stellt Euch vor jeder Verkäufer auf dem Wochenmarkt hätte eine eigene Wage und würde Euch wenn ihr 1kg von etwas verlangt nach EURER Wage alles zwischen 1g und 10000g verkaufen? Ahnt Ihr was das für eine Verwirrung erzeugen würde?

Der tolle Geschlechterkampf kommt in meinen Augen dadurch zustande, dass die Unterschiede der individuellen "Metermaße" verleugnet werden. Und das verhindert damit auch zu erkennen, wie wenig die Begriffe männlich/weiblich überhaupt aussagen. Wenn ich 1kg verlange und bekomme alles zwischen 1g und 10000g, sagt der Begriff 1kg einfach FAST NICHTS mehr aus.
Aber Menschen sind irrational. Jeder, der sich mit Psychologie mal beschäftigt hat, weiß, dass jede Handlung, und sei sie noch so destruktiv, für den der sie verübt "Vorteile" hat. Jemand, der sich beispielsweise selbst verletzt, tut dies, weil es nach seinen Maßstäben VORTEILE hat. Andere, z.B. auch ein Therapeut versuchen nun die Maßstäbe soweit zu verschieben, dass derjenige weniger selbstzerstörerische Wege benutzt.

Was das mit dem Gender-Thema zu tun hat? Ganz einfach, zusammengefasst:

<ul><li>Menschen sind irrational
<li>Fast jede Ansicht die ein Mensch vertritt bietet ihm Vorteile
<li>Es ist oft schwierig diese "Vorteile" nachzuvollziehen, da sie evtl. nur nach dem Wertesystem desjenigen einen Vorteil darstellen</ul>

Susu hat in dem Grundsatzposting sehr schön ausgearbeitet worin diese Vorteile liegen, und warum die Illusion von "zwei Sorten" Menschen nicht längst im kollektiven Bewußtsein als Illusion erkannt und als solche behandelt wird.

Und da dies so ist, ist im kollektiven Bewußtsein nicht nur der biologische Unterschied vertreten (wo es wie Susu schrieb auch schon Ausnahmen gibt und eben nicht nur männlich und weiblich) sondern ein irrsinniges Gespinst von schein-philosphischen Aussagen, wovon KEINE einer objektiven Prüfung standhalten würde.
Deswegen Susu's Ausflug in die Statistik, bzgl. der tertiären Geschlechtsmerkmale. Die Mathematik wäre hier ein wirklich objektives Werkzeug... und sie sagt: Bei den tertiären Geschlechtsmerkmalen läßt sich keine Aussage bzgl. männlich/weiblich mehr treffen.

So... das war nun erstmal die Grundlage von dem was nun noch fehlt:

Ferdi ärgert sich, wenn jemand aufgrund des Röcketragens auf seine Männlichkeit schließt, das hab ich zumindest einigen Postings aus dem Rocker-Forum entnommen.
Ich, und ich denke Susu auch reagieren kopfschüttelnd, weil der Begriff Männlichkeit schon an sich ein Hirngespinst, eine Illusion ist.
Verstehst Du den Unterschied? Ich möchte garnicht männlich oder weiblich sein, weil diese Begriffe keinerlei Aussagekraft haben. Jede Aussagekraft wird ihnen nur angedichtet, hält keiner objektiven Prüfung stand und existiert nur schon so lange, dass sie für viele Menschen zu Axiomen mutiert ist.

Jeder Mathematiker weiß aber, dass sich jede beliebige Aussage beweisen läßt, wenn man nur von den richtigen Axiomen ausgeht.
So ist z.B. 1+1=0, wenn ich einfach festlege "plus" = "minus" und Zweifel an dieser Festlegung nicht zulasse... es zum Axiom erhebe.

Wir sind gesellschaftlich an einem Punkt, wo Zweifel an der Festlegung "Es gibt männlich und weiblich und diese unterscheiden sich" noch sehr selten zugelassen sind.
Aber dennoch sind diese Zweifel wohl mehr denn je zulässig.

Arne schrieb:
Oder ist sowas einfach nur eine Gegenreaktion darauf, dass die Geschlechtergrenzen in Wahrheit immer fließender geworden sind?

Die Grenzen werden scheinbar fließender, weil mehr Menschen sich die Freiheit nehmen Gender-Axiome auf Sinngehalt zu prüfen und sich ggf. darüber hinweg zu setzen.

Arne schrieb an Susu:
Apropos ihm/ihr: Wie möchtest du eigentlich, dass auf DICH Bezug genommen wird? Auch in dieser Form, also "Susu hat mich seinen/ihren Text lesen lassen"? Oder anders? Oder wurscht?

Mir wäre es gleich. Ich vermute Susu auch :-) Mal sehen was sie antwortet.

Arne schrieb:
Ich bin damit immer noch nicht ganz glücklich, weil ich immer noch glaube, dass da eine dritte Abwertung fehlt.

Ich denke, damit liegst Du falsch, da dies eine umfassende Theorie sogar wieder einschränken würde.
Susu's zwei Abwertungen reichen völlig aus, wenn man davon ausgeht, dass die zweite Abwertung die Begründung für ein solches Vorgehen liefert.
Menschen die nur destruktiv streiten können, versuchen sich selbst größer zu machen, indem sie die Vorzüge des Streitgegners entwerten.
Wären für hohe Machtpositionen nicht "männliche" Praxen nötig, die zweite Abwertung also nicht existent, dann wäre es auch unnötig diese wertemäßig zu invertieren.
Dennoch enthält dieses Vorgehen ein Paradoxon, was in unserer Gesellschaft dann Frauen in hohen Machtpositionen auch zu spüren bekommen:
Die zweite Abwertung trifft sie voll UND die negative Wertung gewisser "Tugenden" zusätzlich. Nettes Beispiel wäre da die "machtgierige"
Margaret Thatcher oder aktueller auch Angela Merkel.

Da leider sehr viele Menschen destruktiv streiten, liegt es nahe, dass Deine dritte Abwertung die unmittelbare Folge von der zweiten Abwertung ist.

Ferdi schrieb:
siehste, alles Hollywood-Vorbilder. Ist doch heute mit den vielen Fernsehkanälen auch so, da werden auch Vorbilder gemacht und alle stürzen sich kritiklos drauf, ohne zu überprüfen, ob das ihrer Persönlichkeit guttut oder nicht. Und hinterher wird sich darüber beklagt, dass sie ja alle so in der Masse untergehen. Wenn alle die gleiche Farbe haben, fehlt doch der Kontrast, dann wird man nicht mehr wahrgenommen. Aber dass sie (ich meine die Menschenmassen draussen) das durch ihr Konsumverhalten selbst schuld sind, darauf kommen sie nicht. Und dann kommt auf einmal einer wie der Daniel Küblböck und ist einfach er selbst. Dann auf einmal setzt es wilde, widerliche Drohungen, weil Daniel etwas vorführt, was die Masse im Grunde ihres Herzens auch sein will, sich aber nicht traut. In dem Ärger über ihre eigene Angst, sich zu entfalten, entlädt sich der Neid dann hasserfüllt auf jenen, der das locker bringt.

Da ist eine ganze Menge dran! Daniel macht nämlich ANGST!
Warum? Nun: Was passiert mit einem Menschen, der seine ganze Selbstdefinition auf einer Illusion aufgebaut hat?
Er weigert sich, diese als Illusion zu erkennen... er wird sie vehement verteidigen mit allen Mitteln. Daniel ist eine personofizierte Bedrohung des Selbstbildes derer, die sich ausschließlich über diese Illusion selbst definieren. Andere dagegen lieben ihn deswegen so, weil sie die eigene Freiheit nicht leben (und glauben sie nicht leben zu können) und projezieren die eigenen Wünsche auf ihn um wenigstens ein wenig dieser Freiheit spüren zu können.
So polarisiert Daniel die Nation.

Du hast völlig Recht, wenn Du schreibst, dass viele die kecke Frechheit eines Daniel K. besitzen möchten... aber wenige denken darüber nach, warum sie sie nicht haben.

Ferdi schrieb an Arne:
Finde ich gut, dass Du von "Männlichkeitskonzept" sprichst. Damit drückst Du aus, dass Du das für etwas geplantes und nicht für etwas spontanes hälst. Und was geplantes, konzipiertes, also künstliches ist die "Männlichkeit" ja auch. Im Übrigen, ob jemand meinen Entwurf für "unmännlich" hält, ist mir einfach nur schnuppe. Ich weiss es besser, ich kenne mich am besten.

Dadurch dass es Dir egal ist, bist Du geistig schon ein riesengroßes Stück von einem "Otto Normal" entfernt. Wenn Du jetzt noch anzweifelst, dass das Wort "männlich" überhaupt eine Bedeutung, außer der traditionell gewachsenen Bezeichnung für ein Hirngespinst ist, landest Du ungefär da, wo ich mich (und ich denke auch Susu) befinde.

Arne schrieb:
Das ist dann ja auch sehr gut. Aber wie du aktuell bei Max und Moni gepostet hast, fühlen sich ja immer mehr Männer abgewertet. In dem auch unter http://www.news.ch/detail.asp?ID=133577 einsehbaren Artikel heißt es: "Nach drei Jahrzehnten weiblicher Emanzipation sind viele Männer mit den Nerven am Ende. Sie fühlen sich abgewertet und von dem dumpfen Gefühl geplagt vom Aussterben bedroht zu sein. Zwischen den Geschlechtern seien wegen des schmerzvollen Leidens der Männer Neuverhandlungen nötig, heisst es in einer sozialwissenschaftlichen Studie des französischen CCA-Instituts im Auftrag der Pariser Frauenzeitschrift Elle. Jüngere Männer fühlten sich feminisiert, die mittleren Jahrgänge hätten resigniert oder seien verbittert, die Reiferen seien hilflos und sähen sich als überflüssig an. Frauen würden oft als aggressiv empfunden und ihre Unabhängigkeit als eine Form von Gewalt, kommentierte der Soziologe Robert Ebguy in Paris seine Studie."

(Natürlich wird nicht nur die Unabhängigkeit von Frauen, sondern auch die - verbale, psychische oder körperliche - Gewalt von Frauen als Gewalt empfunden.)

Das trifft ziemlich genau das, was ich meine, wenn ich von einer Abwertung traditioneller Männlichkeit spreche.

Und ich befürchte, dass wenn die Aggression mancher Frauen anhält, manche Männer darauf mit Gegen-Aggression reagieren werden, auch um so ihre verlorengegangene Männlichkeit vermeintlich wiederherzustellen. Worauf diese Frauen dann wieder die Gelegenheit haben, sich in die Opferrolle zu flüchten. Vernünftiger wäre es vielleicht, die Abwertung von Anfang an zu vermeiden.

Nun ja... nun landen wir wieder da, wo die Illusion eine größere Rolle, als die Realität einnimmt. Wenn sich junge Männer "femininisiert" fühlen, woran liegt es? Daran, dass sie "umgepolt" werden? Oder daran, dass sie nicht vor den Gender-Axiom-Gläubigen bestehen können?
Es liegt daran, dass sich in den letzten Jahren "Verhaltensregeln" entwickelt haben, die selbst wenn man es wollte unerfüllbar sind! Wenn ich nach Rollenklischees gehe, dürfte man nur weiblich ODER männlich sein UND müßte trotzdem beides gleichzeitig sein, dürfte es aber nicht.
Wie auch immer sich jemand verhält... an solchen "Regeln" MUSS man(n wie Frau) scheitern!
Trotzdem werden diese Regeln nur selten angezweifelt. Es ist wie mit dem mathematischen Beweis oben: 1+1 wäre 0 aber auch 2. Nur weil ich festgelegt habe, dass "plus" gleich "minus" ist. Es wäre nun, als ob jeder weiß, dass 2 zwar ungleich 0 ist, aber trotzdem niemand auf die Idee kommt an der Regel "plus" = "minus" zu zweifeln... weil DIE ist ja ein Axiom und muß ja somit gelten!
Und die ganze Aggression die Du beschreibst und befürchtest, beruht fast vollständig auf diesem Prinzip!

Das hat mich im übrigen dazu verleitet hier nun ein klitzekleines *g* Posting zu hinterlassen. Ihr seid von der objektiven Ebene nach Susu's letztem Posting wieder in das Regelsystem gerutscht. Und von einem ins System eingebundenen Standpunkt wird es viel schwerer bis unmöglich objektive Aussagen zu treffen. Das kann man nur, wenn man ein System von außen betrachtet.

Liebe Grüße

Alex

Mildes Kopfschütteln

Rüdiger, Sunday, 09.03.2003, 20:17 (vor 7907 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Alex am 09. März 2003 15:55:03:

Hallo Ihr,

nun mal ein paar Anmerkungen von "Otto Normalverbraucher" (so komme ich mir langsam hier vor, obwohl ich das nicht bin, und ich verstehe langsam wieder, warum ich als Philologie- und Geschichtsstudent mich immer lieber an den "harten" politischen und grammatischen Fakten orientiert hab und verblasen-abgehobene geisteswissenschaftliche Werke wie die Mieselsucht gescheut habe;-) )

Die größsten Hemmnisse am Verstehen der Texte entstehen aber nicht durch das Niveau, sondern dadurch, dass es Euch, Ferdi und Arne (mit leichten Vorteilen bei Arne), schwer fällt einen so gender-losgelösten Standpunkt nachzufühlen, wie ihn Susu einnimmt.

Ja, allerdings. Auch wenn die Geschlechterrollenklischees zweifellos etwas Antiquiertes, Lächerliches und den einzelnen Einengendes haben, so kann ich doch nur den Kopf schütteln über die These, das "Geschlecht" (Sex oder Gender?) sei ein "soziales Konstrukt". Dabei bin ich selber gelegentlich Hobby-TV, aber in meinen "weiblichen Phantasien" suche ich - wie die meisten TVs - ja gerade das Gegenbild zur "harten Männlichkeit", nämlich verschmust-anschmiegsame Weiblichkeit, und ein Gegenbild kann es nur dort geben, wo es ein "Urbild" gibt, sozusagen ;-) Ich glaub auch nicht, daß man "Sex" und "Gender" so einfach voneinander loslösen kann, und diese Debatten über Begriffe wie "queer" oder "ISCHLBHSL" - oder war's "ERLKHJUKRQQ"? - lösen bei mir nur einen Fluchtreflex und den Wunsch aus, nie mehr in Kreisen verkehren zu müssen, die anscheinend keine anderen Sorgen zu haben scheinen als diese ....

Für mich selber ist Männlichkeit und Weiblichkeit eine Illusion, zwei Worte, die über die Eigenarten des damit bezeichneten Menschen nahezu nullkommanichts aussagen.

Meinst Du jetzt "Gender" oder "Sex"? Also bei den biologischen Geschlechtern dürfte doch wohl klar sein, daß es sie gibt, auch wenn es gelegentlich Zwitterwesen gibt.

Bei männlich/weiblich funktioniert sowas aber nicht, da jeder Mensch sein eigenes Metermaß hat.

Bei allen Unterschieden in der individuellen Werteskala gibt es aber doch so eine Art "Mittelmaß des Empfindens", so eine Art gesellschaftlicher Konsensus, ein "Durchschnittsempfinden" - genau jenes Empfinden, über das sich Ferdi mitunter so aufregt. Ein Durchschnittsempfinden, das sich zwar langsam verschiebt, das aber trotzdem da ist und sich nicht wegleugnen läßt.

Der tolle Geschlechterkampf kommt in meinen Augen dadurch zustande, dass die Unterschiede der individuellen "Metermaße" verleugnet werden.

Nö, der Kampf kommt dadurch zustande, daß mal die Menschen eines Geschlechts (biologisch) benachteiligt werden, mal die des anderen. Bist du mit xy-Chromosomen geboren, mußt du zum Bund, egal wie du deine Männlichkeit definierst.

>Und das verhindert damit auch zu erkennen, wie wenig die Begriffe männlich/weiblich überhaupt aussagen.

Vielleicht nicht allzu viel, aber einiges doch.

Aber Menschen sind irrational. Jeder, der sich mit Psychologie mal beschäftigt hat, weiß, dass jede Handlung, und sei sie noch so destruktiv, für den der sie verübt "Vorteile" hat.
<li>Es ist oft schwierig diese "Vorteile" nachzuvollziehen, da sie evtl. nur nach dem Wertesystem desjenigen einen Vorteil darstellen</ul>
Susu hat in dem Grundsatzposting sehr schön ausgearbeitet worin diese Vorteile liegen, und warum die Illusion von "zwei Sorten" Menschen nicht längst im kollektiven Bewußtsein als Illusion erkannt und als solche behandelt wird.

Wieso Illusion? Es GIBT doch nun mal xx- und xy-Träger, das ist doch nicht wegzudiskutieren, und NUR xx-Träger können Kinder gebären - eine Tatsache, die mannigfaltige Konsequenzen nach sich zieht bis hin zu Karrierefragen etc.. Ob die Konsequenzen dieser biologisch bedingten Geschlechterrolle so gewaltig sein müssen wie früher, ob sie überhaupt in der Art sein müssen, wie wir es gewohnt sind, darüber läßt sich streiten, aber sie zu leugnen ist m. E. kein geeigneter Ausgangspunkt für eine Debatte. Denn eine Debatte, die auf falschen Prämissen beruht, kann nichts Gescheites hervorbringen.

Und da dies so ist, ist im kollektiven Bewußtsein nicht nur der biologische Unterschied vertreten (wo es wie Susu schrieb auch schon Ausnahmen gibt und eben nicht nur männlich und weiblich) sondern ein irrsinniges Gespinst von schein-philosphischen Aussagen, wovon KEINE einer objektiven Prüfung standhalten würde.

Wirklich KEINE? WENIGE vielleicht - aber siehe oben ...

So... das war nun erstmal die Grundlage von dem was nun noch fehlt:
Ferdi ärgert sich, wenn jemand aufgrund des Röcketragens auf seine Männlichkeit schließt, das hab ich zumindest einigen Postings aus dem Rocker-Forum entnommen.
Ich, und ich denke Susu auch reagieren kopfschüttelnd, weil der Begriff Männlichkeit schon an sich ein Hirngespinst, eine Illusion ist.

"Männlichkeit" eine Illusion? Dann schau mal nach unten, oder laß einen Gentest machen ... oder meinst Du wieder nur "Gender"? Ihr wollt die Begrifflichkeit klären, vermanscht aber selber pausenlos alles. Beim Begriff "Männlichkeit" denke ich nun mal - wie wohl die meisten Menschen - automatisch zunächst einmal an das biologische Geschlecht (die "sozialen Implikationen" schwingen da allenfalls als Konnotation des Männlichkeitsbegriffs im Hintergrund mit).

Verstehst Du den Unterschied? Ich möchte garnicht männlich oder weiblich sein,

Bist du aber, ob du's willst oder nicht.

weil diese Begriffe keinerlei Aussagekraft haben.

Haben sie doch. Schau mal auf Deine einschlägigen Organe;-)

>Jede Aussagekraft wird ihnen nur angedichtet, hält keiner objektiven Prüfung stand und existiert nur schon so lange, dass sie für viele Menschen zu Axiomen mutiert ist.

Jeder Mathematiker weiß aber, dass sich jede beliebige Aussage beweisen läßt, wenn man nur von den richtigen Axiomen ausgeht.
So ist z.B. 1+1=0, wenn ich einfach festlege "plus" = "minus" und Zweifel an dieser Festlegung nicht zulasse... es zum Axiom erhebe.
Wir sind gesellschaftlich an einem Punkt, wo Zweifel an der Festlegung "Es gibt männlich und weiblich und diese unterscheiden sich" noch sehr selten zugelassen sind.

Wenn Du mit "männlich" oder "weiblich" die Biologie meinst, wäre das auch höchst albern. Dann sind es tatsächlich Axiome, empirisch belegbar.

Und dann kommt auf einmal einer wie der Daniel Küblböck und ist einfach er selbst. Dann auf einmal setzt es wilde, widerliche Drohungen, weil Daniel etwas vorführt, was die Masse im Grunde ihres Herzens auch sein will,

Wirklich? Glaubst Du, daß jeder bi sein will? Also ich will's nicht.

sich aber nicht traut. In dem Ärger über ihre eigene Angst, sich zu entfalten, entlädt sich der Neid dann hasserfüllt auf jenen, der das locker bringt.[/i]
Da ist eine ganze Menge dran! Daniel macht nämlich ANGST!

Warum eigentlich? Ich mußte erst mal nachrecherchieren, wer das eigentlich ist; obwohl ich eigentlich dank Deutschlandfunk, Phönix und SPIEGEL ein relativ gutinformierter Zeitgenosse sein sollte;-), von der Existenz dieser sonderbaren Star-Sendung habe jedenfalls schon vorgestern erfahren. Ob den überhaupt so viele Leute kennen? Und wenn ein paar Proleten ihn anfeinden - na und? Die richten sich doch selber. Ich habe mittlerweile die "offizielle Fanseite" des D. K. gesehen - aber nichts gefunden. Bisexualität holt doch schon lange keinen mehr hinter dem Ofen hervor. Wir haben schwule Tagesschausprecher gehabt und jetzt einen schwulen Präsidenten des FC St. Pauli - na und?

Warum? Nun: Was passiert mit einem Menschen, der seine ganze Selbstdefinition auf einer Illusion aufgebaut hat?
Er weigert sich, diese als Illusion zu erkennen... er wird sie vehement verteidigen mit allen Mitteln. Daniel ist eine personofizierte Bedrohung des Selbstbildes derer, die sich ausschließlich über diese Illusion selbst definieren. Andere dagegen lieben ihn deswegen so, weil sie die eigene Freiheit nicht leben (und glauben sie nicht leben zu können) und projezieren die eigenen Wünsche auf ihn um wenigstens ein wenig dieser Freiheit spüren zu können.
So polarisiert Daniel die Nation.

Die NATION polarisieren? Jo mei o mei, mein Kopfschütteln über diese Thesen wird immer größer. Was interessiert's, was irgendso ein Heini - von dessen Existenz ich bis gerade eben noch nicht mal wußte - im Bett für Präferenzen hat? ICH muß ja nicht SEIN Leben leben ....

Du hast völlig Recht, wenn Du schreibst, dass viele die kecke Frechheit eines Daniel K. besitzen möchten... aber wenige denken darüber nach, warum sie sie nicht haben.

Ach doch, das ist ihnen schon klar. Wenn sie z. B. mit einer Ehefrau gesegnet sind, die solche "Extratouren" nicht dulden würde ...

Ferdi schrieb an Arne:
Finde ich gut, dass Du von "Männlichkeitskonzept" sprichst. Damit drückst Du aus, dass Du das für etwas geplantes und nicht für etwas spontanes hälst. Und was geplantes, konzipiertes, also künstliches ist die "Männlichkeit" ja auch.

Also daß da irgendeine Plankommission sitzt wie im Ostblock und in der xten Sitzung sagt: "So, heute wollen wir mal das neue Männlichkeitsanforderungsprofil erstellen, dem sich jeder Mann in den nächsten 10 Jahren zu unterwerfen hat", das kann ich nun doch nicht glauben. Solche Konzepte entwickeln sich unausgesprochen weiter, ähnlich wie die menschliche Sprache. Ein Geflecht ineinandergreifender Vorstellungen, an denen ständig umgebaut oder weitergewebt wird, ohne daß eine zentrale Instanz das koordiniert. Und wenn z. B. einzelne Menschen in den 60er Jahren ihre negative Wertung der Homosexualität in eine positive kehren, dann reißen sie vielleicht peu à peu andere mit, und auf lange Sicht kann es zu einem Wertewandel in der Bevölkerung kommen.

>Im Übrigen, ob jemand meinen Entwurf für "unmännlich" hält, ist mir einfach nur schnuppe. Ich weiss es besser, ich kenne mich am besten.[/i]

Dadurch dass es Dir egal ist, bist Du geistig schon ein riesengroßes Stück von einem "Otto Normal" entfernt.

Und hier kommt "Otto Normalverbraucher":-). Natürlich lebe ich auch ich gern nach meinem Gusto, und ich mache das vielleicht ungenierter als Otto N.. Nun lebe ich aber nicht allein auf der Welt. Wäre ich z. B. heftig verliebt in eine devote Frau, dann wäre ich mit der Preisgabe meiner Travestie-Phantasien sehr, sehr zurückhaltend, denn sonst ist das Risiko groß, daß ich nur noch eine Staubwolke von hinten sehe. (Alles schon erlebt). Da muß man jedes Mal eine Werteabwägung treffen: Wie viel ist mir diese Frau wert? Soll ich dafür einen Teil meines Ichs verbergen/verleugnen? Solche Abwägungen treffen wir alle, und die "Kompromißlinie" verläuft unterschiedlich, je nachdem wie viel Wert wir auf die Wertschätzung der lieben Mitmenschen und auf Geselligkeit legen. Ich war in früheren Jahren oft recht kompromißlos, aber leider auch oft einsam (und litt mitunter darunter). - Als SMer z. B. ist es mir relativ schnuppe, was die Stino-Öffentlichkeit über meine Leidenschaften denkt, SO LANGE das nicht dazu führt, daß mir und meinem Verlag Gesetzes-Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Mein Verlag und meine Art zu leben ist mir dann doch so viel wert, daß ich in einem solchen Falle an Kampagnen teilnähme, die Otto N. und den Politikern klarmachen, daß wir SMer doch gar nicht so schlimm sind ;-). Denn wie gesagt, wir leben nicht allein auf dieser Welt ....

>Wenn Du jetzt noch anzweifelst, dass das Wort "männlich" überhaupt eine Bedeutung, außer der traditionell gewachsenen Bezeichnung für ein Hirngespinst ist, landest Du ungefär da, wo ich mich (und ich denke auch Susu) befinde.

Das trifft ziemlich genau das, was ich meine, wenn ich von einer Abwertung traditioneller Männlichkeit spreche.

Müßt ihr euch eigentlich so unsympathische Heinis wie den "Hodenlulatsch" (ein Kritiker) Wayne und Arnie aussuchen? Warum nicht Charles Bronson oder Bogey? Oder Bond?;-)

Nun ja... nun landen wir wieder da, wo die Illusion eine größere Rolle, als die Realität einnimmt. Wenn sich junge Männer "femininisiert" fühlen, woran liegt es? Daran, dass sie "umgepolt" werden? Oder daran, dass sie nicht vor den Gender-Axiom-Gläubigen bestehen können?

Es liegt daran, daß sie sich zwischen der (abgewerteten) traditionellen Männerrolle und der von den Frauen geforderten "neuen Männlichkeit" (an die die Frauen aber auch nicht so recht glauben) zerrissen fühlen. Ich glaub nicht, daß die jüngeren Männer krampfhaft an einem antiquierten Männlichkeitsideal à la Wayne festhalten; sie möchten einfach nur sie selbst sein, aber pausenlos nörgelt frau an ihnen herum, sie seien nicht sensibel genug und dies nicht und jenes nicht ...

Es liegt daran, dass sich in den letzten Jahren "Verhaltensregeln" entwickelt haben, die selbst wenn man es wollte unerfüllbar sind! Wenn ich nach Rollenklischees gehe, dürfte man nur weiblich ODER männlich sein UND müßte trotzdem beides gleichzeitig sein, dürfte es aber nicht.

So ungefähr. Sensibel sein, aber kein Weichei. Männlich, aber nicht dominant. Oder dominant, wenn frau es gerade mal wünscht, hart angepackt zu werden. Danach soll im Alltag Männes Dominanz wieder nach Knopfdruck abgestellt werden können, und aus dem Tiger soll wieder ein Bettvorleger werden ;-) - das schaffen nur rückgratlose Männer ...

Wie auch immer sich jemand verhält... an solchen "Regeln" MUSS man(n wie Frau) scheitern!

Eben.

Trotzdem werden diese Regeln nur selten angezweifelt. Ihr seid von der objektiven Ebene nach Susu's letztem Posting wieder in das Regelsystem gerutscht.

Ganz ohne Regeln funktioniert nun mal keine Gesellschaft ....

Und von einem ins System eingebundenen Standpunkt wird es viel schwerer bis unmöglich objektive Aussagen zu treffen. Das kann man nur, wenn man ein System von außen betrachtet.

Ist das jetzt die Illusion der totalen Objektivität;-) ? Auch du bist von diesem System gekommen und kannst dich nicht völlig freimachen davon ....

Gruß, Rüdiger

Re: Mildes Kopfschütteln

Alex, Sunday, 09.03.2003, 23:25 (vor 7907 Tagen) @ Rüdiger

Als Antwort auf: Mildes Kopfschütteln von Rüdiger am 09. März 2003 18:17:13:

Hallo Rüdiger,

freut mich, dass der Text nicht sooo lang war, dass ihn keiner mehr liest :-) und dass Du Dir die Mühe gemacht hast zu antworten.

Ich denke, Du hast mich an ein paar Punkten etwas mißverstanden, und ich werde versuchen das aufzuklären. Damit das Ganze nicht noch länger wird, versuche ich Zitate zu schneiden, wo dies möglich ist, notfalls also bitte nochmal im Original nachlesen.

Zuerst mal: Es ging hier um essentialistische Gedanken. Es geht darum nicht in herkömliche axiomatische Fallen zu treten und von Grundsätzen auszugehen, die vielleicht nicht wirklich welche sind. Versuch man dies nicht baut man sich ein schönes schlüssiges Gedankengebäude auf... nur blöderweise auf Sand. Deswegen habe ich auch teilweise etwas provokant formuliert, das gebe ich zu.

Nun zu Deinem Text:

Hallo Ihr,
[quote]nun mal ein paar Anmerkungen von "Otto Normalverbraucher" (so komme ich mir langsam hier vor, obwohl ich das nicht bin, und ich verstehe langsam wieder, warum ich als Philologie- und Geschichtsstudent mich immer lieber an den "harten" politischen und grammatischen Fakten orientiert hab
[/quote]

Otto Normalverbraucher bist Du nicht, sonst hättest Du hier keine sinnvolle Antwort geschrieben.

Ja, allerdings. Auch wenn die Geschlechterrollenklischees zweifellos etwas Antiquiertes, Lächerliches und den einzelnen Einengendes haben, so kann ich doch nur den Kopf schütteln über die These, das "Geschlecht" (Sex oder Gender?) sei ein "soziales Konstrukt".

Gemeint gewesen ist sogar beides. Ich zitiere mal einen Abschnitt aus Susu's Posting am Anfang dieses Threads:
[center]

<HR></p>[/center]"It´s the biology, stupid!" Oder auch "What about the body?" Was soll schon sein? Aber ich weis was gemeint ist. Nämlich: Es gibt eben zwei biologische Geschlechter und die haben eben unterschiedliche Physis und Psyche. Das Problem mit dieser Ansicht ist folgendes: Schon bei den primären Geschlechtsteilen gibt es Ausnahmen, bei den sekundären gibt es schon mehr Ausnahmen als nicht-Ausnahmen und bei den sogenannten tertiären liegt der Gausskurvenpeak des einen Geschlechts in einem Bereich, in dem die Gausskurve des anderen Geschlechts noch größer als das 2^-0,5-Fache des Peakwertes ist und das entspricht den Erwartungen für ein nicht mit dem Geschlecht korreliertes Merkmal. Statt Männern und Frauen könnten wir also genau so gut LinkshänderInnen und RechtshänderInnen nehmen, da käme dasselbe bei rum. Davon ab hängen viele der Meßbaren Körpereigenschaften von den Lebensgewohnheiten der gemessenen Personen ab, d.h. auch von geschlechtsbezogenen Praxen. Dazu kommt, daß Biologie heute tatsächlich kein Schicksal mehr ist und selbst die immer genannten biologischen Grundlagen von allen adaptiert oder abgeschaft werden können. Männer können Kinder kriegen und stillen, Frauen können das Menstruieren auch schon in den frühen 20ern sein lassen, kein Unterschied, der nicht klein genug zu überwinden wäre."[center]

<HR></p>[/center]

Was Sex betrifft: Es ist wirklich so... die biologischen Unterschiede sind derart gering, und selbst bei den Chromosomen gibt es Ausnahmen.

Was Gender betrifft, wäre es schön mal ohne die Auswirkungen einer Gender-Sozialisation Betrachtungen anstellen zu können. Dabei blieben dann nur wenige, ich meine keine oder fast keine Unterschiede übrig. Aber es dürfte nicht so einfach sein, genderspezifische Einflüsse der Sozialisation wegzudenken und Experimente diesbezüglich... geht auch nicht, weil es gegen jede Ethik verstoßen würde. Mir ist mal eine Studie von Extrem-Feministinnen zu Ohren gekommen, die in einer kleinen Kommune die Geschlechterrollen vertauscht haben sollen, nur weiß ich leider die Quelle nicht mehr... als Experiment ist sowas natürlich ein ethisches Desaster. Wenn sich einige Menschen dazu entschließen so leben zu wollen, ist das für mich ok, aber als wissenschaftliches Experiment äußerst bedenklich.

Dabei bin ich selber gelegentlich Hobby-TV, aber in meinen "weiblichen Phantasien" suche ich - wie die meisten TVs - ja gerade das Gegenbild zur "harten Männlichkeit", nämlich verschmust-anschmiegsame Weiblichkeit, und ein Gegenbild kann es nur dort geben, wo es ein "Urbild" gibt, sozusagen ;-)

Das ist aber alles in Dir! Du bist ja beides in einer Person. DAS meine ich ja damit, dass es nicht nur zwei Geschlechter gibt, sondern viel viel mehr. Und das so einfach in männliche und weibliche Bestandteile aufzulösen finde ich eine zu starke Vereinfachung der Wirklichkeit.

Ich glaub auch nicht, daß man "Sex" und "Gender" so einfach voneinander loslösen kann, und diese Debatten über Begriffe wie "queer" oder "ISCHLBHSL" - oder war's "ERLKHJUKRQQ"? - lösen bei mir nur einen Fluchtreflex und den Wunsch aus, nie mehr in Kreisen verkehren zu müssen, die anscheinend keine anderen Sorgen zu haben scheinen als diese ....

Wie gesagt: Ich bin der Meinung, dass schon beim Sex die Ausnahmen nicht sooo selten sind (nehmen wir als Bezug eben mal die primären Geschlechtsteile)... und je weiter man zu sonstigen Charakteristika kommt, desto häufiger werden die Ausnahmen.
Und darum Gedanken habe ich mir auch eigentlich lange Zeit nicht gemacht, das kam mir erst vor ein paar Tagen wieder in den Sinn, als ich Susu's Posting gelesen hab.
Ich gebe auch zu, dass diese Gedanken auf den ersten Blick seltsam anmuten, vor allem für jemand, der bislang von deutlichen Unterschieden der Geschlechter ausgegangen ist. Ich möchte einfach sagen, dass es nicht immer sinnvoll ist, von scheinbaren Gegebenheiten auszugehen, ohne sie jemals in Frage zu stellen und auf Sinngehalt zu prüfen. Gerade bei Grundsatzüberlegungen führt das zu blöden Fehlern.

Meinst Du jetzt "Gender" oder "Sex"? Also bei den biologischen Geschlechtern dürfte doch wohl klar sein, daß es sie gibt, auch wenn es gelegentlich Zwitterwesen gibt.

Zwitter, bzw. Hermaphroditen sind ein offensichtliches Beispiel, ja... weniger gut sichtbar sind Hormonspiegel und andere körperliche Kleinigkeiten, die dem biologisch anderen Geschlecht angehören... die Übergänge sind fließend. Es sind nicht immer die offensichtlichen Merkmale, z.B. einen Penis von der Größe einer Klitoris, und umgekehrt... es gibt unendlich viele körperliche Merkmale, die man vom biologisch anderen Geschlecht haben kann... viele, die vielleicht auch nie bemerkt werden.

Bei allen Unterschieden in der individuellen Werteskala gibt es aber doch so eine Art "Mittelmaß des Empfindens", so eine Art gesellschaftlicher Konsensus, ein "Durchschnittsempfinden" - genau jenes Empfinden, über das sich Ferdi mitunter so aufregt. Ein Durchschnittsempfinden, das sich zwar langsam verschiebt, das aber trotzdem da ist und sich nicht wegleugnen läßt.

Das ist das, was ich mit kollektivem Bewußtsein meinte. Fakt ist nur, dass dieses recht viele Menschen in den Schatten stellt, weil es nicht auf sie zutrifft. Wenn es ein reines Durchschnittsempfinden wäre und Ausnahmen kein Problem, dann wäre das ja alles auch recht einfach. Nur wenn dieses Durchschnittsempfinden dazu führt, dass Ausnahmen sanktioniert werden... dann ist mit massiven Problemen zu rechnen.

Deswegen der Grundsatzgedanke: Erst mal schaun was real und was ein Konstrukt ist. Dabei muß man zwangsläufig erst mal fast alles in Frage stellen.

Nö, der Kampf kommt dadurch zustande, daß mal die Menschen eines Geschlechts (biologisch) benachteiligt werden, mal die des anderen. Bist du mit xy-Chromosomen geboren, mußt du zum Bund, egal wie du deine Männlichkeit definierst.

Bei meiner Musterung wurden meine Chromosomen nicht überprüft *g*
Und für deren Festlegung von "männlich" kann ich auch nichts, daran habe ich nicht mitgewirkt. Und die Festlegung beweist ja an sich auch garnichts.

Und das verhindert damit auch zu erkennen, wie wenig die Begriffe männlich/weiblich überhaupt aussagen.
[quote]Vielleicht nicht allzu viel, aber einiges doch.
[/quote]

Dann nenn bitte Beispiele. An diesen Punkt möchte ich sehr gerne :-)

Wieso Illusion? Es GIBT doch nun mal xx- und xy-Träger, das ist doch nicht wegzudiskutieren, und NUR xx-Träger können Kinder gebären -

Und XXY und X? Auch bei XY wurde schon eine Gebährmutter gefunden! Welche Chromosome haben Hermaphroditen?......

..eine Tatsache, die mannigfaltige Konsequenzen nach sich zieht bis hin zu Karrierefragen etc.. Ob die Konsequenzen dieser biologisch bedingten Geschlechterrolle so gewaltig sein müssen wie früher, ob sie überhaupt in der Art sein müssen, wie wir es gewohnt sind, darüber läßt sich streiten, aber sie zu leugnen ist m. E. kein geeigneter Ausgangspunkt für eine Debatte.

Ich bin mir bewußt, dass es gewaltige Unterschiede zu geben scheint! Und in einer Grundsatzdiskussion nehme ich mir das Recht an allem zu zweifeln. Speziell hier: Dass die Unterschiede biologischer Natur sind. Vorhandensein streite ich nicht ab... aber die herkömmlichen Begründungen waren bis jetzt nie besonders stichhaltig oder gar unwiderlegbar.

Denn eine Debatte, die auf falschen Prämissen beruht, kann nichts Gescheites hervorbringen.

DESWEGEN zweifel ich ja an scheinbaren Prämissen! Ich habe keine eigenen Prämissen aufgestellt. Ich habe lediglich bestehende angezweifelt.

Ich, und ich denke Susu auch reagieren kopfschüttelnd, weil der Begriff Männlichkeit schon an sich ein Hirngespinst, eine Illusion ist.
"Männlichkeit" eine Illusion? Dann schau mal nach unten, oder laß einen Gentest machen ... oder meinst Du wieder nur "Gender"? Ihr wollt die Begrifflichkeit klären, vermanscht aber selber pausenlos alles. Beim Begriff "Männlichkeit" denke ich nun mal - wie wohl die meisten Menschen - automatisch zunächst einmal an das biologische Geschlecht (die "sozialen Implikationen" schwingen da allenfalls als Konnotation des Männlichkeitsbegriffs im Hintergrund mit).

Gegen das Mitschwingen wehre ich mich schon mal. Wenn Du mit schau mal nach untern nur den Penis meinst... ok... ist vorhanden *g* sagt aber ohne die "Konotation" nullkommanix über mich aus.

Verstehst Du den Unterschied? Ich möchte garnicht männlich oder weiblich sein,
Bist du aber, ob du's willst oder nicht.

weil diese Begriffe keinerlei Aussagekraft haben.

Haben sie doch. Schau mal auf Deine einschlägigen Organe;-)[/i]

Siehe oben... so wird das klarer. Nach Deiner Definition von Geschlecht, hast Du sicher Recht. Aber eben diese Definition finde ich zu eingeschränkt, weil sie die vielen Ausnahmen nicht erfasst. Penis oder Vagina ist einfach zu dünn.

Und dann kommt auf einmal einer wie der Daniel Küblböck und ist einfach er selbst. Dann auf einmal setzt es wilde, widerliche Drohungen, weil Daniel etwas vorführt, was die Masse im Grunde ihres Herzens auch sein will,
Wirklich? Glaubst Du, daß jeder bi sein will? Also ich will's nicht.

Du antwortest auf einen Satz, der nicht von mir stammt, sondern von Ferdi.

Da ist eine ganze Menge dran! Daniel macht nämlich ANGST!
Warum eigentlich? Ich mußte erst mal nachrecherchieren, wer das eigentlich ist; obwohl ich eigentlich dank Deutschlandfunk, Phönix und SPIEGEL ein relativ gutinformierter Zeitgenosse sein sollte;-), von der Existenz dieser sonderbaren Star-Sendung habe jedenfalls schon vorgestern erfahren. Ob den überhaupt so viele Leute kennen? Und wenn ein paar Proleten ihn anfeinden - na und? Die richten sich doch selber. Ich habe mittlerweile die "offizielle Fanseite" des D. K. gesehen - aber nichts gefunden. Bisexualität holt doch schon lange keinen mehr hinter dem Ofen hervor. Wir haben schwule Tagesschausprecher gehabt und jetzt einen schwulen Präsidenten des FC St. Pauli - na und?

Mich stört das ja auch kein bisschen, im Gegenteil. Und Du zählst auch nicht zu Otto Normalverbraucher. Der Durchschnitt sieht leider anders aus.

So polarisiert Daniel die Nation.
Die NATION polarisieren? Jo mei o mei, mein Kopfschütteln über diese Thesen wird immer größer. Was interessiert's, was irgendso ein Heini - von dessen Existenz ich bis gerade eben noch nicht mal wußte - im Bett für Präferenzen hat? ICH muß ja nicht SEIN Leben leben ....

Seine Bisexualität habe ich in keinem Posting angesprochen! Im Gegenteil, ich ärgere mich eigentlich, dass die Medien diese so betonen, und dadurch quasi einen Zusammenhang zwischen dem "bunten Daniel" und seinen sexuelle Präferenzen herstellen, der so nicht unbedingt bestehen muß.

Du hast völlig Recht, wenn Du schreibst, dass viele die kecke Frechheit eines Daniel K. besitzen möchten... aber wenige denken darüber nach, warum sie sie nicht haben.
Ach doch, das ist ihnen schon klar. Wenn sie z. B. mit einer Ehefrau gesegnet sind, die solche "Extratouren" nicht dulden würde ...

Naja, wenn sie Dich so kennen lernt, wird sie Dich wohl auch so lieben, oder?

Ferdi schrieb an Arne:
Finde ich gut, dass Du von "Männlichkeitskonzept" sprichst. Damit drückst Du aus, dass Du das für etwas geplantes und nicht für etwas spontanes hälst. Und was geplantes, konzipiertes, also künstliches ist die "Männlichkeit" ja auch.

Also daß da irgendeine Plankommission sitzt wie im Ostblock und in der xten Sitzung sagt: "So, heute wollen wir mal das neue Männlichkeitsanforderungsprofil erstellen, dem sich jeder Mann in den nächsten 10 Jahren zu unterwerfen hat", das kann ich nun doch nicht glauben. Solche Konzepte entwickeln sich unausgesprochen weiter, ähnlich wie die menschliche Sprache. Ein Geflecht ineinandergreifender Vorstellungen, an denen ständig umgebaut oder weitergewebt wird, ohne daß eine zentrale Instanz das koordiniert. Und wenn z. B. einzelne Menschen in den 60er Jahren ihre negative Wertung der Homosexualität in eine positive kehren, dann reißen sie vielleicht peu à peu andere mit, und auf lange Sicht kann es zu einem Wertewandel in der Bevölkerung kommen.[/i]

Du antwortest wieder auf ein Posting von Ferdi :-) Ansonsten stimme ich mit Dir fast überein. Memetik ist die Wissenschaft von der "Informationsvererbung" und deren Grundlagen treffen hier ebenso zu, wie z.B. auf die Sprache, klar.

Und hier kommt "Otto Normalverbraucher":-). Natürlich lebe ich auch ich gern nach meinem Gusto, und ich mache das vielleicht ungenierter als Otto N.. Nun lebe ich aber nicht allein auf der Welt. Wäre ich z. B. heftig verliebt in eine devote Frau, dann wäre ich mit der Preisgabe meiner Travestie-Phantasien sehr, sehr zurückhaltend, denn sonst ist das Risiko groß, daß ich nur noch eine Staubwolke von hinten sehe. (Alles schon erlebt). Da muß man jedes Mal eine Werteabwägung treffen: Wie viel ist mir diese Frau wert? Soll ich dafür einen Teil meines Ichs verbergen/verleugnen?

Meiner Erfahrung nach ist es keine gute Idee, das Ich zu verleugnen. Kompromisse sind wichtig, sicher, aber wo Selbstverleugnung anfängt wird es problematisch.

Als SMer z. B. ist es mir relativ schnuppe, was die Stino-Öffentlichkeit über meine Leidenschaften denkt, SO LANGE das nicht dazu führt, daß mir und meinem Verlag Gesetzes-Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Mein Verlag und meine Art zu leben ist mir dann doch so viel wert, daß ich in einem solchen Falle an Kampagnen teilnähme, die Otto N. und den Politikern klarmachen, daß wir SMer doch gar nicht so schlimm sind ;-). Denn wie gesagt, wir leben nicht allein auf dieser Welt ....

Zustimmung!

Müßt ihr euch eigentlich so unsympathische Heinis wie den "Hodenlulatsch" (ein Kritiker) Wayne und Arnie aussuchen? Warum nicht Charles Bronson oder Bogey? Oder Bond?;-)

War wieder nicht mein Posting, auf das Du antwortest. :-)

Es liegt daran, daß sie sich zwischen der (abgewerteten) traditionellen Männerrolle und der von den Frauen geforderten "neuen Männlichkeit" (an die die Frauen aber auch nicht so recht glauben) zerrissen fühlen. Ich glaub nicht, daß die jüngeren Männer krampfhaft an einem antiquierten Männlichkeitsideal à la Wayne festhalten; sie möchten einfach nur sie selbst sein, aber pausenlos nörgelt frau an ihnen herum, sie seien nicht sensibel genug und dies nicht und jenes nicht ...

Tja.. schon nicht falsch... und wozu braucht man diese Rollen?

Es liegt daran, dass sich in den letzten Jahren "Verhaltensregeln" entwickelt haben, die selbst wenn man es wollte unerfüllbar sind! Wenn ich nach Rollenklischees gehe, dürfte man nur weiblich ODER männlich sein UND müßte trotzdem beides gleichzeitig sein, dürfte es aber nicht.
So ungefähr. Sensibel sein, aber kein Weichei. Männlich, aber nicht dominant. Oder dominant, wenn frau es gerade mal wünscht, hart angepackt zu werden. Danach soll im Alltag Männes Dominanz wieder nach Knopfdruck abgestellt werden können, und aus dem Tiger soll wieder ein Bettvorleger werden ;-) - das schaffen nur rückgratlose Männer ...

Nein, das schafft niemand. Nicht mal ohne Rückgrat. Und es gilt für alle Menschen.

Trotzdem werden diese Regeln nur selten angezweifelt. Ihr seid von der objektiven Ebene nach Susu's letztem Posting wieder in das Regelsystem gerutscht.
Ganz ohne Regeln funktioniert nun mal keine Gesellschaft ....

Korrekt! Aber wozu braucht man DIESE speziellen Regeln?

Ist das jetzt die Illusion der totalen Objektivität;-) ? Auch du bist von diesem System gekommen und kannst dich nicht völlig freimachen davon ....

Ich versuche es so gut wie möglich. Ich bin mir bewußt, dass das nicht vollständig möglich ist, aber bemühen kann man sich.
Außerdem hab ich dieses Geschlechter-Hickhack von frühster Jugend verständnislos angeschaut... vielleicht fällt es mir deswegen leichter auch mal in Diskussionen "eherne Grundsätze" einfach so anzuzweifeln und mich dann entweder widerlegen, oder bestätigen zu lassen :-)

Liebe Grüße

Alex

Re: Mildes Kopfschütteln

susu, Wednesday, 12.03.2003, 02:51 (vor 7905 Tagen) @ Rüdiger

Als Antwort auf: Mildes Kopfschütteln von Rüdiger am 09. März 2003 18:17:13:

Hallo Rüdiger.

Ja, allerdings. Auch wenn die Geschlechterrollenklischees zweifellos etwas Antiquiertes, Lächerliches und den einzelnen Einengendes haben, so kann ich doch nur den Kopf schütteln über die These, das "Geschlecht" (Sex oder Gender?) sei ein "soziales Konstrukt".

Sex ist etwas, daß auf gender reduziert werden kann, oder besser ohne gender gäbe es nicht die Beschreibung von Sex, die wir jetzt haben.

Dabei bin ich selber gelegentlich Hobby-TV, aber in meinen "weiblichen Phantasien" suche ich - wie die meisten TVs - ja gerade das Gegenbild zur "harten Männlichkeit", nämlich verschmust-anschmiegsame Weiblichkeit, und ein Gegenbild kann es nur dort geben, wo es ein "Urbild" gibt, sozusagen ;-)

Hier mal ein Satz von Butler, der nicht mit Wortungetümen vollgepfropft ist: "TV ist nicht die Kopie eines Originals, sondern die Kopie einer Kopie". Es gibt kein Original, gender ist immer eine Form von drag.

Ich glaub auch nicht, daß man "Sex" und "Gender" so einfach voneinander loslösen kann, und diese Debatten über Begriffe wie "queer" oder "ISCHLBHSL" - oder war's "ERLKHJUKRQQ"? - lösen bei mir nur einen Fluchtreflex und den Wunsch aus, nie mehr in Kreisen verkehren zu müssen, die anscheinend keine anderen Sorgen zu haben scheinen als diese ....

Oh, wir haben genug andere Sorgen. Ganz genau machen das nur Leute, die nicht ein Teil davon sind... Wir sagen einfach irgendwas...

Meinst Du jetzt "Gender" oder "Sex"? Also bei den biologischen Geschlechtern dürfte doch wohl klar sein, daß es sie gibt, auch wenn es gelegentlich Zwitterwesen gibt.

Es gibt Eigenschaften von Menschen, aber die Frage, wozu die Abstraktion "sex" nutzt ist schwer zu beantworten. Je mehr Eigenschaften darunter zusammengefasst werden, um so weniger Menschen werden überhaupt noch erfasst (bei der in der Medizin gebräuchlichen Definition fallen ca. 40% der Menschen durch das Raster), je weniger Eigenschaften es sind, desto Nutzloser wird die Abstraktion.

Nö, der Kampf kommt dadurch zustande, daß mal die Menschen eines Geschlechts (biologisch) benachteiligt werden, mal die des anderen. Bist du mit xy-Chromosomen geboren, mußt du zum Bund, egal wie du deine Männlichkeit definierst.

Es gibt auch Menschen mit XY-Chromosomensatz, bei denen in der Geburtsurkunde ein "weiblich" steht. Die werden auch nicht gezogen. Dafür die mit XX-Chromosomensatz, bei denen ein "männlich" steht. Und das das Wort, daß da ein Arzt einträgt eine soziale Konstruktion ist, versteht sich von selbst. Und "passing" TS treffen suf die Benachteiligungen des Geschlechts, als das sie gelesen werden und das hat nichts mit den Chromosomen zu tun.

Wieso Illusion? Es GIBT doch nun mal xx- und xy-Träger, das ist doch nicht wegzudiskutieren,

Es gibt noch XXY, 0X, XYY, XXYY, XXXY (0Y ist nicht lebensfähig). Und sogenannte Mosaics, bei denen verschiedene Körperteile verschiedene Chromosomensätze besitzen (passiert wenn zweieiige Zwillingsföten im Frühstadium verschmelzen, bei späteren Stadien führt das zu Siamesischen Zwillingen).

und NUR xx-Träger können Kinder gebären - eine Tatsache, die mannigfaltige Konsequenzen nach sich zieht bis hin zu Karrierefragen etc..

Nö, mitlerweile kann (fast) jeder Mensch Kinder gebären, allerdings muß er dafür u.U. in ein Land reisen, in dem Eizellenspenden erlaubt sind.

Ob die Konsequenzen dieser biologisch bedingten Geschlechterrolle so gewaltig sein müssen wie früher, ob sie überhaupt in der Art sein müssen, wie wir es gewohnt sind, darüber läßt sich streiten, aber sie zu leugnen ist m. E. kein geeigneter Ausgangspunkt für eine Debatte. Denn eine Debatte, die auf falschen Prämissen beruht, kann nichts Gescheites hervorbringen.

Die Frage ist: Woher kennen wir die Prämissen so genau. Und da liegt der Haase im Pfeffer - Wir wissen wenig, doch was wir wissen entspricht nicht den Vorstellungen, auf denen die Geschlechterdebatte bislang geführt worden ist. Also brauchen wir neue Prämissen, denn die alten haben sich mitlerweile als falsch herausgestellt.

"Männlichkeit" eine Illusion? Dann schau mal nach unten, oder laß einen Gentest machen ...

Was, wenn da verschieden Sachen bei herauskommen? Und wenn ich nach unten gucke, dann sehe ich meine Füße. Die haben glaub ich alle *g*. Aber mal im Ernst, was hinder mich daran, das, was ich da sehe z.B. als erregierfähige Vagina zu beschreiben? Oder sonstwie aufzufassen, z.B. ganz neutral als "ein sexuell empfindsammes Organ"? Wenn wir über sex reden, reden wir in der Sprache von gender.

Bist du aber, ob du's willst oder nicht.

Nein. Ich bin das nicht. Ich werde von dir so gelesen, aber daß ist deine Sache.

Wenn Du mit "männlich" oder "weiblich" die Biologie meinst, wäre das auch höchst albern. Dann sind es tatsächlich Axiome, empirisch belegbar.

Nein. Eine empirische Wissenschaft hat keine Axiome, sondern nur Theorien, die beim Auftritt einer Ausnahme ihre gültigkeit verlieren. Die Ausnahmen gibt es (nicht nur bei gender, sondern auch bei sex) und damit ist eine Theorie, die besagt, daß es genau zwei biologische Geschlechter gäbe falsifiziert.

Also daß da irgendeine Plankommission sitzt wie im Ostblock und in der xten Sitzung sagt: "So, heute wollen wir mal das neue Männlichkeitsanforderungsprofil erstellen, dem sich jeder Mann in den nächsten 10 Jahren zu unterwerfen hat", das kann ich nun doch nicht glauben. Solche Konzepte entwickeln sich unausgesprochen weiter, ähnlich wie die menschliche Sprache. Ein Geflecht ineinandergreifender Vorstellungen, an denen ständig umgebaut oder weitergewebt wird, ohne daß eine zentrale Instanz das koordiniert.

Stimmt. Und genau deswegen können queer-politics etwas bewegen. Oder bist du der Meinung, daß z.B. dein Verlag keinen Einfluß darauf hat, wie es um die Akzeptanz und vor allem die Sichtbarkeit von SM in der Gesellschaft bestellt ist?

Als SMer z. B. ist es mir relativ schnuppe, was die Stino-Öffentlichkeit über meine Leidenschaften denkt, SO LANGE das nicht dazu führt, daß mir und meinem Verlag Gesetzes-Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Mein Verlag und meine Art zu leben ist mir dann doch so viel wert, daß ich in einem solchen Falle an Kampagnen teilnähme, die Otto N. und den Politikern klarmachen, daß wir SMer doch gar nicht so schlimm sind ;-). Denn wie gesagt, wir leben nicht allein auf dieser Welt ....

Ist es dir egal, das Sadomasochismus (mit einer Definition, die du wahrscheinlich ebenso lachhaft findest, wie ich die von Geschlechtsidentitätsstörung) als psychische Erkrankung gilt? Es ist dir nicht egal. Jetzt kommt aber jemand und sagt: SM hat nichts mit Sexualität zu tun, weil nicht-reproduktiv und die Reproduktion ist die biologische Grundlage für Sexualität. Also hat SM nichts mit Sex zu tun. Da haust du dir auch vor den Kopf. Das ist aber eine der Prämissen mit der über SM diskutiert wird.

Ganz ohne Regeln funktioniert nun mal keine Gesellschaft....

Sollen wir darüber mal abstimmen wen sie zuerst verbieten (oder einliefern)? Die SMler oder die Trans*? Klar ist es gut, daß es bestimmte Regeln gibt (z.B. finde ich es nicht schlecht, daß Mord verboten ist), aber völlig sinnlose Einschnitte in die Freiheit von Individuen? Das ist blödsinnig.

susu

Verstiegen ....

Rüdiger, Thursday, 13.03.2003, 00:49 (vor 7904 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Mildes Kopfschütteln von susu am 12. März 2003 00:51:51:

Hallo Susu,

Hier mal ein Satz von Butler, der nicht mit Wortungetümen vollgepfropft ist: "TV ist nicht die Kopie eines Originals, sondern die Kopie einer Kopie". Es gibt kein Original, gender ist immer eine Form von drag.

Tut mir leid, aber eine Kopie ohne Original ist m. E. nicht vorstellbar.

Es gibt Eigenschaften von Menschen, aber die Frage, wozu die Abstraktion "sex" nutzt ist schwer zu beantworten. Je mehr Eigenschaften darunter zusammengefasst werden, um so weniger Menschen werden überhaupt noch erfasst (bei der in der Medizin gebräuchlichen Definition fallen ca. 40% der Menschen durch das Raster), je weniger Eigenschaften es sind, desto Nutzloser wird die Abstraktion.

So so, 40 % der Menschen fällt durchs Raster. Ich nehme aber mal an, daß die meisten von denen durchaus fortpflanzungsfähige Individuen sind, also funktionsfähige Mitglieder des einen oder anderen Geschlechts, sich selber eindeutig zuordnend, von anderen ebenso zugeordnet und nix irgendwo in der Mitte ... Das Problem scheint mir dann eher in der Definition der Mediziner zu liegen als in der Realität, in der die meisten Menschen instinktiv eine Zuordnung treffen können. Tut mir leid, diese Diskussion kommt mir immer verstiegener vor. Mag ja sein, daß es schwer ist, den Begriff "Geschlecht" definitorisch zu fassen, aber daß es die Geschlechter gibt, ist von so überwältigender Evidenz, daß es mir echt lächerlich erscheint, daran herumzudeuteln. Es ist auch sehr schwierig zu sagen, was ein "Wort" ist, Bibliotheken sind von Sprachwissenschaftlern schon darüber geschrieben worden, dennoch kommt der Begriff in jeder Feld-, Wald- und Wiesengrammatik vor, ist unentbehrlich, und jeder kommt dank seinem Vorwissen gut damit zurecht ... Auch in der Erkenntnistheorie gibt es viele Ungewißheiten, etwa den "Skandal der neuzeitlichen Philosophie" (so mal einer meiner Religionslehrer): die Nichtbeweisbarkeit der Welt. Die radikalste Schlußfolgerung, die ich daraus ziehen könnte, wäre, Solipsist zu werden. Das ist aber irgendwie albern. "Der Glaube der meisten Menschen an die Außenwelt ist machtvoll und instinktiv; wir könnten unser Leben gar nicht führen, wenn wir nicht die meisten Dinge einfach so unhinterfragt akzeptierten." (Thomas Nagel, sinngemäß zitiert).

Mit den medizinischen Definitionen ist es so eine Sache; sie scheinen mir oft eher unrealistisch hohe Vorgaben als realistische Beschreibungen zu liefern; so dürften "normale" Augen mit 100 % Sehschärfe und "normale" Gebisse mit 32 Zähnen (einschließlich Weisheitszähnen) nur eine Minderheit der Menschen besitzen. Daraus nun aber etwa zu folgern, zwei Augen seien "ein soziales Konstrukt", nur weil's auch Leute gibt, die blind geboren werden, erscheint mir albern. - Warum sollte sich Arne für Männer einsetzen, wenn es solche gar nicht gibt?

Wenn man den Begriff "Indogermanische Sprachen" mittels grammatikalischer Merkmale zu definieren versucht, dann erhält man gerade mal 6 mickrige Merkmale, die bei ALLEN idg. Sprachen zutreffen. Die Zahl der Gemeinsamkeiten ist real weitaus höher, aber beim einen Merkmal scheidet diese Sprache aus, beim anderen jene. Dennoch gibt es die idg. Sprachenfamilie wirklich, eine überwältigende Evidenz eines riesigen gemeinsamen Wortbestands dokumentiert im Verein mit den grammatikalischen Übereinstimmungen die abstammungsmäßige Zusammengehörigkeit dieser Sprachen. Wenn man aber nur die 6 Merkmale nimmt und sagt: "Sprachen, die diese Merkmale aufweisen, sind indogermanisch", dann führt das in die Irre. Denn eine bestimmte nordamerikanische Indianersprache erfüllt auch diese 6 Kriterien, hat aber ansonsten gar nix mit den idg. Sprachen zu tun ....

Und das das Wort, daß da ein Arzt einträgt eine soziale Konstruktion ist, versteht sich von selbst.

Ach? Ich dachte, der wirft einen Blick auf die primären Geschlechtsmerkmale, und fertig. Und trifft das dann nicht auch in 99 % aller Fälle zu? Ist nicht das, was der Arzt als "Mädchen" einträgt, in den allermeisten Fällen auch tatsächlich ein (fortpflanzungsfähiges) Mädchen? Wenn es da eine hohe Fehlerquote gäbe, hätte sich sicherlich schon allgemein Kritik an diesem Vorgehen der Ärzte geregt.

Es gibt noch XXY, 0X, XYY, XXYY, XXXY (0Y ist nicht lebensfähig). Und sogenannte Mosaics, bei denen verschiedene Körperteile verschiedene Chromosomensätze besitzen (passiert wenn zweieiige Zwillingsföten im Frühstadium verschmelzen, bei späteren Stadien führt das zu Siamesischen Zwillingen).

Ja - und wie häufig ist das? Du argumentierst hier mit irgendwelchen Raritäten, aber das Vorhandensein von Ausnahmen ist keine Widerlegung der Regel.

Nö, mitlerweile kann (fast) jeder Mensch Kinder gebären, allerdings muß er dafür u.U. in ein Land reisen, in dem Eizellenspenden erlaubt sind.

Ja ja ... Aber ich meinte: Ganz normal auf natürlichem Weg Kinder kriegen - nun tu doch nicht so, als wüßtest Du nicht, was ich meine. Genausogut könnte ich mir eine Sauerstoffflasche umbinden und behaupten, der Mensch sei ein unter Wasser lebendes Lebewesen.

Aber mal im Ernst, was hinder mich daran, das, was ich da sehe z.B. als erregierfähige Vagina zu beschreiben?

Die sprachliche Konvention hindert Dich daran. Ich weiß nicht mehr, welcher Schriftsteller einst die Story von dem alten Mann schrieb, der sich langweilte und sich dann damit zu amüsieren begann, daß er den Teller Bett nannte und den Stuhl Tisch usw. Alles benannte er um, und am Schluß verstand ihn keiner mehr ... Nebenbei: Die Sache selbst ändert sich dadurch ja nicht. Ein Tisch bleibt ein Tisch, auch wenn Du ihn "Stuhl" nennst. Ein Penis bleibt ein Penis, auch wenn er "Vagina" genannt wird. Die Vagina müßtest Du dann auch umbenennen, damit die Unterscheidbarkeit wieder da ist (auf die möchtest Du wohl gerne verzichten, aber es sind nun mal verschiedene Dinge), und schon haben wir "dasselbe in Grün", d. h. veränderte Bezeichnungen der (unveränderten) Dinge.

Nein. Eine empirische Wissenschaft hat keine Axiome, sondern nur Theorien, die beim Auftritt einer Ausnahme ihre gültigkeit verlieren. Die Ausnahmen gibt es (nicht nur bei gender, sondern auch bei sex) und damit ist eine Theorie, die besagt, daß es genau zwei biologische Geschlechter gäbe falsifiziert.

Ich halte diese Aussage dennoch für gerechtfertigt, denn wie gesagt: Eine Ausnahme ist keine Widerlegung einer Regel. Eine Regel muß nicht ausnahmslos gelten, um eine Regel zu sein. Bei der Mannigfaltigkeit menschlicher Formen (die solche Definitionen so schwierig macht)kann es keine solchen "ausnahmslosen" Begriffe geben. Menschen sind keine perfekten Maschinen, beinahe jedes Organ kann bei dem einen oder anderen Menschen mißgebildet sein, das ist keine Widerlegung gegen den Satz: "Ein Mensch hat in der Regel zwei Augen, zwei Nieren usw." Zu diesen Mißbildungen muß man doch wohl in der Regel auch die Zwitterbildungen rechnen, denn fortpflanzungsfähig sind die i. d. R. doch wohl nicht, oder?

Ist es dir egal, das Sadomasochismus (mit einer Definition, die du wahrscheinlich ebenso lachhaft findest, wie ich die von Geschlechtsidentitätsstörung) als psychische Erkrankung gilt?

Jetzt nimmer, es ist aus der Liste der psychischen Erkrankungen gestrichen worden.

Es ist dir nicht egal. Jetzt kommt aber jemand und sagt: SM hat nichts mit Sexualität zu tun, weil nicht-reproduktiv und die Reproduktion ist die biologische Grundlage für Sexualität. Also hat SM nichts mit Sex zu tun.

Der weiß dann halt nicht, wie's SMer treiben ;-) Es gibt SM-Sessions ohne Sex, aber für die meisten SMer ist SM eine Art ausgedehntes Vorspiel .....

>Da haust du dir auch vor den Kopf. Das ist aber eine der Prämissen mit der über SM diskutiert wird.

So? Ist mir noch ganz entgangen. Und so lange das keine Konsequenzen für mich hat, schüttle ich da nur den Kopf und ignoriere es, so gut es geht ...

So, ich glaube, ich klinke mich hier aus, das wird mir hier zu verstiegen, sorry.

Gruß, Rüdiger

Re: Verstiegen ....

susu, Thursday, 13.03.2003, 23:07 (vor 7903 Tagen) @ Rüdiger

Als Antwort auf: Verstiegen .... von Rüdiger am 12. März 2003 22:49:06:

Hallo Rüdiger

Tut mir leid, aber eine Kopie ohne Original ist m. E. nicht vorstellbar.

Was wäre denn das Original? Wäre ein Frauenfußballnationaltrikot auch TV? R.A.Wilchins schreibt: Kein Mann hat je Fraunekleidung getragen, denn wenn er sie Trägt ist sie per Definition Männerkleidung. (aus dem eben erst angelesenen "GENDERqUEER")

So so, 40 % der Menschen fällt durchs Raster. Ich nehme aber mal an, daß die meisten von denen durchaus fortpflanzungsfähige Individuen sind, also funktionsfähige Mitglieder des einen oder anderen Geschlechts, sich selber eindeutig zuordnend, von anderen ebenso zugeordnet und nix irgendwo in der Mitte ...

Hier liegt der Hase im Pfeffer: Zugeordnet werden. Wie das i.d.R. vor sich geht steht im Grundsatztext, oder läßt du erst mal eine Untersuchung zur Fortpflanzungsfähigkeit durchführen, bevor du zu einem Menschen Mann oder Frau sagst? BTW, einige der 40% liegen nicht in der Mitte sonder außerhalb, ein Mann mit Testo-Werten die über dem Grenzwert für Männer liegen ist kein Mann i.S.d. medizinischen Definition mehr.

Das Problem scheint mir dann eher in der Definition der Mediziner zu liegen als in der Realität, in der die meisten Menschen instinktiv eine Zuordnung treffen können. Tut mir leid, diese Diskussion kommt mir immer verstiegener vor. Mag ja sein, daß es schwer ist, den Begriff "Geschlecht" definitorisch zu fassen, aber daß es die Geschlechter gibt, ist von so überwältigender Evidenz, daß es mir echt lächerlich erscheint, daran herumzudeuteln.

Evident ist:
1. Es gibt verschiedene Körper.
2. Die Biologie bestimmt bei diesen nach verschiedenen Methoden das Geschlecht und kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen (Mann in einer Arbeit eines Genetikers ist anders definiert als in der eines Evolutionsbiologen, eines Anatomen oder eines Endokrinologen, daher sprechen Medizinern von verschiedenen Geschlechtern, etwa dem hormonellen, dem gonodalen oder dem genetischen, meist besteht kein Zweifel darüber, daß es mehr als zwei dieser Geschlechter gibt)
3. Die Medizin reduziert diese Mehrzahl der Geschlechter, die jeder Mensch besitzt auf "das Geschlecht".
4. Die Medizinische Definition bildet die Basis unseres Rechtssystems (Männer und Frauen sind gleichberechtigt, der Rest fällt da unter den Tisch)
5. Die rechtlichen und medizinischen Definitionen gehören zu den Praxen, die in bestimmten Kontexten herrangezogen werden.

Es ist auch sehr schwierig zu sagen, was ein "Wort" ist, Bibliotheken sind von Sprachwissenschaftlern schon darüber geschrieben worden, dennoch kommt der Begriff in jeder Feld-, Wald- und Wiesengrammatik vor, ist unentbehrlich, und jeder kommt dank seinem Vorwissen gut damit zurecht ... Auch in der Erkenntnistheorie gibt es viele Ungewißheiten, etwa den "Skandal der neuzeitlichen Philosophie" (so mal einer meiner Religionslehrer): die Nichtbeweisbarkeit der Welt. Die radikalste Schlußfolgerung, die ich daraus ziehen könnte, wäre, Solipsist zu werden. Das ist aber irgendwie albern. "Der Glaube der meisten Menschen an die Außenwelt ist machtvoll und instinktiv; wir könnten unser Leben gar nicht führen, wenn wir nicht die meisten Dinge einfach so unhinterfragt akzeptierten." (Thomas Nagel, sinngemäß zitiert).

Diese Fragen sind entziehen sich jeder empirischen Forschung (die Letzte stellt die Möglichkeit überhaupt empirische Forschung betreiben zu können in Frage). Die Frage, ob es genau zwei Geschlechter gibt und was dieser Begriff enthält, ist aber durchaus empirisch betrachtbar. Es ist unmöglich (egal mit welcher Definition) eine Zweigeschlechtlichkeit zu definieren ohne ein Geschlecht als "alle anderen" zu bezeichnen. Eine solche Vorgehensweise ist aber schlichtweg schlechte Wissenschaft.

Mit den medizinischen Definitionen ist es so eine Sache; sie scheinen mir oft eher unrealistisch hohe Vorgaben als realistische Beschreibungen zu liefern; so dürften "normale" Augen mit 100 % Sehschärfe und "normale" Gebisse mit 32 Zähnen (einschließlich Weisheitszähnen) nur eine Minderheit der Menschen besitzen. Daraus nun aber etwa zu folgern, zwei Augen seien "ein soziales Konstrukt", nur weil's auch Leute gibt, die blind geboren werden, erscheint mir albern. - Warum sollte sich Arne für Männer einsetzen, wenn es solche gar nicht gibt?

Zum einen gibt es kein Analogon zu Gender, was Sehstärke oder Zahnanzahl angeht. Niemand käme auf die Idee nur alle Menschen, die ihre Weisheitzähne noch besitzen zum Bund zu schicken, oder bestimmte Kleidungsstücke Blinden vorzubehalten. Zum anderen ist die Sehstärke tatsächlich ein soziales Konstrukt, weil sie über einen zufällig definierten Prozess ermittelt wird (Buchstaben verschiedener Größe auf eine festgelegte Entfernung erkennen). Was sind da 50% Sehstärke? Wann ist 0% erreicht? BTW, alle Abstrakta sind konstruiert. Und warum sollte Geschlecht da eine Ausnahme machen?

Dein Letzter Satz erinnert mich stark an die Kritik, die Anfang der 90er an J.Butler gerichtet war. Da wurde gesagt, ihre Arbeit sei Anti-Feministisch, denn wie solle über die Benachteiligung von Frauen geredet werden, wenn Frauen nur ein soziales Konstrukt seien. Jetzt ist die Argumentation also sowohl Anti-Frauenbewegung als auch Anti-Männerbewegung (und dabei steht sie doch in einem Text, in dem es darum ging beide zusamenzuführen...). Wenn ich sage, daß Geschlecht eine soziale Konstruktion ist, dann bedeutet das nicht, daß es irrelevant ist (Tempolimit, Grundgesetz und Soziale Marktwirtschaft sind auch sozial konstruiert, dennoch haben sie einen Einfluß auf unser Leben). Vielmehr bedeutet es, daß die Art und Weise beleuchtet wird, in der es auf uns wirkt. Ich habe im Grundsatztext folgendes geschriben:

Anhand dieser Praxen trefen wir auch unsere Feststellung, ob es sich bei einem Menschen um einen Mann, oder eine Frau handelt. Im Alltag werden Menschen nicht Aufgrund irgendeiner Biologie eingeteilt (Ausnahme ist hier die Medizin, die sich darauf beruft), sondern Aufgrund dieser geschlechtlichen Praxen.<<

D.h. du hast Recht, wenn du sagst, die Mehrheit wird einem Geschlecht zugeordnet. Nach dieser Feststellung existieren "Männer" und "Frauen", die dann von den Abwertungen 1 und 2 betroffen werden können. D.h. es ist durchaus möglich sich für die Belange dieser konstruierten Gruppen einzusetzen (das der Eintrag in der Gebutsurkunde sozial konstruiert ist, ändert nichts an der Tatsache, daß nur diejenigen, bei denen ein m steht Wehr- oder Ersatzdienst leisten müssen), speziell deshalb, weil dieser Ansatz konkret die hinter den Belangen stehenden Mechanismen in den Mittelpunkt rückt, an Stelle einer Gruppendefinition.

Ach? Ich dachte, der wirft einen Blick auf die primären Geschlechtsmerkmale, und fertig. Und trifft das dann nicht auch in 99 % aller Fälle zu? Ist nicht das, was der Arzt als "Mädchen" einträgt, in den allermeisten Fällen auch tatsächlich ein (fortpflanzungsfähiges) Mädchen? Wenn es da eine hohe Fehlerquote gäbe, hätte sich sicherlich schon allgemein Kritik an diesem Vorgehen der Ärzte geregt.

Was sagen die Geschlechtsmerkmale aus? Und worüber? Auf diese Basis stellt sich dannach doch ein ganzes System von Vermutungen (z.B. werden Annahmen über hormonelle und psychische Entwicklungen getroffen.). Falsch ist der Eintrag nach Definition der Mediziner in 40% der Fälle (dann wird meistens allerdings an den Menschen etwas geändert, anstatt am Eintrag). Bei 1 bis 2 von 2000 Geburten gucken die Ärzte vergebens, dann wird der Eintrag zum Roulette-Spiel (weil weder/noch gibt´s nicht).

Es gibt noch XXY, 0X, XYY, XXYY, XXXY (0Y ist nicht lebensfähig). Und sogenannte Mosaics, bei denen verschiedene Körperteile verschiedene Chromosomensätze besitzen (passiert wenn zweieiige Zwillingsföten im Frühstadium verschmelzen, bei späteren Stadien führt das zu Siamesischen Zwillingen).<<

Ja - und wie häufig ist das? Du argumentierst hier mit irgendwelchen Raritäten, aber das Vorhandensein von Ausnahmen ist keine Widerlegung der Regel.[/i]

Eben diese eine Geburt unter 1000-2000. Es gibt demnach zwischen 40.000 und 80.000 solcher Ausnahmen. Das sind mehr als doppelt so viele, wie es AE Väter gibt. Nach deiner Diktion müßte ich die jetzt auch völlig ignorieren. Und bei gerade mal 6000 TG in D-Land müßte ich mir selbst als irrelevant erscheinen. Nur weil nicht allzuviele Morde geschehen, sagt ja auch niemand: Dann ist es ja egal.

>Aber mal im Ernst, was hinder mich daran, das, was ich da sehe z.B. als erregierfähige Vagina zu beschreiben?<<

Die sprachliche Konvention hindert Dich daran. Ich weiß nicht mehr, welcher Schriftsteller einst die Story von dem alten Mann schrieb, der sich langweilte und sich dann damit zu amüsieren begann, daß er den Teller Bett nannte und den Stuhl Tisch usw. Alles benannte er um, und am Schluß verstand ihn keiner mehr ... Nebenbei: Die Sache selbst ändert sich dadurch ja nicht. Ein Tisch bleibt ein Tisch, auch wenn Du ihn "Stuhl" nennst. Ein Penis bleibt ein Penis, auch wenn er "Vagina" genannt wird. Die Vagina müßtest Du dann auch umbenennen, damit die Unterscheidbarkeit wieder da ist (auf die möchtest Du wohl gerne verzichten, aber es sind nun mal verschiedene Dinge), und schon haben wir "dasselbe in Grün", d. h. veränderte Bezeichnungen der (unveränderten) Dinge.[/i]

Die Dinge verändern sich, je nachdem wie du sie ließt. Ganz konkret, ganz individuell. Und was wäre sprachliche Konvention, wenn nicht eine Konvention und damit... Sozial konstruiert.

Ich halte diese Aussage dennoch für gerechtfertigt, denn wie gesagt: Eine Ausnahme ist keine Widerlegung einer Regel. Eine Regel muß nicht ausnahmslos gelten, um eine Regel zu sein. Bei der Mannigfaltigkeit menschlicher Formen (die solche Definitionen so schwierig macht)kann es keine solchen "ausnahmslosen" Begriffe geben. Menschen sind keine perfekten Maschinen, beinahe jedes Organ kann bei dem einen oder anderen Menschen mißgebildet sein, das ist keine Widerlegung gegen den Satz: "Ein Mensch hat in der Regel zwei Augen, zwei Nieren usw." Zu diesen Mißbildungen muß man doch wohl in der Regel auch die Zwitterbildungen rechnen, denn fortpflanzungsfähig sind die i. d. R. doch wohl nicht, oder?

Ich würde hier den abwertenden Begriff "Mißbildungen" anprangern, ebenso den von den hermaphroditen abgelehnten Begriff "Zwitter". Der Punkt ist, daß es sich hier um eine natürliche und erwartete Variation handelt, es ist keine Überaschung, daß Hermaphroditen existieren und es gibt keinen Grund sie abzuwerten oder als nicht-existent anzusehen. Aber, die Anzahl der Nieren steht nicht auf der Geburtsurkunde, ist nicht in geltendes Recht eingebunden und hat keine sozialen Auswirkungen. Und: es gibt AFAIK durchaus fortpflanzungsfähinge Hermaphroditen.

Jetzt nimmer, es ist aus der Liste der psychischen Erkrankungen gestrichen worden.

Steht meines Wissens immer noch drauf, hast du da irgendwelche Quellen?

Grüße
susu

Exkurs: SM (und andere sexuelle Orientierungen) als Krankheit

Arne Hoffmann, Friday, 14.03.2003, 11:09 (vor 7903 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Verstiegen .... von susu am 13. März 2003 21:07:11:

Hallo ihr zwei,

Steht meines Wissens immer noch drauf, hast du da irgendwelche Quellen?

Ich erspare Rüdiger vermutlich einiges an Tipperei, wenn ich die entsprechenden Passagen aus meinem "Lexikon des Sadomasochismus" einfach hier rüberziehe.

Es gibt zwei international gültige Diagnosehandbücher der Psychologen. Das, worauf sich Rüdiger offenbar bezieht, ist das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM), herausgegeben von der US-amerikanischen American Psychiatric Association (APA). Es umfasst auch die sexuellen Paraphilien wie etwa den Sadomasochismus. 1973 wurde dort die Homosexualität aus der Liste der Geisteskrankheiten gestrichen, was besonders unter den Psychoanalytikern zu massiven Protesten führte. Seit 1994 gilt mit dem DSM IV, also der vierten Überarbeitung dieses Handbuchs, auch sadomasochistisches Verhalten grundsätzlich nicht mehr als seelische Störung. Ein Sadomasochist, der weder einen Leidensdruck verspürt, also von seiner Neigung "geheilt" werden möchte, noch Einschränkungen im alltäglichen Leben erfährt, könne nicht mehr als "krank" eingestuft werden. Der im Einverständnis mit sich, seinem Partner und seiner Umwelt lebende Sadomasochist, der sich bei seiner Leidenschaft wohl fühlt, wurde damit mehr als 100 Jahre nach Krafft-Ebings "Psychopathia Sexualis" hochoffiziell von dem Stempel der "Perversion" befreit. Die weltweit mehreren Millionen Sadomasochisten, die über Nacht von gefährlichen Geisteskranken zu braven, gesunden Mitmenschen wurden, bewältigten diese Umstellung gut.

Dies alles gilt wohlgemerkt für den US-amerikanischen Raum. Sobald du als Sadomasochist aus den USA nach Europa kommst, bist du plötzlich wieder krank. Hier wird nämlich überwiegend die International Classification of Diseases (ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angewendet, die deutlich konservativer ist. Während etwa das amerikanische DSM die Homosexualität bereits 1973 von der Liste der seelischen Störungen strich, konnte sich das ICD erst im Januar 1993 zu diesem Schritt entschließen. Ähnlich verhält es sich mit der Einstellung gegenüber dem Sadomasochismus. Wurde diese Neigung im Jahre 1994 im DSM aus der Liste der psychischen Krankheiten getilgt, hält das ICD-10, das im Januar 2000 verbindlich in Deutschland eingeführt wurde, noch immer an dieser Einordnung fest und führt unter der Kodierung F65.5 sadomasochistische Neigungen als "Persönlichkeits- und Verhaltensstörung" auf, solange sie "die hauptsächliche Quelle der Erregung oder für die sexuelle Befriedigung unerlässlich sind".

Im Dezember 1995 protestierte der deutsche Hartmannbund, die Standesvertretung der Ärzteschaft, in einem an den damaligen Bundesgesundheitsminister Seehofer gerichteten Schreiben gegen die Einführung des ICD-10: "Der ICD-10 ist für die Kommunikation zwischen Ärzten und mit anderen Beteiligten des Gesundheitswesens ungeeignet, weil Fehlinterpretationen vorprogrammiert sind; zudem wirft er neue ungelöste Probleme des Datenschutzes und der Datensicherheit auf. Noch bedenklicher sind die Codes für Begriffe wie »gesteigertes sexuelles Verlangen« (F52.7), für die es keine medizinischen Kriterien gibt. Wo die Grenze zwischen einer unverkrampften Einstellung zur Sexualität und eines pathologischen Sexualverhaltens gezogen wird, bliebe damit de facto den moralischen Vorstellungen und persönlichen Vorurteilen der einzelnen Ärzte überlassen. Bedenklich ist das schon deswegen, weil die Ärzteschaft als eher konservativ gesehen werden muss – noch 1962 wurde in Lehrbüchern der Sexualmedizin ... über 40 Seiten den »Grundsätzen der christlichen Kirche« gewidmet. Zwar bestehen solche Probleme auch ohne ICD-10, aber diese moralischen Wertungen durch den Arzt blieben dank der ärztlichen Schweigepflicht bisher immer weit weg von den neugierigen Augen der Krankenkassen. Man muß vermuten, dass die Krankenkassen alle nicht ihrer Vorstellung der Norm entsprechenden Praktiken im Zweifelsfall erst mal als »riskantes Sexualverhalten« einzustufen werden, mit den entsprechenden Konsequenzen für den Versicherten." Diese Einwände blieben jedoch, ebenso wie die Proteste von Homosexuellen und Sadomasochisten gegen das Öffentlich-Machen ihrer Neigungen, von deutschen Politikern ungehört. Unter Sexualmedizinern ist inzwischen allerdings im Gespräch, die ICD-10 wenigstens durch einen Zusatz zu entschärfen und auf den Stand des DSM IV anzuheben. International arbeitet vor allem die "Norwegian Association for Lesbian and Gay Liberation" (LLH) an einer Streichung der Diagnosen Fetischismus und Sadomasochismus aus dem ICD-10.

Herzlicher Gruß

Arne

Re: Exkurs: SM (und andere sexuelle Orientierungen) als Krankheit

Alex, Friday, 14.03.2003, 11:53 (vor 7902 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Exkurs: SM (und andere sexuelle Orientierungen) als Krankheit von Arne Hoffmann am 14. März 2003 09:09:00:

Huhu Arne!

ups, nun haben sich unsere Postings überschnitten.... na egal. In Deinem steckt diesbezgl. noch internationalere Information.

Ich bin generell von der in Deutschland anzuwendenden Grundlage, dem ICD 10 ausgegangen.

Aber ein wenig "entschärfen" kann man die dortigen Diagnosen schon, zumindest zu Gunsten der psychotherapeutischen Psychologen (weswegen mir u.a. diese weit lieber sind, als Psychiater):

Zu einer Diagnose gehört ZWINGEND ein Leidensdruck oder eine Gefährdung von sich oder der Umwelt - ist dieses nicht vorhanden, gibt es keine Diagnose und somit auch keine "Krankheit".

Liebe Grüße

Alex

Re: Exkurs: SM (und andere sexuelle Orientierungen) als Krankheit

Arne Hoffmann, Friday, 14.03.2003, 13:11 (vor 7902 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Exkurs: SM (und andere sexuelle Orientierungen) als Krankheit von Alex am 14. März 2003 09:53:38:

Hi Alex,

Zu einer Diagnose gehört ZWINGEND ein Leidensdruck oder eine Gefährdung von sich oder der Umwelt - ist dieses nicht vorhanden, gibt es keine Diagnose und somit auch keine "Krankheit".

Volle Zustimmung. Diese beiden Kriterien halte ich auch für maßgeblich, um von einer Krankheit sprechen zu können. Und meines Wissens ist das inzwischen auch weitgehender Konsens, zumindest in der Sexualwissenschaft.

Herzlicher Gruß

Arne

Re: Exkurs: SM (und andere sexuelle Orientierungen) als Krankheit

Alex, Friday, 14.03.2003, 14:13 (vor 7902 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Exkurs: SM (und andere sexuelle Orientierungen) als Krankheit von Arne Hoffmann am 14. März 2003 11:11:08:

Hi Alex,

Zu einer Diagnose gehört ZWINGEND ein Leidensdruck oder eine Gefährdung von sich oder der Umwelt - ist dieses nicht vorhanden, gibt es keine Diagnose und somit auch keine "Krankheit".

Volle Zustimmung. Diese beiden Kriterien halte ich auch für maßgeblich, um von einer Krankheit sprechen zu können. Und meines Wissens ist das inzwischen auch weitgehender Konsens, zumindest in der Sexualwissenschaft.
Herzlicher Gruß
Arne

Ja, nur einige Psychiater pathologisieren noch alles was nicht ihrer Vorstellung vom "genormten" Menschen entspricht, den es, das wissen wir alle, ja nicht gibt. Das sind dann Therapeuten die sich darauf einlassen z.B. Homosexualität "wegtherapieren" zu wollen, anstatt dem "Patienten" Wege zu aufzuzeigen, wie er das Leben zufrieden und glücklich meistern könnte. Wenn man als vielleicht leicht labile Persönlichkeit an ein solches Relikt gerät, würde der sogar eine Vorliebe für Nudelsuppe oder für graue Socken pathologisieren.... und damit in meinen Augen schwere Schäden anrichten.
Vor allem im letzten Jahrhundert führte dies ja zu äußerst gefährlichen Auswüchsen.

Bei der Definiton von Leidensdruck ist aber übrigens auch wieder Vorsicht geboten. Die Übergänge von Leiden durch mangelnde Selbstakzeptanz und Leiden durch ein intolerantes Umfeld sind fließend.
Und das Leben in einem ultrakonservativen Umfeld kann z.B. u.U. ein Leid erzeugen, das nicht unbedingt als pathologisch zu betrachten wäre.... dennoch allerdings behandlungsbedürftig, da es ja bei dem betreffenden Menschen leidvolle Konsequenzen hat.
An diesem Punkt haben wir dann ein Problem: Die KK würde eine Therapie aufgrund einer Diagnose z.B. "F64.1 - Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen" bewilligen(, und denjenigen auch so speichern). Eine korrekte Diagnose sollte aber eigentlich auf "F32.- Depressive Episode" lauten, da der Leidensdruck ja nicht durch mangelnde Selbstakzeptanz, sondern durch das Umfeld entstanden ist, der Transvestitismus also eher sekundär ist.
F32 wird aber von den KK's meist ohne Zusatzdiagnose, oder "besondere Schwere" abgelehnt, mit der Begründung für Selbsterfahrungs-Therapien nicht zuständig zu sein.

Liebe Grüße

Alex

Re: Exkurs: SM (und andere sexuelle Orientierungen) als Krankheit

Ferdi, Friday, 14.03.2003, 15:26 (vor 7902 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Exkurs: SM (und andere sexuelle Orientierungen) als Krankheit von Alex am 14. März 2003 12:13:32:

Hi Alex!

Die KK würde eine Therapie aufgrund einer Diagnose z.B. "F64.1 - Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen" bewilligen

Sag bloss, es gibt Knallköppe, die das als Krankheit ansehen. Dann wären ja gut 90% aller Frauen krank! Jetzt stell Dir mal vor, die würden sich alle auf Kosten der Krankenkasse therapieren lassen. Dann hätte Kanzler Schredder wirklich was zu jammern! Wie hoch wären dann wohl die KK-Beiträge für Frauen?

Schöne Grüsse,
Ferdi

Nääää... blos nicht noch mehr von diesem Rollen-Schwachsinn (n.T.)

Alex, Friday, 14.03.2003, 15:49 (vor 7902 Tagen) @ Ferdi

Als Antwort auf: Re: Exkurs: SM (und andere sexuelle Orientierungen) als Krankheit von Ferdi am 14. März 2003 13:26:50:


Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ?

Karin, Monday, 17.03.2003, 22:45 (vor 7899 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Exkurs: SM (und andere sexuelle Orientierungen) als Krankheit von Arne Hoffmann am 14. März 2003 11:11:08:

Zu einer Diagnose gehört ZWINGEND ein Leidensdruck oder eine Gefährdung von sich oder der Umwelt - ist dieses nicht vorhanden, gibt es keine Diagnose und somit auch keine "Krankheit".

Volle Zustimmung. Diese beiden Kriterien halte ich auch für maßgeblich, um von einer Krankheit sprechen zu können.

gefährliches Eis.....
heisst das, dass ein Alkoholiker, der sich selbst was vormacht (mir gehts gut, ich bin nicht abhängig) NICHT krank ist ?
oder ist der/die dann schon krank, aber nur nicht therapierbar ?

Karin

Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ?

Alex, Tuesday, 18.03.2003, 05:28 (vor 7899 Tagen) @ Karin

Als Antwort auf: Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ? von Karin am 17. März 2003 20:45:34:

Huhu Karin,

sooo dünn ist das Eis da nicht :-)

Alki's die den schädlichen Einfluß leugnen (kommt extrem häufig vor), leiden dennoch. Merkmale sind dann Rückzug (soziale Isolation), berufliches Versagen, versteckte Verwahrlosung (nach außen hin ok, aber wer genauer hinschaut wird's merken), emotionale Abstumpfung u.ä.

Vor allem dürfte ein Maß für die Alkoholsucht der Grad der Abhängigkeit sein. Wenn die Nichtverfügbarkeit von Alkohol zu Nöten oder selbst Stimmungstiefs führt, ist Vorsicht geboten.

Die Grenze zwischen "Mögen" und "Brauchen" ist fließend. Wenn aber das Nichtvorhandensein von etwas Nöte auslöst, ist es nicht falsch, sich Gedanken darum zu machen, warum das so ist.

Ein Alkoholiker, der das alles "nicht der Rede wert" findet und sich selbst belügt, ist generell nicht therapierbar. Es kann zwar versucht werden, ihm die negativen Auswirkungen (s.o.) vor Augen zu halten.... wenn er aber darauf nicht anspricht, ist eine Therapie sinnlos und hat keinerlei Chance auf Erfolg.

Liebe Grüße

Alex

Zu einer Diagnose gehört ZWINGEND ein Leidensdruck oder eine Gefährdung von sich oder der Umwelt - ist dieses nicht vorhanden, gibt es keine Diagnose und somit auch keine "Krankheit".

Volle Zustimmung. Diese beiden Kriterien halte ich auch für maßgeblich, um von einer Krankheit sprechen zu können.

gefährliches Eis.....
heisst das, dass ein Alkoholiker, der sich selbst was vormacht (mir gehts gut, ich bin nicht abhängig) NICHT krank ist ?
oder ist der/die dann schon krank, aber nur nicht therapierbar ?
Karin

Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ?

Jolanda, Tuesday, 18.03.2003, 10:09 (vor 7899 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ? von Alex am 18. März 2003 03:28:25:

Hallo Alex

Welch wahre Worte, das musste ich auch erleben. Ein guter Freund von mir ist Alkoholiker. Er weigert sich aber immer noch, das einzusehen und verdrängt das immer wieder. Wir machen uns grosse Sorgen um ihn, weil ihm unter diesen Umständen niemand helfen kann.

Es grüsst dich
Jolanda

Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ?

Alex, Tuesday, 18.03.2003, 16:41 (vor 7898 Tagen) @ Jolanda

Als Antwort auf: Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ? von Jolanda am 18. März 2003 08:09:34:

Hallo Jolanda,

das tut mir leid. Welche negativen Auswirkungen hast Du denn festgestellt? Und wie reagiert er auf Gespräche darüber? Und wo vermutest Du die Ursachen des Alkoholismus?

Liebe Grüße

Alex

Hallo Alex
Welch wahre Worte, das musste ich auch erleben. Ein guter Freund von mir ist Alkoholiker. Er weigert sich aber immer noch, das einzusehen und verdrängt das immer wieder. Wir machen uns grosse Sorgen um ihn, weil ihm unter diesen Umständen niemand helfen kann.
Es grüsst dich
Jolanda

Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ?

Jolanda, Wednesday, 19.03.2003, 00:04 (vor 7898 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ? von Alex am 18. März 2003 14:41:23:

Hallo Alex

das tut mir leid.

---Mir tut es auch sehr leid, er ist nämlich ein ganz lieber Mensch und er hatte echt viel auf dem Kasten, d.h. er hatte ein sehr gutes Wissen, nur ist er schon so weit, dass der Alkohol da einiges zerstört hat, dass nach Meinung der Aerzte nicht wieder kommen wird. Er wurde vergesslich, hat sich ständig wiederholt, wusste nicht mehr, was er 15 Minuten vorher erzählt hatte, es ist echt schlimm.

Welche negativen Auswirkungen hast Du denn festgestellt?

---Er hat sich total zurückgezogen, nachdem er seinen Job verlor, was aber auch mit dem Alkohol zu tun hatte, da wurde es noch viel schlimmer. Er verliess tagelange die Wohnung nicht mehr, ging nicht mehr ans Telefon, öffnete niemandem mehr die Türe. Er wurde vergesslich, richtig depressiv und sehr, sehr passiv. Zuletzt fielen ihm die Zähne aus, sie bröckelten richtigehend ab.

Und wie reagiert er auf Gespräche darüber?

---Er verschliesst sich sofort, will es nicht so recht wahr haben und schon gar nicht darüber reden.

Und wo vermutest Du die Ursachen des Alkoholismus?

---Den vermute ich in seiner Kindheit, in den Problemen innerhalb der Familie und so ergab das eine das andere. Er hat niemanden zu dem er richtig gehört, er ist einsam und will sich nicht mit seiner Vergangenheit auseinander setzen, er verdrängt eben :-(

Es grüsst dich
Jolanda

Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ?

Alex, Wednesday, 19.03.2003, 00:52 (vor 7898 Tagen) @ Jolanda

Als Antwort auf: Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ? von Jolanda am 18. März 2003 22:04:08:

Hallo Jolanda!

Das klingt wirklich sehr übel. Das geht wohl schon sehr lange so.

Einziger Ansatzpunkt für Freunde wäre es darüber nachzudenken, wie er sich für irgendetwas begeistern könnte, also ihn "wie zufällig" zu Aufgaben zu bringen wo er sich engagiert und Erfolgserlebnisse hätte (wenn das noch möglich ist, das kannst Du besser beurteilen). Etwas das ihn fesselt und anspornt. Dabei könnten frühere Tätigkeiten und Interessen Anhaltspunkte sein (müssen es aber nicht). Wenn so etwas klappt, wäre es möglich die Sucht als solche wenigstens für sich zu erkennen (da sie ihn bei den Dingen die er gerne tun würde behindert), was eine spätere Therapie ermöglichen könnte.

Vielleicht fällt Dir ja dazu etwas ein... es gibt viele Beispiele, bei denen eine Aufgabe, für die manchmal ein fast fanatisches Engagement besteht (bei Sportlern z.B.), Menschen aus den tiefsten Tiefen wieder an die Oberfläche geholt haben.

Wichtig ist dass ihm diese Aufgabe extrem wichtig wird, weil nur so eine Chance besteht, dass er die behindernde Wirkung des Alkohols vor sich selbst zugibt und bei ihm von sich aus überhaupt Wünsche dies zu ändern auftauchen. Nur wenn das wichtiger wird als der Wunsch nach Verdrängung kann sowas funktionieren.

Es ist nur eine kleine Chance und ich will Dir keine großen Hoffnungen machen, Du hast sicher schon viel durchgemacht und probiert und Dich informiert. Aber ich weigere mich einfach Menschen aufzugeben und das ist ein Ansatz der nur Freunden möglich ist.

Über Co-Abhängigkeit weißt Du sicher genug, um in diese Fallen nicht zu treten, denke ich. Die Initialzündung kann von Freunden kommen (am besten eben durch "Zufall") aber den Weg gehen kann nur der Süchtige selber.

Liebe Grüße

Alex

Hallo Alex

das tut mir leid.

---Mir tut es auch sehr leid, er ist nämlich ein ganz lieber Mensch und er hatte echt viel auf dem Kasten, d.h. er hatte ein sehr gutes Wissen, nur ist er schon so weit, dass der Alkohol da einiges zerstört hat, dass nach Meinung der Aerzte nicht wieder kommen wird. Er wurde vergesslich, hat sich ständig wiederholt, wusste nicht mehr, was er 15 Minuten vorher erzählt hatte, es ist echt schlimm.

Welche negativen Auswirkungen hast Du denn festgestellt?

---Er hat sich total zurückgezogen, nachdem er seinen Job verlor, was aber auch mit dem Alkohol zu tun hatte, da wurde es noch viel schlimmer. Er verliess tagelange die Wohnung nicht mehr, ging nicht mehr ans Telefon, öffnete niemandem mehr die Türe. Er wurde vergesslich, richtig depressiv und sehr, sehr passiv. Zuletzt fielen ihm die Zähne aus, sie bröckelten richtigehend ab.

Und wie reagiert er auf Gespräche darüber?

---Er verschliesst sich sofort, will es nicht so recht wahr haben und schon gar nicht darüber reden.

Und wo vermutest Du die Ursachen des Alkoholismus?

---Den vermute ich in seiner Kindheit, in den Problemen innerhalb der Familie und so ergab das eine das andere. Er hat niemanden zu dem er richtig gehört, er ist einsam und will sich nicht mit seiner Vergangenheit auseinander setzen, er verdrängt eben :-(
Es grüsst dich
Jolanda

Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ?

Jolanda, Friday, 21.03.2003, 01:04 (vor 7896 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ? von Alex am 18. März 2003 22:52:06:

Lieber Alex

Er war neun Monate in einer Therapie, hat dort aber gegen Schluss wieder heimlich getrunken :-(

Es ist schlimm, wenn man hilflos zusehen muss, wie ein Mensch sich langsam aber sicher zu Tode säuft. Er ist gesundheitlich arg angeschlagen, der Arzt meinte, er müsse total aufpassen, der Alkohol könnte bei ihm zu ganz schweren Schädigungen führen, die kein Mediziner mehr herstellen kann.

Es grüsst dich
Jolanda

Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ?

Alex, Friday, 21.03.2003, 01:22 (vor 7896 Tagen) @ Jolanda

Als Antwort auf: Re: Exkurs: nur SM oder krank-allgemein ? von Jolanda am 20. März 2003 23:04:58:

Liebe Jolanda,

ich kann mitfühlen, wie schlimm es ist zu sehen, wie sich ein lieber Mensch selbst zerstört. Vor allem, wenn man selbst schon viel versucht hat, um daran etwas zu ändern.
Und wenn jede Hilfe von Dir versagt, ist es letztendlich seine Wahl, so traurig es auch ist, aber er ist immer noch ein erwachsener Mensch mit freien Entscheidungen. Manchmal, aber nur manchmal können Freunde aber mehr als eine Therapie.
Ich möchte Dir Mut machen, und Dir gleichzeitig sagen, dass er alleine verantwortlich ist. Verstehst Du? Freunde bemühen sich zu helfen, aber verantwortlich ist immer der Mensch, der die Hilfe annimmt, oder eben nicht!

*kunddelDichmalganzlieb*

Alex

Lieber Alex
Er war neun Monate in einer Therapie, hat dort aber gegen Schluss wieder heimlich getrunken :-(
Es ist schlimm, wenn man hilflos zusehen muss, wie ein Mensch sich langsam aber sicher zu Tode säuft. Er ist gesundheitlich arg angeschlagen, der Arzt meinte, er müsse total aufpassen, der Alkohol könnte bei ihm zu ganz schweren Schädigungen führen, die kein Mediziner mehr herstellen kann.
Es grüsst dich
Jolanda

Re: Verstiegen ....

Alex, Friday, 14.03.2003, 11:21 (vor 7903 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Verstiegen .... von susu am 13. März 2003 21:07:11:

Rüdiger schrieb Das Problem scheint mir dann eher in der Definition der Mediziner zu liegen als in der Realität, in der die meisten Menschen instinktiv eine Zuordnung treffen können. Tut mir leid, diese Diskussion kommt mir immer verstiegener vor. Mag ja sein, daß es schwer ist, den Begriff "Geschlecht" definitorisch zu fassen, aber daß es die Geschlechter gibt, ist von so überwältigender Evidenz, daß es mir echt lächerlich erscheint, daran herumzudeuteln.

Susu schrieb:
[quote]Evident ist:
1. Es gibt verschiedene Körper.
2. Die Biologie bestimmt bei diesen nach verschiedenen Methoden das Geschlecht und kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen (Mann in einer Arbeit eines Genetikers ist anders definiert als in der eines Evolutionsbiologen, eines Anatomen oder eines Endokrinologen, daher sprechen Medizinern von verschiedenen Geschlechtern, etwa dem hormonellen, dem gonodalen oder dem genetischen, meist besteht kein Zweifel darüber, daß es mehr als zwei dieser Geschlechter gibt)
3. Die Medizin reduziert diese Mehrzahl der Geschlechter, die jeder Mensch besitzt auf "das Geschlecht".
4. Die Medizinische Definition bildet die Basis unseres Rechtssystems (Männer und Frauen sind gleichberechtigt, der Rest fällt da unter den Tisch)
5. Die rechtlichen und medizinischen Definitionen gehören zu den Praxen, die in bestimmten Kontexten herrangezogen werden.
[/quote]

An anderer Stelle habe wir über "Fuzzy-Logic" (FL) diskutiert. Rüdiger betreibt hier "defuzzyfizierung". Eine Technik, die in elektronischen FL-Bausteinen dazu dient Fuzzy-Daten in digitalen Rechnersystemen weiterverarbeiten zu können.
Nur wozu dient diese Technik hier?
Kleines Beispiel aus der Informatik:
[center]

<HR></p>[/center]
Ein Kreditinstitut möchte per Fuzzy-Logic eintscheiden, ob ein pot. Kunde Kreditwürdig ist. Fuzzy-Logic deshalb, weil man mit scharfer, diskreter Logik nur schwer entscheiden kann, wann aufgrund von vielen Kriterien "Kreditwürdigkeit" gegeben ist. Legt man ein festes Einnahmen/Ausgaben-Verhältnis fest, entgehen dem Unternehmen zu viele Kunden (wg. falscher Einteilung) die z.B. ein gewaltiges Privatvermögen besitzen u.ä. So wird also ein Fragebogen mit 20 Fragen erstellt, und alle diese Daten per FL verarbeitet (dies war ein realer Anwendungsfall eines US Kreditinstitutes... deswegen wurden die genauen Parameter der FL auch nie veröffentlicht).
So... nun MUSS die Ausgabe der FL aber am Ende sein "kreditwürdig" oder "Nicht kreditwürdig" also binär.... die Ausgabe einer reinen FL würde z.B. lauten 75%ig kreditwürdig. Man legt also einfach einen Punkt "Entscheidung noch tragber" mit z.B. 70% fest und ein digitaler Rechner kann ab sofort automatisch Kredite vergeben oder verweigern.
[center]

<HR></p>[/center]

Hier haben wir einen konkreten Nutzen, der die Effizienz erhöht, für die Defuzzyfizierung.... aber wo liegt der Nutzen in der Defuzzyfizierung Mann/Frau?
Ich schrieb auch schon mal, dass das ja bei der Partnerwahl möglicherweise eine Rolle spielen mag... aber das dürfte ja nur ein geringer Teil des Lebens sein.

Im Gegenteil... die Einteilung wird ja vorgenommen, um mit ihr gewisse Eigenschaften zu verbinden, das Gegenüber einschatzen zu können. Wenn ich mir aber den Katalog der damit verbundenen Eigenschaften (die Praxen also)anschaue führt diese Methode eher zu grobem Unfug, als zu höherer Effizienz.

Susu schrieb:
Eben diese eine Geburt unter 1000-2000. Es gibt demnach zwischen 40.000 und 80.000 solcher Ausnahmen. Das sind mehr als doppelt so viele, wie es AE Väter gibt. Nach deiner Diktion müßte ich die jetzt auch völlig ignorieren. Und bei gerade mal 6000 TG in D-Land müßte ich mir selbst als irrelevant erscheinen. Nur weil nicht allzuviele Morde geschehen, sagt ja auch niemand: Dann ist es ja egal.

Und das Umgehen mit TG oder allgemeiner mit Menschen wo eine binäre Zuordnung Mann/Frau nicht möglich ist grenzt schon recht häufig an Mord oder "Treiben in den Selbstmord", wenn man sich Statistiken dazu anschaut.

Rüdiger schrieb:
Menschen sind keine perfekten Maschinen, beinahe jedes Organ kann bei dem einen oder anderen Menschen mißgebildet sein, das ist keine Widerlegung gegen den Satz: "Ein Mensch hat in der Regel zwei Augen, zwei Nieren usw." Zu diesen Mißbildungen muß man doch wohl in der Regel auch die Zwitterbildungen rechnen, denn fortpflanzungsfähig sind die i. d. R. doch wohl nicht, oder?

Susu schrieb:
Ich würde hier den abwertenden Begriff "Mißbildungen" anprangern, ebenso den von den hermaphroditen abgelehnten Begriff "Zwitter". Der Punkt ist, daß es sich hier um eine natürliche und erwartete Variation handelt, es ist keine Überaschung, daß Hermaphroditen existieren und es gibt keinen Grund sie abzuwerten oder als nicht-existent anzusehen. Aber, die Anzahl der Nieren steht nicht auf der Geburtsurkunde, ist nicht in geltendes Recht eingebunden und hat keine sozialen Auswirkungen. Und: es gibt AFAIK durchaus fortpflanzungsfähinge Hermaphroditen.

Die ganze Evolution basiert auf Deinen "Mißbildungen", Rüdiger. Schade, dass Dir kein schöneres Wort für die Grundlage allen Lebens eingefallen ist.

Jetzt nimmer, es ist aus der Liste der psychischen Erkrankungen gestrichen worden.
Steht meines Wissens immer noch drauf, hast du da irgendwelche Quellen?

Es steht auch in der neuen Ausgabe noch drin.
ICD 10 (Neue Ausgabe 2.0), wobei in der ärztlichen Praxis noch Ausgabe 1.3 anzuwenden ist, nur in der stationärer Behandlung bereits Ausgabe 2.0

Re: Verstiegen ....

Rüdiger, Sunday, 16.03.2003, 23:34 (vor 7900 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Verstiegen .... von Alex am 14. März 2003 09:21:42:

Die ganze Evolution basiert auf Deinen "Mißbildungen", Rüdiger. Schade, dass Dir kein schöneres Wort für die Grundlage allen Lebens eingefallen ist.

Die meisten Mutationen führen nicht zu einer sinnvollen Verbesserung, sondern dazu, daß das betroffene Individuum nicht mehr lebensfähig oder behindert ist - das kann man getrost als "Mißbildung" bezeichnen. Wenn Du blind in das Innere Deines PCs greifst und irgendwas veränderst, wird das Resultat auch in den seltensten Fällen eine verbesserte Funktionstüchtigkeit sein ...

Gruß, Rüdiger

Re: Verstiegen ....

Alex, Tuesday, 18.03.2003, 05:09 (vor 7899 Tagen) @ Rüdiger

Als Antwort auf: Re: Verstiegen .... von Rüdiger am 16. März 2003 21:34:18:

Huhu Rüdiger!

Es mag sein, dass viele Mutationen nicht lebensfähig sind. Trotzdem ist aber die Mutation auch der EINZIGE Fortschritt! Somit wären wir Menschen ohne diese niemals entstanden! Evolution verläuft nicht nach Plan. Klar braucht es viele Mutanten um echte "Verbesserungen" hervorzubringen. Das ändert aber nichts daran, dass wir ohne diese Mutationen diese Diskussion nicht führen könnten. Somit halte ich Mutation an sich für überaus wertvoll, egal, ob das entstehende Wesen nun kaum lebensfähig ist, oder welche Eigenschaften auch immer besitzt. NUR so ist Evolution möglich.

Liebe Grüße

Alex

Die ganze Evolution basiert auf Deinen "Mißbildungen", Rüdiger. Schade, dass Dir kein schöneres Wort für die Grundlage allen Lebens eingefallen ist.

Die meisten Mutationen führen nicht zu einer sinnvollen Verbesserung, sondern dazu, daß das betroffene Individuum nicht mehr lebensfähig oder behindert ist - das kann man getrost als "Mißbildung" bezeichnen. Wenn Du blind in das Innere Deines PCs greifst und irgendwas veränderst, wird das Resultat auch in den seltensten Fällen eine verbesserte Funktionstüchtigkeit sein ...
Gruß, Rüdiger

Bitte um Ausführungen zur 40 %-Behauptung

Daddeldu, Sunday, 16.03.2003, 01:22 (vor 7901 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Verstiegen .... von susu am 13. März 2003 21:07:11:

Huhu susu!

"It´s the biology, stupid!" … Es gibt eben zwei biologische Geschlechter und die haben eben unterschiedliche Physis und Psyche. Das Problem mit dieser Ansicht ist folgendes: Schon bei den primären Geschlechtsteilen gibt es Ausnahmen, bei den sekundären gibt es schon mehr Ausnahmen als nicht-Ausnahmen

Ersteres ist richtig, aber die Ausnahmen sind eben extrem selten. Letzteres glaube ich nicht und bitte Dich daher um nähere Ausführung, oder, wenn möglich, Angabe einer Quelle.

bei der in der Medizin gebräuchlichen Definition fallen ca. 40% der Menschen durch das Raster … einige der 40% liegen nicht in der Mitte sondern außerhalb, ein Mann mit Testo-Werten die über dem Grenzwert für Männer liegen ist kein Mann i.S.d. medizinischen Definition mehr.

Auch dies glaube ich nicht. Ich habe dazu auch gleich ein Arzt-Wesen (das ich und es selbst Ärztin nennen würden) befragt, welches mit dieser Behauptung nichts anfangen konnte. Es riet mir, mich mal bei Dir nach näheren Ausführungen und am besten einer Quelle für diese Behauptung zu erkundigen, was ich hiermit mache: Könntest Du bitte diese medizinische Definition, nach der 40 % der Menschen durch das Raster fallen, posten, und am besten noch eine Quelle angeben?

Es gibt auch Menschen mit XY-Chromosomensatz, bei denen in der Geburtsurkunde ein "weiblich" steht … Dafür die mit XX-Chromosomensatz, bei denen ein "männlich" steht.

Das nennt man dann Fehldiagnose und ärztlichen Kunstfehler. Der XX-Chrom ist weiblich, egal was da steht, der XY-Chrom ist männlich. Nach der maßgebenden medizinisch-biologischen Einteilung.

Wenn Du mit "männlich" oder "weiblich" die Biologie meinst, wäre das auch höchst albern. Dann sind es tatsächlich Axiome, empirisch belegbar.

Nein. Eine empirische Wissenschaft hat keine Axiome, sondern nur Theorien, die beim Auftritt einer Ausnahme ihre Gültigkeit verlieren. [/i]

Ich denke, dass man hier weder von Axiomen noch von Theorien sprechen kann, sondern von Beschreibung, Einteilung und Benennung. Wer das Leben auf diesem Planeten erforscht, wird beobachten, dass fast alle Tierarten sich innerhalb der Art noch einmal in zwei unterschiedliche Untergruppen einteilen lassen und dass diese Einteilung etwas mit der Fortpflanzung zu tun hat: Trennt man die beiden Untergruppen, findet Fortpflanzung nicht mehr statt, es ist dafür je ein Tier der beiden Untergruppen nötig. Die Biologie hat für die Einteilung die Benennung „Geschlecht“ und für die Gruppen „weiblich“ und „männlich“ eingeführt. Das Phänomen ist da, ob man es beobachtet oder nicht, ob man die Einteilung vornimmt oder nicht, ob man Benennungen einführt oder nicht, ob man es „männlich und weiblich“ oder „Hurz und Blopp“ nennt. Eine solche Einteilung macht auch dann Sinn, wenn es einige Ausnahmen bzw. Grenzfälle gibt. Die Basis für die Biologie ist die Beschreibung der vorgefundenen Fakten.

Evident ist:
1. Es gibt verschiedene Körper.

Das stimmt.

2. Die Biologie bestimmt bei diesen nach verschiedenen Methoden das Geschlecht …

Das stimmt.

… und kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen

Das bezweifle ich. Ich denke, sie kommt mit verschiedenen Methoden der Diagnose zu fast immer den gleichen – oder besser: übereinstimmenden – Ergebnissen.

(Mann in einer Arbeit eines Genetikers ist anders definiert als in der eines Evolutionsbiologen, eines Anatomen oder eines Endokrinologen, daher sprechen Mediziner von verschiedenen Geschlechtern, etwa dem hormonellen, dem gonodalen oder dem genetischen,

Das tun die tatsächlich, das ist aber nur eine schlampige Ausdrucksweise für „auf unterschiedlichem Wege diagnostiziertes Geschlecht“

3. Die Medizin reduziert diese Mehrzahl der Geschlechter, die jeder Mensch besitzt auf "das Geschlecht".

Mit gutem Grund, denn die unterschiedlichen Diagnosemethoden dürften fast immer zur gleichen Diagnose führen.

4. Die Medizinische Definition bildet die Basis unseres Rechtssystems

Der Jurist spricht davon, dass sich Tatsachen (oder ein Sachverhalt) unter bestimmte Tatbestandsmerkmale subsumieren lässt, und wenn der Tatbestand erfüllt ist, hat dies die rechtlich normierte Rechtsfolge. Die Tatbestände, die an das Geschlecht anknüpfen, sind sinnvoll (allerdings nicht zwingend gerecht, siehe Wehrpflicht), denn in der Lebenswirklichkeit findet man hauptsächlich Menschen, bei welchen sich ein Geschlecht eindeutig diagnostizieren lässt. Medizinisch diagnostiziert, nicht sozial konstruiert.

Und daß das Wort, das da ein Arzt einträgt eine soziale Konstruktion ist, versteht sich von selbst. … Aber mal im Ernst, was hindert mich daran, das, was ich da sehe z.B. als erregierfähige Vagina zu beschreiben?

[quote]Die sprachliche Konvention hindert Dich daran.[/quote]

Die Dinge verändern sich, je nachdem wie du sie liest. Ganz konkret, ganz individuell. Und was wäre sprachliche Konvention, wenn nicht eine Konvention und damit... Sozial konstruiert.

Damit ist dann aber nur das WORT Penis sozial konstruiert, nicht der Penis selbst. Das heißt die Dinge verändern sich eben NICHT, je nach dem, wie Du sie liest. Oder, um von jener offenkundig das Denken verwirrenden Soziologensprache weg und zur klareren wissenschaftlichen Sprache hin zu kommen: die Dinge verändern sich eben NICHT, je nach dem, wie Du sie beschreibst.

Gruß,
Daddeldu

Re: Bitte um Ausführungen zur 40 %-Behauptung

susu, Monday, 17.03.2003, 21:28 (vor 7899 Tagen) @ Daddeldu

Als Antwort auf: Bitte um Ausführungen zur 40 %-Behauptung von Daddeldu am 15. März 2003 23:22:39:

Hallo Daddeldu

Ersteres ist richtig, aber die Ausnahmen sind eben extrem selten. Letzteres glaube ich nicht und bitte Dich daher um nähere Ausführung, oder, wenn möglich, Angabe einer Quelle.

Die primären Geschlechtsmerkmale, die die Medizin betrachtet sind Gonaden, die primären äußeren Reproduktionsorgane, die Geschlechts-Chromosomen und der Hormonspiegel. Beim Hormonspiegel liegt die Mehrheit der Außnahmen.

Auch dies glaube ich nicht. Ich habe dazu auch gleich ein Arzt-Wesen (das ich und es selbst Ärztin nennen würden) befragt, welches mit dieser Behauptung nichts anfangen konnte. Es riet mir, mich mal bei Dir nach näheren Ausführungen und am besten einer Quelle für diese Behauptung zu erkundigen, was ich hiermit mache: Könntest Du bitte diese medizinische Definition, nach der 40 % der Menschen durch das Raster fallen, posten, und am besten noch eine Quelle angeben?

S.o. Ich habe dazu eine Quelle, allerdings nicht hier, sondern in meiner anderen Wohnung. Ich werde sie nächsten Montag posten.

Das nennt man dann Fehldiagnose und ärztlichen Kunstfehler. Der XX-Chrom ist weiblich, egal was da steht, der XY-Chrom ist männlich. Nach der maßgebenden medizinisch-biologischen Einteilung.

Das nennt mensch u.a. Transidentität, oder auch Androgenresistenz, oder, oder oder. Die Biologie kennt da diverse Einteilungen, ebenso das Recht (s.u.)

Ich denke, dass man hier weder von Axiomen noch von Theorien sprechen kann, sondern von Beschreibung, Einteilung und Benennung. Wer das Leben auf diesem Planeten erforscht, wird beobachten, dass fast alle Tierarten sich innerhalb der Art noch einmal in zwei unterschiedliche Untergruppen einteilen lassen und dass diese Einteilung etwas mit der Fortpflanzung zu tun hat: Trennt man die beiden Untergruppen, findet Fortpflanzung nicht mehr statt, es ist dafür je ein Tier der beiden Untergruppen nötig. Die Biologie hat für die Einteilung die Benennung „Geschlecht“ und für die Gruppen „weiblich“ und „männlich“ eingeführt. Das Phänomen ist da, ob man es beobachtet oder nicht, ob man die Einteilung vornimmt oder nicht, ob man Benennungen einführt oder nicht, ob man es „männlich und weiblich“ oder „Hurz und Blopp“ nennt. Eine solche Einteilung macht auch dann Sinn, wenn es einige Ausnahmen bzw. Grenzfälle gibt. Die Basis für die Biologie ist die Beschreibung der vorgefundenen Fakten.

Diese Beschreibung macht in Teilbereichen der Biologie Sinn, aber so wie du diese Definition vornimmst, gibt es eine ganze Menge Ausnahmen... Unfruchtbare Tiere, kannst du in beide Gruppen stellen, ohne das eine Fortpflanzung möglich ist, sie sind bei dieser Definition sowohl männlich als auch weiblich. Das gleiche gilt für Tiere, die obwohl dazu organisch fähig sich nicht an reproduktiven Prozessen beteiligen (z.B. homosexuell lebende, oder non-reprodktive Heterosexualitäten lebende). Dazu kommen Arten, die mehr als zwei Geschlechter haben (Eine Fischart hat 5), Arten, die im Laufe ihres Lebens je nach Alter Eizellen oder Samen produzieren und Arten, bei denen jedes Individuum mit jedem anderen Fortpflanzungsfähig ist (z.B. Schnecken). (Quelle u.a. "Natural Exhuberance" - Bruce Baghemil [Autor aus dem Gedächtnis benannt...])

>2. Die Biologie bestimmt bei diesen nach verschiedenen Methoden das Geschlecht und kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen<<

Das bezweifle ich. Ich denke, sie kommt mit verschiedenen Methoden der Diagnose zu fast immer den gleichen – oder besser: übereinstimmenden – Ergebnissen.[/i]

Nein. Ein Beispiel sind die zwei Geschlechtsdefinitionen der Genetik. Eine bezeichnet die Individuen als männlich, die das Geschlechtsbestimmende Chromosom tragen, andere die als weiblich, die die mitochondriale DNA vererben. Z.B. bei Vögeln sind diese Definitionen wiedersprüchlich, weil bei allen Arten, sowohl das Geschlechtsbestimmende Chromosom als auch die Mitochondriale DNA von einem Individuum stammt.

>(Mann in einer Arbeit eines Genetikers ist anders definiert als in der eines Evolutionsbiologen, eines Anatomen oder eines Endokrinologen, daher sprechen Mediziner von verschiedenen Geschlechtern, etwa dem hormonellen, dem gonodalen oder dem genetischen,<<

Das tun die tatsächlich, das ist aber nur eine schlampige Ausdrucksweise für „auf unterschiedlichem Wege diagnostiziertes Geschlecht“[/i]

Nein. Denn dazu müsten diese Ergebnisse tatsächlich kongruent sein, aber zumindest beim hormonellen Geschlecht fallen sehr viele Menschen aus dem Raster.

Mit gutem Grund, denn die unterschiedlichen Diagnosemethoden dürften fast immer zur gleichen Diagnose führen.

Wenn "fast immer" gleich "in 60% der Fälle" ist, dann stimmt das.

Der Jurist spricht davon, dass sich Tatsachen (oder ein Sachverhalt) unter bestimmte Tatbestandsmerkmale subsumieren lässt, und wenn der Tatbestand erfüllt ist, hat dies die rechtlich normierte Rechtsfolge. Die Tatbestände, die an das Geschlecht anknüpfen, sind sinnvoll (allerdings nicht zwingend gerecht, siehe Wehrpflicht), denn in der Lebenswirklichkeit findet man hauptsächlich Menschen, bei welchen sich ein Geschlecht eindeutig diagnostizieren lässt. Medizinisch diagnostiziert, nicht sozial konstruiert.

Fast richtig, aber ob ich ein uneindeutiges hormonelles Geschlecht, oder eine endokrinologische Abberation sehe, hängt vom Betrachter ab und diese Sichtweise ist es, was sozial konstruiert wird.

Damit ist dann aber nur das WORT Penis sozial konstruiert, nicht der Penis selbst. Das heißt die Dinge verändern sich eben NICHT, je nach dem, wie Du sie liest. Oder, um von jener offenkundig das Denken verwirrenden Soziologensprache weg und zur klareren wissenschaftlichen Sprache hin zu kommen: die Dinge verändern sich eben NICHT, je nach dem, wie Du sie beschreibst.

Was sich ändert ist die Bedeutung (!) die die Dinge Tragen. Das Wort Penis enthält mehr, als pure Deskription, nämlich Information über den legitimen Einsatz diese Körperteils, bestimmte mit dem Begriff verknüpfte Idealvorstellungen usw. Gleichzeitig enthält er auch weniger als wirkliche Deskription, denn das Wort "Penis" gibt mir wenig Information über die Beschaffenheit meines Unterleibs. Dafür ist die von diesem Begriff umfasste Menge an Dingen zu groß. Nach mehreren Krebsbedingten OPs an seinem Glied nannte Herr L. aus dem Altenehim in dem ich arbeite, seinen nur noch "den Rest, den mir der Doktor noch gelassen hat". Trotzdem würde der Mediziner nicht zögern, diesen Rest noch als Penis zu bezeichnen. Um mal was zu "klarer Wissenschaftlicher Sprache" zu sagen: Es gibt verschiedene Abstraktionslevels, auf denen ich einen Sachverhalt betrachten kann, es geht darum, den im Kontext angemessenen zu finden, um eine Frage zu beantworten (Auf Quantenphysikalischer Ebene sind Mann und Frau weder voneinander, noch von einem Tisch oder Stuhl zu unterscheiden, es gelten exakt dieselben Regeln. Das hat aber keine Relevanz hier). Das ist hier keineswegs verworrenes Soziologensprech, sondern die Grundlage moderner Wissenschaft. Es geht darum, daß die für Populationen z.T. sinnvolle Abstraktion "binäres Geschlecht" für Individuen unsinnig ist. Mit klassischer Mechanik kann ich große Konglomerationen von Teilchen beschreiben, nicht aber einzelne Teilchen. Eine chemische Betrachtung einer Reaktion zweier Stoffe trifft keine Aussage über jedes einzelne Molekül, nur über statistische Verteilungen etc. In jedem Kontext gibte es andere sinnige Abstraktionen und ich habe keinen blassen Schimmer, in welchen Kontext es relevant ist, wie ich meine Hüftregion zu bennenen wünsche (mit Ausnahme von Sexualität, aber da haben eigentlich nur die Menschen mitzureden, mit denen ich Sex habe).

susu

Re: Bitte um Ausführungen zur 40 %-Behauptung

Daddeldu, Wednesday, 19.03.2003, 20:09 (vor 7897 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Bitte um Ausführungen zur 40 %-Behauptung von susu am 17. März 2003 19:28:07:

Hallo susu

Die primären Geschlechtsmerkmale, die die Medizin betrachtet sind Gonaden, die primären äußeren Reproduktionsorgane, die Geschlechts-Chromosomen und der Hormonspiegel. Beim Hormonspiegel liegt die Mehrheit der Ausnahmen.

Könntest Du bitte diese medizinische Definition, nach der 40 % der Menschen durch das Raster fallen, posten, und am besten noch eine Quelle angeben?

S.o.

Ist das da oben etwa die „medizinische Geschlechtsdefinition“? Da wäre aber noch einiges zu sagen zum Verhältnis der einzelnen beobachtbaren Merkmale. Du scheinst der Meinung zu sein, dass bei jedem Punkt ein notwendiges Kriterium aufgestellt wird, die dann alle kumulativ vorliegen müssen.

Ich habe dazu eine Quelle, allerdings nicht hier, sondern in meiner anderen Wohnung. Ich werde sie nächsten Montag posten.

Da freue ich mich drauf.

Trennt man die beiden Untergruppen, findet Fortpflanzung nicht mehr statt

Diese Beschreibung macht in Teilbereichen der Biologie Sinn, aber so wie du diese Definition vornimmst, gibt es eine ganze Menge Ausnahmen...

Das war aber keine Definition, sondern nur die Erläuterung, warum eine solche Einteilung Sinn macht. Wenn Du immer alles sofort als „Definition“ auffasst und zusätzlich noch eng auslegst, ist es kein Wunder, dass Du zu immensen Ausnahmezahlen kommst.

Unfruchtbare Tiere, kannst du in beide Gruppen stellen, ohne dass eine Fortpflanzung möglich ist, sie sind bei dieser Definition sowohl männlich als auch weiblich.

War aber keine Definition.

Dazu kommen Arten, die mehr als zwei Geschlechter haben …

Deshalb schrubte ich „fast alle Tierarten“.

Ein Beispiel sind die zwei Geschlechtsdefinitionen der Genetik. Eine bezeichnet die Individuen als männlich, die das geschlechtsbestimmende Chromosom tragen, andere die als weiblich, die die mitochondriale DNA vererben. Z.B. bei Vögeln sind diese Definitionen widersprüchlich, weil bei allen Arten, sowohl das Geschlechtsbestimmende Chromosom als auch die mitochondriale DNA von einem Individuum stammt.

Ich vermag mir nur schwer vorzustellen, dass die Genetik zwei fixe Definitionen vornimmt, die für alle Tierarten gelten sollen, einschließlich der Vögel, und die Genetik dann zu dem Ergebnis kommt, dass Vögel grundsätzlich kein Geschlecht haben. Und ich vermeine mich auch daran erinnern zu können, dass bei Vögeln durchaus von männlichen und weiblichen Tieren, Erpeln, Hennen und Hähnen u. ä. gesprochen wird. Sinnvoll erschiene mir hier eher, und ich nehme auch an dass das dann so gesagt wird, davon zu sprechen, dass die mitochondriale DNA prinzipiell vom Weibchen vererbt wird, hier die Vögel aber eine Ausnahme bilden.

dazu müssten diese Ergebnisse tatsächlich kongruent sein, aber zumindest beim hormonellen Geschlecht fallen sehr viele Menschen aus dem Raster.

Na, da wird man wohl eher von „erhöhten“ oder „niedrigen“ Testosteron- oder Östrogenwerten sprechen, oder generell von Hormonstörung. Wenn Du Dich jetzt über das Wort „Störung“ echauffieren willst, kannst Du das gerne tun. Bitte sehr, gern geschehen.

ob ich ein uneindeutiges hormonelles Geschlecht, oder eine endokrinologische Abberation sehe, hängt vom Betrachter ab

Ach so, so läuft das: Du nimmst die Hormongrenzwerte für einen Mann her, erhebst diese zur „Definition des hormonellen männlichen Geschlechtes“, und sagst dann bei jedem Abweichen, es läge jetzt per definitionem kein Mann vor. Das gleiche noch mal für Frauen, und wir haben unsere 40 % Ausnahmen, wie es von Anfang an das Ziel war, zusammen.

und diese Sichtweise ist es, was sozial konstruiert wird.

Konstruiert wirkt hier allerdings Deine Sichtweise, mit der Du Hormonstörungen zu Ausschlusskriterien für Geschlechtszugehörigkeit erhebst.

Damit ist dann aber nur das WORT Penis sozial konstruiert, nicht der Penis selbst. … die Dinge verändern sich eben NICHT, je nach dem, wie Du sie beschreibst.

Was sich ändert ist die Bedeutung (!) die die Dinge tragen.

Grade fragst Du noch ganz scheinheilig „Was hindert mich, dass, was ich da unten sehe, als erigierfähige Vagina zu beschreiben?“, und implizierst damit natürlich, es träte kein Bedeutungswandel ein, und jetzt das.

Nach mehreren krebsbedingten OPs an seinem Glied nannte Herr L. aus dem Altenheim in dem ich arbeite, seinen nur noch "den Rest, den mir der Doktor noch gelassen hat". Trotzdem würde der Mediziner nicht zögern, diesen Rest noch als Penis zu bezeichnen.

Bedauerlicherweise bin ich mit Herrn L.s krebszerfressenem Penisrest nicht persönlich vertraut, so dass es mir schwer fällt, hier die korrekte Benennung – Penis, Penisrest, Penisstumpf – zu beurteilen. Aber selbst nach einer Totalamputation eines Penis ist die Tatsache, dass ein Mensch mal einen Penis hatte ein gutes Kriterium, um sein männliches Geschlecht zu diagnostizieren. Ja, ja, ist nicht hinreichend, ich weiß.

Daddeldu

Sinn und Unsinn der Einteilung in zwei Geschlechter

Alex, Wednesday, 19.03.2003, 22:52 (vor 7897 Tagen) @ Daddeldu

Als Antwort auf: Re: Bitte um Ausführungen zur 40 %-Behauptung von Daddeldu am 19. März 2003 18:09:36:

Hallo Ihr!

Ich möchte hier mal ein bisschen weg, von der kleinkarierten Merkmalklauberei.

Die Frage die sich mir eher stellt:

Ist der Unsinn einer Einteilung in zwei! Geschlechter nicht weit größer als der Sinn derselben?

Der damit erzeugte Druck und das Leid erscheint mir den Nutzen um ein Vielfaches zu übersteigen. Vor allem wenn man sämtliche Rollen-Stereotypen und Klischees (die ja Auswüchse dieser Einteilung sind) mit einbezieht.

Es dürfte meiner Meinung nach kein lebendes Wesen geben, dass "dem Mann" oder "der Frau" gerecht wird. Jede Abweichung scheint aber einen (meines Erachtens) unnötigen Druck auszuüben.

Was Susu Dir zu zeigen versucht, ist, dass schon die wissenschaftliche Definition durchaus selten "wasserdicht" ist... aber das artet nun irgendwie aus und bringt in meinen Augen nicht sehr viel.

Es ist so, dass ca. 4% der Bevölkerung intersexuelle Anlagen tragen (und die Dunkelziffer weit höher vermutet wird). D.h. alleine in Deutschland sind das ca. 3,5 Millionen Menschen! (s. z.B. hier
Das übertrifft die Anzahl der Menschen um die sich sonst intensiv Gedanken gemacht wird bei weitem. 3,5 Mio. Menschen in D sind keine Minderheit mehr, die man einfach ignorieren könnte.
Die augenblickliche Reaktion auf Intersexualität ist aber, wenn überhaupt reflektorisch vorhanden, es als Störung oder Krankheit zu bezeichnen, anstatt sich zu fragen ob die Einteilung in zwei Geschlechter vielleicht gnadenlose Simplifizierung ist. Dabei eintstehen dann Auswüchse, wie die "Zuweisung" eines Geschlechts, wenn dieses med. nicht erkennbar ist (s. z.B. hier).
Ganz zu schweigen von den Auswüchsen, die die Suizidrate bei Menschen die sich keinem Geschlecht, oder einem anderen Geschlecht als dem rechtlich festgelegten zugehörig fühlen, in utopische Höhen treiben.

Spätestens bei diesen Überlegungen mach ich mir Gedanken welchen Sinn eine Einteilung in zwei Geschlechter überhaupt hat. Und.... ich finde keinen... doch, den einzigen, dass es zur Fortpflanzung auf natürlichem Wege ein Spermium und eine Eizelle braucht und diese verschmelzen können müssen....
Alles was darüber hinaus geht verstehe ich als sinnloses Konstrukt ähnlich der ptolemäischen Denkweise "die Erde ist eine flache Scheibe".

3,5% der Bevölkerung bei denen die Intersexualität sicher ist und eine geschätzte Dunkelziffer, die diese Zahl verdoppeln würde, sind doch keine Sache die man so einfach noch ignorieren kann. Die Anzahl der Menschen mit homosexuellen Erfahrungen beispielsweise liegt bei ca. 6% (die Anzahl derer, die ausschließlich homosexuell leben bei nur ca. 1%). Trotzdem wird Homosexualität heute wissenschaftlich nirgenwo mehr als Störung bezeichnet, sonder als Variation die in der Vielfalt des Lebens zwingend natürlich ist.
Bei Intersexualität wird aber (trotz des höheren Prozentsatzes) nicht in Erwägung gezogen die als zu eng erkannten rechtlichen und wissenschaftlichen Definitionen anzugleichen, sondern die Menschen in Schubladen zu pressen. Warum?
Dazu kommt in meinen Augen, dass, wenn der Druck in eine Schublade passen zu müssen ein Ende hätte vermutlich weit mehr als die 3,5% plus die Dunkelziffer in einzelnen Lebensbereichen Entscheidungen treffen würden, die heute so nicht möglich sind, ohne gesellschaftlichem Druck standhalten zu müssen. D.h. wenn dieser Druck entfernt würde, würde Freiheit für alle Menschen einfacher zu erreichen. Im Gegenzug hätte dies für mich keine sichtbaren Nachteile.
Stattdessen gibt es aber selbst aus junger Zeit Gerichtsurteile, die die geschlechtliche Einteilung weiter zementieren (s. z.B. hier). Wie viele Jahrhunderte brauchen wir denn noch, bis wir Menschen nicht Definitionen anpassen, sondern Definitionen so erweitern, dass sie die reale Welt beschreiben?

Liebe Grüße

Alex

Re: Bitte um Ausführungen zur 40 %-Behauptung

susu, Thursday, 20.03.2003, 20:58 (vor 7896 Tagen) @ Daddeldu

Als Antwort auf: Re: Bitte um Ausführungen zur 40 %-Behauptung von Daddeldu am 19. März 2003 18:09:36:

Hi Daddledu.
Ist das da oben etwa die „medizinische Geschlechtsdefinition“? Da wäre aber noch einiges zu sagen zum Verhältnis der einzelnen beobachtbaren Merkmale. Du scheinst der Meinung zu sein, dass bei jedem Punkt ein notwendiges Kriterium aufgestellt wird, die dann alle kumulativ vorliegen müssen.

Soweit mir bekannt stimmt das. Wenn einzelne Merkmale aus der Reihe fallen, werden sie als Pathologien beschriben.

Das war aber keine Definition, sondern nur die Erläuterung, warum eine solche Einteilung Sinn macht. Wenn Du immer alles sofort als „Definition“ auffasst und zusätzlich noch eng auslegst, ist es kein Wunder, dass Du zu immensen Ausnahmezahlen kommst.

Die Einteilung macht für die unfruchtbaren Individuen aber keinen Sinn.

Ich vermag mir nur schwer vorzustellen, dass die Genetik zwei fixe Definitionen vornimmt, die für alle Tierarten gelten sollen, einschließlich der Vögel, und die Genetik dann zu dem Ergebnis kommt, dass Vögel grundsätzlich kein Geschlecht haben. Und ich vermeine mich auch daran erinnern zu können, dass bei Vögeln durchaus von männlichen und weiblichen Tieren, Erpeln, Hennen und Hähnen u. ä. gesprochen wird. Sinnvoll erschiene mir hier eher, und ich nehme auch an dass das dann so gesagt wird, davon zu sprechen, dass die mitochondriale DNA prinzipiell vom Weibchen vererbt wird, hier die Vögel aber eine Ausnahme bilden.

Ganz einfach, die Genetiker beginnen ihre Arbeiten, die diesen Bereich tangieren mit einer Erklärung, welche Definition sie verwenden. D.h. in zwei Arbeiten über Vögel, bedeuten die Begriffe Männchen und Weibchen nicht zwingend dasselbe. Das ist auch gar kein Problem, weil die Grundlage der Abstraktion genannt ist und deshalb keine Verwechselung möglich ist. Die Einteilung zwischen Enten und Erpeln, Hähnen und Hennen wird nur sehr selten auf der Basis von Gentests getroffen. Meist wird nur die Morphologie betrachtet, BZW das Verhalten. Bei Königspinguinen sehen sich alle Tiere extrem ähnlich, so daß selbst Experten keine Unterschiede, außer zwischen den Individuen sehen können. In einem Amerikanischen Zoo wurde das Geschlecht der Tiere dadurch bestimmt, ob die einzelnen Pinguine beim Sex oben oder unten waren. Als dann mal kontrolliert wurde welche Tiere Eier legten (weil die dortigen Tierpfleger nicht glauben wollte, daß es sich bei einem länger monogam lebenden Paar um zwei weibchen handelte), wurden 15 der 17 Pinguine umbenannt (das Paar stellte sich dann als zwei männchen herraus)...

Na, da wird man wohl eher von „erhöhten“ oder „niedrigen“ Testosteron- oder Östrogenwerten sprechen, oder generell von Hormonstörung. Wenn Du Dich jetzt über das Wort „Störung“ echauffieren willst, kannst Du das gerne tun. Bitte sehr, gern geschehen.

Jawohl, ich stampfe mit dem Fuß auf den Boden auf. WTF ist eine Hormonstörung? Bei extremen Werten kann das pathologisch sein, weil es Folgeschäden nach sich ziehen kann, ansonsten sind "Hormonstörungen" einfach individuelle Variationen.

Ach so, so läuft das: Du nimmst die Hormongrenzwerte für einen Mann her, erhebst diese zur „Definition des hormonellen männlichen Geschlechtes“, und sagst dann bei jedem Abweichen, es läge jetzt per definitionem kein Mann vor. Das gleiche noch mal für Frauen, und wir haben unsere 40 % Ausnahmen, wie es von Anfang an das Ziel war, zusammen.

Es gibt eine Definition eines hormonellen männlichen Geschlechts und diejenigen, die da nicht hereinpassen, sind zumindest keine hormonellen Männer. Das es diese Definition gibt, ist klar, genauso, wie es eine Definition vor gonodales, morphologisches und chromosomales Geschlecht gibt. Und nein, mein Ziel ist es nicht, so viele Ausnahmen wie möglich zu haben, sondern mit Begriffen zu argumentieren, die möglichst wenige Ausnahmen haben. Denn wenn 40% der Männer keine Hormonellen Männer sind, ist es recht wiedersinnig, hormonelles Geschlecht als primäres Geschlechtsmerkmal aufzufassen.

Konstruiert wirkt hier allerdings Deine Sichtweise, mit der Du Hormonstörungen zu Ausschlusskriterien für Geschlechtszugehörigkeit erhebst.

Konstuiert ist die Sichtweise der Medizin, nicht den Normen entsprechende Hormonspiegel als Störungen aufzufassen und einen Teil der Menschheit aus der Gruppe der Gesunden auszuschließen.

Grade fragst Du noch ganz scheinheilig „Was hindert mich, dass, was ich da unten sehe, als erigierfähige Vagina zu beschreiben?“, und implizierst damit natürlich, es träte kein Bedeutungswandel ein, und jetzt das.

Nicht das Wort verändert seine Bedeutung, sondern das was es beschreibt.

Bedauerlicherweise bin ich mit Herrn L.s krebszerfressenem Penisrest nicht persönlich vertraut, so dass es mir schwer fällt, hier die korrekte Benennung – Penis, Penisrest, Penisstumpf – zu beurteilen. Aber selbst nach einer Totalamputation eines Penis ist die Tatsache, dass ein Mensch mal einen Penis hatte ein gutes Kriterium, um sein männliches Geschlecht zu diagnostizieren. Ja, ja, ist nicht hinreichend, ich weiß.

Was ist die korrekte Bennennung von irgendetwas? Herrn L.s Beschreibung ist m.E. nach völlig korrekt.

susu

Quelle (mit Verspätung)

susu, Tuesday, 25.03.2003, 17:00 (vor 7891 Tagen) @ Daddeldu

Als Antwort auf: Re: Bitte um Ausführungen zur 40 %-Behauptung von Daddeldu am 19. März 2003 18:09:36:

Hallo Daddeldu.

>Ich habe dazu eine Quelle, allerdings nicht hier, sondern in meiner anderen Wohnung. Ich werde sie nächsten Montag posten.<<

Da freue ich mich drauf.[/i]

OK, da fahre ich extra durch die Republik und dann... vergesse ich doch glatt die Quelle zu posten... (Lag wohl am Fieber, jetzt zeigen die Antibiotika Wirkung) Die Quelle ist Carol Hagemann-White "Wir werden nicht zweigeschlechtlich geboren..." in Maria S. Rerrichs (HG.) "Frauen-Männer-Bilder" (Berlin 1988), wobei sich Hagemann-White auf Uri Wellners Essay "Zur Biologie der Geschlechtsdifferenzierung" in Heide Kellers (HG.) "Geschlechtsunterschiede" (Weinheim 1979) beruft.

susu

Re: Verstiegen ....

Garfield, Thursday, 20.03.2003, 18:19 (vor 7896 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Verstiegen .... von susu am 13. März 2003 21:07:11:

Hallo Susu!

Also, mir sind solche Diskussionen eigentlich zu theoretisch...
Auch in der Wissenschaft ist es allgemein üblich, komplexe Zusammenhänge in vereinfachten Modellen darzustellen. So gibt es beispielsweise keinen wirklichen Atomkern, genauso wenig wie es eine wirkliche Atomhülle gibt. Trotzdem werden diese Begriffe allgemein verwendet, weil man sich den Sachverhalt dann vereinfacht bildlich vorstellen kann.

Wenn man vom männlichen und vom weiblichen Geschlecht spricht, hat das letztendlich auch nur Modellcharakter. DEN typischen Mann und DIE typische Frau wird man real kaum finden. Dennoch kann man die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung trotz mehr oder weniger großer Abweichungen von der jeweiligen Norm einem dieser beiden "Modellgeschlechter" zuordnen.

Ich bin mir nicht so sicher, worum es dir eigentlich konkret geht. Es gäbe zwei Möglichkeiten, um die von dir immer wieder angesprochene Problematik mit den Geschlechtern zu lösen:

Erstens könnte man die Anzahl der Geschlechter erweitern. Aber wo soll das enden? Zunächst einmal könnte man ein drittes Geschlecht einführen, dem alle Menschen zugeordnet werden, die man den beiden jetzt allgemein anerkannten Geschlechtern nicht einigermaßen eindeutig zuordnen kann. Das wird manchen Menschen aber dann auch bald nicht mehr reichen. Menschen, die z.B. körperlich Männer sind, sich psychisch aber als Frauen fühlen, könnten die Einführung eines eigenen Geschlechtes verlangen, oder auch Menschen, deren Chromosomen irgendwie von der Norm abweichen... Ehe wir uns versehen, haben wir dann auf einmal mindestens 32 (und irgendwann womöglich mal 10 Milliarden) Geschlechter, die sich noch nicht einmal bei der Geburt festlegen lassen. Man müßte einem Menschen bei der Geburt erst einmal ein zeitweiliges Geschlecht verpassen, das dann später nach aufwändigen körperlichen und psychologischen Untersuchungen endgültig festgelegt werden müßte... Das würde einen Riesen-Aufwand mit sich bringen. Und wofür?

Da wäre die zweite Möglichkeit schon wesentlich einfacher: Wir schaffen den Geschlechtsbegriff einfach ab. Administrativ wäre das wahrscheinlich kaum ein Problem. Aber ansonsten fallen mir da ad hoc doch einige Probleme ein:

Konsequenterweise dürfte man dann ja öffentliche Toiletten, Umkleideräume oder Duschen nicht mehr nach Geschlecht trennen. Und damit hätten viele Menschen aber definitiv ein Problem.

Man müßte dann konsequenterweise auch die Sprache vereinheitlichen, also alle eindeutig weiblichen oder eindeutig männlichen Formen entfernen. Wer will das wirklich?

Und vor allem müßte man die Menschen dahingehend beeinflussen, sich nicht mehr als Frauen oder Männer zu sehen. Das wäre dabei wohl das größte Problem, denn das wollen wirklich nur vergleichsweise wenige.

Wie man's auch dreht und wendet - der Anschiß lauert überall und recht kann man's eh nicht allen machen. Die Beibehaltung der zwei "Modell-Geschlechter" scheint mir jedenfalls das kleinste Übel zu sein. Wenngleich man manche momentan übliche Praktiken (wie z.B. die zwangsweise Zuordnung von nicht ganz eindeutig geborenen Kindern zu einem der beiden anerkannten Geschlechter per OP) doch überdenken sollte.

Freundliche Grüße
von Garfield

Re: Verstiegen ....

Alex, Thursday, 20.03.2003, 20:07 (vor 7896 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: Verstiegen .... von Garfield am 20. März 2003 16:19:03:

Hallo Garfield!

Nun muß ich mich auch langsam wieder melden :-)

Also dass das hier theoretisch wird, ist zwangsläufig allein schon durch manche Kritik an unserer Denkweise so. Es ist unglaublich schwierig einem Menschen, der zwei Geschlechter als ultima ratio ansieht zu vermitteln, dass man selber der Meinung ist es gäbe diese zwei Geschlechter nicht, sondern nur einen völlig kontinuierlichen Geschlechter-Raum. Das ist mathematisch gesprochen der Versuch jemanden, der nur 0 und 1 kennt von der Existenz der reellen Zahlen zu überzeugen.
Wichtig ist dabei nicht die Theorie an sich, sondern durch entkräften von scheinbaren Gegenargumenten erst mal zum Nachdenken darüber anzuregen.
Die Theorie von zwei Geschlechtern ist bei den Menschen so fest verankert, dass kaum jemand auch nur ansatzweise wagt daran zu zweifeln und rationale Überlegungen darüber anzustellen.

Auch in der Wissenschaft ist es allgemein üblich, komplexe Zusammenhänge in vereinfachten Modellen darzustellen. So gibt es beispielsweise keinen wirklichen Atomkern, genauso wenig wie es eine wirkliche Atomhülle gibt. Trotzdem werden diese Begriffe allgemein verwendet, weil man sich den Sachverhalt dann vereinfacht bildlich vorstellen kann.

In der Wissenschaft dienen Modelle der Erklärung und i.d.R. sind die Gültigkeitsgrenzen von Modellen genau festgelegt.
Das Modell Geschlecht, wird aber völlig selbstverständlich als allgemeingültig gebraucht und dazu mißbraucht Wesen die offensichtlich NICHT in den Gültigkeitsbereich dieses Modells fallen AN DAS MODELL anzupassen. Teilweise sogar mit gesetzgebender oder chirurgischer Gewalt (was von den Betroffenen sogar als Folter geschildert wird; siehe z.B. hier) und das alles nur um ein falsches Modell als allgemeingültig beizubehalten, welches NICHT allgemeingültig ist! Das erinnert an das Beibehalten des geozentrischen Weltbildes, wider besseres Wissen, sehr.

Wenn man vom männlichen und vom weiblichen Geschlecht spricht, hat das letztendlich auch nur Modellcharakter. DEN typischen Mann und DIE typische Frau wird man real kaum finden. Dennoch kann man die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung trotz mehr oder weniger großer Abweichungen von der jeweiligen Norm einem dieser beiden "Modellgeschlechter" zuordnen.

Wie viele davon fühlen sich durch die Normierungssucht und restriktive Umwelt wohl dazu genötigt, in eines dieser Modelle zu passen, und schaffen es dadurch nicht, sie selbst zu sein?
Ich vermute, dass es eine Mehrheit wäre, die NICHT in eines dieser Modelle auch nur annährend passt, wenn da nicht eine Gehirnwäsche vom Tag der Geburt an stattfinden würde, über die sich nur wenige hinwegsetzen können.

Ich bin mir nicht so sicher, worum es dir eigentlich konkret geht.

Es geht darum, den Sinn und Unsinn dieses Gechlechter-Modells zu prüfen, und zwar so rational, dass anerzogene Schein-Axiome ebenfalls neu auf Wahrheit geprüft werden und nicht ein neues Modell auf einem alten und falschen Modell aufgebaut wird.

Es gäbe zwei Möglichkeiten, um die von dir immer wieder angesprochene Problematik mit den Geschlechtern zu lösen:
[quote]Erstens könnte man die Anzahl der Geschlechter erweitern. Aber wo soll das enden? Zunächst einmal könnte man ein drittes Geschlecht einführen, dem alle Menschen zugeordnet werden, die man den beiden jetzt allgemein anerkannten Geschlechtern nicht einigermaßen eindeutig zuordnen kann.
[/quote]

Vorher stellt sich mir noch die Frage: Welchen Sinn macht dieses Modell überhaupt?

Das wird manchen Menschen aber dann auch bald nicht mehr reichen. Menschen, die z.B. körperlich Männer sind, sich psychisch aber als Frauen fühlen, könnten die Einführung eines eigenen Geschlechtes verlangen, oder auch Menschen, deren Chromosomen irgendwie von der Norm abweichen... Ehe wir uns versehen, haben wir dann auf einmal mindestens 32 (und irgendwann womöglich mal 10 Milliarden) Geschlechter, die sich noch nicht einmal bei der Geburt festlegen lassen. Man müßte einem Menschen bei der Geburt erst einmal ein zeitweiliges Geschlecht verpassen, das dann später nach aufwändigen körperlichen und psychologischen Untersuchungen endgültig festgelegt werden müßte...

Wenn es jedoch wirklich einen Sinn hätte ein Geschlecht festzulegen, wovon ich wie gesagt nicht überzeugt bin, dann könnte es Sinn machen, das Modell auch nur dort anzuwenden, wo es wirklich von Nutzen ist. Um Deine Aussage über die Anzahl der Geschlechter aufzugreifen: Heute gehen Humanwissenschaftler von etwa 4000 Geschlechtervarianten aus.

Das würde einen Riesen-Aufwand mit sich bringen. Und wofür?

Welchen Aufwand, wenn die Geschlechtsbestimmung nur dort vorgenommen wird, wo sie einen Nutzen bringt, würde das den Aufwand sogar reduzieren... so viele sinnvolle Anwendungen gibt es ja nicht, denk ich mal.

Da wäre die zweite Möglichkeit schon wesentlich einfacher: Wir schaffen den Geschlechtsbegriff einfach ab. Administrativ wäre das wahrscheinlich kaum ein Problem. Aber ansonsten fallen mir da ad hoc doch einige Probleme ein:
[quote]Konsequenterweise dürfte man dann ja öffentliche Toiletten, Umkleideräume oder Duschen nicht mehr nach Geschlecht trennen. Und damit hätten viele Menschen aber definitiv ein Problem.
[/quote]

Weil sie das per täglicher Gehirnwäsche anerzogen bekommen haben, dass sie ja etwas gaaaanz anderes sind! Wenn dieses unlogische Gedankengespinst ein Ende hat, wird das genauso selbstverständlich, wie die gemischte Sauna.

Man müßte dann konsequenterweise auch die Sprache vereinheitlichen, also alle eindeutig weiblichen oder eindeutig männlichen Formen entfernen. Wer will das wirklich?

Seh ich nicht so... das entwickelt sich von selbst... die Sprache ändert sich eh ständig und passt sich der Kultur an.

Und vor allem müßte man die Menschen dahingehend beeinflussen, sich nicht mehr als Frauen oder Männer zu sehen. Das wäre dabei wohl das größte Problem, denn das wollen wirklich nur vergleichsweise wenige.

Och, das sehe ich anders... ich hab nicht das geringste Problem damit, ob sich jemand so oder so oder so sieht... solange ich selber AUCH so akzeptiert werde, wie ich bin. D.h. es würde völlig genügen Akzeptanz und Respekt jedem Menschen gegenüber einzuführen.


Wie man's auch dreht und wendet - der Anschiß lauert überall und recht kann man's eh nicht allen machen. Die Beibehaltung der zwei "Modell-Geschlechter" scheint mir jedenfalls das kleinste Übel zu sein.

Wenn Du mir endlich erklären würdest, wozu das gut sein soll, könnte ich auch dazu Stellung nehmen. Ich sehe im Mißbrauch dieses Modells ein großes Übel. Akzeptanz und Toleranz dagegen enthalten für mich keinerlei Übel.

Wenngleich man manche momentan übliche Praktiken (wie z.B. die zwangsweise Zuordnung von nicht ganz eindeutig geborenen Kindern zu einem der beiden anerkannten Geschlechter per OP) doch überdenken sollte.

Dazu ein deutliches JA! Wie gesagt, Betroffene schildern es als Folter und jahrelange Vergewaltigung. Das sollte genügend zu denken geben.

Liebe Grüße

Alex

@Susu, @Alex

Garfield, Friday, 21.03.2003, 10:35 (vor 7896 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Verstiegen .... von Alex am 20. März 2003 18:07:18:

Hallo Susu + Alex!

Ihr sprecht euch also beide für die Abschaffung des Geschlechtsbegriffes aus. Das halte ich allerdings nicht für realisierbar. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Menschen sich nur durch ihre Erziehung einem bestimmten Geschlecht zugehörig fühlen, ist es doch trotzdem so, daß die überwiegende Mehrheit der Menschen einfach nichts daran ändern möchte. Und so eine Masse kriegt man nicht einfach von Null auf Jetzt bewegt.

Außerdem glaube ich nicht, daß ein Mensch sich nur durch Erziehung einem Geschlecht zugehörig fühlt. Mit Susu hab ich das im damals noch existierenden Forum der "Feministischen Partei" vor einiger Zeit schon mal ausführlich diskutiert, was dann - soweit ich mich erinnere - leider durch eine Löschorgie der werten "Mitfrauen" unterbrochen wurde. Gerade die Menschen, die im falschen Körper geboren wurden, sind doch der beste Beweis dafür, daß sich das "Geschlechtsbewußtsein" keineswegs nur durch Erziehung herausbildet. Die werden ja üblicherweise auch immer noch ihrem körperlichen Geschlecht entsprechend erzogen, und trotzdem fühlen sie sich irgendwann dem anderen Geschlecht zugehörig. Auch diesen Menschen scheint die Festlegung ihres Geschlechts durchaus wichtig zu sein, denn sonst würden sie ja nicht soviel dafür tun, um es auch äußerlich zu ändern.

Gut - man kann nun natürlich darüber diskutieren, ob sie das vielleicht nur auf Druck der Umwelt wollen. Aber auch dann bleibt die Tatsache, daß diese Menschen ihr "Geschlechtsbewußtsein" nicht durch, sondern definitiv gegen ihre Erziehung entwickelt haben. Denn bevor man darüber nachdenkt, sein Geschlecht körperlich zu ändern, muß man ja erst einmal den Wunsch dazu haben.

Aber wie dem auch sei: Eigentlich geht es gar nicht darum, ob es nun nur ein Geschlecht gibt oder 2, 3 oder auch 4000. Vielmehr geht es doch eher darum, daß eben auch Menschen, die nicht eindeutig in eines der beiden "Modellgeschlechter" passen oder sich dort nicht einordnen lassen wollen, von der Gesellschaft akzeptiert werden, was ja leider häufig immer noch nicht der Fall ist.

Und das zu ändern, ist ebenfalls eine ziemlich große Aufgabe. Denn leider ist es so, daß Menschen sich instinktiv ihre Normen nach dem bilden, was sie in ihrer Umwelt sehen und dann eben als "normal" empfinden. Und mittlerweile spielen da die Medien eine immer größere Rolle. Aber vielleicht ist das gar nicht so schlecht, denn man kann diese Beeinflussungs-Möglichkeiten durch die modernen Medien durchaus auch positiv einsetzen.

Eigentlich gibt es ja nur eine Möglichkeit, da etwas zu bewegen: Die Problematik von Menschen, die sich einem der beiden anerkannten Geschlechter nicht zugehörig fühlen, muß häufiger öffentlich diskutiert werden. Denn je häufiger die Menschen damit konfrontiert werden, umso eher sind sie bereit, ihre Normen zu ändern.

So haben es ja beispielsweise Homosexuelle geschafft, mittlerweile zumindest weitaus mehr anerkannt zu werden als in früheren Zeiten. Aber selbst Homosexuelle stoßen auch heute immer noch auf Vorurteile oder sogar Anfeindungen. Obwohl ihre "Befreiung" doch schon vor gut 30 Jahren begonnen wurde. Da kann man sich vorstellen, wie lange es noch dauern wird, bis auch Transsexuelle oder andere Menschen, die nicht in das übliche Geschlechtermodell passen, von der Mehrheit der Bevölkerung voll akzeptiert werden...

Und dann ist da noch das Problem mit den Geschlechts-OP's z.B. an Neugeborenen. Auch das Thema hab ich schon mal mit Susu diskutiert.

Wenn mein Kind z.B. mit einem verkrüppelten Penis geboren werden würde und die Ärzte würden dazu raten, aus diesem Kind deshalb operativ ein Mädchen zu machen, dann wäre ich reichlich ratlos.

Einerseits hätte ich persönlich gar kein Problem damit, daß das Kind so bleibt wie es ist. Jede OP ist mit einem Risiko verbunden, und vor allem müßte ich damit rechnen, daß mein Kind mich eines Tages fragt, wieso ich ihm das angetan habe.

Andererseits hätte ich sofort Horrorszenarien über seinen späteren Lebenslauf im Kopf. Gerade Kinder können körperlich und psychisch extrem grausam werden, wenn ein anderes Kind nicht dem entspricht, was sie als "normal" empfinden. Das kriegen auch schon übergewichtige Kinder zu spüren, und da kann man sich vorstellen, wie es beispielsweise einem Jungen mit einem verkrüppelten Penis ergeht, wenn er irgendwann mal zusammen mit anderen Jungen duschen muß. Oder wenn er sich zum ersten Mal vor einem Mädchen auszieht. Auch wenn ich also einer OP nicht zustimme, wäre es möglich, daß mein Kind mich eines Tages fragt, wieso ich ihm das angetan habe.

Was man auch tut - es kann immer verkehrt sein. Da hilft dann eigentlich nur Münzenwerfen...

Freundliche Grüße
von Garfield

Re: @Susu, @Alex

Alex, Friday, 21.03.2003, 11:57 (vor 7895 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: @Susu, @Alex von Garfield am 21. März 2003 08:35:14:

Moin Garfield!

Ihr sprecht euch also beide für die Abschaffung des Geschlechtsbegriffes aus.

FALSCH! Nein, ich fordere nur Akzeptanz, Toleranz und Respekt, welche meiner Meinung nach jedem Menschen zustehen. Und ich bezweifle offen, dass der herkömmliche Geschlechtsbegriff im täglichen Leben irgendeinen Sinn hat.

Das halte ich allerdings nicht für realisierbar. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Menschen sich nur durch ihre Erziehung einem bestimmten Geschlecht zugehörig fühlen, ist es doch trotzdem so, daß die überwiegende Mehrheit der Menschen einfach nichts daran ändern möchte.

Ist bei vorhandener Toleranz, dass dies eben nicht für alle gilt auch gar kein Problem. Ich toleriere auch jeden, der sich als "den Mann" oder "die Frau" sehen möchte, solange er mich und meine Freiheit nicht einschränkt.
Ich argumentiere aber offensiv und bezweifle den Sinn des Begriffes "Geschlecht", um zu zeigen, wie fadenscheinig manche Argumente dafür sind.

Und so eine Masse kriegt man nicht einfach von Null auf Jetzt bewegt.

Das ist wahr... in allen Bereichen, nicht nur in diesem. Viel zu wenige Menschen machen sich Gedanken, wie dumm und unsinnig so manches Verhalten ist.

Außerdem glaube ich nicht, daß ein Mensch sich nur durch Erziehung einem Geschlecht zugehörig fühlt. Mit Susu hab ich das im damals noch existierenden Forum der "Feministischen Partei" vor einiger Zeit schon mal ausführlich diskutiert, was dann - soweit ich mich erinnere - leider durch eine Löschorgie der werten "Mitfrauen" unterbrochen wurde. Gerade die Menschen, die im falschen Körper geboren wurden, sind doch der beste Beweis dafür, daß sich das "Geschlechtsbewußtsein" keineswegs nur durch Erziehung herausbildet. Die werden ja üblicherweise auch immer noch ihrem körperlichen Geschlecht entsprechend erzogen, und trotzdem fühlen sie sich irgendwann dem anderen Geschlecht zugehörig. Auch diesen Menschen scheint die Festlegung ihres Geschlechts durchaus wichtig zu sein, denn sonst würden sie ja nicht soviel dafür tun, um es auch äußerlich zu ändern.
[quote]Gut - man kann nun natürlich darüber diskutieren, ob sie das vielleicht nur auf Druck der Umwelt wollen. Aber auch dann bleibt die Tatsache, daß diese Menschen ihr "Geschlechtsbewußtsein" nicht durch, sondern definitiv gegen ihre Erziehung entwickelt haben. Denn bevor man darüber nachdenkt, sein Geschlecht körperlich zu ändern, muß man ja erst einmal den Wunsch dazu haben.
[/quote]

Das sehe ich etwas anders. Das stimmt nur in dem Kontext der Klischees, die wir real leben. Real ist für TG, dass sie so, wie es ihrem Wesen entspricht nicht leben können, OHNE das Geschlecht zu wechseln, weil die Ablehnung der Umwelt dann noch stärker wäre. Außerdem darfst Du nicht vergessen, dass es auch unter TG genauso viele Klischeegläubige gibt, wie in der Durchschnittsbevölkerung auch. Auch diese wissen nicht zwangsläufig oder kommen auf den Gedanken, dass zwei Geschlechter nicht begrünbar oder belegbar sein könnten. Auch sie bewegen sich genauso oft in der binären Logik: Wenn ich mich als Mann falsch fühle muß ich wohl eine Frau sein. Anstatt fließende Übergänge zu sehen wird also auch hier das 0-oder-1-Prinzip zementiert, wie anderwo auch.


Aber wie dem auch sei: Eigentlich geht es gar nicht darum, ob es nun nur ein Geschlecht gibt oder 2, 3 oder auch 4000. Vielmehr geht es doch eher darum, daß eben auch Menschen, die nicht eindeutig in eines der beiden "Modellgeschlechter" passen oder sich dort nicht einordnen lassen wollen, von der Gesellschaft akzeptiert werden, was ja leider häufig immer noch nicht der Fall ist.

Richtig! So sind meine Postings gemeint.

Und das zu ändern, ist ebenfalls eine ziemlich große Aufgabe. Denn leider ist es so, daß Menschen sich instinktiv ihre Normen nach dem bilden, was sie in ihrer Umwelt sehen und dann eben als "normal" empfinden.

Ja, schade dass nur wenig in der Lage sind, ihre Normen auf Sinn zu prüfen.

Eigentlich gibt es ja nur eine Möglichkeit, da etwas zu bewegen: Die Problematik von Menschen, die sich einem der beiden anerkannten Geschlechter nicht zugehörig fühlen, muß häufiger öffentlich diskutiert werden. Denn je häufiger die Menschen damit konfrontiert werden, umso eher sind sie bereit, ihre Normen zu ändern.

Auch dann leider nur wenig. Kennst die Sorte von Menschen, die nach außen hin offen sind, tolerant und wissend auftreten und die in dem Augenblick in dem sich z.B. die Tochter als lesbisch outet ausflippen und zur intolerantesten Spezies mutieren? Diese Art hat etwas scheinheiliges. Es ist teilweise "In" tolerant zu sein.... aber wehe, wenn es mich persönlich betrifft.

So haben es ja beispielsweise Homosexuelle geschafft, mittlerweile zumindest weitaus mehr anerkannt zu werden als in früheren Zeiten. Aber selbst Homosexuelle stoßen auch heute immer noch auf Vorurteile oder sogar Anfeindungen. Obwohl ihre "Befreiung" doch schon vor gut 30 Jahren begonnen wurde. Da kann man sich vorstellen, wie lange es noch dauern wird, bis auch Transsexuelle oder andere Menschen, die nicht in das übliche Geschlechtermodell passen, von der Mehrheit der Bevölkerung voll akzeptiert werden...

Anfänglich würde es schon helfen, wenn Intoleranz öffentlich verurteilt würde und z.B. nicht zum Verlust des Jobs führen könnte. Ich erinnere da an eine TG Bürgermeisterin Michaela Lindner. Was hatte sich da verändert? Die politische Meinung wohl kaum.

Und dann ist da noch das Problem mit den Geschlechts-OP's z.B. an Neugeborenen. Auch das Thema hab ich schon mal mit Susu diskutiert.
[quote]Wenn mein Kind z.B. mit einem verkrüppelten Penis geboren werden würde und die Ärzte würden dazu raten, aus diesem Kind deshalb operativ ein Mädchen zu machen, dann wäre ich reichlich ratlos.
[/quote]

Das ist völlig verständlich. Aber ich hoffe, dass Du mit allem was Du weißt, versuchen würdest Dich schlau zu machen.
Und nicht aus eigenem Antrieb, sondern zum Wohle des Kindes handeln würdest. Wenn Du mit "verkrüppeltem Penis" Hermaphroditismus meinst, dann käme eben nur in Frage erwachsene Hermaphroditen zu befragen. Und zwar sowohl welche die operiert wurden, als auch solche denen dies erspart blieb. Und die überwältigende Mehrheit würde Dir berichten, dass die OP's als Folter und Verstümmelung erfahren wurden, während die nicht-operierten oft sehr zufrieden leben, wenn es ihre Erziehung zulässt ein stabiles Selbstbewußtsein aufzubauen. Hier mal ein paar Bilder von einem erwachsenen Hermaphroditen, dem eine Verstümmelung erspart blieb, dem Schauspieler Jaye Davidson (in den Stargate Filmen spielte Jaye den "Ra"). Wer käme auf die irrsinnige Idee so einen Menschen zu zerstören? Für mich drücken diese Fotos große Harmonie aus. Und ich kann gut verstehen, warum Hermaphroditen in anderen Kulturen göttliche Eigenschaften nachgesagt wurden.

Einerseits hätte ich persönlich gar kein Problem damit, daß das Kind so bleibt wie es ist. Jede OP ist mit einem Risiko verbunden, und vor allem müßte ich damit rechnen, daß mein Kind mich eines Tages fragt, wieso ich ihm das angetan habe.
[quote]Andererseits hätte ich sofort Horrorszenarien über seinen späteren Lebenslauf im Kopf. Gerade Kinder können körperlich und psychisch extrem grausam werden, wenn ein anderes Kind nicht dem entspricht, was sie als "normal" empfinden. Das kriegen auch schon übergewichtige Kinder zu spüren, und da kann man sich vorstellen, wie es beispielsweise einem Jungen mit einem verkrüppelten Penis ergeht, wenn er irgendwann mal zusammen mit anderen Jungen duschen muß. Oder wenn er sich zum ersten Mal vor einem Mädchen auszieht. Auch wenn ich also einer OP nicht zustimme, wäre es möglich, daß mein Kind mich eines Tages fragt, wieso ich ihm das angetan habe.
[/quote]

Wenn man sich aber bei Betroffenen informiert, ist die Chance es "richtig" zu machen VIEL größer, als wenn man aus anderen Absichten handelt.

Liebe Grüße

Alex

@Alex

Garfield, Friday, 21.03.2003, 14:43 (vor 7895 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: @Susu, @Alex von Alex am 21. März 2003 09:57:28:

Hallo Alex!

"Viel zu wenige Menschen machen sich Gedanken, wie dumm und unsinnig so manches Verhalten ist."

Das Problem besteht eben darin, daß wir nichts weiter sind als die geistig höchstentwickelten Tiere auf diesem Planeten. In früheren Zeiten hatten alle diese negativen Verhaltensweisen, über die wir hier schreiben, durchaus ihren Sinn und ihre Berechtigung. Und in gewisser Hinsicht haben sie sie durchaus auch noch heute. Viele Menschen sind nach wie vor schon rein instinktiv bestrebt, ihre Erbanlagen weiter zu geben. So mancher "normale" Mann wird einen Mann wie Jaye Davidson durchaus attraktiv finden - nur Kinder kann er mit ihm nun einmal keine zeugen. So gesehen ist es durchaus natürlich, solche Menschen abzulehnen. Alles, was nicht vom äußeren Anschein her in's Schema "zur Familiengründung geeignet" paßt, wird als "unnormal" eingestuft und somit instinktiv abgelehnt.

Damit will ich das nicht befürworten, aber es ist leider nur allzu menschlich, so negativ auf alles "Unnormale" zu reagieren. Das steckt tief in uns allen drin. Ab einem gewissen Intelligenzgrad kann man solche negativen Instinkte vielleicht ganz gut kontrollieren, aber sie sind mehr oder weniger immer da...

"Real ist für TG, dass sie so, wie es ihrem Wesen entspricht nicht leben können, OHNE das Geschlecht zu wechseln, weil die Ablehnung der Umwelt dann noch stärker wäre. Außerdem darfst Du nicht vergessen, dass es auch unter TG genauso viele Klischeegläubige gibt, wie in der Durchschnittsbevölkerung auch."

Das sehe ich auch so. Die Frage ist aber: Wie kommt ein Mensch erst einmal zu dem Wunsch, eben nicht seinem offiziellen Geschlecht entsprechend leben zu wollen? Dazu wird doch nun gerade kaum jemand erzogen. Der Wunsch kommt oft einfach von innen heraus, resultiert also ganz offensichtlich eben nicht immer aus irgendeiner Erziehung, sondern zumindest in vielen Fällen aus dem, was dieser Mensch eben schon von Natur aus IST.

"Kennst du die Sorte von Menschen, die nach außen hin offen sind, tolerant und wissend auftreten und die in dem Augenblick in dem sich z.B. die Tochter als lesbisch outet ausflippen und zur intolerantesten Spezies mutieren? Diese Art hat etwas scheinheiliges. Es ist teilweise "In" tolerant zu sein.... aber wehe, wenn es mich persönlich betrifft."

Ja, das ist noch ein weiteres Problem. Aber ich denke, selbst solche nur oberflächlichen Veränderungen sind schon ein Anfang. Man muß dabei immer auch bedenken, daß erwachsene Menschen ja schon jahrzehntelange Beeinflussung durch die Umwelt hinter sich haben, in positiver wie in negativer Hinsicht. Das kriegt man nicht einfach so von heute auf morgen wieder raus. Wenn man sie wenigstens schon mal dazu gebracht hat, über bestimmte Mißstände nachzudenken oder manche Äußerungen oder Verhaltensweisen vielleicht einzuschränken, hat man schon viel erreicht. Die nächste Generation wird dann schon weniger negativ beeinflusst, und so ändert sich dann mit der Zeit eben doch einiges wirklich und nicht nur zum Schein.

"Anfänglich würde es schon helfen, wenn Intoleranz öffentlich verurteilt würde und z.B. nicht zum Verlust des Jobs führen könnte. Ich erinnere da an eine TG Bürgermeisterin Michaela Lindner. Was hatte sich da verändert? Die politische Meinung wohl kaum."

Ja, und es war gut, daß damals groß darüber berichtet wurde. Das hat mit Sicherheit viele Menschen zum Nachdenken gebracht.

"Und nicht aus eigenem Antrieb, sondern zum Wohle des Kindes handeln würdest."

Wie schon geschrieben hätte ich kein Problem damit, wenn mein Kind transsexuell, homosexuell oder sonst etwas wäre. Und wenn jemand sonst damit ein Problem hätte, dann würde der sich damit nur selbst in ein schlechtes Licht rücken. So gesehen würde ich erstmal dahin tendieren, da nichts operieren zu lassen. Das Problem, das ich damit hätte, wäre eben nur in diversen Vorurteilen in der Gesellschaft begründet.

"...während die nicht-operierten oft sehr zufrieden leben, wenn es ihre Erziehung zulässt ein stabiles Selbstbewußtsein aufzubauen."

Ja, eben - WENN! Die Erziehung kommt aber nicht nur von Eltern oder Lehrern, sondern in nicht unerheblichem Maße auch von Mitschülern, gleichaltrigen Freunden usw. Gerade Kinder in jungen Jahren verfügen weder über die nötige Lebenserfahrung noch über die geistigen Fähigkeiten, um ihre Instinkte zu kontrollieren. Folglich leben sie sie voll aus, und jedes Kind, das irgendwie "unnormal" ist, bekommt das mehr oder weniger zu spüren. All die schönen Sprüche von Toleranz und Akzeptanz interessieren da einen Scheißdreck. Besonders fatal ist das, weil gerade die Kindheitsjahre einen Menschen entscheidend fürs spätere Leben prägen. Wenn ein Kind jahrelang von anderen Kindern systematisch fertiggemacht wird, bleibt nichts mehr übrig, was man noch als Selbstbewußtsein bezeichnen könnte. So ist das Leben - hart, aber dafür auch ungerecht.

Freundliche Grüße
von Garfield

Re: @Alex

Alex, Friday, 21.03.2003, 16:31 (vor 7895 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: @Alex von Garfield am 21. März 2003 12:43:37:

Huhu Garfield!

Das Problem besteht eben darin, daß wir nichts weiter sind als die geistig höchstentwickelten Tiere auf diesem Planeten. In früheren Zeiten hatten alle diese negativen Verhaltensweisen, über die wir hier schreiben, durchaus ihren Sinn und ihre Berechtigung. Und in gewisser Hinsicht haben sie sie durchaus auch noch heute. Viele Menschen sind nach wie vor schon rein instinktiv bestrebt, ihre Erbanlagen weiter zu geben. So mancher "normale" Mann wird einen Mann wie Jaye Davidson durchaus attraktiv finden - nur Kinder kann er mit ihm nun einmal keine zeugen.

Woher weißt Du das? Jaye hat Statements hierzu abgelehnt. Mir ist nicht bekann, welche Genitalien er besitzt, auch nicht, ob er Eizellen produziert oder eine Gebärmutter hat, ebensowenig wie ich weiß ob er spermienproduzierende Hoden besitzt, oder beides. Das einzige was sichtbar ist, ist, dass es sich um einen, meiner Meinung nach, sehr attraktiven Menschen handelt, der für mich sehr viel Harmonie ausstrahlt.

So gesehen ist es durchaus natürlich, solche Menschen abzulehnen. Alles, was nicht vom äußeren Anschein her in's Schema "zur Familiengründung geeignet" paßt, wird als "unnormal" eingestuft und somit instinktiv abgelehnt.

Ich tippe eher auf Ideologien als Ursache dieses Übels. Im Tierreich ist solches Verhalten eher selten, soweit ich weiß. Da sinkt dann lediglich die Attraktivität für einen potentiellen Partner, wenn ein Schlüsselreiz fehlt, oder schwächer ausgebildet ist. Beispiel Po bei Schimpansen ist ein Merkmal für die Attraktivität. Runder, großer Po = Attraktiver für pot. Partner und korreliert mit der "Gebährfreudigkeit". Das bedeutet aber nicht, dass bei geringerer Ausprägung die betreffenden Tiere abgelehnt oder ausgestoßen werden.

Damit will ich das nicht befürworten, aber es ist leider nur allzu menschlich, so negativ auf alles "Unnormale" zu reagieren. Das steckt tief in uns allen drin. Ab einem gewissen Intelligenzgrad kann man solche negativen Instinkte vielleicht ganz gut kontrollieren, aber sie sind mehr oder weniger immer da...

Wie gesagt, ich tippe mehr darauf, dass Ideologien da viel Unsinn verursacht haben. In anderen Kulturen waren z.B. Hermaphroditen sehr angesehen.

"Real ist für TG, dass sie so, wie es ihrem Wesen entspricht nicht leben können, OHNE das Geschlecht zu wechseln, weil die Ablehnung der Umwelt dann noch stärker wäre. Außerdem darfst Du nicht vergessen, dass es auch unter TG genauso viele Klischeegläubige gibt, wie in der Durchschnittsbevölkerung auch."
[quote]Das sehe ich auch so. Die Frage ist aber: Wie kommt ein Mensch erst einmal zu dem Wunsch, eben nicht seinem offiziellen Geschlecht entsprechend leben zu wollen? Dazu wird doch nun gerade kaum jemand erzogen. Der Wunsch kommt oft einfach von innen heraus, resultiert also ganz offensichtlich eben nicht immer aus irgendeiner Erziehung, sondern zumindest in vielen Fällen aus dem, was dieser Mensch eben schon von Natur aus IST.
[/quote]

Meines Erachtens entsteht der Wunsch daraus, dass eine scharfe Trennung von "Tugenden" und "Verhaltensregeln" vorgenommen wurde, die so, meiner Meinung nach, nicht mit dem Geschlecht, sondern nur mit dem individuellen Wesen in Verbindung gebracht werden kann.
Merkt nun ein Mensch, dass eine wesentlich größere Zahl von Verhaltensweisen, die er bevorzugt dem "anderen" Geschlecht zugeordnet werden und bleibt er in der binären Logik, dass diese auch dem "anderen" Geschlecht "gehören", dann kommt der Gedanke auf vielleicht "im falschen Körper" gebohren zu sein, und wir haben eine GID diagnostiziert. Eine kleinere Anzahl von Verhaltensweisen wird je nach Umfeld toleriert, oder derjenige unterdrückt sie. Aber ab einem gewissen Maß von "nicht in die Schublade passen" wird derjenige möglicherweise an Trans* denken.

Man muß dabei immer auch bedenken, daß erwachsene Menschen ja schon jahrzehntelange Beeinflussung durch die Umwelt hinter sich haben, in positiver wie in negativer Hinsicht. Das kriegt man nicht einfach so von heute auf morgen wieder raus. Wenn man sie wenigstens schon mal dazu gebracht hat, über bestimmte Mißstände nachzudenken oder manche Äußerungen oder Verhaltensweisen vielleicht einzuschränken, hat man schon viel erreicht. Die nächste Generation wird dann schon weniger negativ beeinflusst, und so ändert sich dann mit der Zeit eben doch einiges wirklich und nicht nur zum Schein.

Das stimmt. Vor wenigen Jahrzehnten wären zwei sich küssende Männer im Straßenbild undenkbar gewesen, heute werden sie dafür wenigstens meist nicht mehr gesteinigt. Wir scheinen also auf einem Weg der Besserung zu sein. Aber solange da von manchen noch dumme Kommentare kommen, solange sollte man als Mensch mit halbwegs Verstand im Kopf, dazu nicht schweigen. *hihi* eine Freundin von mir hat mal mitten in einem Kaufhaus ein Pärchen "zur Sau gemacht", die dabei waren einen Transvestiten übelst zu beschimpfen.... die waren so verdattert, dass sie mit denen danach sogar vernünftig reden konnte und die echt was kapiert haben *g* Ich hab mich am Boden gerollt vor Lachen, als sie mir die Geschichte erzählte. So wie das klang, haben die zugegeben sich dumm verhalten zu haben und werden das wohl nie wieder tun :-))

"Anfänglich würde es schon helfen, wenn Intoleranz öffentlich verurteilt würde und z.B. nicht zum Verlust des Jobs führen könnte. Ich erinnere da an eine TG Bürgermeisterin Michaela Lindner. Was hatte sich da verändert? Die politische Meinung wohl kaum."
[quote]Ja, und es war gut, daß damals groß darüber berichtet wurde. Das hat mit Sicherheit viele Menschen zum Nachdenken gebracht.
[/quote]

Ich hoffe es.

"...während die nicht-operierten oft sehr zufrieden leben, wenn es ihre Erziehung zulässt ein stabiles Selbstbewußtsein aufzubauen."
[quote]Ja, eben - WENN! Die Erziehung kommt aber nicht nur von Eltern oder Lehrern, sondern in nicht unerheblichem Maße auch von Mitschülern, gleichaltrigen Freunden usw. Gerade Kinder in jungen Jahren verfügen weder über die nötige Lebenserfahrung noch über die geistigen Fähigkeiten, um ihre Instinkte zu kontrollieren. [/quote]
Folglich leben sie sie voll aus, und jedes Kind, das irgendwie "unnormal" ist, bekommt das mehr oder weniger zu spüren. All die schönen Sprüche von Toleranz und Akzeptanz interessieren da einen Scheißdreck. Besonders fatal ist das, weil gerade die Kindheitsjahre einen Menschen entscheidend fürs spätere Leben prägen. Wenn ein Kind jahrelang von anderen Kindern systematisch fertiggemacht wird, bleibt nichts mehr übrig, was man noch als Selbstbewußtsein bezeichnen könnte. So ist das Leben - hart, aber dafür auch ungerecht.

Wie gesagt... mehr Ideologien als Instinkte sind meiner Meinung nach die Ursache des Übels.... und die werden von Eltern an ihre Kinder weitergegeben. Wenn also die Eltern der Mitschüler Deines Kindes sich dumm verhalten, hat Dein Kind darunter zu leiden, das ist richtig. Und das habe ich am eigenen Leib erfahren.
Ich könnte auch schwerlich leugnen, dass das die Ausbildung eines gesunden Selbstbewußtseins deutlich schwerer macht... aber schwerer hat es jeder Mensch, der in Normen zu passen hat und weiß, dass er ihnen nicht gerecht werden kann (und/oder will).
Und letztlich bin ich meiner Meinung nach ganz gut geraten *g* und nicht sonderlich verschüchtert oder zur instabilen Persönlichkeit herangewachsen, auch wenn es manchmal sehr hart war. Ich denke ich bin daran gewachsen und hab vielleicht mit dadurch einen äußerst sensiblen Sinn für soziales Verhalten und insbesondere für Gerechtigkeit entwickelt, was zumindest die zu schätzen wissen, die mich mögen.

Liebe Grüße

Alex

Re: @Alex

Ferdi, Friday, 21.03.2003, 18:04 (vor 7895 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: @Alex von Alex am 21. März 2003 14:31:35:

Hi Alex und Garfield!

Das stimmt. Vor wenigen Jahrzehnten wären zwei sich küssende Männer im Straßenbild undenkbar gewesen, heute werden sie dafür wenigstens meist nicht mehr gesteinigt.

Interessanterweise werden solche Verhaltensweisen auch wieder sehr stark geschlechtsspezifisch unterschiedlich bewertet. Wie oft seht Ihr, wie zwei Frauen, die befreundet sind und sich treffen, sich erst einmal herzlich umarmen, vielleicht auch küssen, bevor sie sich unterhalten. Das nimmt die Umwelt einfach zur Kenntnis, das ist in Ordnung, die beiden mögen sich halt sehr. Aber wenn zwei Männer haargenau dasselbe tun, dann wird gleich gesagt, sie seien schwul etc. Also für die gleiche Verhaltensweise zweierlei Mass. Ich selbst umarme meine besten Freunde auch, wenn wir uns nach längerer Zeit mal wiedersehen, das ist mir ein Bedürfnis, das kommt aus meinem Inneren und das lasse ich mir von keinem schlechtreden.

Merkt nun ein Mensch, dass eine wesentlich größere Zahl von Verhaltensweisen, die er bevorzugt dem "anderen" Geschlecht zugeordnet werden und bleibt er in der binären Logik, dass diese auch dem "anderen" Geschlecht "gehören", dann kommt der Gedanke auf vielleicht "im falschen Körper" gebohren zu sein, und wir haben eine GID diagnostiziert.

Auch hier wieder eine geschlechtsspezifisch unterschiedliche Betrachtungsweise. Wer kommt auf die Idee, einer Frau, die sich betont männlich gibt, die Hosen, Anzüge und Krawatten trägt, zu sagen, sie sei vielleicht im falschen Körper geboren worden? Trägt ein Mann Röcke, dann ist man äusserst schnell bei diesem Vorurteil und die entsprechende Schublade wird mit Lichtgeschwindigkeit aufgemacht. Als langjähriger Rockträger habe ich dieses Vorurteil immer wieder mal gehört ("..wollen Sie eine Frau sein?"), konnte es aber in allen Fällen mit zwei, drei Sätzen wegdiskutieren, konnte es regelrecht verschwinden lassen.

Aber solange da von manchen noch dumme Kommentare kommen, solange sollte man als Mensch mit halbwegs Verstand im Kopf, dazu nicht schweigen. *hihi* eine Freundin von mir hat mal mitten in einem Kaufhaus ein Pärchen "zur Sau gemacht", die dabei waren einen Transvestiten übelst zu beschimpfen.... die waren so verdattert, dass sie mit denen danach sogar vernünftig reden konnte und die echt was kapiert haben *g* Ich hab mich am Boden gerollt vor Lachen, als sie mir die Geschichte erzählte.

Man sollte wirklich nicht schweigen. Ich habe dazu auch eine sehr lustige Geschichte erlebt. Ich ging einmal an einem heissen Sommertag durch ein bayrisches (!) Bierzelt auf einem Jahrmarkt, bekleidet mit einem T-Shirt, einem kurzen Rock und Sandalen. Ich kam an einem Stehtisch vorbei an dem drei Männer, Typ Möbelpacker, ihre Maß Bier tranken. Sagt einer zu mir: "Biste schwul?" Da stellte ich mich dazu, schaute dem Frager tief in die Augen und sagte: "Mensch, haste das schon wieder vergessen, wir kennen uns doch, du warst doch letzte Woche am Bahnhof so gut drauf, Mensch, warst Du geil. Weiste was, wir treffen uns am Montag abend wieder dort wenn Du Zeit hast. Ich warte auf Dich."

Ich verabschiedete mich höflich und ging weiter. Vom Ausgang aus habe ich unbemerkt durch das Gewühle hindurch das Geschehen beobachtet. Der, der mich gefragt hatte, war mit hochrotem Kopf heftig gestikulierend mit seinen Kumpels am diskutieren, über eine Viertelstunde lang habe ich das beobachtet und musste immer wieder zum Ablachen hinter das Zelt um mich nicht zu verraten. Der Junge ist wirklich bei seinen Kumpels in einen echten, schweren Erklärungsnotstand gekommen. Und ich hatte eine geradezu tierische Freude. Jedenfalls fragt der nie mehr jemanden sowas. So oder so ähnlich verwandele ich oft Schubladen in Kleinholz, wenn man mich da reinstecken will.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wenn man seine von der Rollennorm abweichende Lebens- und Verhaltensweise mit tiefster innerer Überzeugung vertritt, dass das die Menschen an der Ausstrahlung sofort merken und dann beeindruckt diese Verhaltensweise hinnehmen. Nur unsichere Menschen, denen man ansieht, dass sie ihr Verhalten mit einem "schlechten Gewissen" verbinden, ziehen negative Reaktionen der menschlichen Umwelt auf sich. Das scheint mir auch das Hauptproblem aller von Geschlechterrollen und -klischees abweichender Menschen zu sein, weil sie - durch antiquierte Erziehung und Sozialisation bedingt - ihr Verhalten als "sündhaft" empfinden, obwohl sie das so wollen.

Freundliche Grüsse,
Ferdi

Re: @Alex

Alex, Friday, 21.03.2003, 19:36 (vor 7895 Tagen) @ Ferdi

Als Antwort auf: Re: @Alex von Ferdi am 21. März 2003 16:04:10:

Huhu Ferdi!

Das stimmt. Vor wenigen Jahrzehnten wären zwei sich küssende Männer im Straßenbild undenkbar gewesen, heute werden sie dafür wenigstens meist nicht mehr gesteinigt.
Interessanterweise werden solche Verhaltensweisen auch wieder sehr stark geschlechtsspezifisch unterschiedlich bewertet. Wie oft seht Ihr, wie zwei Frauen, die befreundet sind und sich treffen, sich erst einmal herzlich umarmen, vielleicht auch küssen, bevor sie sich unterhalten. Das nimmt die Umwelt einfach zur Kenntnis, das ist in Ordnung, die beiden mögen sich halt sehr. Aber wenn zwei Männer haargenau dasselbe tun, dann wird gleich gesagt, sie seien schwul etc. Also für die gleiche Verhaltensweise zweierlei Mass. Ich selbst umarme meine besten Freunde auch, wenn wir uns nach längerer Zeit mal wiedersehen, das ist mir ein Bedürfnis, das kommt aus meinem Inneren und das lasse ich mir von keinem schlechtreden.

Ich auch nicht... ich umarme Leute die ich mag nunmal... wenn sich dadurch jemand genötigt fühlt Theorien über meine sexuelle Präferenzen aufzustellen ist das echt mehr als schwachsinnig... bei so wenig Grips dürfte aber auch eine Diskussion nicht den geringsten Spaß machen... außer dass es mir vielleicht eine gewisse Freude bereiten könnte, denjenigen zu verarschen.

Merkt nun ein Mensch, dass eine wesentlich größere Zahl von Verhaltensweisen, die er bevorzugt dem "anderen" Geschlecht zugeordnet werden und bleibt er in der binären Logik, dass diese auch dem "anderen" Geschlecht "gehören", dann kommt der Gedanke auf vielleicht "im falschen Körper" gebohren zu sein, und wir haben eine GID diagnostiziert.
Auch hier wieder eine geschlechtsspezifisch unterschiedliche Betrachtungsweise. Wer kommt auf die Idee, einer Frau, die sich betont männlich gibt, die Hosen, Anzüge und Krawatten trägt, zu sagen, sie sei vielleicht im falschen Körper geboren worden? [/i]

Falsch! Erstens sprach ich hier von Menschen, die nach ICD-10 wirklich als TG diagnostiziert werden (Frauen wie Männer) um Garfield zu erklären wie mein nicht-binärer Geschlechterbegriff mit TG zusammenpasst. Und zweitens werden "Frauen die zu männlich sind" genauso scharf angegangen. Eine Bekannte von mir wäre mal fast verprügelt worden.
Du beziehst das jetzt hauptsächlich auf die Kleidung, und dabei stimmt es schon, dass da Abweichungen von Frauen eher übersehen werden als bei Männern. Aber auch heute Mittag (irgend ne Talkshow, ich glaub Vera, *g* TV Karte im Rechner) kam eine Frau als Gast, die ihre komplette Ausstattung aus der Herrenabteilung haben könnte.... das erste was versucht wurde war, ihr ihre "Weiblickeit" abzusprechen..... Du siehst also, so einfach ist es auch nicht.

Aber solange da von manchen noch dumme Kommentare kommen, solange sollte man als Mensch mit halbwegs Verstand im Kopf, dazu nicht schweigen. *hihi* eine Freundin von mir hat mal mitten in einem Kaufhaus ein Pärchen "zur Sau gemacht", die dabei waren einen Transvestiten übelst zu beschimpfen.... die waren so verdattert, dass sie mit denen danach sogar vernünftig reden konnte und die echt was kapiert haben *g* Ich hab mich am Boden gerollt vor Lachen, als sie mir die Geschichte erzählte.
[quote]Man sollte wirklich nicht schweigen. Ich habe dazu auch eine sehr lustige Geschichte erlebt. Ich ging einmal an einem heissen Sommertag durch ein bayrisches (!) Bierzelt auf einem Jahrmarkt, bekleidet mit einem T-Shirt, einem kurzen Rock und Sandalen. Ich kam an einem Stehtisch vorbei an dem drei Männer, Typ Möbelpacker, ihre Maß Bier tranken. Sagt einer zu mir: "Biste schwul?" Da stellte ich mich dazu, schaute dem Frager tief in die Augen und sagte: "Mensch, haste das schon wieder vergessen, wir kennen uns doch, du warst doch letzte Woche am Bahnhof so gut drauf, Mensch, warst Du geil. Weiste was, wir treffen uns am Montag abend wieder dort wenn Du Zeit hast. Ich warte auf Dich."
Ich verabschiedete mich höflich und ging weiter. Vom Ausgang aus habe ich unbemerkt durch das Gewühle hindurch das Geschehen beobachtet. Der, der mich gefragt hatte, war mit hochrotem Kopf heftig gestikulierend mit seinen Kumpels am diskutieren, über eine Viertelstunde lang habe ich das beobachtet und musste immer wieder zum Ablachen hinter das Zelt um mich nicht zu verraten. Der Junge ist wirklich bei seinen Kumpels in einen echten, schweren Erklärungsnotstand gekommen. Und ich hatte eine geradezu tierische Freude. Jedenfalls fragt der nie mehr jemanden sowas. So oder so ähnlich verwandele ich oft Schubladen in Kleinholz, wenn man mich da reinstecken will.
[/quote]

*lol* *weglach* schon doof, wenn man so beschränkt ist wie die Typen.... ich weiß nicht ob es Sadismus ist, aber ich kann mich auch selten beherschen solchen geistigen Tieffliegern auf ähnliche Art einzuschenken.... und ich hab noch nichtmal ein schlechtes Gewissen dabei... muß ich zur Beichte? *schmunzel*

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wenn man seine von der Rollennorm abweichende Lebens- und Verhaltensweise mit tiefster innerer Überzeugung vertritt, dass das die Menschen an der Ausstrahlung sofort merken und dann beeindruckt diese Verhaltensweise hinnehmen. Nur unsichere Menschen, denen man ansieht, dass sie ihr Verhalten mit einem "schlechten Gewissen" verbinden, ziehen negative Reaktionen der menschlichen Umwelt auf sich. Das scheint mir auch das Hauptproblem aller von Geschlechterrollen und -klischees abweichender Menschen zu sein, weil sie - durch antiquierte Erziehung und Sozialisation bedingt - ihr Verhalten als "sündhaft" empfinden, obwohl sie das so wollen.

Das sehe ich ähnlich. Das hat aber vor allem etwas damit zu tun, dass man als unsicherer Mensch ein gutes Opfer abgibt.
Bei einem Selbstsicheren überlegen solche Exemplare erst mal ob sie dabei vielleicht selber schlecht wegkommen könnten.

Gruß

Alex

Re: @Alex

Garfield, Thursday, 27.03.2003, 14:50 (vor 7889 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: @Alex von Alex am 21. März 2003 14:31:35:

Hallo Alex!

"Woher weißt Du das? Jaye hat Statements hierzu abgelehnt. Mir ist nicht bekann, welche Genitalien er besitzt, auch nicht, ob er Eizellen produziert oder eine Gebärmutter hat, ebensowenig wie ich weiß ob er spermienproduzierende Hoden besitzt, oder beides."

Ich weiß es nicht. Aber schon rein instinktiv stufe ich ihn gerade deshalb eben nicht als für mich geeigneten Partner ein.

"Ich tippe eher auf Ideologien als Ursache dieses Übels. Im Tierreich ist solches Verhalten eher selten, soweit ich weiß. Da sinkt dann lediglich die Attraktivität für einen potentiellen Partner, wenn ein Schlüsselreiz fehlt, oder schwächer ausgebildet ist."

Ja, sicher spielen Ideologien da auch eine Rolle. Aber die Tatsache, daß es eben auch im Tierreich Tiere gibt, die bestimmte genetisch festgelegte Bedingungen nicht oder nicht weit genug erfüllen und deshalb sexuell für ihre Artgenossen weniger attraktiv sind, zeigt doch, daß es eben nicht nur Ideologien sind, die da wirken.

Denn wenn ein Tier ein anderes Tier als sexuell unattraktiv betrachtet, ist das doch auch eine Form der Ablehnung. Wenn solche eher unattraktiven Tiere trotzdem ab und zu Sex haben, dann liegt das doch nur daran, daß der jeweilige Sex-Partner eben gerade sonst kein attraktiveres Tier in greifbarer Nähe hat. Derselbe Effekt tritt auch bei Menschen z.B. in Gefängnissen auf. Dort ist die Häufigkeit homosexueller Kontakte weitaus höher als in der Außenwelt, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Weil einfach meist nur Partner des eigenen Geschlechts greifbar sind. Im Tierreich findet man das auch. Man kann z.B. keinen klein gewachsenen Kaninchen-Bock mit anderen Böcken in eine Bucht sperren. Der kann sich dann nämlich aufgrund seiner körperlichen Unterlegenheit nicht wehren, so daß die anderen ihn ständig bespringen und ihm dabei irgendwann mal Knochen brechen. Kühe (und damit meine ich jetzt wirklich weibliche Rinder) bespringen sich auf der Weide auch gegenseitig.

Bei Menschen kommt natürlich noch das Bewußtsein dazu, das aber durch gesellschaftliche Normen und Klischees beeinflußt wird. So kann diese instinktive Ablehnung gegen alles Andersartige dann verstärkt werden und es kann dann auch zu gewalttätigen Übergriffen kommen. Aber das resultiert dann nicht nur aus Ideologien, Normen oder Klischees, sondern ganz wesentlich auch daraus, daß die Ablehnung eben schon unbewußt vorhanden ist.

Das kriegen durchaus auch schon Menschen zu spüren, die einfach nur vom Äußeren her unattraktiv sind. Unter Kindern kommt es (vor allem in der Pubertät) häufig vor, daß Kinder, die als weniger attraktiv gelten, ausgegrenzt und/oder sogar körperlich angegriffen werden.

"In anderen Kulturen waren z.B. Hermaphroditen sehr angesehen."

Das ist ein interessantes Argument. Damit muß ich mich mal näher befassen. Kannst du mir dazu noch mehr Infos geben?

"Meines Erachtens entsteht der Wunsch daraus, dass eine scharfe Trennung von "Tugenden" und "Verhaltensregeln" vorgenommen wurde, die so, meiner Meinung nach, nicht mit dem Geschlecht, sondern nur mit dem individuellen Wesen in Verbindung gebracht werden kann."

Hm, ich meinte das so: Bevor ein Mensch überhaupt soweit ist, darüber nachzudenken, ob er oder sie vielleicht lieber dem jeweils anderen Geschlecht angehören würde, muß dieser Mensch doch irgendwann an einen Punkt gekommen sein, wo ihm oder ihr klargeworden ist, daß das eigene Wesen nicht so richtig mit den für das ihm zugeteilte Geschlecht gültigen Normen übereinstimmt. Daß eben die von der Gesellschaft zugeteilten Tugenden und Verhaltensregeln so nicht passen. Das bedeutet aber, daß dieses eigene Wesen an sich eben gerade nicht von der Gesellschaft geformt wurde, sondern daß es von Geburt an da war.

Das wiederum bedeutet, daß das Geschlecht keineswegs anerzogen ist, sondern von Geburt an festgelegt, wobei es dann aber eben tatsächlich mehr als zwei Geschlechter gibt. Wenn man verschiedene Eigenschaften herauspicken würde, die jeweils typisch für die Modelle des "Mannes" und der "Frau" sind, und man würde alle Menschen nach diesen Kriterien beurteilen und sie entsprechend dem Maß ihrer Übereinstimmung mit einem dieser beiden Modell-Geschlechter in ein Diagramm eintragen, dann würde man meiner Meinung nach am Ende eine Grafik erhalten, in der sich jeweils ein dichter Haufen von Punkten im Bereich zwischen etwa 75 und 90% Übereinstimmung mit dem jeweiligen Geschlecht befindet. In Richtung 100% und 0% würde die Verteilung der Punkte dann immer dünner werden.

"Aber ab einem gewissen Maß von "nicht in die Schublade passen" wird derjenige möglicherweise an Trans* denken."

Ja, das kann ich mir durchaus vorstellen.

"...mehr Ideologien als Instinkte sind meiner Meinung nach die Ursache des Übels.... und die werden von Eltern an ihre Kinder weitergegeben."

Jain. Die Ideologien sind nur die direkte Ursache. Die Instinkte sorgen aber erstmal dafür, daß die Ideologien einfach unbesehen übernommen werden.

"Ich denke ich bin daran gewachsen und hab vielleicht mit dadurch einen äußerst sensiblen Sinn für soziales Verhalten und insbesondere für Gerechtigkeit entwickelt, was zumindest die zu schätzen wissen, die mich mögen."

Ja, das wirkt auf jeden Menschen anders. Es hängt vor allem davon ab, wie intelligent die Mitmenschen sind, also wie weit sie dazu fähig sind, ihre primitiven Neigungen zu kontrollieren. Ich habe aber in meiner Schulzeit durchaus Kinder erlebt, die durch ihre Umwelt enorm geschädigt waren. Z.B. hatte ich in meiner Abi-Zeit mal jemanden in der Klasse, der jahrlang in einem Kinderheim gelebt hat. Der Junge war kaum noch fähig, mit anderen Menschen normal zu kommunizieren. Nur wenn man mit ihm allein war, konnte man mit ihm normal reden. Ansonsten hat er sich wegen jeder Kleinigkeit gleich persönlich angegriffen gefühlt, und ist dann auch häufig aggressiv geworden. Nicht weil er von Natur aus so war, sondern weil er sich im Laufe der Zeit so sehr daran gewöhnt hat, daß alle auf ihm herumhacken, daß ihm das mittlerweile völlig normal erschien. Der arme Kerl ist durch seine Kindheit für's Leben gezeichnet. Und dabei hatte er noch nicht mal eine Behinderung oder sonst etwas "Unnormales". Er hatte nur seine durch die Zeit im Heim verkorkste Psyche, und er sah nicht gerade aus wie Brad Pitt und war darüberhinaus auch noch eher klein und schmächtig, so daß die Mädels auch nicht gerade auf ihn flogen. Aber das hat schon völlig ausgereicht, um ihn überall zur Witzfigur zu machen. Wenn er auch noch homo- oder gar transsexuell gewesen wäre oder sowas in der Art, dann hätten ihn seine werten Mitmenschen wohl bis zum Selbstmord getrieben.

Und wenn ich mal Kinder habe, möchte ich auf keinen Fall, daß sie sowas auch durchmachen müssen.

Freundliche Grüße
von Garfield

Re: @Alex

Alex, Thursday, 27.03.2003, 20:45 (vor 7889 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: @Alex von Garfield am 27. März 2003 12:50:07:

Huhu Garfield!

"Woher weißt Du das? Jaye hat Statements hierzu abgelehnt. Mir ist nicht bekann, welche Genitalien er besitzt, auch nicht, ob er Eizellen produziert oder eine Gebärmutter hat, ebensowenig wie ich weiß ob er spermienproduzierende Hoden besitzt, oder beides."
[quote]Ich weiß es nicht. Aber schon rein instinktiv stufe ich ihn gerade deshalb eben nicht als für mich geeigneten Partner ein.
[/quote]

Hmmm... was meinst Du, warum? Ich find den echt schnuckelig... vom Aussehen her... viel mehr kenn ich ja nicht.

"Ich tippe eher auf Ideologien als Ursache dieses Übels. Im Tierreich ist solches Verhalten eher selten, soweit ich weiß. Da sinkt dann lediglich die Attraktivität für einen potentiellen Partner, wenn ein Schlüsselreiz fehlt, oder schwächer ausgebildet ist."
[quote]Ja, sicher spielen Ideologien da auch eine Rolle. Aber die Tatsache, daß es eben auch im Tierreich Tiere gibt, die bestimmte genetisch festgelegte Bedingungen nicht oder nicht weit genug erfüllen und deshalb sexuell für ihre Artgenossen weniger attraktiv sind, zeigt doch, daß es eben nicht nur Ideologien sind, die da wirken.
[/quote]

Nein, das meinte ich so auch nicht. Schlüsselreize sind nach wie vor vorhanden. Z.B. ist der Theorie nach die Evolution zur weiblichen ausladenden Brust, die bei unseren Vorfahren vermutlich ebensowenig vorhanden war, wie bei unseren nächsten Verwandten, den Menschenaffen, ein Schlüsselreiz-Ersatz für den ausladenden Po, der nach dem aufrechten Gang nicht mehr zur Geltung kam.
Ganz zu schweigen von chemischen Schlüsselreizen, die garnicht bewußt wahrgenommen werden.

Denn wenn ein Tier ein anderes Tier als sexuell unattraktiv betrachtet, ist das doch auch eine Form der Ablehnung.

Nein. Nicht-Anziehung oder schwächere Anziehung &#8800; Ablehnug

Wenn solche eher unattraktiven Tiere trotzdem ab und zu Sex haben, dann liegt das doch nur daran, daß der jeweilige Sex-Partner eben gerade sonst kein attraktiveres Tier in greifbarer Nähe hat.

Auch Tiere haben unterschiedlichen Geschmack. Die Schlüsselreize gelten zwar statistisch häufig, aber Varianzen existieren ebenso.

Derselbe Effekt tritt auch bei Menschen z.B. in Gefängnissen auf. Dort ist die Häufigkeit homosexueller Kontakte weitaus höher als in der Außenwelt, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Weil einfach meist nur Partner des eigenen Geschlechts greifbar sind.

Was sagt das aus? Wohl auch, dass Bisexualität seltener bekannt wird, als real vorhanden. Ob jetzt die geringere Attraktivität gleichgeschlechtlicher Partner, oder gesellschaftliche Zwänge dafür verantwortlich sind, dass diese gelebt wird, das läßt sich so schwer sagen.

Im Tierreich findet man das auch. Man kann z.B. keinen klein gewachsenen Kaninchen-Bock mit anderen Böcken in eine Bucht sperren. Der kann sich dann nämlich aufgrund seiner körperlichen Unterlegenheit nicht wehren, so daß die anderen ihn ständig bespringen und ihm dabei irgendwann mal Knochen brechen.

*g* das beweist nur, dass die Körpergröße offensichtlich Geschlechtsmerkmal genug für Kaninchen ist.... *schmunzel* wußte nicht, dass es auf die Karnickel-Methode u.U. so schmerzhaft ist.

Bei Menschen kommt natürlich noch das Bewußtsein dazu, das aber durch gesellschaftliche Normen und Klischees beeinflußt wird. So kann diese instinktive Ablehnung gegen alles Andersartige dann verstärkt werden und es kann dann auch zu gewalttätigen Übergriffen kommen.

IMO ist Deine instinktive Ablehnung ein Märchen.
Nochmal: Geringere Attraktivität &#8800; Ablehnung

Ich fühle mich auch von keinem Menschen abgelehnt, nur weil er nicht mit mir in die Kiste will.

Aber das resultiert dann nicht nur aus Ideologien, Normen oder Klischees, sondern ganz wesentlich auch daraus, daß die Ablehnung eben schon unbewußt vorhanden ist.

nö... s.o.

Das kriegen durchaus auch schon Menschen zu spüren, die einfach nur vom Äußeren her unattraktiv sind. Unter Kindern kommt es (vor allem in der Pubertät) häufig vor, daß Kinder, die als weniger attraktiv gelten, ausgegrenzt und/oder sogar körperlich angegriffen werden.

Das hängt mit unserer verbohrten ach so römisch-christlichen Kultur zusammen... Hexenjagt gibt es wohl immer noch.

"In anderen Kulturen waren z.B. Hermaphroditen sehr angesehen."
[quote]Das ist ein interessantes Argument. Damit muß ich mich mal näher befassen. Kannst du mir dazu noch mehr Infos geben?
[/quote]

Die meisten meiner Informationen beziehen sich auf das soziale Geschlecht, da hier erst in jüngerer Zeit begriffliche Trennungen vorgenommen wurden, wobei hier also Intersexualität davon umfasst wird. Mit Ausnahme der Griechen, scheint es der römischen später der christlichen Kultur hervorragend gelungen zu sein, diesbezüglich Quellen zu vernichten bzw. intersexuelle Menschen als Hexen zu verbrennen u.ä. Da diese Auswirkungen auf indigene Völker sehr spät einsetzte, habe ich hierzu die meisten Informationen. Über asiatische Völker ist mir hierzu nichts bekannt. Über germanische Völker hatte ich mal was, finde es aber leider jetzt so ad hoc nicht mehr. Sinngemäß ähnelte es aber den indigenen Völkern sehr.

[center]

<HR></p>[/center]
Quellen:
Die Stadt der Frauen, Veronika Bennholdt-Thomsen
Onans Kinder, Jeanne Dericks-Tan, Gerold Martin
Frau & Mann - Alte Mythen - Neue Rollen, GEO-Wissen Sonderheft September 2000

Bei vielen Indianervölkern (z.B. Zuni, Mandans, Seneca-Dakota, einige Völker der Algonkin-Sprachgruppe, darunter die Cheyenne) gab es durch die Begünstigung der in der Algonkin-Tradition verwurzelten Visionssuche für jeden Menschen die Möglichkeit, sich auszusuchen, ob er/ sie in der Männer- oder in der Frauenrolle leben wollte. Es war auch erlaubt, die Entscheidung im Laufe des Lebens zu verändern. Somit konnte auch jede(r) Intersexuelle seine/ihre Rolle fnden, oder man bot ihnen oft bevorzugt die Rolle der Medizinfrau oder des Medizinmannes oder auch der/des Medizinfraumannes (auch "Bärtige" genannt) an.

Die Navajo kannten ursprünglich 5 soziale Geschlechter (Mann, Mannfrau, Zwitter, Fraumann, Frau). Später kamen durch westliche Einflüsse auch Mann-zu-Frau-Transsexuelle und Frau-zu-Mann-Transsexueller hinzu.

Bei den Blackfoot gibt es heute noch nachweislich einen hohen Geburtenanteil an AGS-Mädchen [Adrenogenitales Syndrom: mit mehr Testosteronanteil als "normal", kommt bei beiden Geschlechtern vor, Jungen mit AGS scheinen äußerlich "normal", Mädchen haben oft vergrößerte Klitoris und manchmal zugewachsene Scheide, manchmal geht die Harnröhre durch die Klitoris, kann zu Verwechslungenmit dem männlichen Genital führen; Es gibt auch eine ab der Pubertät auftretende und sich auf das äußerliche Erscheinungsbild daher schwächer auswirkende Form, das Androgynisierungssyndrom]. Über die Anzahl der AGS-Jungen dort ist mir bis jetzt noch nichts bekannt.

In der Stadt Juchitan (Mexiko) lebt man außer in den sozialen Geschlechtern Mann und Frau auch als "Muxi" oder "Marimarcha". Muxis sind Menschen, die in einer Rolle zwischen Mann und Frau leben, und darin mehr das weibliche betonen; es wird angenommen, dass es sich um körperlich-geschlechtliche Männer handelt. "Marimarchas" sind körperlich-geschlechtliche Frauen, die in der Männerrolle leben. Die Rollen von Muxis und Marimarchas drücken sich hauptsächlich aus über Berufswahl, Kleidung und persönliches Auftreten. Die Berufswahl in Juchitan ist traditionell deutlich stärker durch das soziale Geschlecht festgelegt, als dies bei uns im Westen heute der Fall ist.

Es gibt in Juchitan auch schwule und lesbische Paare, die beide in der ganz "normalen" Rolle ihres körperlichen Geschlechts leben.

Es gibt 133 bekannte Indianervölker Nordamerikas, bei denen es 3 soziale Geschlechter oder mehr gab oder gibt.

Wieviele Intersexuelle darunter waren oder sind, bedarf es noch der Forschung, da die weiße Gesellschaft die Möglichkeit eines dritten Geschlechts jahrhundertelang nie öffentlich in Betracht gezogen hat. Für die Weißen waren es immer seltsame Männer in Frauenkleidern, ohne daß man sich die Mühe gemacht hätte, diese Vermutung zu überprüfen.

Im antiken Griechenland wurden Hermaphroditen in Göttersagen bewundert und als von der Göttin Aphrodite und dem Gott Hermes gesegnet angesehen. Der Name drückt soviel aus wie Reisende(r) zwischen den Geschlechtern". Es gibt eine Sage von einem "Hermaphroditos" , die in verschiedenen Versionen bekannt ist. Dieser wird als Sohn Aphrodites und Hermes' genannt. In einer Version ist er von Geburt an körperlich zweigeschlechtlich, in einer anderen, die von vielen heutigen Medizinern lieber erzählt wird, ist er eindeutig männlich geboren worden und mit einer geliebten Nymphe zu einem zwittrigen Körper verschmolzen. In der griechischen Mythologie werden mehrere Kinder von Aphrodite, und sogar Kinder von Gaia als zweigeschlechtlich beschrieben. Z. B. Pan wird nicht immer als männlich, sondern manchmal auch als zweigeschlechtlich dargestellt.

Der Mexiko-Eroberer Cortés berichtet über Transvestiten und Homosexuelle unter den Indianern in Veracruz. Bernal del Costillo, einer der ersten Konquistadoren neben Cortés, erzählt von "Sodomie" bei Mayas, Azteken und Huasteken. Andere berichten, daß es indigene Völker gegeben habe, die Homosexualität mit Mißbilligung betrachteten oder hart bestraften. Unter "Sodomie" verstand man in Europa zur Zeit der Eroberung Süd- und Mittelamerikas nicht nur Sex mit Tieren, sondern vor allem Homosexualität, Analverkehr (egal ob homo oder hetero) und Transvestismus. Man sprach auch von "Unzucht wider die Natur", wenn Sexualität zu anderen Zwecken als der Fortpflanzung praktiziert wurde. Wo es dann noch heidnische Kulturen gab, z. B. bei den indigenen Völkern, die auch Sexualität zuließen, die eindeutig nur der Lust dienen konnte, so wurde dies pauschal als "Sodomie" und "Unzucht wider die Natur" bezeichnet. Solch ein Vorwurf genügte oft schon, um ganze Indianervölker auszurotten, ohne daß es in Europa einen Aufschrei der Empörung gegeben hätte.[center]

<HR></p>[/center]

"Meines Erachtens entsteht der Wunsch daraus, dass eine scharfe Trennung von "Tugenden" und "Verhaltensregeln" vorgenommen wurde, die so, meiner Meinung nach, nicht mit dem Geschlecht, sondern nur mit dem individuellen Wesen in Verbindung gebracht werden kann."
[quote]Hm, ich meinte das so: Bevor ein Mensch überhaupt soweit ist, darüber nachzudenken, ob er oder sie vielleicht lieber dem jeweils anderen Geschlecht angehören würde, muß dieser Mensch doch irgendwann an einen Punkt gekommen sein, wo ihm oder ihr klargeworden ist, daß das eigene Wesen nicht so richtig mit den für das ihm zugeteilte Geschlecht gültigen Normen übereinstimmt. Daß eben die von der Gesellschaft zugeteilten Tugenden und Verhaltensregeln so nicht passen. Das bedeutet aber, daß dieses eigene Wesen an sich eben gerade nicht von der Gesellschaft geformt wurde, sondern daß es von Geburt an da war.
[/quote]

*grrrmpf* Charaktereigenschaften hat jedes Neugebohrene... sicher. Aber was hat das damit zu tun, dass man Menschen in Schubladen presst?
Wie soll ich es denn noch anders formulieren? Das eigene Wesen ist da, nur die Schublade ist generell zu eng... die Sozialisation tritt so lange nach, bis es meistens reinpasst... klappt aber nicht immer. Was glaubst Du, warum so viele Naturvölker reichere Modelle haben?

Das wiederum bedeutet, daß das Geschlecht keineswegs anerzogen ist, sondern von Geburt an festgelegt, wobei es dann aber eben tatsächlich mehr als zwei Geschlechter gibt.

So kann ich das stehen lassen... und zwar weit mehr als zwei. Und dadurch bezeichnet das Wort Geschlecht an sich fast nichts mehr.

Wenn man verschiedene Eigenschaften herauspicken würde, die jeweils typisch für die Modelle des "Mannes" und der "Frau" sind, und man würde alle Menschen nach diesen Kriterien beurteilen und sie entsprechend dem Maß ihrer Übereinstimmung mit einem dieser beiden Modell-Geschlechter in ein Diagramm eintragen, dann würde man meiner Meinung nach am Ende eine Grafik erhalten, in der sich jeweils ein dichter Haufen von Punkten im Bereich zwischen etwa 75 und 90% Übereinstimmung mit dem jeweiligen Geschlecht befindet. In Richtung 100% und 0% würde die Verteilung der Punkte dann immer dünner werden.

Wenn sich das so überhaupt machen ließe.
Beim jetzigen Stand der durch die gnadenlose kulturelle Prägung ging vielleicht. Versuch das mal bei indigenen Völkern... da tipp ich eher auf unter 50% also keine absolute Mehrheit *g* Mist... geht ja nicht mehr die sind ja auch schon ziemlich "denaturiert".

Mein Fazit: Nicht Vermischungen der Geschlechter sind pathologisch, sondern der (Un)Sinngehalt des Wortes Geschlecht.

"...mehr Ideologien als Instinkte sind meiner Meinung nach die Ursache des Übels.... und die werden von Eltern an ihre Kinder weitergegeben."
[quote]Jain. Die Ideologien sind nur die direkte Ursache. Die Instinkte sorgen aber erstmal dafür, daß die Ideologien einfach unbesehen übernommen werden.
[/quote]

Nein, dafür sorgten die Mächtigen dieser Welt, mit Feuer und Schwert.

"Ich denke ich bin daran gewachsen und hab vielleicht mit dadurch einen äußerst sensiblen Sinn für soziales Verhalten und insbesondere für Gerechtigkeit entwickelt, was zumindest die zu schätzen wissen, die mich mögen."
[quote]Ja, das wirkt auf jeden Menschen anders. Es hängt vor allem davon ab, wie intelligent die Mitmenschen sind, also wie weit sie dazu fähig sind, ihre primitiven Neigungen zu kontrollieren.
[/quote]

Wie oben schon gesagt, hängt das IMO eher davon ab, wie weit man seine "primitiven Neigungen" ZULÄSST. Oder intelligent genug ist, die kulturelle Prägung eigenständig zu überdenken.

Ich habe aber in meiner Schulzeit durchaus Kinder erlebt, die durch ihre Umwelt enorm geschädigt waren. Z.B. hatte ich in meiner Abi-Zeit mal jemanden in der Klasse, der jahrlang in einem Kinderheim gelebt hat. Der Junge war kaum noch fähig, mit anderen Menschen normal zu kommunizieren. Nur wenn man mit ihm allein war, konnte man mit ihm normal reden. Ansonsten hat er sich wegen jeder Kleinigkeit gleich persönlich angegriffen gefühlt, und ist dann auch häufig aggressiv geworden. Nicht weil er von Natur aus so war, sondern weil er sich im Laufe der Zeit so sehr daran gewöhnt hat, daß alle auf ihm herumhacken, daß ihm das mittlerweile völlig normal erschien. Der arme Kerl ist durch seine Kindheit für's Leben gezeichnet. Und dabei hatte er noch nicht mal eine Behinderung oder sonst etwas "Unnormales". Er hatte nur seine durch die Zeit im Heim verkorkste Psyche, und er sah nicht gerade aus wie Brad Pitt und war darüberhinaus auch noch eher klein und schmächtig, so daß die Mädels auch nicht gerade auf ihn flogen. Aber das hat schon völlig ausgereicht, um ihn überall zur Witzfigur zu machen. Wenn er auch noch homo- oder gar transsexuell gewesen wäre oder sowas in der Art, dann hätten ihn seine werten Mitmenschen wohl bis zum Selbstmord getrieben.

Er war ein perfektes Opfer. Meine Erfahrungen sind, dass man, sobald man eine Opferhaltung verinnerlicht hat, man auch als Opfer "benutzt" wird. DAS ist der wichtigste Punkt. Gewisse Äußerlichkeiten mögen mehr reizen und den Versuch ob Du ein Opfer bist eher provozieren, als der vor Unscheinbarkeit fast unsichtbare. Aber den letzten Ausschlag gibt die Opferhaltung. Ist diese einmal installiert, wird es schwierig sie abzustreifen.

Und wenn ich mal Kinder habe, möchte ich auf keinen Fall, daß sie sowas auch durchmachen müssen.

Ja, wollte ich genausowenig... Leid von den Kindern fernzuhalten DAS zählt für mich zu den Urinstinkten.

Liebe Grüße

Alex

Re: @Alex

Garfield, Friday, 28.03.2003, 12:11 (vor 7888 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: @Alex von Alex am 27. März 2003 18:45:51:

Hallo Alex!

"...was meinst Du, warum? Ich find den echt schnuckelig... vom Aussehen her... viel mehr kenn ich ja nicht."

Ja, so vom Gesicht her finde ich ihn ja auch durchaus attraktiv. Wenn er auch sonst überall so weiblich aussehen würde, dann wäre er/sie mit Sicherheit mein Typ. Aber da er sonst eben eher männlich aussieht und somit meine instinktiven Wünsche nicht erfüllt, wäre er eben für mich kein potenzieller Partner.

"Schlüsselreize sind nach wie vor vorhanden."

Ja, und das ist z.B. etwas, das von Geburt an festgelegt ist und nicht anerzogen. Wenn das anders wäre, würden die meisten Männer heute ja z.B. auch auf dürre Supermodels á la Kate Moss stehen. Denn die werden ja heute überall in den Medien als Schönheitsideal prädentiert. Das tun sie aber mehrheitlich offensichtlich nicht.

"Ganz zu schweigen von chemischen Schlüsselreizen, die garnicht bewußt wahrgenommen werden."

Und die können wohl schwer durch Erziehung geprägt werden.

"Nein. Nicht-Anziehung oder schwächere Anziehung &#8800; Ablehnug"

Gut, da habe ich mich nicht ganz korrekt ausgedrückt, es ist allerdings auch eine Definitionsfrage. Nicht-Anziehung kann aber durchaus die Basis für Ablehnung und/oder Aggression bilden. Oftmals ist es nämlich so, daß sowohl Menschen als auch Tiere einfach nur ein Ventil suchen, um ihren Frust abzulassen. Bevorzugt wählt man sich dafür dann natürlich ein Opfer, das man eben nicht sonderlich sympathisch findet.

"Was sagt das aus? Wohl auch, dass Bisexualität seltener bekannt wird, als real vorhanden."

Das ist richtig. Ich glaube sowieso, daß die meisten Menschen (genau wie Tiere auch) von Natur aus bisexuell sind. Ich vermute, daß echte Heterosexualität genauso selten vorkommt wie echte Homosexualität. Auf den ersten Blick scheint das zwar dem natürlichen Zweck der Sexualität zu widersprechen. Aber ich denke, daß das durchaus sinnvoll ist. Es hat einen gewissen "Übungs-" bzw. "Trainings-Effekt" wenn man's eben erstmal mit gleichgeschlechtlichen Partnern macht, sofern keine biologisch sinnvollen Alternativen erreichbar sind. Dann kommt mit Sicherheit noch dazu, daß es ja eben kaum einen 100%igen Mann und auch kaum eine 100%ige Frau gibt. So kann es durchaus vorkommen, daß jemand z.B. chemische Signale des eigentlich anderen Geschlechts aussendet und somit für das eigene Geschlecht sexuell attraktiv ist.

Letzteres habe ich selbst auch mal erlebt. Ich habe mich eigentlich sexuell nie zu Männern hingezogen gefühlt. Trotzdem hatte ich mal einen Jungen in meiner Schulklasse, von dem ich mich tatsächlich auch sexuell angezogen fühlte. Irgendwie war er für mich eine Frau. Noch merkwürdiger war, daß das auf Gegenseitigkeit beruhte. Und ich bin mir sicher, daß er auch zumindest nicht homosexuell war. (Er hatte dann später auch eine Freundin.) Zwischen uns ist nie wirklich etwas passiert, aber es ist dann bald auch den Lehrern und unseren Mitschülern aufgefallen, daß da schon eine gewisse Zuneigung zwischen uns war. Eine Lehrerin sagte mal: "Bei euch beiden kommt noch mal ein Wunder heraus. Die Hauptsache ist nur, daß es nicht schreit." Normalerweise hätten alle in der Klasse nach dieser Aussage vor Lachen brüllend am Boden gelegen. Aber da hat keiner gelacht. Weil die Lehrerin nämlich genau das andeutete, was die alle auch schon vermutet haben... :-) Aber wie schon geschrieben, ist eigentlich gar nichts passiert... Und das war wohl auch gut so.

"Ob jetzt die geringere Attraktivität gleichgeschlechtlicher Partner, oder gesellschaftliche Zwänge dafür verantwortlich sind, dass diese gelebt wird, das läßt sich so schwer sagen."

Wahrscheinlich ist es beides.

"das beweist nur, dass die Körpergröße offensichtlich Geschlechtsmerkmal genug für Kaninchen ist...."

Nein, gleichgroße Kaninchen-Böcke bespringen sich auch gegenseitig. Nur können die sich dann gut dagegen wehren und es ist dann nicht so, daß ständig nur auf einem herumgerammelt wird. Das tun sie aber eben nur, wenn keine Weibchen greifbar sind. Gesellschaftliche Zwänge kann man da als Faktor wohl ausschließen. Also ist es doch offensichtlich so, daß gleichgeschlechtliche Partner im allgemeinen als weniger attraktiv erachtet, aber in "Notfällen" trotzdem durchaus in Betracht gezogen werden. Und wieso sollte das bei Menschen anders sein?

"IMO ist Deine instinktive Ablehnung ein Märchen."

Stimmt, die Ablehnung selbst ist nicht instinktiv. Aber wenn Ablehnung darauf aufbaut, daß man jemanden eben irgendwie unattraktiv findet, dann basiert sie letztendlich auf Instinkten.

"Ich fühle mich auch von keinem Menschen abgelehnt, nur weil er nicht mit mir in die Kiste will."

Wirklich nicht? Also, das hab ich aber manchmal schon anders erlebt. Zwar nicht selbst, aber immerhin. Ich hab mal einen Film gesehen, wo ein besonders drastisches Beispiel dafür vorkam: Der Film spielte im Zweiten Weltkrieg. Die deutsche Abwehr hatte einen Spion in eine Partisanengruppe eingeschleust. Der Mann hat das nicht freiwillig gemacht, sondern war dazu gezwungen worden. Er hatte auch immer ein schlechtes Gewissen deshalb. Nun hat sich eine Partisanin in ihn verliebt, und er hat auch viel für sie empfunden. Aber gerade deshalb wollte er nichts mit ihr anfangen. Er hätte dann das Gefühl gehabt, sie noch mehr zu betrügen als er es als deutscher Spion ohnehin schon tat. Eines Tages kam er in sein Zimmer und diese Partisanin stand dort nackt neben seinem Bett. Er hat sich ja schon sehr von ihr angezogen gefühlt und hätte sehr gern mit ihr geschlafen, aber er hätte dabei einfach das Gefühl gehabt, sie auszunutzen und zu betrügen. Dafür war er zu anständig. Also tat er so, als würde sie ihn nicht interessieren und wies sie ab. Das hat sie nun wiederum schwer getroffen. Sie fühlte sich verletzt und zurückgestoßen, und ihre Gefühle für ihn wandelten sich schnell ins Gegenteil. Sie begann ihn zu hassen und beschuldigte ihn auf einmal, ein Spion zu sein, ohne dabei wirklich zu wissen, wie richtig sie damit lag.

Okay, das war nur ein Film, aber sowas passiert wirklich auch im realen Leben.

"Das hängt mit unserer verbohrten ach so römisch-christlichen Kultur zusammen... Hexenjagt gibt es wohl immer noch."

Jain. Die römisch-christliche Kultur hat dafür gesorgt, daß Homo- oder Transsexualität verteufelt wurde. Sie hat aber nie darauf hingearbeitet, daß weniger attraktive Menschen nicht akzeptiert werden! Das hat mit dem Einfluß der Kirchen gar nichts zu tun.

Danke für die Infos über Hermaphroditen usw.! Das finde ich alles sehr interessant. Ich hab's mir kopiert und werd mich mal näher damit befassen, wenn ich Zeit dafür finde.

"*grrrmpf* Charaktereigenschaften hat jedes Neugebohrene... sicher. Aber was hat das damit zu tun, dass man Menschen in Schubladen presst?
Wie soll ich es denn noch anders formulieren? Das eigene Wesen ist da, nur die Schublade ist generell zu eng... die Sozialisation tritt so lange nach, bis es meistens reinpasst... klappt aber nicht immer."

Ja, das bestreite ich ja auch gar nicht! Mir geht es nur darum, daß Menschen schon von Geburt an durchaus nicht gleich sind. Und daß eben nicht alle Unterschiede nur aus Erziehung resultieren. Und daß die Menschen, die man in die männliche Schublade steckt, allein schon durch ihre spezielle hormonelle Veranlagung eben auch tatsächlich häufig überwiegend "männliche" Eigenschaften haben. Und daß die Menschen, die in der weiblichen Schublade landen, tatsächlich mehrheitlich auch überwiegend "weiblich" veranlagt sind. Klar wird es immer wieder Abweichungen geben. Und man sollte schon Möglichkeiten finden, Menschen, die eben nicht in eine der beiden Schubladen passen, auch nicht mit Gewalt dort hineinzupressen. Das ändert aber nichts daran, daß die Mehrheit der Menschen mit dem offiziellen Geschlecht, das ihnen bei der Geburt verpaßt wurde, doch ganz gut zurecht kommt. Weil dieses offizielle Geschlecht eben oft weitgehend mit dem tatsächlichen Geschlecht übereinstimmt. 100%ige Übereinstimmung wird man wohl kaum finden, aber oft paßt es eben doch weitgehend.

Von Susu kam in Bezug darauf schon mal das Argument, daß man sich dann aber nicht über diverse Klischees in Bezug auf Männer und Frauen beklagen dürfe. Das sehe ich nun allerdings auch nicht so. Beispielsweise glaube ich nicht, daß es in puncto Aggressivität zwischen Männern und Frauen wesentliche Unterschiede gibt. Zwar gilt immer noch Testosteron als Ursache für aggressives Verhalten, aber mal abgesehen davon, daß es da mittlerweile Forschungsergebnisse gibt, die das wieder relativieren und auch abgesehen davon, daß es durchaus auch Frauen mit hohem Testosteron-Spiegel gibt, so wurde mittlerweile auch nachgewiesen, daß auch der weibliche Körper spezielle Hormone in großer Menge produziert, die ebenfalls aggressives Verhalten fördern können. Auch entwicklungsgeschichtlich gibt es keinen Grund, davon auszugehen, daß Frauen von Natur aus friedfertiger wären. Im Tierreich sind auch weibliche Tiere durchaus nicht friedfertig, und bei manchen Arten (z.B. bei Tüpfelhyänen) sind die Weibchen sogar deutlich aggressiver als die Männchen. Und auch wenn man sich mal in die Welt unserer Vorfahren hineinversetzt, findet man keinen Grund, wieso Frauen friedlicher sein sollten. Wenn beispielsweise plötzlich ein Säbelzahntiger vor der Höhle stand, dann konnte es sich auch eine Frau nicht leisten, erstmal mit ihm darüber zu diskutieren, ob irgendwelche Akte aggressiver Gewalt jetzt wirklich angebracht wären. Nein, wenn sie keine Möglichkeit zur Flucht hatte und auch kein Mann da war, der sich heldenmütig zwischen sie und den Tiger werfen konnte, dann mußte sie zwangsläufig selbst zur Keule greifen und sie dem Tiger überziehen, in der Hoffnung, daß das irgendwas bewirkt. Wenn sie das nicht tat, war sie auf jeden Fall schnell tot. Und im Laufe der Geschichte haben Frauen auch genau das immer wieder getan. Genau wie die Männer auch. Und nicht nur zur Verteidigung.

Analog ist das mit so manchen anderen Klischees. Zwar trifft manches durchaus auch zu, aber das sind dann eigentlich eher unbedeutende Unterschiede. (Z.B. daß Frauen schlechter Karten lesen können oder so etwas.)

"...und zwar weit mehr als zwei. Und dadurch bezeichnet das Wort Geschlecht an sich fast nichts mehr."

Na ja, aber da die Mehrheit der Menschen sich doch offenbar mit ihrem offiziellem Geschlecht wohl fühlt, hat das Wort Geschlecht schon noch eine Bedeutung! Klar - wenn man davon ausgeht, daß jeder Mensch 100%ig in allen Merkmalen seinem offiziellen Geschlecht entsprechen muß, dann wird es natürlich schwierig, da noch jemanden eindeutig zuzuordnen. Dann wird das Geschlecht wirklich zur Farce. Wenn man aber realistisch ist und immer einen bestimmten Spielraum einkalkuliert, dann ergibt sich schon eine deutliche Polarisation. Man könnte natürlich offiziell noch weitere Geschlechter einführen, aber wie schon mal geschrieben, wäre das wohl ein Faß ohne Boden, weil dann immer wieder neue Gruppierungen noch ein weiteres Geschlecht fordern würden...

"Beim jetzigen Stand der durch die gnadenlose kulturelle Prägung ging vielleicht. Versuch das mal bei indigenen Völkern... da tipp ich eher auf unter 50% also keine absolute Mehrheit *g* Mist... geht ja nicht mehr die sind ja auch schon ziemlich "denaturiert"."

Da hast du recht. Bei uns wurde ja lange Zeit alles unterdrückt, was nicht in die beiden offiziellen Modell-Geschlechter paßte. Das hatte natürlich einen gewissen Auslese-Effekt zur Folge, so daß solche Abweichungen von den offiziellen Normen heute bei uns vielleicht seltener auftreten.

"Mein Fazit: Nicht Vermischungen der Geschlechter sind pathologisch, sondern der (Un)Sinngehalt des Wortes Geschlecht."

Das hängt davon ab, wie man das Wort "Geschlecht" definiert. Wenn man eben davon ausgeht, daß jeder Mensch 100%ig alle Eigenschaften seines offiziellen Geschlechtes haben muß, ist das natürlich Unsinn. Wenn man aber einen bestimmten Spielraum läßt, dann wird das schon weniger unsinnig.

"Nein, dafür sorgten die Mächtigen dieser Welt, mit Feuer und Schwert."

Auch, aber ich habe doch das Gefühl, daß Menschen sehr bereitwillig alles als Norm übernehmen, was ihnen eben als "normal" präsentiert wird. Kinder beispielsweise orientieren sich in den ersten Lebensjahren instinktiv an ihren Eltern und ahmen sie nach. Das tun sie auch dann, wenn ihre Eltern das nicht von ihnen fordern oder sie gar dazu zwingen.

Im Tierreich sieht man das auch. Wenn man Jungtiere von einem Tier einer anderen Art aufziehen läßt, ahmen sie ebenfalls das Verhalten dieses Tieres nach.

"Wie oben schon gesagt, hängt das IMO eher davon ab, wie weit man seine "primitiven Neigungen" ZULÄSST. Oder intelligent genug ist, die kulturelle Prägung eigenständig zu überdenken."

Ja, das sehe ich genauso. Das ändert aber nichts daran, daß die primitiven Neigungen immer da sind.

"Meine Erfahrungen sind, dass man, sobald man eine Opferhaltung verinnerlicht hat, man auch als Opfer "benutzt" wird. DAS ist der wichtigste Punkt. Gewisse Äußerlichkeiten mögen mehr reizen und den Versuch ob Du ein Opfer bist eher provozieren, als der vor Unscheinbarkeit fast unsichtbare. Aber den letzten Ausschlag gibt die Opferhaltung. Ist diese einmal installiert, wird es schwierig sie abzustreifen."

Ja, das ist sicher auch ein Punkt. Und gerade bei diesem Jungen traf das auch wirklich zu. Er hat z.B. irgendwann auf einmal damit angefangen, Briefe mit Gedichten an Mädchen aus der Klasse zu verschicken. Die haben sich darüber amüsiert, einige haben die Briefe mit zur Schule gebracht und sie in den Pausen laut vor der ganzen Klasse vorgelesen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er das nicht einkalkuliert hat. Ich glaube wirklich, daß er genau so eine Reaktion erwartet hat. Vielleicht hat er insgeheim doch gehofft, daß eines der Mädels vielleicht doch positiv reagiert. Aber ich glaube, er hat das auch deshalb gemacht, um sich selbst und anderen zu demonstrieren, daß er ja sowieso immer der Gearschte ist. Eben um seine Opferhaltung zu pflegen.

Aber ich habe auch Fälle erlebt, wo die Betroffenen gar nicht so erpicht auf die Opferhaltung waren. Wo es einfach nur so war, daß sie sich schlecht zur Wehr setzen konnten und gerade deshalb immer auf ihnen herumgetrampelt wurde. Manche Leute brauchen eben ab und zu einen Fußabtreter, um irgendwelchen Frust abzureagieren oder um ihr Ego zu stärken. Und dazu wählen sie sich bevorzugt Opfer, die ihnen eher unsympathisch sind und die sich schlecht wehren können. Ob diese Opfer auch Opfer sein möchten, interessiert dabei nicht.

Freundliche Grüße
von Garfield

Re: @Alex

Alex, Friday, 28.03.2003, 19:10 (vor 7888 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: @Alex von Garfield am 28. März 2003 10:11:09:

Huhu Garfield!

"...was meinst Du, warum? Ich find den echt schnuckelig... vom Aussehen her... viel mehr kenn ich ja nicht."
[quote]Ja, so vom Gesicht her finde ich ihn ja auch durchaus attraktiv. Wenn er auch sonst überall so weiblich aussehen würde, dann wäre er/sie mit Sicherheit mein Typ. Aber da er sonst eben eher männlich aussieht und somit meine instinktiven Wünsche nicht erfüllt, wäre er eben für mich kein potenzieller Partner.
[/quote]

Ok, wenn wir es von Schlüsselreizen haben, kann ich das jetzt nur auf eine weibliche Brust beziehen, die er eben nicht hat. Diese stellt nach anerkannten Theorien einen statistisch relevanten Schlüsselreiz dar. Aber da es eben persönliche Geschmäcker gibt, ist das zwar statistisch relevant, aber eben nicht zwingend. Dazu kommt der Kult, der in unserer Gesellschaft darum aufgebaut wurde, und der damit eine Betrachtung der Wirksamkeit dieses Schlüsselreizes unmöglich macht. Ich hab sogar schon einen Fall persönlich mitbekommen, wo es für den Mann nur deshalb wichtig war, dass seine Freundin eine große Brust hatte, weil er glaubte andere würden sie ihm deshalb neiden.... also seines Status wegen, nicht weil er es anziehend gefunden hätte.
Mir z.B. ist die Größe einer weiblichen Brust absolut unwichtig (was eine Freundin auch schockiert hatte, weil sie aus ähnlichen Gründen wie oben stolz auf ihre großen Brüste war, und es als abwertend empfand, dass mir die Größe unwichtig war).

"Schlüsselreize sind nach wie vor vorhanden."
[quote]Ja, und das ist z.B. etwas, das von Geburt an festgelegt ist und nicht anerzogen. Wenn das anders wäre, würden die meisten Männer heute ja z.B. auch auf dürre Supermodels á la Kate Moss stehen. Denn die werden ja heute überall in den Medien als Schönheitsideal prädentiert. Das tun sie aber mehrheitlich offensichtlich nicht.
[/quote]

Schlüsselreize sind vorhanden, damit stimme ich überein. Sie spielen eine wichtige Rolle. Die "Kunst" des Menschen war es aber erstmals, darum seltsame Gedankengebilde zu errichten, die die Bedeutsamkeit überbetonen und übeschätzen. Diese wirken IMO weit stärker aus, als die Schlüsselreize selbst.

"Ganz zu schweigen von chemischen Schlüsselreizen, die garnicht bewußt wahrgenommen werden."
[quote]Und die können wohl schwer durch Erziehung geprägt werden.
[/quote]

Nein, natürlich nicht, ich bestreite das ja auch garnicht.

"Nein. Nicht-Anziehung oder schwächere Anziehung &#8800; Ablehnug"
[quote]Gut, da habe ich mich nicht ganz korrekt ausgedrückt, es ist allerdings auch eine Definitionsfrage. Nicht-Anziehung kann aber durchaus die Basis für Ablehnung und/oder Aggression bilden.
[/quote]

Nein, Ablehnung ist aktiv, Nicht-Anziehung ist passiv.

Oftmals ist es nämlich so, daß sowohl Menschen als auch Tiere einfach nur ein Ventil suchen, um ihren Frust abzulassen. Bevorzugt wählt man sich dafür dann natürlich ein Opfer, das man eben nicht sonderlich sympathisch findet.

Das ist ein völlig anderes Thema. Aggression trifft natürlich eher selten die, die man mag. Ansonsten hat aber schlechter Umgang mit Aggression mit Anziehung durch Schlüsselreize nichts zu tun.

"Was sagt das aus? Wohl auch, dass Bisexualität seltener bekannt wird, als real vorhanden."
[quote]Das ist richtig. Ich glaube sowieso, daß die meisten Menschen (genau wie Tiere auch) von Natur aus bisexuell sind. Ich vermute, daß echte Heterosexualität genauso selten vorkommt wie echte Homosexualität. Auf den ersten Blick scheint das zwar dem natürlichen Zweck der Sexualität zu widersprechen. Aber ich denke, daß das durchaus sinnvoll ist. Es hat einen gewissen "Übungs-" bzw. "Trainings-Effekt" wenn man's eben erstmal mit gleichgeschlechtlichen Partnern macht, sofern keine biologisch sinnvollen Alternativen erreichbar sind. Dann kommt mit Sicherheit noch dazu, daß es ja eben kaum einen 100%igen Mann und auch kaum eine 100%ige Frau gibt. So kann es durchaus vorkommen, daß jemand z.B. chemische Signale des eigentlich anderen Geschlechts aussendet und somit für das eigene Geschlecht sexuell attraktiv ist.
[/quote]

Sexualität ist, wie die Nahrungsaufnahme lustbestimmt. Wenn die Natur sicherstellen will, dass wichtige Dinge zur Selbst- und Arterhaltung stattfinden, empfinden das alle natürlichen Wesen als Lust.
IMO gehen die Varianzen dabei jedoch wesentlich weiter, als dies die meisten Menschen glauben wollen. Sicher diente die Lust an Sexualität letztendlich dem Sicherstellen des Überlebens der Art.
Dennoch ist die Lust nun an sich vorhanden und kann nun nicht mehr in diesem Zusammenhang betrachtet werden, sonder nur noch absolut selbständig. Ähnlich wie sich die Nahrungsaufnahme nicht mehr der Selbsterhaltung unterstellen läßt, sondern nur noch dem Wunsch nach Genuß nach persönlichem Geschmack, wobei die Bandbreite sogar den vermeintlichen "Zweck" dieses Triebs negieren kann, nämlich z.B. tödlich enden kann.
Initiatoren von Gedankengebilden wie sie z.B. die christliche Kirche vertritt, ignorieren dies, bzw. instrumentalisieren die angebliche Erkenntnis einzig für ihre Kontrollzwecke.

Letzteres habe ich selbst auch mal erlebt. Ich habe mich eigentlich sexuell nie zu Männern hingezogen gefühlt. Trotzdem hatte ich mal einen Jungen in meiner Schulklasse, von dem ich mich tatsächlich auch sexuell angezogen fühlte. Irgendwie war er für mich eine Frau. Noch merkwürdiger war, daß das auf Gegenseitigkeit beruhte. Und ich bin mir sicher, daß er auch zumindest nicht homosexuell war. (Er hatte dann später auch eine Freundin.)

Schön, dass Du diese Erfahrung gemacht hast. Das beweist Dir besser als es jede Statistik könnte, WIE groß die Bandbreite der Schlüsselreize ist.
Diese Bandbreite ist IMO ebenso wichtig, wie die Mutation für die Evolution. Es ist also der größte Schwachsinn so etwas durch Ideologien wegrationalisieren zu wollen, oder nicht wahrhaben zu wollen, oder sie zu ignorieren.
Und mit den Folgen dieser manipulativen Eingriffe, nämlich dem Abwerten überlebenswichtiger natürlicher Gegebenheiten, haben wir heute so sehr zu tun, dass die natürliche Bandbreite nicht einmal mehr erkannt wird, bzw. für so klein gehalten wird, dass es als Ausnahme gilt...

"das beweist nur, dass die Körpergröße offensichtlich Geschlechtsmerkmal genug für Kaninchen ist...."
[quote]Nein, gleichgroße Kaninchen-Böcke bespringen sich auch gegenseitig. Nur können die sich dann gut dagegen wehren und es ist dann nicht so, daß ständig nur auf einem herumgerammelt wird. Das tun sie aber eben nur, wenn keine Weibchen greifbar sind. Gesellschaftliche Zwänge kann man da als Faktor wohl ausschließen. Also ist es doch offensichtlich so, daß gleichgeschlechtliche Partner im allgemeinen als weniger attraktiv erachtet, aber in "Notfällen" trotzdem durchaus in Betracht gezogen werden. Und wieso sollte das bei Menschen anders sein?
[/quote]

Wieder ein Beweis davon, dass die Lust getrennt von Fortpflanzung betrachtet werden muß, anderslautende Ideologien werden Lügen gestraft.
Die Attraktivität durch Schlüsselreize mag die Fortpflanzung sicher stellen, aber auch diese ist eben dem persönlichen Geschmack unterworfen.

"IMO ist Deine instinktive Ablehnung ein Märchen."
[quote]Stimmt, die Ablehnung selbst ist nicht instinktiv. Aber wenn Ablehnung darauf aufbaut, daß man jemanden eben irgendwie unattraktiv findet, dann basiert sie letztendlich auf Instinkten.
[/quote]

Ja... Instinkten, die wieder weit mehr Varianzen enthalten, als es nach erfolgter kultureller Prägung noch sichbar ist.

"Ich fühle mich auch von keinem Menschen abgelehnt, nur weil er nicht mit mir in die Kiste will."
[quote]Wirklich nicht? Also, das hab ich aber manchmal schon anders erlebt. Zwar nicht selbst, aber immerhin. Ich hab mal einen Film gesehen....
[/quote]

Gekränkte Eitelkeit besteht aber aus Minderwertigkeitsgefühlen und ist nicht gleichzusetzen mit Ablehnung durch geringere Attraktivität.

Solche Gefühle scheinen aber erst seit der Möglichkeit der Selbstanalyse zu existieren, also erst beim Menschen, soweit ich weiß.

Erst wenn die Schlußfolgerung möglich ist, Desinteresse als persönliche Beleidigung zu interpretieren (wegen vermeintlicher eigener Defizite => Minderwertigkeit), ist so etwas möglich. Wir bewegen uns also auf zwei gänzlich unterschiedlichen Ebenen... Desinteresse durch geringe Attraktivität -> Instinktebene..... Aggression durch Desinteresse -> autoreflektive Ebene (und somit muß die Autoreflektion erst durch ein Bewußtsein ermöglicht sein, ein deutlicher Unterschied zur Instinktebene)

"Das hängt mit unserer verbohrten ach so römisch-christlichen Kultur zusammen... Hexenjagt gibt es wohl immer noch."
[quote]Jain. Die römisch-christliche Kultur hat dafür gesorgt, daß Homo- oder Transsexualität verteufelt wurde. Sie hat aber nie darauf hingearbeitet, daß weniger attraktive Menschen nicht akzeptiert werden! Das hat mit dem Einfluß der Kirchen gar nichts zu tun.
[/quote]

Doch, auch das hat sie. Auch für z.B. "entstellte" Menschen war die Inquisition äußerst lebensbedrohlich.
Welche Art der "Unattraktivität" genügt hat, um als Hexe verbrannt zu werden, war allerdings Glücksspiel.
Die damals sogenannte Sodomie (einfach alles was "anders" war, homo, trans, was auch immer) wurde verteufelt, da die Akzeptanz die ideologische Sichtweise der Sexualität korumpiert hätte und somit eine Gefahr für die Kontrollierbarkeit der Massen darstellte.

"*grrrmpf* Charaktereigenschaften hat jedes Neugebohrene... sicher. Aber was hat das damit zu tun, dass man Menschen in Schubladen presst?
[quote]Wie soll ich es denn noch anders formulieren? Das eigene Wesen ist da, nur die Schublade ist generell zu eng... die Sozialisation tritt so lange nach, bis es meistens reinpasst... klappt aber nicht immer."
Ja, das bestreite ich ja auch gar nicht! Mir geht es nur darum, daß Menschen schon von Geburt an durchaus nicht gleich sind. Und daß eben nicht alle Unterschiede nur aus Erziehung resultieren. Und daß die Menschen, die man in die männliche Schublade steckt, allein schon durch ihre spezielle hormonelle Veranlagung eben auch tatsächlich häufig überwiegend "männliche" Eigenschaften haben. Und daß die Menschen, die in der weiblichen Schublade landen, tatsächlich mehrheitlich auch überwiegend "weiblich" veranlagt sind. Klar wird es immer wieder Abweichungen geben. Und man sollte schon Möglichkeiten finden, Menschen, die eben nicht in eine der beiden Schubladen passen, auch nicht mit Gewalt dort hineinzupressen. Das ändert aber nichts daran, daß die Mehrheit der Menschen mit dem offiziellen Geschlecht, das ihnen bei der Geburt verpaßt wurde, doch ganz gut zurecht kommt. Weil dieses offizielle Geschlecht eben oft weitgehend mit dem tatsächlichen Geschlecht übereinstimmt. 100%ige Übereinstimmung wird man wohl kaum finden, aber oft paßt es eben doch weitgehend.
[/quote]

Jein. Ich kann Dir sogar einen Fall nennen, den Du wahrscheinlich als absolute Bestätigung Deiner Meinung sehen wirst, der aber dennoch in meinem Verständnis enthalten ist (solltest Du etwas anderes vermutet haben, haben wir uns mißverstanden), den Colapinto Fall:
<hr>
Im Jahre 1966 sollte bei zwei körperlich-geschlechtlich eindeutigen Zwillingsbrüdern eine Vorhautverengung behandelt werden. Durch einen medizinischen Unfall bei der Behandlung verlor einer der beiden Zwillinge seinen Penis. Die Eltern suchten Rat bei dem Psychiater Dr. John Money (Uni Baltimore, USA).

Dr. John Money war durch seine Forschungen an intersexuellen Kleinkindern schon in den 1950er Jahren zu der Theorie gelangt, daß Menschen bei ihrer Geburt von ihrer Geschlechtsidentität her noch neutral seien, und diese sich im Wesentlichen durch eine klare, eindeutige Erziehung zum männlichen oder weiblichen Geschlecht ergeben würde. Eine geschlechtsangleichende Operation bei Kleinkindern mit uneindeutigen Genitalien und solchen mit unfallbedingtem Penisverlust mußte nach seiner Meinung spätestens bis zu einem Alter von max. 18 bis 24 Monaten stattfinden, da sich Kinder nach diesem Alter ihres eigenen geschlechtlichen Erscheinungsbilds bewußt wären ("Zeitfenstertheorie"). Money hielt es auch für entscheidend, dass in der Erziehung nach der operativen Angleichung keinerlei Zweifel des Kindes an seiner Geschlechtsidentität zugelassen werden sollten, und somit verpflichtete er die Eltern der Kinder zur absoluten Verschwiegenheit ihrem Kind gegenüber bzgl. der vormaligen körperlich-geschlechtlichen Uneindeutigkeit, und riet ihnen sogar, den Wohnort zu wechseln. Diese Verschwiegenheit fand später Eingang in den sich nach Money entwickelnden medizinischen Standard.

Als im Jahr 1966 sich nun die Eltern eines geschlechtlich eindeutig geborenen Zwillingsjungen an ihn wandten, sah Money die Gelegenheit, seine Theorie zu beweisen.

Auf seinen Rat hin wurde der Junge zu einem Mädchen umoperiert, das bedeutete u. a. eine Kastration (Entfernung der gesunden Hoden) und hohe Östrogengaben spätestens ab dem Alter, in dem bei Mädchen üblicherweise die Pubertät einsetzt. Das Kind wurde fortan von den Eltern eindeutig als Mädchen erzogen und regelmäßig durch ein psychiatrisches Team vor Ort betreut. Die Beratung durch Dr. Money persönlich erfolgte einmal im Jahr.

Der Fall erlangte Weltruhm als der "John/Joan-Fall" weit über den medizinischen Bereich hinaus bis hin in die feministische Bewegung der 1960er und 1970er Jahre.

Daraus entwickelte sich der Standard in der gesamten medizinischen westlichen Welt, Kinder mit uneindeutigen Genitalien operativ einem "normalen" Erscheinungsbild anzugleichen; dieser Standard setzte sich Anfang der 1970er Jahre durch. Heute wird jedes 2000. Kind, das in den westlichen Ländern geboren wird, noch im Kleinkindalter auf Anraten der Ärzte und mit Einwilligung der Eltern geschlechtlich operativ angeglichen, häufiger zum Mädchen hin, weil diese Operation einfacher ist.

Schon in der Kindheit zeigte das umoperierte Kind, obwohl die OP bis zu dem von Money genannten Alter stattgefunden hatte, ein deutlich maskulines Verhalten (Wahl der Spielsachen, Dominanz unter den Kindern, Pinkeln im Stehen, in der Pubertät anscheinend "lesbische" Tendenzen). Außerdem weigerte es sich im Alter von 13 Jahren endgültig, jemals wieder zur Untersuchung zu Money nach Baltimore zu kommen, und erfuhr auf sein Drängen hin in einer tränenreichen Episode von seinem Vater im Alter von 14 Jahren seine Geschichte.

Er begann sofort, wieder als Junge zu leben, und ist heute verheiratet und Stiefvater von drei Kindern. Hätte man ihm damals seine gesunden Hoden gelassen, hätte er mit seiner Frau auch leibliche Kinder haben können.

Money hatte den Fall als Erfolg dargestellt, und nur die Verhaltensweisen des Kindes erwähnt, die man als eine Annahme der weiblichen Geschlechtsidentität hätte deuten können; alle Warnsignale hingegen verschwieg er der medizinischen Fachwelt. Als es klar wurde, daß der Fall ein Mißerfolg war, verschwieg Money dies 17 Jahre lang, obwohl er den Fall weiter verfolgt hatte.

Im Jahre 1997 stellten Prof. Dr. Milton Diamond (Sexologe an der Uni Hawaii) und Dr. H. Keith Sigmundsson den Fall mit seiner Tragweite der Fachwelt vor. Der Journalist Colapinto schrieb über den Fall ein Buch, das es seit 2000 auch in der deutschen Übersetzung unter dem Namen "Der Junge, der als Mädchen aufwuchs" gibt.
<hr>

Dies zeigt dass persönliche Anlagen und charakterliche Eigenschaften biologische Zusammenhänge haben (Wobei ich das "Pinkeln im Stehen" als Trotzreaktion eines sich unverstanden fühlenden Kindes sehe *g* nicht als biologische Gegebenheit).
Was es nicht zeigt, ist, wie groß die Bandbreite der natürlichen Verhaltensweisen wäre, wenn sie nicht durch machtbesessene Ideologien verbogen worden wäre. So etwas ist aus den Berichten über Naturvölker besser zu ersehen. Und diese Bandbreite ist eben bei weitem größer, als es die meisten glauben. In jeder einzelnen Eigenschaft als auch in der Gesammtheit.

Von Susu kam in Bezug darauf schon mal das Argument, daß man sich dann aber nicht über diverse Klischees in Bezug auf Männer und Frauen beklagen dürfe. Das sehe ich nun allerdings auch nicht so....

Zustimmung. Ich glaube zwar immernoch, dass Du die kulturelle Prägung bei weitem unterschätzt, aber ich ignoriere den Colapinto-Fall durchaus nicht in meiner Denkweise.
Fakt ist aber, dass wie diesbezüglich wohl nur weiter kommen, wenn wir es machen wie die genannten Indianervölker: Jegliche restriktive Haltung diesbezüglich zu unterlassen, wenn sich ein Mensch gemäß seinen Anlagen entwickelt. Und die Einteilung in zwei Geschlechter ist somit sehr destruktiv, da es ein Individuum verleitet bis zwingt sich in eine dieser Gruppen einzuordnen, also die Entwicklung der Fähigkeiten stört oder behindert.

"...und zwar weit mehr als zwei. Und dadurch bezeichnet das Wort Geschlecht an sich fast nichts mehr."
[quote]Na ja, aber da die Mehrheit der Menschen sich doch offenbar mit ihrem offiziellem Geschlecht wohl fühlt, hat das Wort Geschlecht schon noch eine Bedeutung!
[/quote]

Von wie vielen Menschen weißt Du, dass sie sich wirklich wohl fühlen, bzw. wer sagt, dass Anpassung nicht nur scheinbares Wohlgefühl ist? Ich sags mal so: Wenn wir auf einer Skala von -100 (weibliches Modell) bis +100 (männliches Modell) davon ausgehen, dass sich die stat. Häufung in unserer Gesellschaft bei +/- 70 liegt, eine empfindliche Reaktion der Umwelt aber erst unter +/- 40 auftritt... ABER der natürliche Häufungspunkt irgenwo in der Nähe von +/- 20-30 liegen dürfte, dann sind da schon sehr viele Menschen in ihrer Entwicklung behindert, zum Nachteil der gesammten Gesellschaft, denn je besser jedes Individuum seine Fähigkeiten entwickeln und einsetzen kann, desto reicher ist die Gesellschaft, ganz davon zu schweigen, dass Leid von vielen kein Thema mehr wäre.

Man könnte natürlich offiziell noch weitere Geschlechter einführen, aber wie schon mal geschrieben, wäre das wohl ein Faß ohne Boden, weil dann immer wieder neue Gruppierungen noch ein weiteres Geschlecht fordern würden...

Nochmal: Eine Einteilung in ein Geschlecht halte ich für kontraproduktiv für die gesammte Gesellschaft. Je weniger soziale Geschlechter ohne Restriktionen lebbar sind, desto ärmer wird die ganze Gesellschaft. Auf meiner Skala von [-100.. +100] existiert real JEDER Zwischenwert. Und ich glaube nicht, dass sich das vielleicht anfängliche Bestreben nach einem benannten sozialen Geschlecht fortsetzen würde, wenn die reale Existenz JEDES Skalenwertes Allgemeinwissen wäre, sowie ideologisch nicht abgestritten oder abgelehnt würde.

"Beim jetzigen Stand der durch die gnadenlose kulturelle Prägung ging vielleicht. Versuch das mal bei indigenen Völkern... da tipp ich eher auf unter 50% also keine absolute Mehrheit *g* Mist... geht ja nicht mehr die sind ja auch schon ziemlich "denaturiert"."
[quote]Da hast du recht. Bei uns wurde ja lange Zeit alles unterdrückt, was nicht in die beiden offiziellen Modell-Geschlechter paßte. Das hatte natürlich einen gewissen Auslese-Effekt zur Folge, so daß solche Abweichungen von den offiziellen Normen heute bei uns vielleicht seltener auftreten.
[/quote]

Die Anpassungsfähigkeit spielt hier dem oberflächlichen Analytiker einen Streich. Hier handelt es sich nicht um ein Äquivalent zur biologischen Auslese, sondern um weitreichende Deformation der individuellen Anlagen in ein Schema... das Schema wird hier zur zur "self-fulfilling profecy".

Das Schema verursacht einen großen Teil der Wirkung, und ist IMO nicht die Wirkung einer biologischen Ursache, bzw. die biologische Ursache ist nur für einen kleinen Teil des Schemas verantwortlich....

"Mein Fazit: Nicht Vermischungen der Geschlechter sind pathologisch, sondern der (Un)Sinngehalt des Wortes Geschlecht."
[quote]Das hängt davon ab, wie man das Wort "Geschlecht" definiert. Wenn man eben davon ausgeht, daß jeder Mensch 100%ig alle Eigenschaften seines offiziellen Geschlechtes haben muß, ist das natürlich Unsinn. Wenn man aber einen bestimmten Spielraum läßt, dann wird das schon weniger unsinnig.
[/quote]

Warum nicht die gesammte natürliche Bandbreite als "Spielraum" lassen? Und damit wird der Geschlechterbegriff, der eh oft nur ein Sammlung von Eigenschaften beschreibt, von denen auf ein beliebiges Individuum nur ein Bruchteil zutrifft (wenn ich die kulturelle Prägung mal aussen vor lasse sowieso), ein leerer Begriff.

"Nein, dafür sorgten die Mächtigen dieser Welt, mit Feuer und Schwert."
[quote]Auch, aber ich habe doch das Gefühl, daß Menschen sehr bereitwillig alles als Norm übernehmen, was ihnen eben als "normal" präsentiert wird. Kinder beispielsweise orientieren sich in den ersten Lebensjahren instinktiv an ihren Eltern und ahmen sie nach. Das tun sie auch dann, wenn ihre Eltern das nicht von ihnen fordern oder sie gar dazu zwingen.
[/quote]

Insbesondere religiös verpackt, funktionierte das ja offensichtlich sehr gut.
Nachahmung ist eine wichtige Lernform, klar. Bei Kindern fällt das deswegen so auf, weil man später nie wieder so geballt lernt, wie in den ersten Lebensjahren. Aber bei Erwachsenen ist diese Form des Lernens nicht überflüssig, aber die Fähigkeit der Prüfung von Inhalten wird auch immer wichtiger. Woher das bereitwillige Übernehmen von Inhalten kommt, darüber könnten wir uns wohl in einem eigenen Thread mal einige Monate auslassen... wahrscheinlich angefangen beim Alpha-Wolf eines Rudels. Auf jeden Fall sind wir bezüglich Gender/Sex-Themen in unserer Kultur in eine Sackgasse gelaufen und da spielten Feuer und Schwerte ebenso eine wichtige Rolle, wie subtilere Mittel der Manipulation, oder die menschliche Empfänglichkeit für Ideologien.

"Wie oben schon gesagt, hängt das IMO eher davon ab, wie weit man seine "primitiven Neigungen" ZULÄSST. Oder intelligent genug ist, die kulturelle Prägung eigenständig zu überdenken."
[quote]Ja, das sehe ich genauso. Das ändert aber nichts daran, daß die primitiven Neigungen immer da sind.
[/quote]

Entweder hast Du mich mißverstanden, oder ich verstehe Dich nun miß.

Meine Antwort sollte ausdrücken, dass ich der Meinung bin, das ZULASSEN dieser Instinkte würde Ausgrenzung und Ablehnung verhindern, wobei Dein Satz sagte die UNTERDRÜCKUNG würde dies verhindern.
Mehr wollte ich damit nicht sagen, und um das Vorhandensein von Instinkten kann es sich ja nicht gedreht haben, da waren wir uns ja einig... ich selbst hab ja von "Schlüsselreizen" angefangen.

Ja, das ist sicher auch ein Punkt. Und gerade bei diesem Jungen traf das auch wirklich zu. Er hat z.B. irgendwann auf einmal damit angefangen, Briefe mit Gedichten an Mädchen aus der Klasse zu verschicken. Die haben sich darüber amüsiert, einige haben die Briefe mit zur Schule gebracht und sie in den Pausen laut vor der ganzen Klasse vorgelesen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er das nicht einkalkuliert hat. Ich glaube wirklich, daß er genau so eine Reaktion erwartet hat. Vielleicht hat er insgeheim doch gehofft, daß eines der Mädels vielleicht doch positiv reagiert. Aber ich glaube, er hat das auch deshalb gemacht, um sich selbst und anderen zu demonstrieren, daß er ja sowieso immer der Gearschte ist. Eben um seine Opferhaltung zu pflegen.
Aber ich habe auch Fälle erlebt, wo die Betroffenen gar nicht so erpicht auf die Opferhaltung waren. Wo es einfach nur so war, daß sie sich schlecht zur Wehr setzen konnten und gerade deshalb immer auf ihnen herumgetrampelt wurde. Manche Leute brauchen eben ab und zu einen Fußabtreter, um irgendwelchen Frust abzureagieren oder um ihr Ego zu stärken. Und dazu wählen sie sich bevorzugt Opfer, die ihnen eher unsympathisch sind und die sich schlecht wehren können. Ob diese Opfer auch Opfer sein möchten, interessiert dabei nicht.

Auch hier ein Mißverständnis. Man muß seine Opferhaltung nicht aktiv pflegen, um Opfer zu sein. Es genügt, wenn man nicht weiß, wie man sie aktiv verhindert.
Und da Opfersein mit Zerstörung des Selbstwertgefühls einhergeht, wird es nicht einfacher, sondern schwieriger, je länger man Opfer ist. Ist die Opferhaltung stark verinnerlicht, wird ein "Befreiungsschlag" immer schwieriger.

Liebe Grüße

Alex

Re: @Alex

Garfield, Tuesday, 01.04.2003, 20:41 (vor 7884 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: @Alex von Alex am 28. März 2003 17:10:24:

Hallo Alex!

"Ich hab sogar schon einen Fall persönlich mitbekommen, wo es für den Mann nur deshalb wichtig war, dass seine Freundin eine große Brust hatte, weil er glaubte andere würden sie ihm deshalb neiden.... also seines Status wegen, nicht weil er es anziehend gefunden hätte."

Ja, sowas gibt es natürlich auch. Es gibt z.B. auch Fälle, in denen Männer zwar eigentlich schon Frauen mit ausgeprägten weiblichen Formen anziehend finden (eben wegen der im Unterbewußtsein festgelegten Schlüsselreize), aber trotzdem nur extrem schlanke Frauen als Partnerinnen akzeptieren. Weil ihnen solche Frauen von den Medien als Schönheitsideal vorgegaukelt werden und weil sie deshalb glauben, mit solchen Frauen besser "repräsentieren" zu können. Bei Frauen tritt das genauso auf, und eigentlich sogar noch häufiger. Bei ihnen ist nämlich einerseits ebenfalls ein bestimmtes Ideal-Männerbild im Unterbewußtsein eingespeichert, andererseits gibt es aber mittlerweile auch das Ideal vom sanftmütigen Softie. Letzteres wird aber gar nicht so vehement propagiert, so daß es die unbewußten Schlüsselreize kaum ganz überlagern kann. Dazu kommt noch, daß das althergebrachte Männer-Idealbild ja auch durchaus heute noch nicht ganz aus den Medien verschwunden ist. Allein schon, weil alte Filme ja immer wieder gezeigt werden. Es gibt auch viele Frauen, die durchaus gern Action-Filme mit Sylvester Stallone oder Steven Seagal sehen, und zwar nicht trotzdem, sondern gerade weil diese Darsteller noch das althergebrachte Ideal des coolen Macho-Mannes verkörpern. Deshalb schwanken viele Frauen zwischen ihrem instinktiven und dem nur halbherzig anerzogenen Idealvorstellungen immer hin und her. Das hat man bei Tests ja sogar schon nachgewiesen. Dabei hat sich herausgestellt, daß Frauen außerhalb der Eisprungphase Männer bevorzugen, die eher weiblich aussehen, während sie in der Eisprungphase Männer mit typisch "männlichem" Aussehen präferieren. Außerdem hat man nachgewiesen, daß Frauen während der Eisprungphase eher zum Fremdgehen neigen. Das legt einen Zusammenhang nahe, nämlich, daß es einfach so ist, daß Frauen sich unter dem Einfluß der gesellschaftlichen Erziehung für Männer entscheiden, die nicht unbedingt ihren unbewußten Idealbildern entsprechen. Wenn während der Eisprungphase aber bestimmte Hormone dafür sorgen, daß diese unterbewußten Wünsche sich stärker bemerkbar machen, dann orientieren sich manche Frauen offenbar plötzlich um, vermissen etwas an ihren Partnern und suchen das dann anderswo...

Und das wiederum bringt uns nun zu der Frage, wie sehr diese gesellschaftliche Erziehung letztendlich wirklich wirkt. Kann es sein, daß sie zwar zunächst durchaus Wirkung zeigt und Menschen dazu bringt, sich bei der Partnerwahl auch mal entgegen ihren unbewußten Wünschen zu entscheiden, daß diese Wirkung aber oft nicht dauerhaft anhält und diese "Fehler" dann oftmals später wieder korrigiert werden?

"Nein, Ablehnung ist aktiv, Nicht-Anziehung ist passiv."

Ja, sicher. Was genau verstehst du unter Ablehnung? Ich verstehe darunter, daß man negative Gefühle gegenüber einem anderen Menschen hat und diese dann eventuell auch durch verbale oder sogar körperlich Angriffe zum Ausdruck bringt. Hat man aber grundsätzliche negative Gefühle gegenüber jemandem, den man anziehend findet? (Damit meine ich jetzt negative Gefühle, für die es keinen objektiven Grund gibt, die also nicht z.B. aus etwas resultieren, was diese Person getan oder gesagt hat.) Wohl kaum. Sowas entwickelt man nur gegenüber Menschen, die man eben nicht anziehend findet. Somit kann man durchaus sagen, daß aktive Ablehnung auf passiver Nicht-Anziehung basiert. Oder zumindest darauf basieren kann.

"Das ist ein völlig anderes Thema. Aggression trifft natürlich eher selten die, die man mag. Ansonsten hat aber schlechter Umgang mit Aggression mit Anziehung durch Schlüsselreize nichts zu tun."

Ist das wirklich so ein anderes Thema?

"Sexualität ist, wie die Nahrungsaufnahme lustbestimmt. Wenn die Natur sicherstellen will, dass wichtige Dinge zur Selbst- und Arterhaltung stattfinden, empfinden das alle natürlichen Wesen als Lust.

IMO gehen die Varianzen dabei jedoch wesentlich weiter, als dies die meisten Menschen glauben wollen. Sicher diente die Lust an Sexualität letztendlich dem Sicherstellen des Überlebens der Art.

Dennoch ist die Lust nun an sich vorhanden und kann nun nicht mehr in diesem Zusammenhang betrachtet werden, sonder nur noch absolut selbständig. Ähnlich wie sich die Nahrungsaufnahme nicht mehr der Selbsterhaltung unterstellen läßt, sondern nur noch dem Wunsch nach Genuß nach persönlichem Geschmack, wobei die Bandbreite sogar den vermeintlichen "Zweck" dieses Triebs negieren kann, nämlich z.B. tödlich enden kann."

Aber dennoch ist es in der Tierwelt so, daß da keineswegs jeder auf jedem herumrammelt. Wenn die Lust sich tatsächlich so verselbstständigen würde, dann müßte es sämtlichen Tieren (und natürlich auch uns Menschen) doch völlig egal sein, welcher Art und welchem Geschlecht ein Sexualpartner angehört. So ist das aber nicht! Es gibt da deutlich erkennbare Hemmschwellen, die nur dann übertreten werden, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, um seinen Trieb abzureagieren. Sexualpartner werden in der Regel in folgender Rangfolge akzeptiert: Erstens Vertreter des anderen Geschlechts der eigenen Art. Wenn die nicht erreichbar sind, begnügt man sich mit Vertretern des eigenen Geschlechts der eigenen Art. Wenn die ebenfalls nicht erreichbar sind, akzeptiert man auch Vertreter anderer Arten. Wenn die auch nicht greifbar sind, wird alles akzeptiert. Ich hab schon einen Hund beim Geschlechtsverkehr mit einer Wolldecke beobachtet.

"Initiatoren von Gedankengebilden wie sie z.B. die christliche Kirche vertritt, ignorieren dies, bzw. instrumentalisieren die angebliche Erkenntnis einzig für ihre Kontrollzwecke."

Alex, so einfach ist das nicht! Gerade die Geschichte der katholischen Kirche muß man sehr differenziert betrachten. Versetze dich mal in die Lage eines Homosexuellen vor 500 Jahren. Du fühlst dich also von Männern angezogen, und Frauen geben dir gar nichts. Du wurdest aber dazu erzogen, solche Neigungen als sündhaft und verdorben zu betrachten. Also unterdrückst du sie. Vielleicht gelingt dir das auch. Das Problem ist nur: Du hast einfach keine Lust, eine Frau zu heiraten. Weil dich Frauen nicht interessieren. Verwandte und Bekannten fangen dann langsam an zu sticheln, und überhaupt wundert sich alle Welt, wieso du keine Anstalten dazu machst, dir eine Frau zu suchen und zu heiraten. Deine Eltern suchen dir womöglich schon eine Heiratskandidatin aus. Vielleicht läßt du dich dann breitschlagen, heiratest unter dem Druck der Umwelt tatsächlich eine Frau und lebst dann jahrzehntelang unglücklich neben ihr her. Aber es gibt noch eine Alternative: Du kannst zur Kirche gehen und da z.B. Mönch oder Priester werden. Da mußt du sowieso das Zöllibat ablegen, also fragt dann auch niemand mehr danach, wieso du immer noch nicht verheiratet bist. Die ganze lästige Fragerei bist du auf einmal los. Was liegt da näher, als diese Lösung zu wählen?

Man kann also durchaus davon ausgehen, daß gerade in früheren Zeiten, als Homosexualität bzw. "Sodomie" allgemein sogar strafbar war, zumindest der Anteil der Homosexuellen in der Kirche höher war als im normalen Volk. Neid und Mißgunst scheinen leider unter Menschen weit verbreitet zu sein. Was tut man also, wenn man auf Menschen stößt, die ihre unchristlichen Gelüste nicht unterdrücken, sondern voll ausleben? Man ist stinksauer und denkt sich sowas wie "wenn ich hier im Zöllibat lebe, dann sollen die es auch nicht besser haben", und schon schwärzt man sie an oder sorgt sogar höchstselbstpersönlich dafür, daß sich die geistliche und weltliche Gerichtsbarkeit ihrer in diesem Frevel gebührender Weise annimmt. Und trägt damit wieder ein kleines bißchen dazu bei, die bestehenden Verhältnisse weiter zu zementieren.

"Schön, dass Du diese Erfahrung gemacht hast. Das beweist Dir besser als es jede Statistik könnte, WIE groß die Bandbreite der Schlüsselreize ist."

Ja, aber es war das einzige Mal, daß ich so etwas erlebt habe! Ich hatte danach an einer anderen Schule, in der Uni und in diversen Unternehmen Kontakt mit tausenden von Männern. Ich habe mich aber nie wieder von einem von ihnen irgendwie sexuell angezogen gefühlt. Nach meinen persönlichen Erfahrungen liegt die Häufigkeit dessen also bei deutlich weniger als 1%.

"Gekränkte Eitelkeit besteht aber aus Minderwertigkeitsgefühlen und ist nicht gleichzusetzen mit Ablehnung durch geringere Attraktivität."

Ich kannte aber schon Menschen, die regelrechte Minderwertigkeitskomplexe entwickelt haben, weil ihnen von ihrer Umwelt immer wieder deutlich gezeigt wurde, daß sie eben nicht besonders gut aussehen! Sowas gibt es durchaus häufig.

"Doch, auch das hat sie. Auch für z.B. "entstellte" Menschen war die Inquisition äußerst lebensbedrohlich."

Ja, gut, aber das traf dann nur Ausnahmefälle. Menschen, die einfach nur nicht besonders attraktiv waren, wurden nie von der Kirche verteufelt. Von ihren werten Mitmenschen dagegen manchmal sehr wohl.

Stimmt, der Colapinto-Fall hat mich tatsächlich in meinen Ansichten bestärkt.

Genaugenommen steht das ja auch weder im Widerspruch zu meinen noch zu deinen Ansichten. Wenn du nämlich wirklich davon ausgehst, daß alles durch Erziehung geformt wird, dann wäre doch gar nichts dagegen einzuwenden, Menschen, die bei ihrer Geburt eben etwas "unnormal" sind, einfach mal umzuerziehen und dieser Umerziehung zuweilen eben auch durch OPs und Hormontherapien nachzuhelfen.

Aber das willst du ja gerade nicht. Also gehst du doch durchaus auch davon aus, daß jeder Mensch das, was er ist, eben zumindest auf der unbewußten Ebene weitgehend schon von Geburt an ist. Und daß man das nicht verändern sollte.

"Fakt ist aber, dass wie diesbezüglich wohl nur weiter kommen, wenn wir es machen wie die genannten Indianervölker: Jegliche restriktive Haltung diesbezüglich zu unterlassen, wenn sich ein Mensch gemäß seinen Anlagen entwickelt. Und die Einteilung in zwei Geschlechter ist somit sehr destruktiv, da es ein Individuum verleitet bis zwingt sich in eine dieser Gruppen einzuordnen, also die Entwicklung der Fähigkeiten stört oder behindert."

Dem stimme ich durchaus zu. Andererseits denke ich aber, daß solche Restriktionen in der Vergangenheit durchaus einen Sinn hatten. Da kam es eben darauf an, daß die Menschen sich möglichst effektiv vermehrten. Wenn nun aber beispielsweise Menschen gleichen Geschlechts zusammen leben, dann ist das in Bezug auf die Erhaltung der Art nicht sonderlich effektiv. Man könnte in dem Zusammenhang auch darüber nachdenken, woran es eigentlich genau lag, daß die nordamerikanischen Indianer keine besonderen kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen vollbracht haben und deshalb dann von den Europäern so schnell überrannt wurden...

Wenn man nun dazu übergeht, die Gesellschaft weiter zu liberalisieren und den Menschen mehr Freiräume zu lassen, stellt sich die Frage, ob sie mit diesen Freiräumen überhaupt zurecht kommen. Und ob sie diese Freiräume überhaupt wirklich wollen.

Bei den sogenannten "DrAG-Queens" beispielsweise habe ich immer sehr das Gefühl, daß sie es richtig genießen, überall aus dem Rahmen zu fallen. Ich denke, zumindest denen würde wirklich etwas fehlen, wenn ihr Verhalten plötzlich als ganz normal und gewöhnlich gelten würde und wenn sie also niemanden mehr provozieren oder gar schockieren könnten.

Und vielleicht beruht der Erfolg der christlichen Religion ja auch darauf, daß sie Sex zur reinen Lustbefriedigung als Sünde darstellte? Weil den Menschen Sex so einfach noch mehr Spaß machte? Vielleicht waren die Menschen das Lotterleben im Römischen Reich (die Wandmalereien in Pompeji zeugen noch heute davon - einige Bereiche dieser Ruinen sollen tatsächlich aus Jugendschutzgründen für die Öffentlichkeit gesperrt sein) ja so leid, daß sie einfach das krasse Gegenteil wünschten? Angeblich soll ja auch während der Prohibition in den USA mehr Alkohol verbraucht worden sein als zuvor...

"Je weniger soziale Geschlechter ohne Restriktionen lebbar sind, desto ärmer wird die ganze Gesellschaft. Auf meiner Skala von [-100.. +100] existiert real JEDER Zwischenwert. Und ich glaube nicht, dass sich das vielleicht anfängliche Bestreben nach einem benannten sozialen Geschlecht fortsetzen würde, wenn die reale Existenz JEDES Skalenwertes Allgemeinwissen wäre, sowie ideologisch nicht abgestritten oder abgelehnt würde."

Ja, aber unendlich viele Geschlechter (denn das bedeutet ja "jeder Zwischenwert") sind de facto gleichbedeutend mit keinem oder mit einem Geschlecht! Ich sehe da schon noch einige Probleme, z.B. das schon erwähnte Problem mit der Zuordnung von öffentlichen Toiletten, Dusch- oder Umkleideräumen. Das mag jetzt unwichtig klingen, aber das allein wäre schon ein großes Problem für viele Menschen. Natürlich beruht das auf Erziehung, aber das ändert nichts daran, daß das Problem besteht.

"Die Anpassungsfähigkeit spielt hier dem oberflächlichen Analytiker einen Streich. Hier handelt es sich nicht um ein Äquivalent zur biologischen Auslese, sondern um weitreichende Deformation der individuellen Anlagen in ein Schema... das Schema wird hier zur zur "self-fulfilling profecy".

Das Schema verursacht einen großen Teil der Wirkung, und ist IMO nicht die Wirkung einer biologischen Ursache, bzw. die biologische Ursache ist nur für einen kleinen Teil des Schemas verantwortlich...."

Na ja, wenn jemand, der nicht ins vorgegebene Schema paßt, auf dem Scheiterhaufen landet, würde ich das durchaus als eine Form der Auslese bezeichnen. Aber bei näherer Betrachtung hast du tatsächlich recht. Im alten Griecheland wurde Homosexualität allgemein toleriert. Im Ergebnis dessen konnten Homosexuelle offen zusammen leben, dadurch zeugten sie keine Nachkommen, gaben ihre Erbanlagen also nicht weiter und schon hatte man automatisch natürliche Auslese.

Die katholische Kirche dagegen zwang viele Homosexuelle, ihre Neigungen zu unterdrücken. Sie lebten dann teilweise in "normalen" Ehen, zeugten mit ihren Partnern Nachkommen, gaben ihre Erbanlagen weiter und somit wurde die Auslese der alten Griechen durch die Kirche sogar ausgehebelt. Hm, so gesehen könnte der Anteil zumindest der Homosexuellen bei uns sogar höher sein als anderswo! Bei heterosexuell veranlagten Menschen dürfte das allerdings keine Wirkung gehabt haben, egal ob sie sonst irgendwelche "unnormalen" Bedürfnisse hatten oder nicht.

"Entweder hast Du mich mißverstanden, oder ich verstehe Dich nun miß.

Meine Antwort sollte ausdrücken, dass ich der Meinung bin, das ZULASSEN dieser Instinkte würde Ausgrenzung und Ablehnung verhindern, wobei Dein Satz sagte die UNTERDRÜCKUNG würde dies verhindern."

Das hatte ich falsch verstanden. Ich meinte das bezogen auf die Instinkte, die uns dazu bringen, Normen von außen zu übernehmen. Du meintest dagegen offenbar die individuellen Neigungen, die unter dem Druck der Gesellschaft oft unterdrückt werden, oder?

"Auch hier ein Mißverständnis. Man muß seine Opferhaltung nicht aktiv pflegen, um Opfer zu sein. Es genügt, wenn man nicht weiß, wie man sie aktiv verhindert."

Tja, Alex, aber wie soll man das wissen, wenn man ein Kind von vielleicht 10 Jahren ist? Da hat man kaum Lebenserfahrung und versteht es überhaupt nicht, wenn alle auf einem herumhacken. Wenn man dann körperlich nicht stark genug ist, um sich mit Gewalt zu wehren und wenn man auch keinen Erwachsenen kennt, der einem da wirklich sinnvolle Ratschläge geben kann, dann bleibt einem gar nichts anderes übrig, als das ewige Opfer zu sein.

Freundliche Grüße
von Garfield

Re: @Alex

susu, Thursday, 03.04.2003, 01:49 (vor 7883 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: @Alex von Garfield am 01. April 2003 17:41:43:

Hi Garfield

Ja, sowas gibt es natürlich auch. Es gibt z.B. auch Fälle, in denen Männer zwar eigentlich schon Frauen mit ausgeprägten weiblichen Formen anziehend finden (eben wegen der im Unterbewußtsein festgelegten Schlüsselreize), aber trotzdem nur extrem schlanke Frauen als Partnerinnen akzeptieren. Weil ihnen solche Frauen von den Medien als Schönheitsideal vorgegaukelt werden und weil sie deshalb glauben, mit solchen Frauen besser "repräsentieren" zu können. Bei Frauen tritt das genauso auf, und eigentlich sogar noch häufiger. Bei ihnen ist nämlich einerseits ebenfalls ein bestimmtes Ideal-Männerbild im Unterbewußtsein eingespeichert, andererseits gibt es aber mittlerweile auch das Ideal vom sanftmütigen Softie. Letzteres wird aber gar nicht so vehement propagiert, so daß es die unbewußten Schlüsselreize kaum ganz überlagern kann. Dazu kommt noch, daß das althergebrachte Männer-Idealbild ja auch durchaus heute noch nicht ganz aus den Medien verschwunden ist. Allein schon, weil alte Filme ja immer wieder gezeigt werden. Es gibt auch viele Frauen, die durchaus gern Action-Filme mit Sylvester Stallone oder Steven Seagal sehen, und zwar nicht trotzdem, sondern gerade weil diese Darsteller noch das althergebrachte Ideal des coolen Macho-Mannes verkörpern. Deshalb schwanken viele Frauen zwischen ihrem instinktiven und dem nur halbherzig anerzogenen Idealvorstellungen immer hin und her. Das hat man bei Tests ja sogar schon nachgewiesen. Dabei hat sich herausgestellt, daß Frauen außerhalb der Eisprungphase Männer bevorzugen, die eher weiblich aussehen, während sie in der Eisprungphase Männer mit typisch "männlichem" Aussehen präferieren. Außerdem hat man nachgewiesen, daß Frauen während der Eisprungphase eher zum Fremdgehen neigen. Das legt einen Zusammenhang nahe, nämlich, daß es einfach so ist, daß Frauen sich unter dem Einfluß der gesellschaftlichen Erziehung für Männer entscheiden, die nicht unbedingt ihren unbewußten Idealbildern entsprechen. Wenn während der Eisprungphase aber bestimmte Hormone dafür sorgen, daß diese unterbewußten Wünsche sich stärker bemerkbar machen, dann orientieren sich manche Frauen offenbar plötzlich um, vermissen etwas an ihren Partnern und suchen das dann anderswo...

Question: Das traditionelle Männerbild, könnte das nicht auch durch Sozialisation entstanden sein? Gibt es in Naturvölkern den Typ Stalone? Nein, es gibt ihn nicht, er ist ein Produkt dieser Kultur (Noch Charles Atlas, das Muskelidol vergangener Zeit, sah ganz anders aus, die Männerbilder der Antike, oder des Barok ähneln sich nicht im geringsten, trotzdem waren sie jeweils das bestimmende Ideal).
Question: Wie eingehend kennst du die Studien, auf die du dich berufst? Soziobiologie ist eine sehr komplexe Wissenschaft, insbesondere, wenn es um Menschen geht. Da wird oft schlechte Wissenschaft betrieben, d.h. die Fragestellung beeinflust das Ergebnis extrem und kulturelle Faktoren werden völlig misachtet. Da gibt´s z.T. horrende Fehler in der Versuchsplanung und Durchführung und die Berichtserstattung über diese Wissenschaft neigt dazu Ergebnisse stärker zu bewerten, als es angebracht wäre. Da wird aus statistisch insignifikanten Unterschieden plötzlich ein klares Ergebnis.
Question: Wurden Hormonspiegel gemessen, oder wurde nur der Zyklus korreliert? Wie definierten die Forscher Männer mit "weiblichem" Aussehen und wie Männer mit "männlichem" Aussehen? Gibt es da eine Objektive Antwort?

Und das wiederum bringt uns nun zu der Frage, wie sehr diese gesellschaftliche Erziehung letztendlich wirklich wirkt. Kann es sein, daß sie zwar zunächst durchaus Wirkung zeigt und Menschen dazu bringt, sich bei der Partnerwahl auch mal entgegen ihren unbewußten Wünschen zu entscheiden, daß diese Wirkung aber oft nicht dauerhaft anhält und diese "Fehler" dann oftmals später wieder korrigiert werden?

Nein. Dann müßte es klar erkennbare Zusammenhänge zwischen irgendwelchen Biologischen Tatsachen und der Partnerwahl geben. Gibt es aber nicht. Und unbewuste Wünsche können eben auch durch die Sozialisation hervorgerufen werden.

Hat man aber grundsätzliche negative Gefühle gegenüber jemandem, den man anziehend findet? (Damit meine ich jetzt negative Gefühle, für die es keinen objektiven Grund gibt, die also nicht z.B. aus etwas resultieren, was diese Person getan oder gesagt hat.) Wohl kaum. Sowas entwickelt man nur gegenüber Menschen, die man eben nicht anziehend findet.

Hier verweise ich auf Studien, die belegen, daß Menschen, die heftige Ablehnung Homosexuellen gegenüber zeigen, ebenso eine sexuelle Anziehung dem eigenen Geschlecht gegenüber empfinden. D.h. da kommt projezierter Selbsthass ins Spiel.

Aber dennoch ist es in der Tierwelt so, daß da keineswegs jeder auf jedem herumrammelt. Wenn die Lust sich tatsächlich so verselbstständigen würde, dann müßte es sämtlichen Tieren (und natürlich auch uns Menschen) doch völlig egal sein, welcher Art und welchem Geschlecht ein Sexualpartner angehört. So ist das aber nicht!

Na ja, es ist fast so. Bei der großen Mehrheit der Tiere ist noch nicht mal heterosexuelle Aktivität beobachtet worden, bei den meisten Tierarten, die näher Untersucht wurden, wurde homosexuelles Verhalten beobachtet. Und bei einigen Tierarten erklärt sich das Fehlen der Belege für homosexuelles Verhalten aus der Methodik der Forscher. So gab es eine groß angelegte Untersuchung über das Sexualverhalten einer Vogelart (kann ich nächste Woche nachschlagen, welche das war), die im Abstract erklärte, es habe im Untersuchungszeitraum keine homosexuelle Aktivität festgestellt werden können, dieser habe sich über 5 Jahre erstreckt, mit mehreren tausend beobachteten Fällen von heterosexuellem Verhalten, diese Tierart zeige also keine homosexuellen Verhaltensweisen. Ließt man dann den Rest der Studie stutzt man, wenn man bei der Geschlechtsbestimmungsmethode angelangt ist: Die Forscher hatten bei jedem Paarungsakt den oberen Vogel als Männchen, den unteren Vogel als Weibchen klassifiziert. OK, so gesehen gibt es natürlich überhaupt keine Tierart, die homosexuelle Verhaltenweisen an den Tag legt.

Es gibt da deutlich erkennbare Hemmschwellen, die nur dann übertreten werden, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, um seinen Trieb abzureagieren. Sexualpartner werden in der Regel in folgender Rangfolge akzeptiert: Erstens Vertreter des anderen Geschlechts der eigenen Art. Wenn die nicht erreichbar sind, begnügt man sich mit Vertretern des eigenen Geschlechts der eigenen Art. Wenn die ebenfalls nicht erreichbar sind, akzeptiert man auch Vertreter anderer Arten. Wenn die auch nicht greifbar sind, wird alles akzeptiert. Ich hab schon einen Hund beim Geschlechtsverkehr mit einer Wolldecke beobachtet.

Das stimmt so ganz und gar nicht, ich empfehle dir die Lektüre von Bruce Baghemils (der Name könnte falsch geschrieben sein...) "Natural Exhuberance". Es gibt eine Menge Tierarten, bei denen Individuen oder auch ganze Populationen gleichgeschlechtliche Partner bevorzugen. Steinböcke sind ein solches Beispiel. Die dem Menschen am nächsten stehende Art, der Zwergschimpanse zeigt so ziemlich alles an Sexualverhalten, was wir auch vom Menschen kennen.

Alex, so einfach ist das nicht! Gerade die Geschichte der katholischen Kirche muß man sehr differenziert betrachten. Versetze dich mal in die Lage eines Homosexuellen vor 500 Jahren. Du fühlst dich also von Männern angezogen, und Frauen geben dir gar nichts. Du wurdest aber dazu erzogen, solche Neigungen als sündhaft und verdorben zu betrachten. Also unterdrückst du sie. Vielleicht gelingt dir das auch. Das Problem ist nur: Du hast einfach keine Lust, eine Frau zu heiraten. Weil dich Frauen nicht interessieren. Verwandte und Bekannten fangen dann langsam an zu sticheln, und überhaupt wundert sich alle Welt, wieso du keine Anstalten dazu machst, dir eine Frau zu suchen und zu heiraten. Deine Eltern suchen dir womöglich schon eine Heiratskandidatin aus. Vielleicht läßt du dich dann breitschlagen, heiratest unter dem Druck der Umwelt tatsächlich eine Frau und lebst dann jahrzehntelang unglücklich neben ihr her. Aber es gibt noch eine Alternative: Du kannst zur Kirche gehen und da z.B. Mönch oder Priester werden. Da mußt du sowieso das Zöllibat ablegen, also fragt dann auch niemand mehr danach, wieso du immer noch nicht verheiratet bist. Die ganze lästige Fragerei bist du auf einmal los. Was liegt da näher, als diese Lösung zu wählen?

Vor 500 Jahren fühlten sich Homosexuelle nicht anders als Menschen, die Ehebruch begangen. Die gesonderte Betrachtung der "Liebe die ihren Namen nicht zu nennen wagt" begann erst vor ca. 250 Jahren und da auch nur bei Männern.

Ich kannte aber schon Menschen, die regelrechte Minderwertigkeitskomplexe entwickelt haben, weil ihnen von ihrer Umwelt immer wieder deutlich gezeigt wurde, daß sie eben nicht besonders gut aussehen! Sowas gibt es durchaus häufig.

Wie auch die Zunahme von Essstörungen wie Anorexie und Bulemie zeigt.

Genaugenommen steht das ja auch weder im Widerspruch zu meinen noch zu deinen Ansichten. Wenn du nämlich wirklich davon ausgehst, daß alles durch Erziehung geformt wird, dann wäre doch gar nichts dagegen einzuwenden, Menschen, die bei ihrer Geburt eben etwas "unnormal" sind, einfach mal umzuerziehen und dieser Umerziehung zuweilen eben auch durch OPs und Hormontherapien nachzuhelfen.
Aber das willst du ja gerade nicht. Also gehst du doch durchaus auch davon aus, daß jeder Mensch das, was er ist, eben zumindest auf der unbewußten Ebene weitgehend schon von Geburt an ist. Und daß man das nicht verändern sollte.

Nein, die Argumentation geht so: Don´t do harm! Unnötige medizinische Eingriffe an nicht-mündigen Personen sind eine Form von Gewalt, so einfach ist das. Aus meiner Sicht ziehe ich, daß ich ein Kind so erziehen sollte, daß es eigene Entscheidungen treffen kann, darüber wie es sein Leben gestalten will und das schließt Entscheidungen über sämtliche geschlechtsrelevaten Handlungen mit ein. Eine Erziehung zur Unfreiheit wird so gut wie immer in Rebellion enden.

Bei den sogenannten "DrAG-Queens" beispielsweise habe ich immer sehr das Gefühl, daß sie es richtig genießen, überall aus dem Rahmen zu fallen. Ich denke, zumindest denen würde wirklich etwas fehlen, wenn ihr Verhalten plötzlich als ganz normal und gewöhnlich gelten würde und wenn sie also niemanden mehr provozieren oder gar schockieren könnten.

Laß die Anführungszeichen ruhig weg, Drag Queens sind auch nicht sogenannt, sondern nennen sich selbst so. Drag ist immer Show, immer ironische Überhöhung. Natürlich soll das nicht "normal" sein, darum geht es bei Drag auch nicht (wobei es natürlich schon normal sein sollte, DQs zu akzeptieren). Aber es würde einen politischen Kabarettisten auch nerven, wenn die Welt plötzlich so wäre, wie er sie sich immer erträumt hat, weil er dann nicht mehr sticheln kann. Oder wenn´s plötzlich egal wäre, wenn einer im Fernsehn "Ficken" sagt - da käm Ingo Appelt in eine ganz schöne Sinnkriese (gibt´s den noch? Ist wohl schon so weit).

Ja, aber unendlich viele Geschlechter (denn das bedeutet ja "jeder Zwischenwert") sind de facto gleichbedeutend mit keinem oder mit einem Geschlecht! Ich sehe da schon noch einige Probleme, z.B. das schon erwähnte Problem mit der Zuordnung von öffentlichen Toiletten, Dusch- oder Umkleideräumen. Das mag jetzt unwichtig klingen, aber das allein wäre schon ein großes Problem für viele Menschen. Natürlich beruht das auf Erziehung, aber das ändert nichts daran, daß das Problem besteht.

"Throwing coins in public restrooms
which one am I gonna use?
people stare at me confused
it´s not like I am not used
to that anyway, anyway" (Vorgestern geschrieben)

Die Klofrage ist übrigens keineswegs unwichtig, sondern ein absoluter Klassiker unter den typischen Problemen, die genderqueere Menschen betreffen.

Tja, Alex, aber wie soll man das wissen, wenn man ein Kind von vielleicht 10 Jahren ist? Da hat man kaum Lebenserfahrung und versteht es überhaupt nicht, wenn alle auf einem herumhacken. Wenn man dann körperlich nicht stark genug ist, um sich mit Gewalt zu wehren und wenn man auch keinen Erwachsenen kennt, der einem da wirklich sinnvolle Ratschläge geben kann, dann bleibt einem gar nichts anderes übrig, als das ewige Opfer zu sein.

Aber Opfer sein und Opferhaltung entwickeln sind zwei verschiedene Dinge. Opferhaltung bedeutet ewige Passivität und Fatalismus, Opfer sein ist einfach den Umständen geschuldet.

susu

Re: @Alex

Garfield, Thursday, 03.04.2003, 12:24 (vor 7883 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: @Alex von susu am 02. April 2003 22:49:52:

Hallo Susu!

"Question: Das traditionelle Männerbild, könnte das nicht auch durch Sozialisation entstanden sein? Gibt es in Naturvölkern den Typ Stalone? Nein, es gibt ihn nicht, er ist ein Produkt dieser Kultur (Noch Charles Atlas, das Muskelidol vergangener Zeit, sah ganz anders aus, die Männerbilder der Antike, oder des Barok ähneln sich nicht im geringsten, trotzdem waren sie jeweils das bestimmende Ideal)."

Also, ich meinte das nicht auf das Äußere bezogen! Auch in Naturvölkern war und ist der ideale Mann der perfekte Jäger und Beschützer. Ich habe vor einiger Zeit einen interessanten Artikel über ein Naturvolk im südamerikanischen Regenwald gelesen. Da diese Regenwald-Indianer nur wenig intensive Landwirtschaft betreiben und sich ansonsten nur durch Sammeln und Jagen ernähren, können sie nur in kleinen Gruppen verstreut im Regenwald leben. Diese Gruppen müssen obendrein auch noch alle paar Jahre ihren Wohnort wechseln. Es kommt zwischen diesen Gruppen immer wieder zu Kriegen. Die Gründe dafür sind oft absolut lächerlich: Wenn beispielsweise eine angesehene Person in einer Gruppe stirbt, kann schon mal der Medizinmann einer Nachbargruppe in Verdacht geraten, dies per Zauberei bewirkt zu haben. Oder man ist einfach neidisch, weil man gehört hat, das eine andere Gruppe Dinge wie neue Metall-Töpfe oder Messer besitzt und will diese Gegenstände in den eigenen Besitz bringen. Dann ziehen die Männer der Gruppe also in den Krieg. Von ihren Frauen werden sie dabei noch angespornt und dazu ermahnt, doch auch möglichst tapfer zu sein und viele Feinde zu töten. Oft kommt es dann aber vor, daß man den Wohnort der "feindlichen" Gruppe im immer noch riesigen Regenwald nicht findet, oder daß diese Gruppe ihren Wohnort mittlerweile schon wieder gewechselt hat. Dann kehren die Männer wieder nach Hause zurück. Da sie keine Beute mitbringen, ist ja klar, daß es keinen Krieg gegeben hat. Und dann kommt es nach der Rückkehr ins eigene Dorf oft zu Schlägereien zwischen den Männern. Auf die Frage eines Europäers, wieso sie sich eigentlich prügeln, antwortete in so einer Situation einer der Indianer, daß sie das eigentlich nur tun, damit ihre Frauen sie nicht für Feiglinge halten. Jeder Mann muß dort also offensichtlich damit rechnen, von seiner Frau vorgeworfen zu bekommen, daß er und die anderen Männer sich ja nur aus Feigheit vor dem Kampf gedrückt hätten. Und dann ist es gut, wenn man(n) wenigstens darauf verweisen kann, daß man doch in der Prügelei vorhin eine gute Figur gemacht und viel Tapferkeit bewiesen hat...

Da haben wir also auch wieder das Macho-Ideal. In Hollywood-Filmen äußert es sich zuweilen heute noch in muskelbepackten und bis an die Zähne bewaffneten Superhelden, die knallhart jeden Gegner niedermachen. Bei diesen südamerikanischen Regenwald-Indianern personifiziert es sich dann eben im weniger muskelbepackten Superhelden, der mutig seine Kumpels zu Boden schlägt. In beiden Fällen scheinen die Frauen gleichermaßen davon angetan zu sein.

"Question: Wie eingehend kennst du die Studien, auf die du dich berufst? Soziobiologie ist eine sehr komplexe Wissenschaft, insbesondere, wenn es um Menschen geht. Da wird oft schlechte Wissenschaft betrieben, d.h. die Fragestellung beeinflust das Ergebnis extrem und kulturelle Faktoren werden völlig misachtet. Da gibt´s z.T. horrende Fehler in der Versuchsplanung und Durchführung und die Berichtserstattung über diese Wissenschaft neigt dazu Ergebnisse stärker zu bewerten, als es angebracht wäre. Da wird aus statistisch insignifikanten Unterschieden plötzlich ein klares Ergebnis."

Das bezieht sich wahrscheinlich auf meine Bemerkungen zu diesen Untersuchungen an Frauen während und außerhalb der Eisprungphase. Das hab ich mal in einer Fernsehreportage gesehen. Es war dort so, daß es nicht viele Möglichkeiten gab, Ergebnisse durch gezielte Fragen oder falsche Interpretation zu verfälschen. Man hat die Frauen nämlich einfach vor Computer gesetzt, auf denen ein Programm installiert war, mit dem sie aus verschiedenen Komponenten ein Gesicht ihres Traummannes zusammen setzen konnten. Es war wahrscheinlich ein Programm, wie es auch von der Polzei zur Erstellung von Phantom-Bildern verwendet wird.

Den Frauen wurden also gar keine Fragen gestellt. Und die Ergebnisse waren auch eindeutig. Ob die Frauen in der Eisprung-Phase waren oder nicht, wurde ebenfalls medizinisch festgestellt.

Außerdem muß ich dazu auch noch schreiben, daß ich mich allgemein weniger auf solche Untersuchungen verlasse, dafür aber mehr darauf, was ich in meinem persönlichen Umfeld immer wieder erlebe.

"Wie definierten die Forscher Männer mit "weiblichem" Aussehen und wie Männer mit "männlichem" Aussehen? Gibt es da eine Objektive Antwort?"

Ja, die gibt es! Jeder Mensch kann beim Ansehen eines Gesichtes sofort sagen, ob das Gesicht eher männlich oder eher weiblich aussieht. Ob sich dahinter wirklich auch ein Mensch des entsprechenden Geschlechts verbirgt, ist eine ganz andere Frage und tat für diesen Test gar nichts zur Sache. Es ging ja nur darum, ob die Frauen regelmäßig immer dieselben Gesichtszüge bevorzugen, oder ob es da Schwankungen gibt.

"Nein. Dann müßte es klar erkennbare Zusammenhänge zwischen irgendwelchen Biologischen Tatsachen und der Partnerwahl geben. Gibt es aber nicht."

Du meinst wirklich, daß es keinerlei Zusammenhänge zwischen biologischen Tatsachen und der Partnerwahl gibt? Du glaubst also, daß es reiner Zufall ist, daß viele Männer Frauen mit einer typisch weiblichen Figur (also eben mit einem breiten Becken) attraktiv finden und daß gleichzeitig ein breites Becken wichtig für eine problemlose Geburt ist? Du meinst, daß es auch Zufall ist, daß viele Männer Frauen mit großen Brüsten attraktiv finden und daß gleichzeitig ein bestimmtes Volumen der Brust nötig ist, um ein Baby (oder auch mehrere Babies) ausreichend stillen zu können? Und daß es auch reiner Zufall ist, daß viele Frauen große und kräftige Männer bevorzugen und daß gleichzeitig solche Männer früher allein durch ihre Körperkraft schon gute Jäger und Krieger waren?

"Und unbewuste Wünsche können eben auch durch die Sozialisation hervorgerufen werden."

Ja, da stimme ich dir zu. Aber ich bin mir auch sicher, daß bei weitem nicht alle unbewußten Wünsche anerzogen sind. Die Menschen, die entgegen ihrer Erziehung eine Geschlechtsumwandlung machen lassen, sind dafür doch das beste Beispiel. Und die wurden mit Sicherheit nicht allesamt so extrem erzogen, daß sie regelrecht zum Gegenteil ihrer Erziehung gezwungen wurden! Aber das hatten wir ja alles schon mal...

"Hier verweise ich auf Studien, die belegen, daß Menschen, die heftige Ablehnung Homosexuellen gegenüber zeigen, ebenso eine sexuelle Anziehung dem eigenen Geschlecht gegenüber empfinden. D.h. da kommt projezierter Selbsthass ins Spiel."

Ja, das sehe ich auch so. Aber diese Ablehnung richtet sich ja nicht nur gegen Homosexuelle, sondern auch gegen andere Menschen, die den gängigen Normen nicht entsprechen.

"Es gibt eine Menge Tierarten, bei denen Individuen oder auch ganze Populationen gleichgeschlechtliche Partner bevorzugen."

Hm, das kann aber allein schon deshalb nicht sein, weil diese Arten dann längst ausgestorben wären. Bist du dir sicher, daß diese Untersuchungen korrekt durchgeführt worden sind? Daß man diese Tiere z.B. auch mindestens ein Jahr lang intensiv beobachtet hat und nicht einfach nur darauf aus war, ein möglichst unerwartetes Ergebnis zu bekommen um dann bei Veröffentlichung desselben möglichst hohe Erfolge zu erzielen?

"Vor 500 Jahren fühlten sich Homosexuelle nicht anders als Menschen, die Ehebruch begangen."

Das mag sein. Aber vor 500 Jahren stand auch auf Ehebruch in der Regel die Todesstrafe. Das war dann schon ein triftiger Grund, um irgendwelche "unnormalen" Neigungen zu unterdrücken, finde ich.

"Nein, die Argumentation geht so: Don´t do harm! Unnötige medizinische Eingriffe an nicht-mündigen Personen sind eine Form von Gewalt, so einfach ist das. Aus meiner Sicht ziehe ich, daß ich ein Kind so erziehen sollte, daß es eigene Entscheidungen treffen kann, darüber wie es sein Leben gestalten will und das schließt Entscheidungen über sämtliche geschlechtsrelevaten Handlungen mit ein. Eine Erziehung zur Unfreiheit wird so gut wie immer in Rebellion enden."

Dem stimme ich durchaus zu. Das Problem dabei ist nur: Was, wenn beispielsweise ein Junge mit einem verkrüppelten Penis später tatsächlich den Wunsch entwickelt, eine Frau zu sein? Die entsprechende Operation ist dann wesentlich aufwändiger und umständlicher. Und dann ist da eben noch das Problem, was dieser Junge vorher in seiner Kindheit durchmachen muß...

Das meine ich jetzt nicht als Argument für die heutige Praxis, aber es ist etwas, das man dabei auch bedenken muß.

Und was die Klofrage angeht: Im Moment sind nur relativ wenige Menschen davon betroffen. Wenn man aber den Geschlechtsbegriff abschaffen würde, gäbe es gar keine Möglichkeit mehr, öffentliche Toiletten, Dusch- oder Umkleideräume zu trennen. Das wäre für viele Menschen ein Problem.

"Aber Opfer sein und Opferhaltung entwickeln sind zwei verschiedene Dinge. Opferhaltung bedeutet ewige Passivität und Fatalismus, Opfer sein ist einfach den Umständen geschuldet."

Ja, genau! Deshalb ist eben nicht jedes Opfer selbst an seinem Unglück schuld. Und auch jemand, der wegen irgendeiner "Unnormalität" ständig gehänselt und abgelehnt wird, muß daran nicht selbst schuld sein und kann durchaus in Situationen geraten, in denen es gar keine Rolle spielt, wie er oder sie reagiert.

Freundliche Grüße
von Garfield

Re: @Alex

susu, Thursday, 03.04.2003, 22:16 (vor 7882 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: @Alex von Garfield am 03. April 2003 09:24:23:

Hi Garfield

Also, ich meinte das nicht auf das Äußere bezogen! Auch in Naturvölkern war und ist der ideale Mann der perfekte Jäger und Beschützer. Ich habe vor einiger Zeit einen interessanten Artikel über ein Naturvolk im südamerikanischen Regenwald gelesen. Da diese Regenwald-Indianer nur wenig intensive Landwirtschaft betreiben und sich ansonsten nur durch Sammeln und Jagen ernähren, können sie nur in kleinen Gruppen verstreut im Regenwald leben. Diese Gruppen müssen obendrein auch noch alle paar Jahre ihren Wohnort wechseln. Es kommt zwischen diesen Gruppen immer wieder zu Kriegen. Die Gründe dafür sind oft absolut lächerlich: Wenn beispielsweise eine angesehene Person in einer Gruppe stirbt, kann schon mal der Medizinmann einer Nachbargruppe in Verdacht geraten, dies per Zauberei bewirkt zu haben. Oder man ist einfach neidisch, weil man gehört hat, das eine andere Gruppe Dinge wie neue Metall-Töpfe oder Messer besitzt und will diese Gegenstände in den eigenen Besitz bringen. Dann ziehen die Männer der Gruppe also in den Krieg. Von ihren Frauen werden sie dabei noch angespornt und dazu ermahnt, doch auch möglichst tapfer zu sein und viele Feinde zu töten. Oft kommt es dann aber vor, daß man den Wohnort der "feindlichen" Gruppe im immer noch riesigen Regenwald nicht findet, oder daß diese Gruppe ihren Wohnort mittlerweile schon wieder gewechselt hat. Dann kehren die Männer wieder nach Hause zurück. Da sie keine Beute mitbringen, ist ja klar, daß es keinen Krieg gegeben hat. Und dann kommt es nach der Rückkehr ins eigene Dorf oft zu Schlägereien zwischen den Männern. Auf die Frage eines Europäers, wieso sie sich eigentlich prügeln, antwortete in so einer Situation einer der Indianer, daß sie das eigentlich nur tun, damit ihre Frauen sie nicht für Feiglinge halten. Jeder Mann muß dort also offensichtlich damit rechnen, von seiner Frau vorgeworfen zu bekommen, daß er und die anderen Männer sich ja nur aus Feigheit vor dem Kampf gedrückt hätten. Und dann ist es gut, wenn man(n) wenigstens darauf verweisen kann, daß man doch in der Prügelei vorhin eine gute Figur gemacht und viel Tapferkeit bewiesen hat...

Da verweise ich wieder auf andere Naturvölker, bei denen "Mann" und "Frau" durch einen Test unterschieden werden. Bis zum soundsovielten Lebensjahr (wenn ich mich recht erinnere 14) werden alle Kinder gleich erzogen, lernen sowohl Jagdttechniken als auch die traditionlelle Stickerei. Dann ziehen die Kinder das erste Mal mit auf die Jagdt, die, die dabei Beute machen, sind dannach "Männer", die, die keine machen, "Frauen". Das ist völlig unabhängig vom biologischen Geschlecht und dieses Volk erschien den christlichen Anthropologen, die es "entdeckten" als ziemlich queer, denn für sie war ein Viertel der Ehen schwul, ein Viertel lesbisch und bei der Hälfte des Rests waren die Frauen die Männer (und umgekehrt).

Das bezieht sich wahrscheinlich auf meine Bemerkungen zu diesen Untersuchungen an Frauen während und außerhalb der Eisprungphase. Das hab ich mal in einer Fernsehreportage gesehen. Es war dort so, daß es nicht viele Möglichkeiten gab, Ergebnisse durch gezielte Fragen oder falsche Interpretation zu verfälschen. Man hat die Frauen nämlich einfach vor Computer gesetzt, auf denen ein Programm installiert war, mit dem sie aus verschiedenen Komponenten ein Gesicht ihres Traummannes zusammen setzen konnten. Es war wahrscheinlich ein Programm, wie es auch von der Polzei zur Erstellung von Phantom-Bildern verwendet wird.

Aha.

"Wie definierten die Forscher Männer mit "weiblichem" Aussehen und wie Männer mit "männlichem" Aussehen? Gibt es da eine Objektive Antwort?"

Ja, die gibt es! Jeder Mensch kann beim Ansehen eines Gesichtes sofort sagen, ob das Gesicht eher männlich oder eher weiblich aussieht. Ob sich dahinter wirklich auch ein Mensch des entsprechenden Geschlechts verbirgt, ist eine ganz andere Frage und tat für diesen Test gar nichts zur Sache. Es ging ja nur darum, ob die Frauen regelmäßig immer dieselben Gesichtszüge bevorzugen, oder ob es da Schwankungen gibt.

Es gibt Gesichter die Androgyn wirken, oder völlig rausfallen. Da brauche ich nur in den Spiegel zu schauen um ein Gesicht zu sehen, daß eher beides oder weder noch ist. Und dann ist da noch die Frage, ob alle Menschen den Gleichen Maßstab anlegen, wenn sie Gesichter unterscheiden. Nach meiner persönlichen Erfahrung tun sie es nicht, weil ich in kurzen Abständen schon unterschiedlich gelesen wurde, mal als Frau und mal als Mann.

Du meinst wirklich, daß es keinerlei Zusammenhänge zwischen biologischen Tatsachen und der Partnerwahl gibt? Du glaubst also, daß es reiner Zufall ist, daß viele Männer Frauen mit einer typisch weiblichen Figur (also eben mit einem breiten Becken) attraktiv finden und daß gleichzeitig ein breites Becken wichtig für eine problemlose Geburt ist? Du meinst, daß es auch Zufall ist, daß viele Männer Frauen mit großen Brüsten attraktiv finden und daß gleichzeitig ein bestimmtes Volumen der Brust nötig ist, um ein Baby (oder auch mehrere Babies) ausreichend stillen zu können? Und daß es auch reiner Zufall ist, daß viele Frauen große und kräftige Männer bevorzugen und daß gleichzeitig solche Männer früher allein durch ihre Körperkraft schon gute Jäger und Krieger waren?

Ich glaube, daß es bestimmte biologische Grundlagen gibt, diese aber kulturell überformt werden. Ich bin kein Vertreter der clean-slate These, aber was genau auf der Schiefertafel stand, bevor sich die Kultur einschleicht ist sehr unscharf, d.h. deine Beispiele sind nicht wirklich sicher, u.a. auch, weil diese Tatsachen (breites Becken gut bei der Geburt, Kraft wichtig zum Jagen) schon länger bekannt sind und deshalb in der Kultur der Partnerwahl enthalten sind. Die Wurzeln der Moderne liegen im Biologismus, die Moderne prägt diese Kultur.

Ja, da stimme ich dir zu. Aber ich bin mir auch sicher, daß bei weitem nicht alle unbewußten Wünsche anerzogen sind. Die Menschen, die entgegen ihrer Erziehung eine Geschlechtsumwandlung machen lassen, sind dafür doch das beste Beispiel. Und die wurden mit Sicherheit nicht allesamt so extrem erzogen, daß sie regelrecht zum Gegenteil ihrer Erziehung gezwungen wurden! Aber das hatten wir ja alles schon mal...

Stimmt. Wobei ich gerade bei Transidentität keine Lust habe, sie völlig zu biologisieren, dafür ist diese Gruppe einfach zu heterogen.

"Es gibt eine Menge Tierarten, bei denen Individuen oder auch ganze Populationen gleichgeschlechtliche Partner bevorzugen."
Hm, das kann aber allein schon deshalb nicht sein, weil diese Arten dann längst ausgestorben wären. Bist du dir sicher, daß diese Untersuchungen korrekt durchgeführt worden sind? Daß man diese Tiere z.B. auch mindestens ein Jahr lang intensiv beobachtet hat und nicht einfach nur darauf aus war, ein möglichst unerwartetes Ergebnis zu bekommen um dann bei Veröffentlichung desselben möglichst hohe Erfolge zu erzielen?

Ein Beispiel sind Steinböcke, zu denen es sehr detailierte Studien gibt. Es ist nicht so, daß die Böcke gar nicht mit den Weibchen verkehren würden, nur tun sie das sehr selten. Richtige Beziehungen, die auch länger halten gibt es nur zwischen den Männchen. Der Verhaltensbiologe, der diese Studien durchgeführt hat, schrieb in seiner Arbeit, er habe dieses Verhalten zunächst als irgendetwas anderes als Homosexualität beschreiben wollen, weil er sich nicht habe vorstellen können, daß so ein "prächtiges Alpha-Tier wie Bock 8 eine Schwuchtel sei", schlußendlich habe er aber einsehen müssen, daß dem tatsächlich so war. Es ist eher so, daß Biologen homosexuelles Verhalten möglichst als nicht-sexuell betrachten, weil auch unter ihnen die selben Vorurteile vorhanden sind, wie beim Rest der Bevölkerung. Außerdem wiederspricht es der Theorie, daß jedes Verhalten evolutionär Sinn machen muß (die Soziobiologie hinkt da anderen Bereichen etwas hinterher, was die Theoriebildung angeht, eine Eigenschaft kann auch ein Seiteneffekt anderer Eigenschaften sein, d.h. nicht sie sondern diese anderen Eigenschaften haben evolutionären Nutzen, während die betrachtete Eigenschaft sinnlos oder gar abträglich erscheint).

Dem stimme ich durchaus zu. Das Problem dabei ist nur: Was, wenn beispielsweise ein Junge mit einem verkrüppelten Penis später tatsächlich den Wunsch entwickelt, eine Frau zu sein? Die entsprechende Operation ist dann wesentlich aufwändiger und umständlicher. Und dann ist da eben noch das Problem, was dieser Junge vorher in seiner Kindheit durchmachen muß...

Die OP ist nicht aufwändiger, vor allem wächst da nichts mehr, d.h. das Ergebnis ist viel vorhersehbarer. Die ISNA prägte einst den Spruch "Beratung statt Beschneidung" (grob übersetzt). Eine Kindheit in der Eltern einem Kind zeigen, daß es OK ist, egal was die Umwelt sagt, ist wahrscheinlich besser, als eine Kindheit in der die Eltern dem Kind Hromone geben, damit es wie alle anderen ist. Da entsteht viel eher Scham und Angst davor, als anders erkannt zu werden.

Und was die Klofrage angeht: Im Moment sind nur relativ wenige Menschen davon betroffen. Wenn man aber den Geschlechtsbegriff abschaffen würde, gäbe es gar keine Möglichkeit mehr, öffentliche Toiletten, Dusch- oder Umkleideräume zu trennen. Das wäre für viele Menschen ein Problem.

Das Problem ist dadurch zu beheben, daß das weniger restriktiv gehandhabt wird. An meiner Arbeitsstelle gibt es nur ein Personalklo und einen Umkleideraum. Da hat niemand ein Problem mit. In Zügen gibt es nur EIN Klo, ebenso in Flugzeugen. Auf Großveranstaltungen gibt es Dixies, steht an denen ein M oder F? Aber muß es denn Situationen geben, in denen ich aus beiden Toiletten rausfliege? Kann´s da nicht irgendeine Regelung geben? Das Diva in Köln hat einfach alternative Beschriftungen "Butch enough?" und "Femme enough?". Auch eine Lösung.

Grüße
susu

Re: @Alex

Alex, Thursday, 03.04.2003, 23:30 (vor 7882 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: @Alex von susu am 03. April 2003 19:16:57:

Huhu...
kurze Anmerkung.. zu dem Rest später :o)

Und was die Klofrage angeht: Im Moment sind nur relativ wenige Menschen davon betroffen. Wenn man aber den Geschlechtsbegriff abschaffen würde, gäbe es gar keine Möglichkeit mehr, öffentliche Toiletten, Dusch- oder Umkleideräume zu trennen. Das wäre für viele Menschen ein Problem.

Das Problem ist dadurch zu beheben, daß das weniger restriktiv gehandhabt wird. An meiner Arbeitsstelle gibt es nur ein Personalklo und einen Umkleideraum. Da hat niemand ein Problem mit. In Zügen gibt es nur EIN Klo, ebenso in Flugzeugen. Auf Großveranstaltungen gibt es Dixies, steht an denen ein M oder F? Aber muß es denn Situationen geben, in denen ich aus beiden Toiletten rausfliege? Kann´s da nicht irgendeine Regelung geben? Das Diva in Köln hat einfach alternative Beschriftungen "Butch enough?" und "Femme enough?". Auch eine Lösung.[/i]

Grad weil es echt nicht lustig ist auf beiden Toiletten rauszufliegen (ehhh nicht lachen Garfield) wär ich ganz froh, wenn der Quatsch aufhört. Wie Susu ja auch schrieb... an genügend Orten geht es problemlos... warum also anderswo nicht?
Noch besser wirds, wenn das Leuten passiert, wie ner Freundin von mir an Fasching. Sie absolut überhaupt nicht queer & absolut hetero (um Lesbenklischees vorzubeugen)... hat nur etwas markante Gesichtszüge.... sie war im langen Lackrock und hat auch ziemlich was an Oberweite (85 D, wenn ich mich richtig entsinne)
Sie flog auf der Damentoilette RAUS! Hätte ja 'n verkleideter Mann sein können *kopfschüttel* Diese blödsinnige Gender-Phobie hat Auswüchse, das ist kaum zu fassen....

Liebe Grüße

Alex


Re: @Alex

Garfield, Friday, 04.04.2003, 13:51 (vor 7881 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: @Alex von susu am 03. April 2003 19:16:57:

Hallo Susu!

"Da verweise ich wieder auf andere Naturvölker, bei denen "Mann" und "Frau" durch einen Test unterschieden werden. Bis zum soundsovielten Lebensjahr (wenn ich mich recht erinnere 14) werden alle Kinder gleich erzogen, lernen sowohl Jagdttechniken als auch die traditionlelle Stickerei. Dann ziehen die Kinder das erste Mal mit auf die Jagdt, die, die dabei Beute machen, sind dannach "Männer", die, die keine machen, "Frauen". Das ist völlig unabhängig vom biologischen Geschlecht und dieses Volk erschien den christlichen Anthropologen, die es "entdeckten" als ziemlich queer, denn für sie war ein Viertel der Ehen schwul, ein Viertel lesbisch und bei der Hälfte des Rests waren die Frauen die Männer (und umgekehrt)."

Ja, es gibt auch Natur-Völker, bei denen Frauen und Männer grundsätzlich gleichermaßen auf die Jagd gehen. Das funktioniert aber nur unter bestimmten Bedingungen. Nämlich dann, wenn es keine kräftigen Raubtiere und auch keine anderen Menschengruppen in der unmittelbaren Nähe gibt, gegen die man sich verteidigen muß. Und wenn die Beutetiere ebenfalls nicht besonders kräftig und schnell sind. Dann nämlich ist der Macho-Mann auf einmal weniger gefragt, und wenn Menschen über sehr lange Zeit unter solchen Bedingungen leben, scheint durchaus der Effekt einzutreten, daß Männer und Frauen sich in ihren Erbanlagen wieder annähern. Weil einfach die frühere Rollenverteilung nicht mehr wirklich nötig ist und die entsprechenden Instinkte dann nach und nach verkümmern.

Bei einigen Inselvölkern im Pazifik dürfte das so abgelaufen sein. Da haben sich die Menschen von pflanzlicher Nahrung und von Fischen, Muscheln usw. aus dem Meer ernährt. Es war also nicht nötig, besondern kräftig und mutig zu sein, um seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. (Und falls mal jemand im Wasser von einem Hai angegriffen wurde, spielte es eh keine Rolle mehr, ob dieser Mensch nun besonders kräftig war oder nicht - der Hai war auf jeden Fall überlegen.) Auch für eine schwangere Frau war es kein Problem, sich in ein Kanu zu setzen und fischen zu fahren. Frauen brauchten also nicht unbedingt einen Mann als Ernährer. Und wenn das nächste Inselvolk sehr weit weg lebte, waren auch kaum Angriffe zu befürchten, gegen die man sich verteidigen mußte. Beschützer wurden also ebenfalls nicht mehr benötigt. Somit hatten Männer mit Macho-Ambitionen dort im täglichen Leben keine wirklichen Vorteile mehr, was dann offenbar dazu geführt hat, daß sie schließlich ausgestorben sind.

Allerdings scheint das nicht auf alle Pazifik-Völker zuzutreffen. Wo diese oben genannten Bedingungen nämlich nicht erfüllt waren, blieb offensichtlich die traditionelle Rollenverteilung erhalten. Frauen asiatischer Piraten beispielsweise sollen getrocknete Geschlechtsteile der Opfer ihrer Männer an Halsketten getragen haben, was davon zeugt, daß sie durchaus stolz auf die Mörder-und-Totschläger-Qualitäten ihrer werten Ehegatten waren. Weil nur jemand, der den Gegner rücksichtslos niedermacht, für diese Frauen ein "echter Kerl" war.

"Und dann ist da noch die Frage, ob alle Menschen den Gleichen Maßstab anlegen, wenn sie Gesichter unterscheiden. Nach meiner persönlichen Erfahrung tun sie es nicht, weil ich in kurzen Abständen schon unterschiedlich gelesen wurde, mal als Frau und mal als Mann."

Das mag ja sein. Es gibt da aber schon Kriterien, die mehrheitlich auf Männer zutreffen, wie eben auch Kriterien, die mehrheitlich auf Frauen zutreffen. Wenn es nicht so wäre, dann würde man ja Männer und Frauen am Gesicht grundsätzlich gar nicht unterscheiden können. Natürlich gibt es Menschen, bei denen das schwierig ist. Aber die meisten Menschen lassen sich schon eindeutig zuordnen.

Außerdem ging es ja eben nicht darum, herauszufinden, welches Gesicht nun männlich oder weiblich ist. Man hat vorher festgelegt, welche Gesichts-Bausteine männlich und welche weiblich sind. Wenn dann später im fertigen Gesicht die männlichen Bausteine überwogen, war das Gesicht eben eher männlich, ansonsten eher weiblich.

Und dann hat sich eben herausgestellt, daß Frauen in der Eisprungphase zum Zusammensetzen ihrer Traummann-Gesichter vorwiegend "männliche" Bausteine verwendeten, außerhalb der Eisprungphase jedoch vorwiegend "weibliche". Das war ein eindeutiges Ergebnis. Wenn dir das lieber ist, kannst du hier durchaus "männlicher Baustein" durch "Baustein des Typs 1" und "weiblicher Baustein" durch "Baustein des Typs 2" ersetzen. Interessant war dabei eben, daß die Frauen diese Bausteine ganz offensichtlich genauso identifiziert haben wie die Forscher sie vorher eingeordnet hatten. Und daß sie eben nicht immer wieder dieselben Gesichter zusammen bastelten, sondern je nach Hormonspiegel ganz unterschiedliche Gesichter.

"Ich glaube, daß es bestimmte biologische Grundlagen gibt, diese aber kulturell überformt werden."

Ja, das sehe ich auch so. Nur bezweifle ich, daß es wirklich immer 100%ig gelingt, diese angeborenen biologischen Grundlagen zu überformen. Ich denke, sie sind tief in uns allen unverändert immer noch da und werden nur durch anerzogene bewußte oder auch unbewußte Überlagerungen mehr oder weniger überdeckt oder verfälscht. Und das alles scheint ganz offensichtlich auch noch mit dem Hormonspiegel zusammen zu hängen. Denn wenn Hormontherapien sich schon körperlich so extrem auswirken können (wie z.B. bei chinesischen Schwimmerinnen...), wieso sollten sie dann keinerlei Wirkung auf die Psyche haben? Tatsächlich wurde bei Personen, die zwecks Geschlechtsumwandlung eine Hormontherapie bekommen haben, festgestellt, daß sich auch ihre Hirnaktivitäten drastisch veränderten. Bei natürlichen Hormonschwankungen dürften die Wirkungen natürlich nicht so krass, aber doch auch vorhanden sein. Wie ja auch dieser Test mit den Frauen in und außerhalb der Eisprungphase gezeigt hat. Und eigentlich dürfte jeder auch schon bei sich selbst festgestellt haben, daß wir in gewissen Situationen eben auch schon mal bereit sind, Dinge zu tun, die wir sonst niemals tun würden...

"Ich bin kein Vertreter der clean-slate These, aber was genau auf der Schiefertafel stand, bevor sich die Kultur einschleicht ist sehr unscharf, d.h. deine Beispiele sind nicht wirklich sicher, u.a. auch, weil diese Tatsachen (breites Becken gut bei der Geburt, Kraft wichtig zum Jagen) schon länger bekannt sind und deshalb in der Kultur der Partnerwahl enthalten sind. Die Wurzeln der Moderne liegen im Biologismus, die Moderne prägt diese Kultur."

Ja, man kann da natürlich ewig theoretisieren und darüber debattieren, ob der Kreis wohl wirklich rund ist oder ob er uns nur rund erscheint, weil er doch tatsächlich nur eine Aneinanderreihung von Punkten sein kann... Ich sehe das einfach so: In der freien Natur setzt sich in der Evolution das durch, was gerade sinnvoll ist. Vor allem dann, wenn eine Art in einer sehr gefährlichen Umgebung lebt. Und unsere Vorfahren lebten jahrtausendelang unter ziemlich üblen Bedingungen. Es wird mittlerweile vermutet, daß sie sich zeitweise nur als Aasfresser über die Runden bringen konnten. Da war es eben nötig, alle vorhandenen Ressourcen möglichst effektiv einzusetzen. Wenn unsere Vorfahren das nicht geschafft hätten, säßen wir jetzt nicht hier vor unseren Computern. Und da war es eben auch erforderlich, daß man sich zur Fortpflanzung Partner aussuchte, die dafür möglichst gut geeignet waren.

"Wobei ich gerade bei Transidentität keine Lust habe, sie völlig zu biologisieren, dafür ist diese Gruppe einfach zu heterogen."

Ja, das stimmt. Ich kann mir beispielsweise gut vorstellen, daß bei den heutigen Zuständen in Deutschland so mancher junge Mann echte Minderwertigkeitskomplexe wegen seines Geschlechts entwickelt und vielleicht nur deshalb plötzlich den Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung verspürt.

"Es ist nicht so, daß die Böcke gar nicht mit den Weibchen verkehren würden, nur tun sie das sehr selten. Richtige Beziehungen, die auch länger halten gibt es nur zwischen den Männchen."

Man muß dabei aber auch bedenken, daß viele Tierarten eine völlig andere Lebensweise haben als wir. Da ist es nämlich teilweise so, daß die Geschlechter fast das ganze Jahr über getrennt leben und sich nur zur Paarungszeit treffen. So können natürlich dauerhafte Partnerschaften nur zwischen Tieren desselben Geschlechts entstehen. Ich denke, daß solche Partnerschaften durchaus einen biologischen Sinn haben. Gerade für Tiere, die Angriffe von Raubtieren zu befürchten haben, ist es gut, in der Herde oder zumindest zu zweit unterwegs zu sein. So können sie sich gegenseitig warnen. Und homosexuelle Kontakte kommen dann allein schon deshalb zustande, weil bei manchen Tierarten nur sehr wenige Männchen überhaupt bei den Weibchen zum Zuge kommen. Den übrigen bleibt also gar nichts anderes übrig, als aufeinander herumzurammeln, um ihren Trieb abzureagieren.

Selbst bei den Tieren, die wirklich dazu kommen, sich mit einem Weibchen zu paaren, machen homosexuelle Aktivitäten durchaus Sinn, solange keine Weibchen greifbar sind. Weil das einen gewissen Trainingseffekt hat. Wenn ein Organ des Körpers nicht benutzt wird, reduziert der Körper seine Funktionen. Bei Tieren ist es aber häufig so, daß die Weibchen nur relativ kurz paarungsbereit sind (danach müssen sie ja erstmal die Jungtiere austragen und dann nach der Geburt säugen). Man muß sich dabei auch noch vor Augen halten, daß Tiere Geschlechtsverkehr ja nicht bewußt durchführen, also dabei gar nicht wissen, was sie da eigentlich tun. Somit können sie also auch nicht bewußt dafür sorgen, daß das Ganze möglichst erfolgreich abläuft, daß also das Sperma wirklich auch dahin gelangt, wo es hin soll. Da erhöht sich die Erfolgswahrscheinlichkeit schon deutlich, wenn ein Männchen in der Lage ist, das Ganze mehrmals hintereinander idealerweise auch mit verschiedenen Weibchen durchzuführen und dabei jedes Mal möglichst viel Sperma abzugeben.

Das ist jetzt nur mal so eine Theorie von mir dazu. Auch wenn das falsch sein sollte, so ist es doch offensichtlich so, daß Bisexualität bei vielen Arten der Fortpflanzung zumindest nicht abträglich ist, weshalb solche Verhaltensweisen nicht ausselektiert wurden. Reine Homosexualität jedoch kann sich bei vielen Arten durchaus fatal auf die Fortpflanzung auswirken. Und zwar auch bei den Arten, wo grundsätzlich nur wenige Männchen überhaupt zur Paarung mit Weibchen kommen. Denn da ist es auch oft wichtig, daß das stärkste und damit überlebenstüchtigste Männchen seine Erbanlagen weitergibt. Welches nun aber das stärkste Männchen ist, läßt sich nur durch Kampf zwischen den Männchen ermitteln. Wenn aber die überwiegende Mehrheit der Männchen gar kein Interesse an den Weibchen hätte, dann würde es kaum Kämpfe geben und es wäre nicht mehr sichergestellt, daß sich das stärkste Männchen vermehrt. Das wäre evolutionär kontraproduktiv und würde sich negativ auf die jeweilige Art auswirken.

"Die OP ist nicht aufwändiger, vor allem wächst da nichts mehr, d.h. das Ergebnis ist viel vorhersehbarer."

Das mag sein. Aber insbesondere bei der Umwandlung vom Mann zur Frau bringt doch auch eine Hormontherapie im Erwachsenenalter keine 100%igen Ergebnisse mehr. Vielen Frauen, die früher Männer waren, sieht man das jedenfalls auch deutlich an. Wenn jedoch die Therapie schon in der Kindheit beginnt, sind die Ergebnisse besser.

"Die ISNA prägte einst den Spruch "Beratung statt Beschneidung" (grob übersetzt). Eine Kindheit in der Eltern einem Kind zeigen, daß es OK ist, egal was die Umwelt sagt, ist wahrscheinlich besser, als eine Kindheit in der die Eltern dem Kind Hromone geben, damit es wie alle anderen ist. Da entsteht viel eher Scham und Angst davor, als anders erkannt zu werden."

Ja, das stimmt in der Theorie. Aber was würdest du deinem Kind sagen, wenn es dir immer wieder erzählt, daß es von anderen beschimpft oder sogar körperlich angegriffen wird, einfach nur, weil es eben "anders" ist? Dann kannst du ihm zwar sagen, daß nur Idioten sowas tun, aber davon werden die Beschimpfungen auch nicht weniger verletzend und die Schläge auch nicht weniger schmerzhaft.

"Das Problem ist dadurch zu beheben, daß das weniger restriktiv gehandhabt wird. An meiner Arbeitsstelle gibt es nur ein Personalklo und einen Umkleideraum. Da hat niemand ein Problem mit. In Zügen gibt es nur EIN Klo, ebenso in Flugzeugen. Auf Großveranstaltungen gibt es Dixies, steht an denen ein M oder F? Aber muß es denn Situationen geben, in denen ich aus beiden Toiletten rausfliege? Kann´s da nicht irgendeine Regelung geben? Das Diva in Köln hat einfach alternative Beschriftungen "Butch enough?" und "Femme enough?". Auch eine Lösung."

Ja, bei Toiletten mag das reichen... Aber stell dir mal folgende Situation vor: Du stehst in einem öffentlichen Schwimmbad nackt unter der Dusche. Auf einmal kommt eine Gruppe pubertierender Mädchen rein. Sie machen aber keine Anstalten, normal unter die Duschen zu gehen, sondern stellen sich vor dir hin, diskutieren lauthals Größe und Form deiner Geschlechtsteile und machen sich womöglich noch über dich lustig. Fändest du das toll? Wenn es da keine Verbote mehr gäbe, könntest du dich noch nicht einmal darüber beschweren, denn es wäre dann ja ihr gutes Recht, dort zu stehen...

Das Problem ließe sich nur lösen, indem man jede Dusche mit einer Kabine umgibt. So etwas hab ich aber noch nie in irgendeiner Schwimmhalle gesehen. Man müßte also sämtliche öffentlichen Duschräume umbauen...

Freundliche Grüße
von Garfield

Re: @Alex

susu, Friday, 04.04.2003, 21:57 (vor 7881 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: @Alex von Garfield am 04. April 2003 10:51:07:

Hallo Garfield.

Ja, es gibt auch Natur-Völker, bei denen Frauen und Männer grundsätzlich gleichermaßen auf die Jagd gehen. Das funktioniert aber nur unter bestimmten Bedingungen. Nämlich dann, wenn es keine kräftigen Raubtiere und auch keine anderen Menschengruppen in der unmittelbaren Nähe gibt, gegen die man sich verteidigen muß. Und wenn die Beutetiere ebenfalls nicht besonders kräftig und schnell sind. Dann nämlich ist der Macho-Mann auf einmal weniger gefragt, und wenn Menschen über sehr lange Zeit unter solchen Bedingungen leben, scheint durchaus der Effekt einzutreten, daß Männer und Frauen sich in ihren Erbanlagen wieder annähern. Weil einfach die frühere Rollenverteilung nicht mehr wirklich nötig ist und die entsprechenden Instinkte dann nach und nach verkümmern.

Siehst du das in anderen Zusammenhängen als Naturgegeben an? Und welche Vorteile bietet der Macho-Mann (oder überhaupt eine Aufgabenteilung nach Geschlecht) in der heutigen Gesellschaft?

Das mag ja sein. Es gibt da aber schon Kriterien, die mehrheitlich auf Männer zutreffen, wie eben auch Kriterien, die mehrheitlich auf Frauen zutreffen. Wenn es nicht so wäre, dann würde man ja Männer und Frauen am Gesicht grundsätzlich gar nicht unterscheiden können. Natürlich gibt es Menschen, bei denen das schwierig ist. Aber die meisten Menschen lassen sich schon eindeutig zuordnen.

OK, aber eigentlich machen die Menschen, die nicht so einfach zuzuordnen sind, oder fast immer anders zugeordnet werden als sie sich selbst sehen diese These zunichte. Frau O. wird von Leuten, die sie nicht kennen grundsätzlich als "der Mann da" beschrieben.

Außerdem ging es ja eben nicht darum, herauszufinden, welches Gesicht nun männlich oder weiblich ist. Man hat vorher festgelegt, welche Gesichts-Bausteine männlich und welche weiblich sind. Wenn dann später im fertigen Gesicht die männlichen Bausteine überwogen, war das Gesicht eben eher männlich, ansonsten eher weiblich.

Die Frage ist doch, warum diese Gesichtsteile gendered sind.

Ja, das sehe ich auch so. Nur bezweifle ich, daß es wirklich immer 100%ig gelingt, diese angeborenen biologischen Grundlagen zu überformen. Ich denke, sie sind tief in uns allen unverändert immer noch da und werden nur durch anerzogene bewußte oder auch unbewußte Überlagerungen mehr oder weniger überdeckt oder verfälscht. Und das alles scheint ganz offensichtlich auch noch mit dem Hormonspiegel zusammen zu hängen. Denn wenn Hormontherapien sich schon körperlich so extrem auswirken können (wie z.B. bei chinesischen Schwimmerinnen...), wieso sollten sie dann keinerlei Wirkung auf die Psyche haben? Tatsächlich wurde bei Personen, die zwecks Geschlechtsumwandlung eine Hormontherapie bekommen haben, festgestellt, daß sich auch ihre Hirnaktivitäten drastisch veränderten. Bei natürlichen Hormonschwankungen dürften die Wirkungen natürlich nicht so krass, aber doch auch vorhanden sein. Wie ja auch dieser Test mit den Frauen in und außerhalb der Eisprungphase gezeigt hat. Und eigentlich dürfte jeder auch schon bei sich selbst festgestellt haben, daß wir in gewissen Situationen eben auch schon mal bereit sind, Dinge zu tun, die wir sonst niemals tun würden...

Wobei komischerweise dieselben Hormonkonstellationen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Viele Frauen erleben die Menopause als deprimierend, Transmänner die die gleichen Effekte während der HRT erleben, sind darüber hocherfreut (na, nicht unbedingt über die Schweißausbrüche...). Und das sich Hirnaktivitäten verändern, kann auch damit zu tun haben, daß sich die Einstellung zum eigenen Körper ändert. Es gibt keine einfache Verbindung zwischen Hormonen und Psyche, oder auch Hormonen und Handeln.

Ja, das stimmt. Ich kann mir beispielsweise gut vorstellen, daß bei den heutigen Zuständen in Deutschland so mancher junge Mann echte Minderwertigkeitskomplexe wegen seines Geschlechts entwickelt und vielleicht nur deshalb plötzlich den Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung verspürt.

Den Gedanken kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. Die These von den Minderwertigkeitskomplexen ist mittlerweile aus der psychologischen Betrachtung von GID verschwunden, was sich auch in der Namensgebung (früher hieß´es GDD: Gender disphoria disorder) wiederspiegelt.

Man muß dabei aber auch bedenken, daß viele Tierarten eine völlig andere Lebensweise haben als wir. Da ist es nämlich teilweise so, daß die Geschlechter fast das ganze Jahr über getrennt leben und sich nur zur Paarungszeit treffen. So können natürlich dauerhafte Partnerschaften nur zwischen Tieren desselben Geschlechts entstehen. Ich denke, daß solche Partnerschaften durchaus einen biologischen Sinn haben. Gerade für Tiere, die Angriffe von Raubtieren zu befürchten haben, ist es gut, in der Herde oder zumindest zu zweit unterwegs zu sein. So können sie sich gegenseitig warnen. Und homosexuelle Kontakte kommen dann allein schon deshalb zustande, weil bei manchen Tierarten nur sehr wenige Männchen überhaupt bei den Weibchen zum Zuge kommen. Den übrigen bleibt also gar nichts anderes übrig, als aufeinander herumzurammeln, um ihren Trieb abzureagieren.

Och, es gibt ja auch noch die Onanie. Das praktizieren so gut wie alle Säugetiere.

Noch mal der Tip: Biological Exhuberance. Ein wirklich lesenswertes Buch.

Das mag sein. Aber insbesondere bei der Umwandlung vom Mann zur Frau bringt doch auch eine Hormontherapie im Erwachsenenalter keine 100%igen Ergebnisse mehr. Vielen Frauen, die früher Männer waren, sieht man das jedenfalls auch deutlich an. Wenn jedoch die Therapie schon in der Kindheit beginnt, sind die Ergebnisse besser.

Na ja, was bedeutet 100%ige Ergebnisse? Um´s mal so zu sagen, auch die meisten Cisfrauen sind keine Supermodels und einige MtFs sehen nach den gängigen Schönheitsidealen weitaus besser aus, als die Mehrheit der Frauen.
Und passen tun viele...

Ja, das stimmt in der Theorie. Aber was würdest du deinem Kind sagen, wenn es dir immer wieder erzählt, daß es von anderen beschimpft oder sogar körperlich angegriffen wird, einfach nur, weil es eben "anders" ist? Dann kannst du ihm zwar sagen, daß nur Idioten sowas tun, aber davon werden die Beschimpfungen auch nicht weniger verletzend und die Schläge auch nicht weniger schmerzhaft.

OK, aber kann ich ein schwarzes Kind weiß machen, damit es mit weniger Problemen zu rechnen hat? Kann ich ein Kind mit einer Körperbehinderung davor schützen "anders" zu sein?

Ja, bei Toiletten mag das reichen... Aber stell dir mal folgende Situation vor: Du stehst in einem öffentlichen Schwimmbad nackt unter der Dusche. Auf einmal kommt eine Gruppe pubertierender Mädchen rein. Sie machen aber keine Anstalten, normal unter die Duschen zu gehen, sondern stellen sich vor dir hin, diskutieren lauthals Größe und Form deiner Geschlechtsteile und machen sich womöglich noch über dich lustig. Fändest du das toll? Wenn es da keine Verbote mehr gäbe, könntest du dich noch nicht einmal darüber beschweren, denn es wäre dann ja ihr gutes Recht, dort zu stehen...

Dort zu stehen ist ihr gutes Recht, mich in meiner Menschenwürde zu verletzen nicht. Da ist Art.1 GG vor.

Das Problem ließe sich nur lösen, indem man jede Dusche mit einer Kabine umgibt. So etwas hab ich aber noch nie in irgendeiner Schwimmhalle gesehen. Man müßte also sämtliche öffentlichen Duschräume umbauen...

Dazu könnte ich auch wieder Bände schreiben: Warum T* nicht in´s Schwimmbad gehen... Ja, im Prinzip müßte das, oder es müste zumindest eine Einzelkabine geben auf die ausgewichen werden kann. Das ist nicht allein ein Trans-Thema: Wie wird sich ein Junge, der von einem Mann sexuell mißbraucht wurde in einer Gemeinschaftsdusche fühlen?

susu

Re: @Alex.... Anmerkungen zu Susu, bitte hier antworten

Alex, Friday, 04.04.2003, 23:37 (vor 7881 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: @Alex von susu am 04. April 2003 18:57:22:

Hallo Garfield,

ich hab Susu's Text einfach erweitert, um meine Anmerkungen, damit ich hier wieder einsteigen kann :-)

Hallo Garfield.
Ja, es gibt auch Natur-Völker, bei denen Frauen und Männer grundsätzlich gleichermaßen auf die Jagd gehen. Das funktioniert aber nur unter bestimmten Bedingungen. Nämlich dann, wenn es keine kräftigen Raubtiere und auch keine anderen Menschengruppen in der unmittelbaren Nähe gibt, gegen die man sich verteidigen muß. Und wenn die Beutetiere ebenfalls nicht besonders kräftig und schnell sind. Dann nämlich ist der Macho-Mann auf einmal weniger gefragt, und wenn Menschen über sehr lange Zeit unter solchen Bedingungen leben, scheint durchaus der Effekt einzutreten, daß Männer und Frauen sich in ihren Erbanlagen wieder annähern. Weil einfach die frühere Rollenverteilung nicht mehr wirklich nötig ist und die entsprechenden Instinkte dann nach und nach verkümmern.

Susu: Siehst du das in anderen Zusammenhängen als Naturgegeben an? Und welche Vorteile bietet der Macho-Mann (oder überhaupt eine Aufgabenteilung nach Geschlecht) in der heutigen Gesellschaft?

Alex: Ich hatte Dir Berichte über indigene Kulturen zukommen lassen. Da stimmen Deine Aussagen nicht mehr. Durch freie Wahl des sozialen Geschlechts, kommen Frauen ebenso zur Jagt... und Nord- und Mittelamerika war wirklich nicht ungefährlich :-)

Das mag ja sein. Es gibt da aber schon Kriterien, die mehrheitlich auf Männer zutreffen, wie eben auch Kriterien, die mehrheitlich auf Frauen zutreffen. Wenn es nicht so wäre, dann würde man ja Männer und Frauen am Gesicht grundsätzlich gar nicht unterscheiden können. Natürlich gibt es Menschen, bei denen das schwierig ist. Aber die meisten Menschen lassen sich schon eindeutig zuordnen.

Susu: OK, aber eigentlich machen die Menschen, die nicht so einfach zuzuordnen sind, oder fast immer anders zugeordnet werden als sie sich selbst sehen diese These zunichte. Frau O. wird von Leuten, die sie nicht kennen grundsätzlich als "der Mann da" beschrieben.

Alex Wie oft kommt der Fall vor, wo Leute rätseln, ob das Mann oder Frau ist? Also ich hab sowas schon sehr oft mitbekommen. Jenseits jeder Queer oder TG-Szene... einfach mitten in der Stadt, beim Bummeln...

Außerdem ging es ja eben nicht darum, herauszufinden, welches Gesicht nun männlich oder weiblich ist. Man hat vorher festgelegt, welche Gesichts-Bausteine männlich und welche weiblich sind. Wenn dann später im fertigen Gesicht die männlichen Bausteine überwogen, war das Gesicht eben eher männlich, ansonsten eher weiblich.

Susu: Die Frage ist doch, warum diese Gesichtsteile gendered sind.

Alex: ... und was überwiegend ist :-) Ich glaube außerdem, dass bei dieser Erkennung die Sozialisation einen großen Teil erklärt... von Kind an lernt man ja zwei Geschlechter zu unterscheiden... Neuronale Netzwerke sind seeeehr anpassungsfähig....Vielleicht könnte man auch 5 oder 7 Geschlechter unterscheiden... man lernt aber nur für 2 einen Namen

Ja, das sehe ich auch so. Nur bezweifle ich, daß es wirklich immer 100%ig gelingt, diese angeborenen biologischen Grundlagen zu überformen. Ich denke, sie sind tief in uns allen unverändert immer noch da und werden nur durch anerzogene bewußte oder auch unbewußte Überlagerungen mehr oder weniger überdeckt oder verfälscht. Und das alles scheint ganz offensichtlich auch noch mit dem Hormonspiegel zusammen zu hängen. Denn wenn Hormontherapien sich schon körperlich so extrem auswirken können (wie z.B. bei chinesischen Schwimmerinnen...), wieso sollten sie dann keinerlei Wirkung auf die Psyche haben? Tatsächlich wurde bei Personen, die zwecks Geschlechtsumwandlung eine Hormontherapie bekommen haben, festgestellt, daß sich auch ihre Hirnaktivitäten drastisch veränderten. Bei natürlichen Hormonschwankungen dürften die Wirkungen natürlich nicht so krass, aber doch auch vorhanden sein. Wie ja auch dieser Test mit den Frauen in und außerhalb der Eisprungphase gezeigt hat. Und eigentlich dürfte jeder auch schon bei sich selbst festgestellt haben, daß wir in gewissen Situationen eben auch schon mal bereit sind, Dinge zu tun, die wir sonst niemals tun würden...

Susu: Wobei komischerweise dieselben Hormonkonstellationen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Viele Frauen erleben die Menopause als deprimierend, Transmänner die die gleichen Effekte während der HRT erleben, sind darüber hocherfreut (na, nicht unbedingt über die Schweißausbrüche...). Und das sich Hirnaktivitäten verändern, kann auch damit zu tun haben, daß sich die Einstellung zum eigenen Körper ändert. Es gibt keine einfache Verbindung zwischen Hormonen und Psyche, oder auch Hormonen und Handeln.

Alex: Hormone beeinflussen Körper und Psyche, aber rationale Zusammenhänge sind bisher nicht nachweisbar... immer wenn die Forscher glaubten eine Regel gefunden zu haben, habem andere Menschen wieder völlig anders reagiert.
Zusammenhänge wie: Östrogengabe und man fühlt sich weiblich sind aber schlicht Unsinn.

Ja, das stimmt. Ich kann mir beispielsweise gut vorstellen, daß bei den heutigen Zuständen in Deutschland so mancher junge Mann echte Minderwertigkeitskomplexe wegen seines Geschlechts entwickelt und vielleicht nur deshalb plötzlich den Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung verspürt.

Susu: Den Gedanken kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. Die These von den Minderwertigkeitskomplexen ist mittlerweile aus der psychologischen Betrachtung von GID verschwunden, was sich auch in der Namensgebung (früher hieß´es GDD: Gender disphoria disorder) wiederspiegelt.

Alex: Die These ist Unsinn. Die ganze Prozedur bis zu Personenstandsänderung ist viel anstrengender, als jede andere Reaktion... in der Praxis also fast ausgeschlossen.
Häufiger wurde schon die These von "überdimensionaler Verehrung des Weiblichen/Männlichen" erwägt. Dazu weiß ich nicht, ob das mittlerweile noch aktuell ist. Dies wurde aber häufig auch mit einem schlechten Selbstbewußtsein in Verbindung gebracht.

Man muß dabei aber auch bedenken, daß viele Tierarten eine völlig andere Lebensweise haben als wir. Da ist es nämlich teilweise so, daß die Geschlechter fast das ganze Jahr über getrennt leben und sich nur zur Paarungszeit treffen. So können natürlich dauerhafte Partnerschaften nur zwischen Tieren desselben Geschlechts entstehen. Ich denke, daß solche Partnerschaften durchaus einen biologischen Sinn haben. Gerade für Tiere, die Angriffe von Raubtieren zu befürchten haben, ist es gut, in der Herde oder zumindest zu zweit unterwegs zu sein. So können sie sich gegenseitig warnen. Und homosexuelle Kontakte kommen dann allein schon deshalb zustande, weil bei manchen Tierarten nur sehr wenige Männchen überhaupt bei den Weibchen zum Zuge kommen. Den übrigen bleibt also gar nichts anderes übrig, als aufeinander herumzurammeln, um ihren Trieb abzureagieren.

Susu: Och, es gibt ja auch noch die Onanie. Das praktizieren so gut wie alle Säugetiere.
Noch mal der Tip: Biological Exhuberance. Ein wirklich lesenswertes Buch.

Alex: Jo... im Zweifelsfall muß eben die Wolldecke dran glauben, Garfield, der stammte ja von Dir. Und glaub nicht, dass das ein Versehen war :-)

Das mag sein. Aber insbesondere bei der Umwandlung vom Mann zur Frau bringt doch auch eine Hormontherapie im Erwachsenenalter keine 100%igen Ergebnisse mehr. Vielen Frauen, die früher Männer waren, sieht man das jedenfalls auch deutlich an. Wenn jedoch die Therapie schon in der Kindheit beginnt, sind die Ergebnisse besser.

Susu: Na ja, was bedeutet 100%ige Ergebnisse? Um´s mal so zu sagen, auch die meisten Cisfrauen sind keine Supermodels und einige MtFs sehen nach den gängigen Schönheitsidealen weitaus besser aus, als die Mehrheit der Frauen.
Und passen tun viele...

Alex: Kommt auch drauf an, wie hart man sich mit der Kasse anlegen kann, oder ob man gar die Kohle für Privatklinik hat. Ist wie früher mit den Brillen... Modell Kasse sieht eben nicht aus wie Gucci.

Ja, das stimmt in der Theorie. Aber was würdest du deinem Kind sagen, wenn es dir immer wieder erzählt, daß es von anderen beschimpft oder sogar körperlich angegriffen wird, einfach nur, weil es eben "anders" ist? Dann kannst du ihm zwar sagen, daß nur Idioten sowas tun, aber davon werden die Beschimpfungen auch nicht weniger verletzend und die Schläge auch nicht weniger schmerzhaft.

Susu: OK, aber kann ich ein schwarzes Kind weiß machen, damit es mit weniger Problemen zu rechnen hat? Kann ich ein Kind mit einer Körperbehinderung davor schützen "anders" zu sein?

Alex: Da kann ich mich nur anschließen. Zusätzlich geht Selbstverleugnung nur eine gewisse Zeit... danach geht es viel mehr an die Substanz

Ja, bei Toiletten mag das reichen... Aber stell dir mal folgende Situation vor: Du stehst in einem öffentlichen Schwimmbad nackt unter der Dusche. Auf einmal kommt eine Gruppe pubertierender Mädchen rein. Sie machen aber keine Anstalten, normal unter die Duschen zu gehen, sondern stellen sich vor dir hin, diskutieren lauthals Größe und Form deiner Geschlechtsteile und machen sich womöglich noch über dich lustig. Fändest du das toll? Wenn es da keine Verbote mehr gäbe, könntest du dich noch nicht einmal darüber beschweren, denn es wäre dann ja ihr gutes Recht, dort zu stehen...

Susu: Dort zu stehen ist ihr gutes Recht, mich in meiner Menschenwürde zu verletzen nicht. Da ist Art.1 GG vor.

Alex: Und dumme Sprüche kann ich auch *g*

Das Problem ließe sich nur lösen, indem man jede Dusche mit einer Kabine umgibt. So etwas hab ich aber noch nie in irgendeiner Schwimmhalle gesehen. Man müßte also sämtliche öffentlichen Duschräume umbauen...

Susu: Dazu könnte ich auch wieder Bände schreiben: Warum T* nicht in´s Schwimmbad gehen... Ja, im Prinzip müßte das, oder es müste zumindest eine Einzelkabine geben auf die ausgewichen werden kann. Das ist nicht allein ein Trans-Thema: Wie wird sich ein Junge, der von einem Mann sexuell mißbraucht wurde in einer Gemeinschaftsdusche fühlen?

Alex: Jep.. solche Leute dürften öffentliche Badeanstalten eher meiden. Es müßte der Menschheit schon grundlegende Erleuchtung zuteil werden, wenn sich daran was ändern soll. Im Augenblick wird aber eher wieder verstärkt gemauert, hab ich das Gefühl.

susu... alex

@Susu, @Alex

Garfield, Monday, 07.04.2003, 18:52 (vor 7878 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: @Alex.... Anmerkungen zu Susu, bitte hier antworten von Alex am 04. April 2003 20:37:51:

Hallo ihr beiden!

"Susu: Siehst du das in anderen Zusammenhängen als Naturgegeben an?"

Das kommt darauf an, welche Zusammenhänge du da konkret meinst!

"Und welche Vorteile bietet der Macho-Mann (oder überhaupt eine Aufgabenteilung nach Geschlecht) in der heutigen Gesellschaft?"

Das ist eine sehr gute Frage. Erst einmal ist es ja so, daß sich Instinkte nicht einfach von heute auf morgen wieder auflösen, wenn sie durch die realen Lebensumstände überholt werden. Aber auch nach der Jäger-und-Sammler-Zeit hatte der "Macho" durchaus noch seine Berechtigung. Viele Tätigkeiten in der Landwirtschaft und dann später auch in der Industrie waren körperlich sehr anstrengend. Zwar nicht so anstrengend, daß eine Frau sie grundsätzlich überhaupt nicht hätte bewältigen können, aber es ist nun mal eine Tatsache, daß die meisten Männer mehr Körperkraft aufbringen können als die meisten Frauen. Dazu kam noch, daß die Frauen ja weiterhin die Kinder bekamen und so immer wieder durch Schwangerschaft quasi körperlich behindert waren. Und in der Zeit teilweise auch einen männlichen Ernährer brauchten. Denn es gab ja noch keine Supermärkte, in denen man einfach alles einkaufen konnte und auch kaum Sozialleistungen, um den Lebensunterhalt zu finanzieren, wenn man das selbst nicht konnte.

Das alles führte eben dazu, daß eine gewisse Aufgabenverteilung weiterhin erhalten blieb und daß also diese alten Instinkte bis heute nicht verschwunden sind. Zwar arbeiteten auch die Frauen von armen Bauern mit auf dem Feld, aber auch da gab es gewisse Schwerpunkte in der Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern. In der Zeit des Frühkapitalismus sah das genauso aus. Deshalb war es ja auch immer so, daß nur die Frauen in armen Familien dieselben oder ähnliche Arbeiten verrichteten wie ihre Männer. In reicheren Familien zogen sich die Frauen meist in den häuslichen Bereich zurück, zumal es dort dann auch mehr zu tun gab. Bei sehr reichen Leuten mußte z.B. ein ganzes Heer von Dienstboten koordiniert werden. Und Familien, die zwar nicht direkt arm waren, aber auch nicht so reich, daß sie sich viele Dienstboten leisten konnten, hatten dann doch auch ein größeres Haus mit größerem Grundstück, so daß dann dort auch mehr zu tun war. Es gab schließlich noch nicht die Vielzahl an elektrischen Haushaltsgeräten, keine Fertiggerichte usw. Wenn keine Dienstboten vorhanden waren, konnte eine Hausfrau in damaliger Zeit durchaus einen Vollzeit-Job haben.

Du wirst dazu jetzt vielleicht wieder schreiben, daß die Frauen auf gesellschaftlichem Druck hin zu Hause blieben. Das glaube ich aber nicht, denn auch heute bleiben die allermeisten Hausfrauen aus eigenem Willen zu Hause. Obwohl es mittlerweile durchaus einen gewissen gesellschaftlichen Druck zum Gegenteil gibt. Und ich denke, gerade das ist der Grund, wieso sich immer noch manche Frauen für feministische Thesen interessieren. In meinem Bekanntenkreis sind es jedenfalls zu 100% Hausfrauen, die ständig mit "Männer sind Schweine"-Sprüchen um sich werfen und auch sonst immer wieder darüber jammern, wie benachteiligt sie doch wären. Der Grund ist klar: Es ist natürlich einfacher und auch besser fürs Ego, die Schuld für eigene berufliche Erfolglosigkeit anderen zuzuschieben als den Grund dafür in der eigenen Trägheit suchen zu müssen. Daß Frauen sich aber so etwas zusammen konstruieren müssen, zeugt davon, daß sie sich durch die Gesellschaft keineswegs zum Hausfrauen-Dasein gedrängt fühlen, sondern daß sie im Gegenteil das Gefühl haben, sich dafür rechtfertigen zu müssen, daß sie eben keine berufliche Karriere machen.

Fakt ist auch, daß bei Umfragen regelmäßig die Mehrheit der Frauen angibt, am liebsten Hausfrau mit maximal noch einem Teilzeitjob sein zu wollen. Also kann man davon ausgehen, daß die Frauen, die vor 150 Jahren Hausfrauen waren, sich dazu genauso freiwillig bereit gefunden haben. Weil es eben am besten der Rolle entsprach, die sie seit der Jäger- und Sammlerzeit instinktiv verinnerlicht haben. Und auch weil Frauen ja zwecks Schwangerschaft und Geburt ohnehin immer wieder zu Hause bleiben mußten, was auf die Männer so nicht zutraf.

Ja, und letzteres ist auch heute noch der Fall. Zwar sind wir mittlerweile wirklich an einen Punkt gekommen, wo es für viele Tätigkeiten gar keine Rolle mehr spielt, ob sie von einem Mann oder von einer Frau ausgeführt werden. Trotzdem bekommen nach wie vor die Frauen die Kinder. Und der Macho ist durchaus bei Frauen noch gefragt. Nicht nur aus instinktiven, sondern auch aus ganz rationalen Gründen. Zwar sind durchaus nicht alle Frauen geldgierig, aber es ist doch ein gutes Gefühl, zu wissen, daß der Partner notfalls auch allein genügend Geld heranschaffen kann und daß frau somit jede Freiheit in ihrer Lebensplanung hat. Und rein instinktiv bevorzugen viele Frauen nach wie vor Männer, zu denen sie in jeder Hinsicht "aufschauen" können. Vielleicht werden sich diese Instinkte abschwächen, wenn es immer weniger reale Gründe dafür gibt. Aber das wird wohl noch Jahrtausende dauern...

"Alex: Ich hatte Dir Berichte über indigene Kulturen zukommen lassen. Da stimmen Deine Aussagen nicht mehr. Durch freie Wahl des sozialen Geschlechts, kommen Frauen ebenso zur Jagt... und Nord- und Mittelamerika war wirklich nicht ungefährlich :-)"

Man muß dabei die ganze Vorgeschichte dieser Völker betrachten. Amerika wurde doch - wenn ich mich jetzt recht erinnere (ich kann momentan leider nichts nachschlagen) - erst vor etwa 10000 Jahren besiedelt. Die Menschen kamen damals also in ein riesiges Gebiet, das völlig menschenleer war. Des Menschen größter Feind ist aber auch damals schon der Mensch gewesen. Da es Jagdgebiete in Hülle und Fülle gab, dürfte es zunächst nicht viele Anlässe für Kriege gegeben haben. Man kann also davon ausgehen, daß die Menschen für längere Zeit unter relativ friedlichen Bedingungen leben konnten und daß Krieger somit schon mal kaum benötigt wurden. Das erklärt auch, wieso die Indianer ihre Waffentechnologie nicht sonderlich weiter entwickelt haben. Jäger waren nach wie vor gefragt, aber beim Jagen war der Mensch sowieso seit eh und je eigentlich mehr auf sein Gehirn angewiesen als auf seine Körperkräfte. Und die riesigen Eiszeit-Tiere, für deren Erlegung man zuweilen schon immense Körperkräfte gebraucht hat (ich stelle es mir nicht einfach vor, einen Speer durch ein dichtes Fell, 40 cm Fett und dann auch noch durch dicke Muskelstränge zu rammen), gab es nicht mehr. Klar - es gab noch Bären und Wölfe, aber da die Menschen mittlerweile längst gelernt hatten, mit Feuer umzugehen, ließen die sich damit auch prima abschrecken.

Viele Indianerstämme lebten ja auch keineswegs von der Büffeljagd, so wie man sich das nach der Lektüre von Karl May-Romanen vorstellen könnte, sondern mehr von der Landwirtschaft. Die war allerdings nicht besonders intensiv, was in der Zeit nach der ersten Besiedelung Amerikas aber zunächst keine große Rolle spielte, da ja Land in Hülle und Fülle für alle vorhanden war.

Später wurde es dann schon enger, vor allem auch, als die Europäer kamen und den Indianern immer mehr Gebiete wegnahmen. Manche Indianerstämme haben sich erst jetzt auf die Jagd als Hauptnahrungserwerb umgestellt. Einfach weil die Weißen sie aus den Gebieten mit fruchtbaren Böden und gutem Klima vertrieben hatten und sie nun in der Prärie zusehen mußten, wie sie sich Nahrung beschaffen konnten. Und jetzt kam es auch zunehmend zu Kämpfen der Indianerstämme untereinander. Weil nun das Land eben doch knapp wurde.

Außerdem hat es doch auch bei den Indianern durchaus immer eine Arbeitsteilung gegeben. Und auch die Indianerstämme haben die Menschheit in Geschlechter unterteilt. Ob das nun 2 oder 5 waren, spielt dabei keine wesentliche Rolle. So eine Einteilung macht nur dann Sinn, wenn man von bestimmten Unterschieden zwischen den Geschlechtern ausgeht.

"Susu: OK, aber eigentlich machen die Menschen, die nicht so einfach zuzuordnen sind, oder fast immer anders zugeordnet werden als sie sich selbst sehen diese These zunichte. Frau O. wird von Leuten, die sie nicht kennen grundsätzlich als "der Mann da" beschrieben.

Alex: Wie oft kommt der Fall vor, wo Leute rätseln, ob das Mann oder Frau ist? Also ich hab sowas schon sehr oft mitbekommen. Jenseits jeder Queer oder TG-Szene... einfach mitten in der Stadt, beim Bummeln..."

Ja, sicher gibt es Männer, die wie Frauen aussehen und Frauen, die wie Männer aussehen! Aber das ist doch eher selten. Mir fällt da jetzt spontan kein einziges Beispiel aus meinem Bekanntenkreis ein. Meine Partnerin hat zwar eine Tante, die tatsächlich einen Schnurrbart hat, ansonsten sieht sie aber in keiner Weise männlich aus. Außerdem bezog sich das ja auch nur auf deine Fragen zu diesem Test. Und dabei ging es ja eben nicht darum, zu beweisen, daß ein Mann immer "wie ein Mann" aussieht und eine Frau immer "wie eine Frau", sondern einfach nur darum, ob sich die Präferenzen, die Frauen für die Beurteilung eines männlichen Gesichtes haben, mit wechselnden Hormonspiegeln eben auch ändern.

"Susu: Die Frage ist doch, warum diese Gesichtsteile gendered sind."

Sie haben in dieser Reportage auch Kriterien dafür genannt. Z.B. ein ausgeprägtes Kinn bei Männern. Übrigens hat man das mit dem Kinn auch mal untersucht. Man hat sich Fotos von Berufssoldaten genommen und hat daraus Fotos ausgewählt, die in zwei Gruppen paßten: Erstmal eine Gruppe mit Männern, die ein sehr ausgeprägtes Kinn hatten, also sehr "männlich" aussahen. Und dann noch eine Gruppe mit Männern, die ein eher unauffälliges Kinn hatten, also in der Hinsicht mehr der "weiblichen" Norm entsprachen. Nachdem man diese Einteilung gemacht hatte, hat man sich die Lebensläufe dieser Soldaten angesehen. Dabei stellte sich heraus, daß diejenigen, die man in die erste Gruppe einsortiert hatte, zum großen Teil schnell Karriere in der Armee gemacht haben und teilweise mittlerweile sogar Generäle waren. Die Soldaten in der anderen Gruppe dagegen hatten mehrheitlich keine so glanzvolle Karriere hingelegt.

Das zeigt, wie sehr auch solche Kleinigkeiten bei uns allen irgendwie Wirkung zeigen. Diese Männer mit sehr markantem Kinn haben doch vor allem deshalb schneller Karriere gemacht, weil ihre Vorgesetzten sie offensichtlich aufgrund dieses eigentlich unwichtigen körperlichen Merkmals für durchsetzungsfähiger hielten. Und weil ihre Untergebenen derselben Ansicht waren - mit dem Ergebnis, daß sie dann tatsächlich auch durchsetzungsfähiger waren. Nicht unbedingt, weil sie es wirklich waren, sonderen weil man das bei ihnen eben vermutete und sie es dann eben immer einfacher hatten, sich durchzusetzen.

"Alex: ... und was überwiegend ist :-) Ich glaube außerdem, dass bei dieser Erkennung die Sozialisation einen großen Teil erklärt... von Kind an lernt man ja zwei Geschlechter zu unterscheiden... Neuronale Netzwerke sind seeeehr anpassungsfähig....Vielleicht könnte man auch 5 oder 7 Geschlechter unterscheiden... man lernt aber nur für 2 einen Namen"

Ja, aber wie lernt denn ein Kind, das z.B. ein markantes Kinn männlich ist? Gibt es da ein Art "Gesichter-Fibel", in der genau aufgezeichnet ist, wie ein männliches und wie ein weibliches Gesicht auszusehen hat? Oder setzt sich seine Mutter mit ihm an den Straßenrand und erklärt ihm, wer von den vorübergehenden Menschen eben typisch männlich aussieht und wessen Gesicht typisch weiblich ist? Sowas gibt es nicht. Kinder lernen das, was sie in ihrer Umwelt immer wieder sehen. Klar - wenn man die Menschheit in fünf Geschlechter einteilen würde und die Angehörigen dieser Geschlechter auch wirklich an äußerlichen Merkmalen unterscheidbar wären, dann würden die Kinder es genauso lernen, da Zuordnungen zu treffen. (Nur würde man dann noch häufiger daneben liegen als jetzt, wenn man ein Gesicht einem Geschlecht zuordnen müßte.)

Aber ich bin mir nicht so sicher, ob die Kinder diese Zuordnung dann auch wirklich instinktiv verinnerlicht hätten.

Wie dem auch sei: Bei Gesichtern könnte ich mir noch vorstellen, daß da manches anerzogen ist. Weil es rein biologisch gesehen keinen Grund gibt, ein bestimmtes Gesichts-Merkmal zu bevorzugen. Zumindest fällt mir jetzt keiner ein.

Es gibt aber biologische Gründe dafür, bestimmte andere Körpermerkmale zu bevorzugen. Und auch im Tierreich gibt es Tiere, die als eher unattraktiv eingestuft werden und die deshalb eben auch weniger Möglichkeiten zur Paarung bekommen wie ihre Artgenossen.

"Susu: Wobei komischerweise dieselben Hormonkonstellationen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Viele Frauen erleben die Menopause als deprimierend, Transmänner die die gleichen Effekte während der HRT erleben, sind darüber hocherfreut (na, nicht unbedingt über die Schweißausbrüche...)."

Na ja, aber das kann man schlecht vergleichen, denke ich. Diese Transmänner freuen sich dann doch nicht, weil irgendwelche Hormone sie dazu bringen, sondern sie freuen sich einfach über den Erfolg der Therapie. Und bei Frauen kommen die Depri-Phasen ja auch nicht nur durch die Hormone zustande, sondern auch, weil ihnen dann eben klar wird, daß es nun langsam bergab geht...

"Und das sich Hirnaktivitäten verändern, kann auch damit zu tun haben, daß sich die Einstellung zum eigenen Körper ändert."

Hm, aber was ist mit Veränderungen in der Muskelstruktur? Und mit Veränderungen in der Reaktionszeit? In diesem Fall, wo man die Auswirkungen der Hormontherapie im Zusammenhang mit einer Geschlechtsumwandlung untersucht hat, hat sich bei den Vorher-/Nachher-Tests herausgestellt, daß es da ebenfalls deutliche Veränderungen gegeben hat, daß sich dieser Mensch eben auch da mehr und mehr seinem neue Geschlecht angepaßt hat. Sowas ist bewußt definitiv nicht kontrollierbar. Genauso wenig wie z.B. Bartwuchs.

"Alex: Hormone beeinflussen Körper und Psyche, aber rationale Zusammenhänge sind bisher nicht nachweisbar... immer wenn die Forscher glaubten eine Regel gefunden zu haben, habem andere Menschen wieder völlig anders reagiert."

Ja, das ist ein kompliziertes Feld, und da spielen sehr viele Faktoren mit hinein. Fakt ist aber, daß Hormone sehr viel bewirken können und offensichtlich teilweise durchaus wie so eine Art Schalter funktionieren, der den menschlichen Körper auf "männlich" oder "weiblich" einstellt. Sonst würde man ja bei Geschlechtsumwandlungen keine Hormone einsetzen. Wenn alles nur Erziehung wäre, würde es völlig reichen, die körperlichen Geschlechtsmerkmale per OP zu verändern, und der Rest würde sich dann von allein ergeben. So funktioniert das aber nicht!

"Zusammenhänge wie: Östrogengabe und man fühlt sich weiblich sind aber schlicht Unsinn."

Sicher. Deshalb reicht ja Hormontherapie allein bei Geschlechtsumwandlungen auch nicht aus.

"Susu: Den Gedanken kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. Die These von den Minderwertigkeitskomplexen ist mittlerweile aus der psychologischen Betrachtung von GID verschwunden, was sich auch in der Namensgebung (früher hieß´es GDD: Gender disphoria disorder) wiederspiegelt."

Stimmt, ich persönlich kenne auch niemanden, der solche extremen Komplexe hat. Okay, in Foren trifft man manchmal solche Leute, aber das sind dann oft nur Spinner.

"Alex: Die These ist Unsinn. Die ganze Prozedur bis zu Personenstandsänderung ist viel anstrengender, als jede andere Reaktion... in der Praxis also fast ausgeschlossen."

Stimmt auch.

"Susu: Och, es gibt ja auch noch die Onanie. Das praktizieren so gut wie alle Säugetiere."

Ja, aber offensichtlich ist auch für Tiere Onanie nicht ganz dasselbe wie Geschlechtsverkehr mit einem Partner.

"Alex: Jo... im Zweifelsfall muß eben die Wolldecke dran glauben, Garfield, der stammte ja von Dir."

Aber ich glaube, der Hund war in dem Moment fest davon überzeugt, daß die Wolldecke sowas wie ein Sex-Partner war! :-) Genauso wie so manches Huhn glaubt, daß ein Ball ein Ei ist und sich dann draufsetzt, um es auszubrüten.

"Susu: OK, aber kann ich ein schwarzes Kind weiß machen, damit es mit weniger Problemen zu rechnen hat? Kann ich ein Kind mit einer Körperbehinderung davor schützen "anders" zu sein?"

Ein schwarzes Kind kann man auf eine Schule schicken, wo in der Altersgruppe zumindest noch einige weitere schwarze Kinder sind. Ein körperbehindertes Kind kann man auf eine Spezialschule für Körperbehinderte schicken. So kann man solche Ausgrenzung abmildern oder vielleicht sogar ganz vermeiden. Außerdem haben mittlerweile ja auch vergleichsweise viele Menschen begriffen, daß es ziemlich dumm ist, Menschen auszugrenzen, nur weil sie eine andere Hautfarbe oder eine Behinderung haben. Und so werden auch die Kinder von Eltern und Lehrern heute dazu angehalten, dies nicht zu tun. Intersexuelle haben von der zunehmenden Toleranz bisher aber weniger profitiert. Intersexualität wird von vielen selbsternannten Gutmenschen immer noch nicht als Problem wahrgenommen, daher auch nicht an die große Glocke gehängt und somit klärt auch kaum jemand seine Kinder darüber auf.

Und irgendwann kommt das Kind dann in die Pubertät. Während seine dunkelhäutigen Mitschüler sich dann mit dunkelhäutigen Mädchen verabreden, für die die dunkle Hautfarbe natürlich keinerlei Problem darstellt (oder womöglich sogar von den Eltern verlangt wird, denn es gibt nicht wenige Schwarze, die sehr rassistisch eingestellt sind) und der behinderte Bruder vielleicht in der Schule für Körperbehinderte eine Freundin gefunden hat, die ebenfalls körperbehindert ist und somit volles Verständnis für seine Behinderung hat, steht der Intersexuelle mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin als ewiger Solist da und denkt mit Grausen an den Moment, wenn er sich zum ersten Mal vor einem Mädchen ausziehen muß (wenn dank seiner werten Mitschüler nicht sowieso schon jedes Mädchen in der Gegend genauestens über die Beschaffenheit seiner Geschlechtsteile informiert ist).

"Susu: Dort zu stehen ist ihr gutes Recht, mich in meiner Menschenwürde zu verletzen nicht. Da ist Art.1 GG vor."

Aber wie würdest du das dann durchsetzen wollen? Würdest du die Mädels vor dem Bundesverfassungsgericht verklagen? Was glaubst du, wie weit die Klage kommen würde?

"Alex: Und dumme Sprüche kann ich auch *g*"

Ja, das ändert aber nichts daran, daß du dann nackt vor denen stehst. Und wenn du allein bist und eine ganze Gruppe vor dir hast, die sich einig ist, bewirken Sprüche gar nichts.

"Susu: Dazu könnte ich auch wieder Bände schreiben: Warum T* nicht in´s Schwimmbad gehen... Ja, im Prinzip müßte das, oder es müste zumindest eine Einzelkabine geben auf die ausgewichen werden kann. Das ist nicht allein ein Trans-Thema: Wie wird sich ein Junge, der von einem Mann sexuell mißbraucht wurde in einer Gemeinschaftsdusche fühlen?

Alex: Jep.. solche Leute dürften öffentliche Badeanstalten eher meiden. Es müßte der Menschheit schon grundlegende Erleuchtung zuteil werden, wenn sich daran was ändern soll. Im Augenblick wird aber eher wieder verstärkt gemauert, hab ich das Gefühl."

Ja, eben genau diese grundlegende Erleuchtung vermisse ich eben so sehr! Stattdessen sehe ich soviel Dummheit in der Welt, das einem davon schlecht werden kann. Und das wird sich auch so bald nicht ändern, fürchte ich.

Freundliche Grüße
von Garfield

Re: @Susu, @Alex

Alex, Tuesday, 08.04.2003, 02:34 (vor 7878 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: @Susu, @Alex von Garfield am 07. April 2003 15:52:56:

"Und welche Vorteile bietet der Macho-Mann (oder überhaupt eine Aufgabenteilung nach Geschlecht) in der heutigen Gesellschaft?"
[quote]Das ist eine sehr gute Frage. Erst einmal ist es ja so, daß sich Instinkte nicht einfach von heute auf morgen wieder auflösen, wenn sie durch die realen Lebensumstände überholt werden. Aber auch nach der Jäger-und-Sammler-Zeit hatte der "Macho" durchaus noch seine Berechtigung. Viele Tätigkeiten in der Landwirtschaft und dann später auch in der Industrie waren körperlich sehr anstrengend. Zwar nicht so anstrengend, daß eine Frau sie grundsätzlich überhaupt nicht hätte bewältigen können, aber es ist nun mal eine Tatsache, daß die meisten Männer mehr Körperkraft aufbringen können als die meisten Frauen. Dazu kam noch, daß die Frauen ja weiterhin die Kinder bekamen und so immer wieder durch Schwangerschaft quasi körperlich behindert waren. Und in der Zeit teilweise auch einen männlichen Ernährer brauchten. Denn es gab ja noch keine Supermärkte, in denen man einfach alles einkaufen konnte und auch kaum Sozialleistungen, um den Lebensunterhalt zu finanzieren, wenn man das selbst nicht konnte.
Das alles führte eben dazu, daß eine gewisse Aufgabenverteilung weiterhin erhalten blieb und daß also diese alten Instinkte bis heute nicht verschwunden sind. Zwar arbeiteten auch die Frauen von armen Bauern mit auf dem Feld, aber auch da gab es gewisse Schwerpunkte in der Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern. In der Zeit des Frühkapitalismus sah das genauso aus. Deshalb war es ja auch immer so, daß nur die Frauen in armen Familien dieselben oder ähnliche Arbeiten verrichteten wie ihre Männer. In reicheren Familien zogen sich die Frauen meist in den häuslichen Bereich zurück, zumal es dort dann auch mehr zu tun gab. Bei sehr reichen Leuten mußte z.B. ein ganzes Heer von Dienstboten koordiniert werden. Und Familien, die zwar nicht direkt arm waren, aber auch nicht so reich, daß sie sich viele Dienstboten leisten konnten, hatten dann doch auch ein größeres Haus mit größerem Grundstück, so daß dann dort auch mehr zu tun war. Es gab schließlich noch nicht die Vielzahl an elektrischen Haushaltsgeräten, keine Fertiggerichte usw. Wenn keine Dienstboten vorhanden waren, konnte eine Hausfrau in damaliger Zeit durchaus einen Vollzeit-Job haben.
[/quote]

Also ich glaub, das wird jetzt "heiteres Geschichte raten". Bei vielen Dingen ist ganz und gar unklar, ob es um Instinkte, oder Sozialisation geht. Dass schwangere Frauen z.B. als quasi behinderte lebten stimmt überhaupt nicht. Es gab viele "Feldgeburten", d.h. Frauen haben bis zur Niederkunft körperlich schwer gearbeitet, von privelegierten Schichten mal abgesehen, die eh nicht gearbeitet haben. Auf jeden Fall artet das hier in ziemliche Mutmaßungen aus, und ich glaub die bringen der Diskussion wenig.

Du wirst dazu jetzt vielleicht wieder schreiben, daß die Frauen auf gesellschaftlichem Druck hin zu Hause blieben. Das glaube ich aber nicht, denn auch heute bleiben die allermeisten Hausfrauen aus eigenem Willen zu Hause. Obwohl es mittlerweile durchaus einen gewissen gesellschaftlichen Druck zum Gegenteil gibt. Und ich denke, gerade das ist der Grund, wieso sich immer noch manche Frauen für feministische Thesen interessieren. In meinem Bekanntenkreis sind es jedenfalls zu 100% Hausfrauen, die ständig mit "Männer sind Schweine"-Sprüchen um sich werfen und auch sonst immer wieder darüber jammern, wie benachteiligt sie doch wären. Der Grund ist klar: Es ist natürlich einfacher und auch besser fürs Ego, die Schuld für eigene berufliche Erfolglosigkeit anderen zuzuschieben als den Grund dafür in der eigenen Trägheit suchen zu müssen. Daß Frauen sich aber so etwas zusammen konstruieren müssen, zeugt davon, daß sie sich durch die Gesellschaft keineswegs zum Hausfrauen-Dasein gedrängt fühlen, sondern daß sie im Gegenteil das Gefühl haben, sich dafür rechtfertigen zu müssen, daß sie eben keine berufliche Karriere machen.

Der gesellschaftliche Druck geht eher in Richtung, "hast Du keine Kinder? Warum denn?"... und wenn Kinder da sind, ist Mutter selbstsüchtig, wenn sie arbeitet.
Dass reine Hausfrauen sich alle möglichen Dinger zusammenspinnen, glaub ich... ich hab das selbst erlebt, mit einer Mathe-Studentin, die dann als ihr Kind da war und sie auf Hausfrau machte, wirklich total abgedreht ist.... das scheint an der unbefriedigenden Aufgabe zu liegen.... vermute ich mal... Frauen die Teil- oder Vollzeit arbeiten haben in meinem Umfeld jedenfalls solche Aussetzer nicht.

Fakt ist auch, daß bei Umfragen regelmäßig die Mehrheit der Frauen angibt, am liebsten Hausfrau mit maximal noch einem Teilzeitjob sein zu wollen. Also kann man davon ausgehen, daß die Frauen, die vor 150 Jahren Hausfrauen waren, sich dazu genauso freiwillig bereit gefunden haben. Weil es eben am besten der Rolle entsprach, die sie seit der Jäger- und Sammlerzeit instinktiv verinnerlicht haben. Und auch weil Frauen ja zwecks Schwangerschaft und Geburt ohnehin immer wieder zu Hause bleiben mußten, was auf die Männer so nicht zutraf.

Gibts auch bei Männern.... nur... was auf den ersten Blick bequem aussieht, muß nicht das gelbe vom Ei sein.

Ja, und letzteres ist auch heute noch der Fall. Zwar sind wir mittlerweile wirklich an einen Punkt gekommen, wo es für viele Tätigkeiten gar keine Rolle mehr spielt, ob sie von einem Mann oder von einer Frau ausgeführt werden. Trotzdem bekommen nach wie vor die Frauen die Kinder. Und der Macho ist durchaus bei Frauen noch gefragt. Nicht nur aus instinktiven, sondern auch aus ganz rationalen Gründen. Zwar sind durchaus nicht alle Frauen geldgierig, aber es ist doch ein gutes Gefühl, zu wissen, daß der Partner notfalls auch allein genügend Geld heranschaffen kann und daß frau somit jede Freiheit in ihrer Lebensplanung hat. Und rein instinktiv bevorzugen viele Frauen nach wie vor Männer, zu denen sie in jeder Hinsicht "aufschauen" können. Vielleicht werden sich diese Instinkte abschwächen, wenn es immer weniger reale Gründe dafür gibt. Aber das wird wohl noch Jahrtausende dauern...

Sorry, ist mir zu viel reinphilosophiert.... meiner Erfahrung nach ist Macho echt out.... Die wenigen Frauen, die ich kenne, die Machos bevorzugen, wollen nen "zahmen Macho"... einer der so tut als ob...

"Alex: Ich hatte Dir Berichte über indigene Kulturen zukommen lassen. Da stimmen Deine Aussagen nicht mehr. Durch freie Wahl des sozialen Geschlechts, kommen Frauen ebenso zur Jagt... und Nord- und Mittelamerika war wirklich nicht ungefährlich :-)"
[quote]Man muß dabei die ganze Vorgeschichte dieser Völker betrachten. Amerika wurde doch - wenn ich mich jetzt recht erinnere (ich kann momentan leider nichts nachschlagen) - erst vor etwa 10000 Jahren besiedelt. Die Menschen kamen damals also in ein riesiges Gebiet, das völlig menschenleer war. Des Menschen größter Feind ist aber auch damals schon der Mensch gewesen. Da es Jagdgebiete in Hülle und Fülle gab, dürfte es zunächst nicht viele Anlässe für Kriege gegeben haben. Man kann also davon ausgehen, daß die Menschen für längere Zeit unter relativ friedlichen Bedingungen leben konnten und daß Krieger somit schon mal kaum benötigt wurden. Das erklärt auch, wieso die Indianer ihre Waffentechnologie nicht sonderlich weiter entwickelt haben. Jäger waren nach wie vor gefragt, aber beim Jagen war der Mensch sowieso seit eh und je eigentlich mehr auf sein Gehirn angewiesen als auf seine Körperkräfte. Und die riesigen Eiszeit-Tiere, für deren Erlegung man zuweilen schon immense Körperkräfte gebraucht hat (ich stelle es mir nicht einfach vor, einen Speer durch ein dichtes Fell, 40 cm Fett und dann auch noch durch dicke Muskelstränge zu rammen), gab es nicht mehr. Klar - es gab noch Bären und Wölfe, aber da die Menschen mittlerweile längst gelernt hatten, mit Feuer umzugehen, ließen die sich damit auch prima abschrecken.
[/quote]

Das widerlegt meine Aussagen nicht. Amerika war gefährlich... und, was glaubst Du wie wesentlich anders sich dazu im Gegensatz HEUTE eine neue Sozialisation bilden würde? Ich glaub da gäb es, wenn keiner vorbelastet ist kaum Unterschiede zwischen Männlein und Weiblein.

Viele Indianerstämme lebten ja auch keineswegs von der Büffeljagd, so wie man sich das nach der Lektüre von Karl May-Romanen vorstellen könnte, sondern mehr von der Landwirtschaft. Die war allerdings nicht besonders intensiv, was in der Zeit nach der ersten Besiedelung Amerikas aber zunächst keine große Rolle spielte, da ja Land in Hülle und Fülle für alle vorhanden war.
[quote]Später wurde es dann schon enger, vor allem auch, als die Europäer kamen und den Indianern immer mehr Gebiete wegnahmen. Manche Indianerstämme haben sich erst jetzt auf die Jagd als Hauptnahrungserwerb umgestellt. Einfach weil die Weißen sie aus den Gebieten mit fruchtbaren Böden und gutem Klima vertrieben hatten und sie nun in der Prärie zusehen mußten, wie sie sich Nahrung beschaffen konnten. Und jetzt kam es auch zunehmend zu Kämpfen der Indianerstämme untereinander. Weil nun das Land eben doch knapp wurde.
Außerdem hat es doch auch bei den Indianern durchaus immer eine Arbeitsteilung gegeben. Und auch die Indianerstämme haben die Menschheit in Geschlechter unterteilt. Ob das nun 2 oder 5 waren, spielt dabei keine wesentliche Rolle. So eine Einteilung macht nur dann Sinn, wenn man von bestimmten Unterschieden zwischen den Geschlechtern ausgeht.
[/quote]

Ja... aber der große Unterschied war: Den individuellen Wünschen nach, nicht nach biologischen Kriterien. Deswegen dürfte so mancher Text auch schwer zu übersetzen sein... wir haben nämlich für deren Geschlechter kein Äquivalent.

"Susu: OK, aber eigentlich machen die Menschen, die nicht so einfach zuzuordnen sind, oder fast immer anders zugeordnet werden als sie sich selbst sehen diese These zunichte. Frau O. wird von Leuten, die sie nicht kennen grundsätzlich als "der Mann da" beschrieben.
[quote]Alex: Wie oft kommt der Fall vor, wo Leute rätseln, ob das Mann oder Frau ist? Also ich hab sowas schon sehr oft mitbekommen. Jenseits jeder Queer oder TG-Szene... einfach mitten in der Stadt, beim Bummeln..."
Ja, sicher gibt es Männer, die wie Frauen aussehen und Frauen, die wie Männer aussehen! Aber das ist doch eher selten. Mir fällt da jetzt spontan kein einziges Beispiel aus meinem Bekanntenkreis ein. Meine Partnerin hat zwar eine Tante, die tatsächlich einen Schnurrbart hat, ansonsten sieht sie aber in keiner Weise männlich aus. Außerdem bezog sich das ja auch nur auf deine Fragen zu diesem Test. Und dabei ging es ja eben nicht darum, zu beweisen, daß ein Mann immer "wie ein Mann" aussieht und eine Frau immer "wie eine Frau", sondern einfach nur darum, ob sich die Präferenzen, die Frauen für die Beurteilung eines männlichen Gesichtes haben, mit wechselnden Hormonspiegeln eben auch ändern.
[/quote]

Worauf willst Du hinaus? Die 2 Geschlechter sind IMO einfach stilisierte Wesen, die es so nicht gibt.... oder auch: Everybody is queer.... Du mußt nur ein bisschen schauen, Du findest bei jedem Menschen was!

"Susu: Die Frage ist doch, warum diese Gesichtsteile gendered sind."
[quote]Sie haben in dieser Reportage auch Kriterien dafür genannt. Z.B. ein ausgeprägtes Kinn bei Männern. Übrigens hat man das mit dem Kinn auch mal untersucht. Man hat sich Fotos von Berufssoldaten genommen und hat daraus Fotos ausgewählt, die in zwei Gruppen paßten: Erstmal eine Gruppe mit Männern, die ein sehr ausgeprägtes Kinn hatten, also sehr "männlich" aussahen. Und dann noch eine Gruppe mit Männern, die ein eher unauffälliges Kinn hatten, also in der Hinsicht mehr der "weiblichen" Norm entsprachen. Nachdem man diese Einteilung gemacht hatte, hat man sich die Lebensläufe dieser Soldaten angesehen. Dabei stellte sich heraus, daß diejenigen, die man in die erste Gruppe einsortiert hatte, zum großen Teil schnell Karriere in der Armee gemacht haben und teilweise mittlerweile sogar Generäle waren. Die Soldaten in der anderen Gruppe dagegen hatten mehrheitlich keine so glanzvolle Karriere hingelegt.
[/quote]
Das zeigt, wie sehr auch solche Kleinigkeiten bei uns allen irgendwie Wirkung zeigen. Diese Männer mit sehr markantem Kinn haben doch vor allem deshalb schneller Karriere gemacht, weil ihre Vorgesetzten sie offensichtlich aufgrund dieses eigentlich unwichtigen körperlichen Merkmals für durchsetzungsfähiger hielten. Und weil ihre Untergebenen derselben Ansicht waren - mit dem Ergebnis, daß sie dann tatsächlich auch durchsetzungsfähiger waren. Nicht unbedingt, weil sie es wirklich waren, sonderen weil man das bei ihnen eben vermutete und sie es dann eben immer einfacher hatten, sich durchzusetzen.

Na ob das mit "männlich" oder mit Ausdruck von "Entschiedenheit" zusammenhängt, sei mal dahingestellt. Vielleicht hat sich so auch die Mär von der "Enschlußkraft" der Männer entwickelt.

"Alex: ... und was überwiegend ist :-) Ich glaube außerdem, dass bei dieser Erkennung die Sozialisation einen großen Teil erklärt... von Kind an lernt man ja zwei Geschlechter zu unterscheiden... Neuronale Netzwerke sind seeeehr anpassungsfähig....Vielleicht könnte man auch 5 oder 7 Geschlechter unterscheiden... man lernt aber nur für 2 einen Namen"
[quote]Ja, aber wie lernt denn ein Kind, das z.B. ein markantes Kinn männlich ist? Gibt es da ein Art "Gesichter-Fibel", in der genau aufgezeichnet ist, wie ein männliches und wie ein weibliches Gesicht auszusehen hat? Oder setzt sich seine Mutter mit ihm an den Straßenrand und erklärt ihm, wer von den vorübergehenden Menschen eben typisch männlich aussieht und wessen Gesicht typisch weiblich ist? Sowas gibt es nicht. Kinder lernen das, was sie in ihrer Umwelt immer wieder sehen. Klar - wenn man die Menschheit in fünf Geschlechter einteilen würde und die Angehörigen dieser Geschlechter auch wirklich an äußerlichen Merkmalen unterscheidbar wären, dann würden die Kinder es genauso lernen, da Zuordnungen zu treffen. (Nur würde man dann noch häufiger daneben liegen als jetzt, wenn man ein Gesicht einem Geschlecht zuordnen müßte.)
Aber ich bin mir nicht so sicher, ob die Kinder diese Zuordnung dann auch wirklich instinktiv verinnerlicht hätten.
Wie dem auch sei: Bei Gesichtern könnte ich mir noch vorstellen, daß da manches anerzogen ist. Weil es rein biologisch gesehen keinen Grund gibt, ein bestimmtes Gesichts-Merkmal zu bevorzugen. Zumindest fällt mir jetzt keiner ein.
Es gibt aber biologische Gründe dafür, bestimmte andere Körpermerkmale zu bevorzugen. Und auch im Tierreich gibt es Tiere, die als eher unattraktiv eingestuft werden und die deshalb eben auch weniger Möglichkeiten zur Paarung bekommen wie ihre Artgenossen. [/quote]

Wer sagt, dass ein Kind überhaupt etwas zuordnet, außer Individualität und verhaltensmäßigen Ähnlichkeiten? Und diese Ähnlichkeiten sind IMO durch Sozialisation entstanden, und werden ab dem Augenblick der ersten Wahrnehmungen eines Kindes, an dieses weitergegeben.

"Susu: Wobei komischerweise dieselben Hormonkonstellationen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Viele Frauen erleben die Menopause als deprimierend, Transmänner die die gleichen Effekte während der HRT erleben, sind darüber hocherfreut (na, nicht unbedingt über die Schweißausbrüche...)."
[quote]Na ja, aber das kann man schlecht vergleichen, denke ich. Diese Transmänner freuen sich dann doch nicht, weil irgendwelche Hormone sie dazu bringen, sondern sie freuen sich einfach über den Erfolg der Therapie. Und bei Frauen kommen die Depri-Phasen ja auch nicht nur durch die Hormone zustande, sondern auch, weil ihnen dann eben klar wird, daß es nun langsam bergab geht...
[/quote]

Keine Ahnung... Fakt ist aber, dass Hormone nicht nur Gefühle beeinflussen, sonder Gefühle auch Hormone.... letzteres ist sogar sicherer als ersteres.

"Und das sich Hirnaktivitäten verändern, kann auch damit zu tun haben, daß sich die Einstellung zum eigenen Körper ändert."
[quote]Hm, aber was ist mit Veränderungen in der Muskelstruktur? Und mit Veränderungen in der Reaktionszeit? In diesem Fall, wo man die Auswirkungen der Hormontherapie im Zusammenhang mit einer Geschlechtsumwandlung untersucht hat, hat sich bei den Vorher-/Nachher-Tests herausgestellt, daß es da ebenfalls deutliche Veränderungen gegeben hat, daß sich dieser Mensch eben auch da mehr und mehr seinem neue Geschlecht angepaßt hat. Sowas ist bewußt definitiv nicht kontrollierbar. Genauso wenig wie z.B. Bartwuchs.
[/quote]

Dass sich Hirnaktivität verändert hat, wüßte ich nicht... woher hast Du das? Reaktionszeit dürfte an der Muskulatur liegen. Aber was willst Du damit sagen?

"Susu: Och, es gibt ja auch noch die Onanie. Das praktizieren so gut wie alle Säugetiere."
[quote]Ja, aber offensichtlich ist auch für Tiere Onanie nicht ganz dasselbe wie Geschlechtsverkehr mit einem Partner.
"Alex: Jo... im Zweifelsfall muß eben die Wolldecke dran glauben, Garfield, der stammte ja von Dir."
Aber ich glaube, der Hund war in dem Moment fest davon überzeugt, daß die Wolldecke sowas wie ein Sex-Partner war! :-) Genauso wie so manches Huhn glaubt, daß ein Ball ein Ei ist und sich dann draufsetzt, um es auszubrüten.
[/quote]

Glaub ich nicht.... bei einer Frau, die einen Dildo benutzt, dürfte das ähnlich aussehen....

"Susu: OK, aber kann ich ein schwarzes Kind weiß machen, damit es mit weniger Problemen zu rechnen hat? Kann ich ein Kind mit einer Körperbehinderung davor schützen "anders" zu sein?"
[quote]Ein schwarzes Kind kann man auf eine Schule schicken, wo in der Altersgruppe zumindest noch einige weitere schwarze Kinder sind. Ein körperbehindertes Kind kann man auf eine Spezialschule für Körperbehinderte schicken. So kann man solche Ausgrenzung abmildern oder vielleicht sogar ganz vermeiden. Außerdem haben mittlerweile ja auch vergleichsweise viele Menschen begriffen, daß es ziemlich dumm ist, Menschen auszugrenzen, nur weil sie eine andere Hautfarbe oder eine Behinderung haben. Und so werden auch die Kinder von Eltern und Lehrern heute dazu angehalten, dies nicht zu tun. Intersexuelle haben von der zunehmenden Toleranz bisher aber weniger profitiert. Intersexualität wird von vielen selbsternannten Gutmenschen immer noch nicht als Problem wahrgenommen, daher auch nicht an die große Glocke gehängt und somit klärt auch kaum jemand seine Kinder darüber auf.
[/quote]

Susu meinte hier was anderes, so hab ich es wenigstens verstanden: Wenn Du aus einem schwarzen Kind ein weißes zu machen versuchst, wird das erstens nicht funktionieren, und zweitens mehr Schaden als Gutes anrichten.

Und irgendwann kommt das Kind dann in die Pubertät. Während seine dunkelhäutigen Mitschüler sich dann mit dunkelhäutigen Mädchen verabreden, für die die dunkle Hautfarbe natürlich keinerlei Problem darstellt (oder womöglich sogar von den Eltern verlangt wird, denn es gibt nicht wenige Schwarze, die sehr rassistisch eingestellt sind) und der behinderte Bruder vielleicht in der Schule für Körperbehinderte eine Freundin gefunden hat, die ebenfalls körperbehindert ist und somit volles Verständnis für seine Behinderung hat, steht der Intersexuelle mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin als ewiger Solist da und denkt mit Grausen an den Moment, wenn er sich zum ersten Mal vor einem Mädchen ausziehen muß (wenn dank seiner werten Mitschüler nicht sowieso schon jedes Mädchen in der Gegend genauestens über die Beschaffenheit seiner Geschlechtsteile informiert ist).

Intersexuelle ewige Solisten? Du scheinst zu glaube, dass es nicht viele Queer's gibt, denen es herzlich egal ist, was jetzt da wie aussieht...
Dazu kommt, dass Intersexuelle überproportional häufig äußerst intelligent sind, und dadurch auch einige Schwierigkeiten aus dem Weg räumen können...

"Susu: Dort zu stehen ist ihr gutes Recht, mich in meiner Menschenwürde zu verletzen nicht. Da ist Art.1 GG vor."
[quote]Aber wie würdest du das dann durchsetzen wollen? Würdest du die Mädels vor dem Bundesverfassungsgericht verklagen? Was glaubst du, wie weit die Klage kommen würde?
"Alex: Und dumme Sprüche kann ich auch *g*"
Ja, das ändert aber nichts daran, daß du dann nackt vor denen stehst. Und wenn du allein bist und eine ganze Gruppe vor dir hast, die sich einig ist, bewirken Sprüche gar nichts.
[/quote]

Oh doch.... ich im Rock... ne Truppe pubertierender Kids.... fragt einer "Bist Du schwul?".... ich so... "Wieso? Suchstn Date?".... der Rest der Truppe hat ihn ausgelacht, nicht mich *g* dumm gelaufen. Dabei war der Spruch nun wirklich nicht grad originell.

Alex: Jep.. solche Leute dürften öffentliche Badeanstalten eher meiden. Es müßte der Menschheit schon grundlegende Erleuchtung zuteil werden, wenn sich daran was ändern soll. Im Augenblick wird aber eher wieder verstärkt gemauert, hab ich das Gefühl."
[quote]Ja, eben genau diese grundlegende Erleuchtung vermisse ich eben so sehr! Stattdessen sehe ich soviel Dummheit in der Welt, das einem davon schlecht werden kann. Und das wird sich auch so bald nicht ändern, fürchte ich.
[/quote]

Wir arbeiten dran :-)

Liebe Grüße

Alex

Re: @Susu, @Alex

Garfield, Tuesday, 08.04.2003, 15:19 (vor 7877 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: @Susu, @Alex von Alex am 07. April 2003 23:34:01:

Hallo Alex!

"Also ich glaub, das wird jetzt "heiteres Geschichte raten". Bei vielen Dingen ist ganz und gar unklar, ob es um Instinkte, oder Sozialisation geht. Dass schwangere Frauen z.B. als quasi behinderte lebten stimmt überhaupt nicht. Es gab viele "Feldgeburten", d.h. Frauen haben bis zur Niederkunft körperlich schwer gearbeitet, von privelegierten Schichten mal abgesehen, die eh nicht gearbeitet haben."

Ja, es gab Fälle, in denen Frauen aus armen Familien noch bis kurz vor der Geburt arbeiten mußten. Tatsache ist aber auch, daß eine hochschwangere Frau wohl kaum durchgehend die volle Arbeitsleistung abliefern kann. Und was passierte denn nach so einer Fehlgeburt? Beim damaligen Stand der Medizin konnte die Frau froh sein, wenn sie das überlebte, und oft lag sie dann wochenlang krank im Bett - und brauchte dann erst recht einen Mann als Ernährer.

"Auf jeden Fall artet das hier in ziemliche Mutmaßungen aus, und ich glaub die bringen der Diskussion wenig."

So gesehen ist es auch sinnlos, überhaupt Geschichtsforschung zu betreiben. Selbst wenn es für einen bestimmten Zeitraum Chroniken gibt, so kann man trotzdem nicht sicher sein, ob die wirklich die Wahrheit enthalten. Chroniken wurden nämlich häufig als Auftragswerke geschrieben und dann entsprechend der Wünschen der Auftraggeber gestaltet. Vervielfältigt wurden sie vor Erfindung des Buchdrucks durch Abschreiben, wobei dann aber auch immer wieder Passagen verfälscht, weggelassen oder hinzugefügt wurden. Selbst in der Neuzeit hat es immer wieder Geschichtsfälschungen gegeben. Beispielsweise galten die Leichen polnischer Offiziere, die man nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Massengrab fand, lange als Opfer der deutschen Wehrmacht. Bis dann bewiesen wurde, daß sie 1939 von der Roten Armee liquidiert wurden. Und gerade beweisen uns die USA wieder, daß man aus einem Krieg auch ein interessantes Medienereignis machen kann, in dem es nur heldenmütig siegende Gutmenschen und feige verlierende Bösewichte gibt, und keine unschuldigen Opfer.

Man ist also zwangsläufig oft auf Mutmaßungen angewiesen, wenn klar ist, daß eine bestimmte Darstellung so nicht zutreffen kann.

"Dass reine Hausfrauen sich alle möglichen Dinger zusammenspinnen, glaub ich... ich hab das selbst erlebt, mit einer Mathe-Studentin, die dann als ihr Kind da war und sie auf Hausfrau machte, wirklich total abgedreht ist.... das scheint an der unbefriedigenden Aufgabe zu liegen.... vermute ich mal... Frauen die Teil- oder Vollzeit arbeiten haben in meinem Umfeld jedenfalls solche Aussetzer nicht."

Ich erkläre mir das so: Da ist eine Studentin, die ihr Studium eigentlich eher langweilig findet. Sie hat zwar ganz gute Zensuren, aber so langsam nervt sie das ewige Lernen, und eigentlich hat sie auch keinen Bock darauf, dann später jeden Tag zur selben Zeit zur Arbeit zu gehen... Wenn sie ein Mann wäre, bliebe ihr nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden. Da sie aber eine Frau ist, hat sie ja einen Ausweg... Eigentlich wollte sie ja sowieso irgendwann mal ein Kind, wieso also nicht jetzt? Wenn sie schon das Vordiplom hat, kann sie das Studium doch später immer noch beenden... Also "vergißt" sie dann einfach mal die Pille und bald kann sie ihrem Partner eröffnen, daß sie nun wohl schwanger ist.

Und schon hat sie das gewünschte Alibi, um das lästige Studium unterbrechen zu können. Ihrer Umwelt jammert sie natürlich etwas vor, von wegen, wie ungelegen ihr das Kind doch gerade jetzt mitten im Studium käme, aber eine Abtreibung oder Freigabe zur Adoption kämen ja überhaupt nicht in Frage...

Dann ist das Kind da, bei der Frau brechen erstmal die Mutterinstinkte voll durch, mit dem Ergebnis, daß sie total glücklich ist und nur noch das Kind im Kopf hat. Vielleicht macht das Kind aber viel Arbeit, und bald muß sie auch feststellen, daß ein Kind auch sonst recht lästig ist. Man kann dann nicht mehr so einfach mal spontan wegfahren, sondern man muß dann immer überlegen, wo man das Kind läßt.

Außerdem ist sie aus Schule und Studium ja eine gewisse geistige Beanspruchung gewohnt, die jetzt völlig weg ist. Auf einmal bestehen die täglichen Herausforderungen nur noch in Windelwechseln, Preisvergleich beim Kauf von Babynahrung usw. Irgendwie ist das dann schon frustrierend, und bald fragt frau sich, ob es wirklich die richtige Entscheidung war, das Studium zu unterbrechen. Zumal nun langsam auch klar wird, daß eine Weiterführung des Studiums mit Kind doch nicht ganz so einfach ist, wie frau sich das vorher vielleicht vorgestellt hat. Außerdem ist sie dann ja auch schon eine Weile aus dem Fachgebiet heraus, müßte vieles wiederholen, und später könnte sie wegen dem Kind eh zumindest kaum auf Vollzeit arbeiten... Der Partner kann die Kinderbetreuung ja auch nicht übernehmen, denn er hat ja bereits eine Ausbildung, verdient damit gut, und auf das Gehalt kann die Familie unmöglich verzichten... Außerdem muß frau sich auch eingestehen, daß es ihr auch gar nicht so recht wäre, wenn der Partner zu Hause beim Kind bleibt, während sie selbst das Geld heranschaffen muß und ihr Kind kaum noch zu sehen bekommt... Eine Frau hat das neulich in einer Fernseh-Reportage auf RTL II mal so ausgedrückt: "Ein Mann muß arbeiten. Richtig schwere Arbeit machen. Und nicht mit den Kindern spielen."

Also läßt sie alles so, wie es ist. Weil das ja auch am einfachsten ist. Der Frust ist aber immer noch da. Vor allem, wenn sie ehemalige Kommilitoninnen sieht, die jetzt womöglich das Studium schon beendet und gutbezahlte Jobs gefunden haben. Wenn sie sich dann vor Augen hält, daß sie sich das alles selbst eingebrockt hat, wird der Frust noch größer. Was bleibt also übrig? Frau greift die radikalfeministischen Dogmen auf und fühlt sich auf einmal arg vom Patriarchat unterdrückt und benachteiligt.

Das hat auch noch den angenehmen Nebeneffekt, daß frau den Partner durch entsprechendes Gejammere dazu bewegt bekommt, sie noch mehr zu unterstützen und zu entlasten. Daß er dann neben seinem Job gar keine Freizeit mehr hat, verschafft ihr zwar irgendwie schon ein schlechtes Gewissen, aber auch das läßt sich mit diversen radikalfeministischen Dogmen prima unterdrücken. Schließlich sind die Frauen ja schon seit Jahrtausenden ganz furchtbar von den Männern unterdrückt worden, schließlich hat sie das Kind ja unter Schmerzen austragen und zur Welt bringen müssen und dafür auch noch ihre Karriere zugunsten ihres Partners geopfert - da ist es doch nur recht und billig, wenn der Partner da nun mal ein wenig Wiedergutmachung leistet...

"Gibts auch bei Männern.... nur... was auf den ersten Blick bequem aussieht, muß nicht das gelbe vom Ei sein."

Aber Männer geben bei Umfragen eher selten solche Wünsche an! Viele Männer sagen dann zwar auch, daß sie sich mehr Zeit für die Familie wünschen, aber trotzdem scheint vielen Männern der Job wichtiger zu sein als vielen Frauen.

Das kann natürlich durchaus auf Erziehung beruhen. Schließlich ist das heutige Berufsleben mit den früheren Tätigkeitsbereichen der Menschen gar nicht mehr vergleichbar. Früher war es nicht so, daß der Höhlenmensch morgens um 7 Uhr aufstand, dann pünktlich um 8 zur Mammut-Jagd aufbrach, dabei Punkt 16.30 Keule und Speer fallen ließ und zurück zur Höhle marschierte. Unsere heutigen Lebensumstände sind eigentlich total unnatürlich, und somit kann es auch keine Instinkte geben, die Männer dazu bringen, sich so etwas zu wünschen. Allerdings gibt es offensichtlich bei Männern gewisse Fürsorge-Instinkte gegenüber Frauen und Kindern, die sie dann eben auch dazu bringen, bereitwillig die Ernährer-Rolle zu übernehmen und dazu eben auch das unnatürliche Berufsleben in Kauf zu nehmen. Und noch bereitwilliger tun sie das, weil sie obendrein auch noch dazu erzogen werden.

"...meiner Erfahrung nach ist Macho echt out.... Die wenigen Frauen, die ich kenne, die Machos bevorzugen, wollen nen "zahmen Macho"... einer der so tut als ob..."

Das kommt drauf an, was du unter einem Macho verstehst. Ich meinte damit jetzt eigentlich einfach nur einen Mann, der gern die althergebrachte Ernährer-Rolle übernimmt und es auch gut findet, wenn seine Frau Hausfrau ist. Jemanden, der gern den "knallharten Typen" spielt und auch gern mal mit seinen tatsächlichen oder angeblichen Fähigkeiten und natürlich auch mit seinen Erfolgen bei Frauen prahlt. Jemanden, für den es überaus wichtig ist, ein dickes Auto zu fahren. Ich kenne viele Frauen, die solche Männer bevorzugen. Aber nur sehr wenige von ihnen geben das offen zu.

Ich persönlich bin kein Macho-Typ, und als heterosexueller Mann bekommt man es dann besonders krass zu spüren, daß viele Frauen eben doch auf Machos stehen. Da kamen dann schon mal Bemerkungen wie "ich möchte einen echten Kerl" oder "würdest du mir helfen, wenn mich jemand angreifen würde?" oder "wenn du etwas fester wärst, könnte ich mir dich ja durchaus als Freund vorstellen, aber so..." Dazu muß ich noch schreiben, daß ich keineswegs wie Daniel Kübelböck aussehe, sondern schon immer durchaus groß und kräftig war. Es ist nur so, daß ich üblicherweise eben nicht den großen Larry raushängen lasse und nicht überall groß herumpose, was ich alles kann und weiß. Und dann gehen die Damen der Schöpfung eben automatisch davon aus, daß so ein Mann gar nichts kann und weiß. Und ein Nichtskönner ist kein guter Ernährer und Beschützer, also eben auch kein guter Partner. Der Macho kommt da allein schon dank seines Imponiergehabes weitaus besser weg.

In Arnes Buch fand ich auch die Passage interessant, wo er die Studie erwähnt, die mit Feministinnen gemacht wurde. Da hat man sie nach ihrem Traumpartner gefragt, und prompt kam dann von der Mehrheit dieser Feministinnen wieder die Aussage, daß ihr Traumpartner auch mindestens genauso gut verdienen müsse wie sie... Es ist schon interessant, daß selbst Feministinnen, die ja eigentlich bewußt eher dazu tendieren sollten, althergebrachte Rollenmuster über Bord zu werfen, trotzdem an solchen alten Zöpfen festhalten. Und daß sie die Hausmänner, die sie immer wieder fordern, offensichtlich selbst gar nicht wollen.

"Das widerlegt meine Aussagen nicht. Amerika war gefährlich... und, was glaubst Du wie wesentlich anders sich dazu im Gegensatz HEUTE eine neue Sozialisation bilden würde? Ich glaub da gäb es, wenn keiner vorbelastet ist kaum Unterschiede zwischen Männlein und Weiblein."

Das ist kompliziert zu erklären. Es ist doch offensichtlich, daß die Waffenentwicklung sich immer wieder stimulierend auf den technischen Fortschritt ausgewirkt hat. Ohne den Zweiten Weltkrieg wären beispielsweise Computer, Strahltriebwerke, Atomkraftwerke und Raketen nicht das, was sie heute sind.

Man muß also leider feststellen, daß Kriege oder zumindest Konflikte zwischen Gruppen von Menschen schon immer eine wesentliche Triebkraft für die technologische Entwicklung waren. Das war vor 10000 Jahren noch nicht ganz so krass, aber es war auch damals prinzipiell schon so.

Wenn nun eine relativ kleine Gruppe von Menschen damit beginnt, einen riesigen und bisher von Menschen unbewohnten Doppel-Kontinent zu besiedeln, dann gibt es dort zunächst kein Konfliktpotenzial. Man kann also davon ausgehen, daß es eine lange relativ friedliche Periode gegeben hat, die sich wahrscheinlich sogar über Jahrtausende hinzog. Man muß dabei ja auch das damals eher geringe Lebensalter der Menschen berücksichtigen, also davon ausgehen, daß die Bevölkerung sich nicht sofort explosionsartig vermehrte.

Deshalb hatten es die Menschen in Amerika auch nicht nötig, ihre Technologie wesentlich weiter zu entwickeln. Sie kamen mit dem, was sie schon bei der Besiedelung Amerikas hatten, prima zurecht. Diese Waffen waren für die Jagd auf riesige Eiszeit-Tiere erfunden worden und reichten somit nun selbst für die Jagd auf einen Grizzly-Bären aus. Zur reinen Verteidigung gegen Raubtiere hatte man Feuer, und Kriege gegen andere Menschen, für die man vielleicht neue Waffen hätte entwickeln müssen, gab es zunächst nicht.

Nun kann man davon ausgehen, daß nicht jeden Tag ein riesiger Grizzly erlegt werden mußte. Und daß die Menschen damals allein schon aufgrund ihrer schweren körperlichen Arbeit allgemein kräftiger waren als heute, was dann natürlich auch die Frauen betraf.

Mit Arbeit in der Landwirtschaft und Jagd auf kleinere Tiere waren also auch Frauen durchaus nicht überfordert. Somit verringerte sich die Bedeutung der Männer als Jäger, und als Krieger wurden sie zunächst auch kaum noch benötigt.

Unter solchen Umständen war es nicht mehr existenziell wichtig, eine starre Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau aufrecht zu erhalten. Und da kann ich mir schon vorstellen, daß sich diese Aufgabenverteilung dann langsam aufgelöst hat. Als Amerika komplett besiedelt war und es dann doch langsam wieder Kriege gab, hatte sich die Gesellschaft dort offenbar schon so weit verändert, daß das nicht mehr rückgängig gemacht wurde. Und man fand ja auch so noch genügend Personen, die dann eben auch mal in den Krieg zogen. Außerdem herrschten bei den jeweiligen Gegnern ja ähnliche Verhältnisse. Bis dann die Europäer kamen...

In Europa war das nämlich ganz anders. Dort lebten die Menschen schon vor 10000 Jahren relativ eng zusammen, jedenfalls verglichen mit den Verhältnissen in Amerika. So gab es schon damals immer wieder Kriege zwischen ihnen. Bei der Jagd hatte der Mensch immer den Vorteil der überlegenen Intelligenz. Im Krieg gegen seinesgleichen dagegen schwand dieser Vorteil. Da mußte man dann eben zusehen, daß man dem Gegner z.B. durch bessere Waffen überlegen war. Außerdem war es auch wichtig, alle Menschen einer Gruppe möglichst effektiv einzusetzen. Ein Volk, das auch Frauen in den Krieg schickte, konnte schnell in die Situation geraten, zwar eine Schlacht zu gewinnen, aber dabei jede Menge Frauen zu verlieren und dann in der nächsten Generation zahlenmäßig weitaus schwächer wieder demselben Volk im Krieg gegenüberzustehen. Wenn dieses Volk aber früher nur Männer in den Krieg geschickt hatte, dann hatten seine Frauen den Krieg vielleicht unbeschadet überlebt und inzwischen allesamt Kinder bekommen, die nun eine zahlenmäßig starke Armee bildeten...

Wer weiß - vielleicht wurden ja die Kelten auch deshalb besiegt und verdrängt, weil bei ihnen Frauen und Männer gleichermaßen in den Krieg zogen?

Ja, und ich denke, daß das der Grund dafür ist, wieso viele europäische Völker am 2-Geschlechter-Modell festhielten und auch die Rollen zwischen Mann und Frau oft klar verteilt waren.

Jeder Mensch, dem so etwas instinktiv zuwider war, störte da nur und hatte somit eine höhere Chance, quasi bei der Partnerwahl ausselektiert zu werden. Bei den Indianervölkern war das eben lange Zeit nicht so, so daß sich dort eine größere Vielfalt entwickeln konnte.

Natürlich spielt da auch die gesellschaftliche Erziehung eine Rolle. Aber es ist nun einmal so, daß Menschen genau wie Tiere eben auch Instinkte haben, und wieso soll es da keine Wechselwirkungen zwischen Sozialisation und Instinkten geben?

"Ja... aber der große Unterschied war: Den individuellen Wünschen nach, nicht nach biologischen Kriterien."

Was macht dich so sicher, daß die individuellen Wünsche nicht auf biologischen Kriterien basieren?

"Worauf willst Du hinaus? Die 2 Geschlechter sind IMO einfach stilisierte Wesen, die es so nicht gibt.... oder auch: Everybody is queer.... Du mußt nur ein bisschen schauen, Du findest bei jedem Menschen was!"

Ja, aber ich bezweifle, daß man bei vielen Menschen wirklich so viel findet, daß man wirklich sagen kann, daß sie dem Geschlecht, das ihnen quasi offiziell zugewiesen wurde, absolut nicht entsprechen!

Als ich diesen Test an Frauen erwähnte, wollte ich eigentlich nur darauf hinaus, daß es eben ganz offensichtlich unbewußte Mechanismen gibt, die Frauen dazu bringen, einen bestimmten Gesichtstyp attraktiv zu finden. Wenn das nun durchgängig derselbe Gesichtstyp wäre, könnte man davon ausgehen, daß diese Präferenzen anerzogen sind. Dieser Test hat aber eben ergeben, daß die Wünsche der Frauen da durchaus nicht konstant waren, sondern schwankten, und zwar in Abhängigkeit vom Hormonspiegel.

Die Frauen fanden in Abhängigkeit vom Hormonspiegel zwei ganz unterschiedliche Gesichtstypen attraktiv. Das legt die Annahme nahe, daß einer dieser Gesichtstypen eher anerzogen ist, der andere jedoch instinktiv festgelegt.

"Na ob das mit "männlich" oder mit Ausdruck von "Entschiedenheit" zusammenhängt, sei mal dahingestellt. Vielleicht hat sich so auch die Mär von der "Enschlußkraft" der Männer entwickelt."

Vielleicht. Tatsache ist aber, daß offensichtlich Menschen bestimmte Merkmale des Gesichts instinktiv mit bestimmten charakterlichen Eigenschaften assoziieren. Das kann zumindest nicht bewußt anerzogen sein. Möglich wäre allenfalls, daß sie durch alltägliche Beobachtung von Menschen solche Verbindungen zwischen Gesichtszügen und Charaktereigenschaften herstellen. Daß man also, wenn man immer wieder Männer mit markantem Kinn und hoher Durchsetzungsfähigkeit erlebt, beides in Zusammenhang bringt.

Aber auch das bedeutet, daß es Instinkte geben muß, die uns dazu bringen, solche Beobachtungen zu machen und solche Schlußfolgerungen daraus zu ziehen. Und letztendlich bedeutet es auch, daß solche Verbindungen zwischen körperlichen und psychischen Eigenschaften tatsächlich bei der Mehrzahl der Menschen existieren...

"Wer sagt, dass ein Kind überhaupt etwas zuordnet, außer Individualität und verhaltensmäßigen Ähnlichkeiten? Und diese Ähnlichkeiten sind IMO durch Sozialisation entstanden, und werden ab dem Augenblick der ersten Wahrnehmungen eines Kindes, an dieses weitergegeben."

Auch Tiere beobachten ihre Umwelt sehr genau und stellen für sich selbst Verhaltensregeln auf. Wieso sollten Kinder bzw. Menschen dies nicht tun? Natürlich wäre es für ein Kind normal, Menschen in 5 Geschlechter einzuordnen, wenn es in seiner Umwelt 5 deutlich unterscheidbare Geschlechter gäbe. Aber was bringt das Kind denn erst dazu, sich solche geistigen Schubladen zu bilden? Und wieso sollte es irgendeinen Unterschied machen, ob es Menschen in 2 oder 5 Schubladen einordnet?

"Fakt ist aber, dass Hormone nicht nur Gefühle beeinflussen, sonder Gefühle auch Hormone.... letzteres ist sogar sicherer als ersteres."

Stimmt, es ist eine Wechselwirkung.

"Dass sich Hirnaktivität verändert hat, wüßte ich nicht... woher hast Du das? Reaktionszeit dürfte an der Muskulatur liegen. Aber was willst Du damit sagen?"

Das mit der veränderten Hirnaktivität wurde bei einer Person gemessen, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat. Bei diesen Tests, die ich schon vorher erwähnt habe. Man hat mit dieser Person Vorher- und Nachher-Tests gemacht. Dabei hat sich eben auch gezeigt, daß sich durch die Hormontherapie auch die Hirnaktivitäten verändert haben.

Was ich damit sagen will? Wenn eine Hormontherapie den Körper offensichtlich so stark verändern kann, wieso sollte sie sich dann nicht auf die instinktiven Voraussetzungen auswirken? Die sind doch letztendlich körperlich festgelegt.

Ich hatte geschrieben: "Aber ich glaube, der Hund war in dem Moment fest davon überzeugt, daß die Wolldecke sowas wie ein Sex-Partner war! :-) Genauso wie so manches Huhn glaubt, daß ein Ball ein Ei ist und sich dann draufsetzt, um es auszubrüten."

Darauf hast du geantwortet: "Glaub ich nicht.... bei einer Frau, die einen Dildo benutzt, dürfte das ähnlich aussehen...."

Was glaubst du nicht? Das mit dem Huhn? Das hab ich mal in einer Fernsehreportage gesehen. Die haben dem Huhn einen Ball hingelegt und es hat sich tatsächlich draufgesetzt. Die dahinterstehenden Denkvorgänge waren klar erkennbar: Ball = rund = Ei = Brüten. Eben alles instinktiv festgelegt... Deshalb legt man Hühnern ja auch Gipseier hin. Das animiert sie dann dazu, echte Eier dazu zu legen.

Ob ein Dildo bei Frauen auch gewisse Instinkte auslöst, weiß ich nicht, ich möchte hier aber auch nicht Frauen mit Hühnern vergleichen... :-)

"Susu meinte hier was anderes, so hab ich es wenigstens verstanden: Wenn Du aus einem schwarzen Kind ein weißes zu machen versuchst, wird das erstens nicht funktionieren, und zweitens mehr Schaden als Gutes anrichten."

Okay, aber es besteht ja auch wenig Grund, um dies zu tun! Das ist immer eine Schaden/Nutzen-Abwägung.

"Intersexuelle ewige Solisten? Du scheinst zu glaube, dass es nicht viele Queer's gibt, denen es herzlich egal ist, was jetzt da wie aussieht...

Dazu kommt, dass Intersexuelle überproportional häufig äußerst intelligent sind, und dadurch auch einige Schwierigkeiten aus dem Weg räumen können..."

Ja, gut, im Erwachsenenalter mögen sie ja heute schon ganz gut zurecht kommen. Aber die Kindheit hat den größten Einfluß auf einen Menschen. Kinder haben zwangsläufig noch nicht ihre volle Intelligenz, und vor allem fehlt ihnen die nötige Lebenserfahrung, um mit solchen sinnlosen Anfeindungen umzugehen.

"Oh doch.... ich im Rock... ne Truppe pubertierender Kids.... fragt einer "Bist Du schwul?".... ich so... "Wieso? Suchstn Date?".... der Rest der Truppe hat ihn ausgelacht, nicht mich *g* dumm gelaufen. Dabei war der Spruch nun wirklich nicht grad originell."

Ha ha, das dumme Gesicht von dem Typen kann ich mir gut vorstellen... :-) Ja, gut, aber das ist nicht dieselbe Situation als wenn man im Schwimmbad unter der Dusche dumm angepöbelt wird.

Freundliche Grüße
von Garfield

Re: @Susu, @Alex

susu, Sunday, 23.03.2003, 00:13 (vor 7894 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: @Susu, @Alex von Alex am 21. März 2003 09:57:28:

Hallo Alex.

Das sehe ich etwas anders. Das stimmt nur in dem Kontext der Klischees, die wir real leben. Real ist für TG, dass sie so, wie es ihrem Wesen entspricht nicht leben können, OHNE das Geschlecht zu wechseln, weil die Ablehnung der Umwelt dann noch stärker wäre. Außerdem darfst Du nicht vergessen, dass es auch unter TG genauso viele Klischeegläubige gibt, wie in der Durchschnittsbevölkerung auch. Auch diese wissen nicht zwangsläufig oder kommen auf den Gedanken, dass zwei Geschlechter nicht begrünbar oder belegbar sein könnten. Auch sie bewegen sich genauso oft in der binären Logik: Wenn ich mich als Mann falsch fühle muß ich wohl eine Frau sein. Anstatt fließende Übergänge zu sehen wird also auch hier das 0-oder-1-Prinzip zementiert, wie anderwo auch.

Ich habe zwei Anmerkungen:
1) Ich denke der Anteil der Klischeegläubigen in der Trans*-Szene ist geringer als anderswo, einfach weil das Thema so präsent ist und diesem Denken entgegengerichtete Meinungen ein festes Standbein Trans*-Orientierter Magazine und Websites ist.
und 2) Es stimmt zwar, daß die Ablehnung die TG erfahren, wenn sie so leben, wie sie es wollen z.T. stärker ist, als die, die passende TS erfahren. Trotzdem sind diese Leben lebbar, sie werden gelebt und werden weiter gelebt werden.

Und an dieser Stelle: Ich habe heute GENDERqUEER endlich zu Ende gelesen. Es gibt kein Buch, daß ich im Moment särker empfehlen könnte. Die ganze Bandbreite von genderqueeren Existenzen, die ganze Bandbreit von möglichen Emotionen, nachdenkliche Texte, todtraurige Texte, lustige Texte, erotische Texte. Und das alles eingebettet in die brilliante Rhetorik von Rikki Wilchins. Und gerade sehe ich, daß im Frühjahr 2004 ein neues Buch von Rikki erscheinen soll. Eine Art Grundstztext zum Thema gender... Ich bin gespannt wei ein Flitzebogen :)

susu

Re: @Susu, @Alex

Alex, Sunday, 23.03.2003, 01:01 (vor 7894 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: @Susu, @Alex von susu am 22. März 2003 22:13:54:

Hallöchen Susu!

Ich habe zwei Anmerkungen:
[quote]1) Ich denke der Anteil der Klischeegläubigen in der Trans*-Szene ist geringer als anderswo, einfach weil das Thema so präsent ist und diesem Denken entgegengerichtete Meinungen ein festes Standbein Trans*-Orientierter Magazine und Websites ist.
[/quote]

Etwas geringer ja (das habe ich in meinem Posting an Garfield wegrationalisiert, weil es in dem dortigen Kontext nicht entscheidend war) - weil man als Trans* eher gezwungen ist, sich über diese Themen Gedanken zu machen - dennoch kommen viele auch einfach in das Fahrwasser der binären Logik, nicht jeder ist fähig so ein Monument wie das Geschlechtermodell anzuzweifeln, andere möchten es garnicht.

und 2) Es stimmt zwar, daß die Ablehnung die TG erfahren, wenn sie so leben, wie sie es wollen z.T. stärker ist, als die, die passende TS erfahren. Trotzdem sind diese Leben lebbar, sie werden gelebt und werden weiter gelebt werden.

Klar *g* ich lebe... und ich hab nicht vor das zu ändern :-)
Dazu ist es dann allerdings schon zwingend die bestehenden Geschlechtermodelle anzuzweifeln und sich eine eigene Philosophie zu entwickeln.

Und an dieser Stelle: Ich habe heute GENDERqUEER endlich zu Ende gelesen. Es gibt kein Buch, daß ich im Moment särker empfehlen könnte. Die ganze Bandbreite von genderqueeren Existenzen, die ganze Bandbreit von möglichen Emotionen, nachdenkliche Texte, todtraurige Texte, lustige Texte, erotische Texte. Und das alles eingebettet in die brilliante Rhetorik von Rikki Wilchins. Und gerade sehe ich, daß im Frühjahr 2004 ein neues Buch von Rikki erscheinen soll. Eine Art Grundstztext zum Thema gender... Ich bin gespannt wei ein Flitzebogen :)

klingt toll... sobald ich ein bissi Zeit hab, werd ich mir das auch mal antun.

Liebe Grüße

Alex

Re: @Susu, @Alex

susu, Sunday, 23.03.2003, 00:14 (vor 7894 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: @Susu, @Alex von Garfield am 21. März 2003 08:35:14:

Hallo Garfield

Ihr sprecht euch also beide für die Abschaffung des Geschlechtsbegriffes aus. Das halte ich allerdings nicht für realisierbar. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Menschen sich nur durch ihre Erziehung einem bestimmten Geschlecht zugehörig fühlen, ist es doch trotzdem so, daß die überwiegende Mehrheit der Menschen einfach nichts daran ändern möchte. Und so eine Masse kriegt man nicht einfach von Null auf Jetzt bewegt.

Stimmt, das ist ein sehr langwieriger Prozess. Wobei Ich immer noch denke, daß es möglich ist, diesen Prozess ins Leben zu rufen. Und nein, ich habe nicht vor, irgendjemandem die eigenen Selbstdefinition abzusprechen, es sei denn sie bricht durch meine Existenz zusammen.

Außerdem glaube ich nicht, daß ein Mensch sich nur durch Erziehung einem Geschlecht zugehörig fühlt. Mit Susu hab ich das im damals noch existierenden Forum der "Feministischen Partei" vor einiger Zeit schon mal ausführlich diskutiert, was dann - soweit ich mich erinnere - leider durch eine Löschorgie der werten "Mitfrauen" unterbrochen wurde.

Nicht nur einmal... Die Diskussion haben wir immer so Stückchenweise geführt, dann war der thread wieder weg (z.T. auch nur dieser). Ohne Begründung und die Moderatoring hat mich des öfteren angemailt und gesagt, daß sie diese threads immer sehr interessant fand (BTW, kamen die erste Mail von Arne und die erste Mail vom Bundesvorstand der FRAUEN im Abstand von ca. 1 Stunde, was ich ziemlich bemerkenswert fand).

Gerade die Menschen, die im falschen Körper geboren wurden, sind doch der beste Beweis dafür, daß sich das "Geschlechtsbewußtsein" keineswegs nur durch Erziehung herausbildet. Die werden ja üblicherweise auch immer noch ihrem körperlichen Geschlecht entsprechend erzogen, und trotzdem fühlen sie sich irgendwann dem anderen Geschlecht zugehörig. Auch diesen Menschen scheint die Festlegung ihres Geschlechts durchaus wichtig zu sein, denn sonst würden sie ja nicht soviel dafür tun, um es auch äußerlich zu ändern.

Also ich kenne durchaus auch Menschen, die eine oder mehrere OPs hinter sich haben, sich aber dennoch weder als Mann noch als Frau definieren würden. Ich denke über eine HRT nach, ohne dabei mein Selbstbild zu verändern. Dieser Satz "Ich wurde im falschen Körper geboren" ist eher so etwas wie eine Erklärung für diejenigen, die eben binär denken, da entsteht leichter Verständnis. Außerdem ist dieser Satz praktisch ein muß, um überhaupt gender-relevante Bahndlungen machen zu können. Eine Frau, die Brustimplantate wünscht geht einfach zum Plastischen, ein Mann, der gern eine Brustvergrößerung hätte, muß erstmal zum Psychoanalytiker. Der Unterschied zwischen "Ich sehe mich als Mann, aber ich trage Röcke" und "Ich sehe mich zwar als Mann, aber ich hätte gern eine Brustvergrößerung" ist, daß für´s Röckekaufen kein Gutachten erforderlich ist...

Um über die Sozialisation zu sprechen: Bis zum Alter von 3 Jahren sind Kinder nicht in der Lage, ein "funktionierendes" gender-Modell aufzubauen. In diesem Alter suchen sie sich Vorbilder, an deren Verhalten sie sich orientieren unabhängig von Geschlecht. Hat jetzt ein Junge primär Frauen als Vorbilder, oder ein Mädchen primär Männer, dann wird das Kind es als starke Einschränkung empfinden, diese Vorbilder nicht mehr nachahmen zu dürfen.

Gut - man kann nun natürlich darüber diskutieren, ob sie das vielleicht nur auf Druck der Umwelt wollen. Aber auch dann bleibt die Tatsache, daß diese Menschen ihr "Geschlechtsbewußtsein" nicht durch, sondern definitiv gegen ihre Erziehung entwickelt haben. Denn bevor man darüber nachdenkt, sein Geschlecht körperlich zu ändern, muß man ja erst einmal den Wunsch dazu haben.

Wobei es da extrem viele Grautöne gibt, gerade in diesem Bereich.

Und das zu ändern, ist ebenfalls eine ziemlich große Aufgabe. Denn leider ist es so, daß Menschen sich instinktiv ihre Normen nach dem bilden, was sie in ihrer Umwelt sehen und dann eben als "normal" empfinden. Und mittlerweile spielen da die Medien eine immer größere Rolle. Aber vielleicht ist das gar nicht so schlecht, denn man kann diese Beeinflussungs-Möglichkeiten durch die modernen Medien durchaus auch positiv einsetzen.

Ein Wort: Kübelböck.
Ich empfehle die Lektüre von David Gauntletts "Media, Gender and Identity", daß allerdings auch die Frage stellt, wieviel Macht die Medien und wieviel die Konsumenten haben, wenn es darum geht ein mediale Darstellung mit einer Aussage zu füllen.

Eigentlich gibt es ja nur eine Möglichkeit, da etwas zu bewegen: Die Problematik von Menschen, die sich einem der beiden anerkannten Geschlechter nicht zugehörig fühlen, muß häufiger öffentlich diskutiert werden. Denn je häufiger die Menschen damit konfrontiert werden, umso eher sind sie bereit, ihre Normen zu ändern.

Stimmt. Eine Stimme zu schaffen, oder besser einen vielstimmigen Chor, das ist ein zentrales Anliegen.

So haben es ja beispielsweise Homosexuelle geschafft, mittlerweile zumindest weitaus mehr anerkannt zu werden als in früheren Zeiten. Aber selbst Homosexuelle stoßen auch heute immer noch auf Vorurteile oder sogar Anfeindungen. Obwohl ihre "Befreiung" doch schon vor gut 30 Jahren begonnen wurde. Da kann man sich vorstellen, wie lange es noch dauern wird, bis auch Transsexuelle oder andere Menschen, die nicht in das übliche Geschlechtermodell passen, von der Mehrheit der Bevölkerung voll akzeptiert werden...

Angefangen haben die Homosexuellen schon in der Weimarer Republik, ich sag nur Hrischfeld. Trans* waren immer präsent in dieser Bewegung, nur seit es eine gewisse Akzeptanz gab und es der Mehrzahl der Schwulen und Lesben darum ging, möglichst "normal", oder besser "unanders" rüberzukommen, erschien es ihnen oft nicht mehr so opportun uns einzuschließen. Mitlerweile scheint sich das allerdings wieder zu ändern.

susu

Re: Verstiegen ....

susu, Thursday, 20.03.2003, 20:58 (vor 7896 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: Verstiegen .... von Garfield am 20. März 2003 16:19:03:

Hallo Garfield,

Auch in der Wissenschaft ist es allgemein üblich, komplexe Zusammenhänge in vereinfachten Modellen darzustellen. So gibt es beispielsweise keinen wirklichen Atomkern, genauso wenig wie es eine wirkliche Atomhülle gibt. Trotzdem werden diese Begriffe allgemein verwendet, weil man sich den Sachverhalt dann vereinfacht bildlich vorstellen kann.

Stimmt. Der Ursprüngliche Text, auf dem diese Debatte fußt war so ein Versuch eines vereinfachten Modelles der Art und Weise wie Geschlecht "gemacht" wird. Ein Atommodell ist genauso sozial konstruiert, wie Geschlecht, d.h. es ist eine Abstaktion, die approximativ die Realität beschreiben soll. Die Frage ist, wie Sinnvoll diese Abstatktion in einem Bestimmten Kontext ist.

Wenn man vom männlichen und vom weiblichen Geschlecht spricht, hat das letztendlich auch nur Modellcharakter. DEN typischen Mann und DIE typische Frau wird man real kaum finden. Dennoch kann man die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung trotz mehr oder weniger großer Abweichungen von der jeweiligen Norm einem dieser beiden "Modellgeschlechter" zuordnen.

Stimmt. Aber aus der Tatsache, daß die überwiegende Mehrheit entweder blau oder brauen Augen hat, ergibt sich noch nicht, daß es nur zwei Augenfarben gibt...

Ich bin mir nicht so sicher, worum es dir eigentlich konkret geht. Es gäbe zwei Möglichkeiten, um die von dir immer wieder angesprochene Problematik mit den Geschlechtern zu lösen:
Erstens könnte man die Anzahl der Geschlechter erweitern. Aber wo soll das enden? Zunächst einmal könnte man ein drittes Geschlecht einführen, dem alle Menschen zugeordnet werden, die man den beiden jetzt allgemein anerkannten Geschlechtern nicht einigermaßen eindeutig zuordnen kann. Das wird manchen Menschen aber dann auch bald nicht mehr reichen. Menschen, die z.B. körperlich Männer sind, sich psychisch aber als Frauen fühlen, könnten die Einführung eines eigenen Geschlechtes verlangen, oder auch Menschen, deren Chromosomen irgendwie von der Norm abweichen... Ehe wir uns versehen, haben wir dann auf einmal mindestens 32 (und irgendwann womöglich mal 10 Milliarden) Geschlechter, die sich noch nicht einmal bei der Geburt festlegen lassen. Man müßte einem Menschen bei der Geburt erst einmal ein zeitweiliges Geschlecht verpassen, das dann später nach aufwändigen körperlichen und psychologischen Untersuchungen endgültig festgelegt werden müßte... Das würde einen Riesen-Aufwand mit sich bringen. Und wofür?

Stimmt... Wofür?

Da wäre die zweite Möglichkeit schon wesentlich einfacher: Wir schaffen den Geschlechtsbegriff einfach ab. Administrativ wäre das wahrscheinlich kaum ein Problem. Aber ansonsten fallen mir da ad hoc doch einige Probleme ein:
Konsequenterweise dürfte man dann ja öffentliche Toiletten, Umkleideräume oder Duschen nicht mehr nach Geschlecht trennen. Und damit hätten viele Menschen aber definitiv ein Problem.

Das wäre die Möglichkeit, für die ich plädieren würde, nur, daß das eher ein kultureller Wandel sein müßte. Es gibt schon Lokale, in denen die Klos mit "butch enough?" und "femme enough?" beschriftet sind. Administativ wäre es vor allem wichtig die bestehenden Zwänge zu lösen.

Und vor allem müßte man die Menschen dahingehend beeinflussen, sich nicht mehr als Frauen oder Männer zu sehen. Das wäre dabei wohl das größte Problem, denn das wollen wirklich nur vergleichsweise wenige.

Dieses "sich als Mann/Frau sehen" ist m.E. anerzogen. Menschen lernen andere Menschen zu "lesen" und tun dies auch mit sich selbst. Geschlecht ist ein Verb.

Wie man's auch dreht und wendet - der Anschiß lauert überall und recht kann man's eh nicht allen machen. Die Beibehaltung der zwei "Modell-Geschlechter" scheint mir jedenfalls das kleinste Übel zu sein.

Kommt sehr auf den Standpunkt an. Ohne das Postulat der Zweigeschlechtlichkeit könnten wir uns wahrscheinlich die ganze Gender-Thamatik schenken, da hängt ALLES mit dran, was wir hier diskutiert haben und diskutieren, von der Sorge, über die Wehrpflicht bis hin zur häuslichen Gewalt.

Grüße
susu

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Arne Hoffmann, Sunday, 09.03.2003, 23:04 (vor 7907 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Alex am 09. März 2003 15:55:03:

Hi Alex,

jetzt muß ich auch mal hier mitmischen :-)

herzlich willkommen! :-)

Die größten Hemmnisse am Verstehen der Texte entstehen aber nicht durch das Niveau, sondern dadurch, dass es Euch, Ferdi und Arne (mit leichten Vorteilen bei Arne), schwer fällt einen so gender-losgelösten Standpunkt nachzufühlen, wie ihn Susu einnimmt.

Auf der einen Seite ist es mir schon ein Anliegen, die Position "der Männer" zu vertreten. Auf der anderen Seite bin ich ziemlich angepisst von dem Biologismus, wie er momentan aufgrund pseudowissenschaftlichen Büchern wie dem von Alan und Barbara Pease Hochwasser hat. Meine Ablehnung einer Haltung, der zufolge Frauen und Männer in ihrem Wesen grundverschieden sein sollen, zieht sich ja auch als ständiger Subtext durch "Sind Frauen bessere Menschen?" Andererseits habe ich mich noch nicht näher mit dem Konzept von Postgender beschäftigt, obwohl ich natürlich weiß, wer Judith Butler ist.

Einengend ist jede Rolle, die man glaubt erfüllen zu müssen. Die Frage ist eigentlich: Wie kommt es, dass sich so viele genötigt sehen einer Illusion "Männlichkeit" oder "Weiblichkeit" nachzulaufen und sich dadurch selbst die Freiheit zu beschneiden. Bzw. anders herum: Warum "bestraft" man Menschen die dies nicht tun.

Ich persönlich bin auch der Ansicht, dass dieser Rollenzwang viel zu sehr einengt. Ähnlich wie Ferdi kann ich mit Leuten wenig anfangen, die ihre Männlichkeit durch Krücken wie beruflichem Erfolg, Statussymbole und demonstrativem Mackertun ständig aufrechterhalten müssen. Auch bei der Partnerwahl ist es für mich kein Entscheidungs-Kriterium, wie weiblich (oder männlich) sich eine Frau verhält.

(...) Der tolle Geschlechterkampf kommt in meinen Augen dadurch zustande, dass die Unterschiede der individuellen "Metermaße" verleugnet werden. Und das verhindert damit auch zu erkennen, wie wenig die Begriffe männlich/weiblich überhaupt aussagen. Wenn ich 1kg verlange und bekomme alles zwischen 1g und 10000g, sagt der Begriff 1kg einfach FAST NICHTS mehr aus.

Wobei wir aber in einer Welt leben, die diese Teilung vornimmt. Das heißt, wenn eine Person in eine der beiden Waagschalen geworfen wird, dann muss sie entweder Kriegsdienst leisten, oder es bleibt ihr erspart. (Nur mal als Beispiel.)

<li>Fast jede Ansicht die ein Mensch vertritt bietet ihm Vorteile

Dem würde ich widersprechen, aber ich weiß nicht, ob so ein Exkurs hier etwas bringt. :-)

Und da dies so ist, ist im kollektiven Bewußtsein nicht nur der biologische Unterschied vertreten (wo es wie Susu schrieb auch schon Ausnahmen gibt und eben nicht nur männlich und weiblich) sondern ein irrsinniges Gespinst von schein-philosphischen Aussagen, wovon KEINE einer objektiven Prüfung standhalten würde.
Deswegen Susu's Ausflug in die Statistik, bzgl. der tertiären Geschlechtsmerkmale. Die Mathematik wäre hier ein wirklich objektives Werkzeug... und sie sagt: Bei den tertiären Geschlechtsmerkmalen läßt sich keine Aussage bzgl. männlich/weiblich mehr treffen.

Zumindest keine eindeutige Zuordnung, nein. Möglicherweise eine Häufigkeitsverteilung. Je nachdem, welches tertiäre Geschlechtsmerkmal man heranzieht.

Ich, und ich denke Susu auch reagieren kopfschüttelnd, weil der Begriff Männlichkeit schon an sich ein Hirngespinst, eine Illusion ist.

Dann ersetze von mir aus "Männlichkeit" durch "Bündel von Merkmalen, das bislang diesem Begriff zugeordnet wurde". Manche Männer möchten dieses Merkmalsbündel eben beibehalten und finden es unfair, deshalb abgewertet zu werden.

Wir sind gesellschaftlich an einem Punkt, wo Zweifel an der Festlegung "Es gibt männlich und weiblich und diese unterscheiden sich" noch sehr selten zugelassen sind.

Ja. Vor einigen Jahren hatte der "Spiegel" mal eine Cover-Story, in der er behauptete, es bilde sich eine androgyne Gesellschaft heraus. Stattdessen: Backlash. Die Leute kaufen massenweise die Bücher des Ehepaar Pease, weil sie darin bestätigt bekommen, dass Männer und Frauen seit der Urzeit durch evolutionäre Prägung sozusagen unterschiedliche Spezies geworden sind. Mars und Venus. Die Frau findet die Butter im Kühlschrank, der Mann nicht. Oder ein paar andere Sätze aus diesem Mega-Bestseller:
"Ihr hoher Testosteronhaushalt macht aus Männern wandelnde Zeitbomben."
"Wenn Männer unter Druck stehen, fallen sie in andere Länder ein; Frauen hingegen fallen in Einkaufszentren ein."
"Während Jungen verbale oder körperliche Gewalt anwenden, versuchen Mädchen, den Konflikten aus dem Weg zu gehen oder sie zu entschärfen."
"Die meisten Männer können besser sehen als denken."
"Männer haben einen weitaus stärkeren Sexualtrieb als Frauen und können praktisch immer und überall."
"Männer sind ständig auf der Suche nach neuen Frauen, während Frauen außerordentlich treu sind."
"Praktisch alle sexuellen Normabweichungen treten nur bei Männern auf."
"Frauen können vernetzter denken als Männer, weil sie über ein dickeres Corpus Callosum (Hirnbalken) verfügen."
Es gibt in diesem Buch in weit geringer Dosis denselben Schwachsinn über Frauen, die angeblich von Natur aus völlig unfähig sein sollen, Berufe wie den einer Pilotin auszuüben.
Dabei ist völlig durchschaubar, dass die Peases sehr oft nicht die geringste Ahnung haben, wovon sie überhaupt reden. Etliche Fachleute haben ausgeführt, wie unwissenschaftlich ihre Behauptungen sind. Manche Behauptungen lassen sich ja schon rein methodisch nicht sinnvoll belegen, beispielsweise, dass jede Frau ein Reservoir von 20.000 Wörtern pro Tag hat, die sie in Telefongesprächen etc. loswerden muss. Jetzt ist die Frage: Warum halten dermaßen viele Leser diesen Unfug allen Ernstes für Wissenschaft? Offenbar hat die Aufweichung der Geschlechtergrenzen etliche Leute dermaßen verunsichert, dass sie inzwischen nach dem letzten Strohhalm greifen, um die alte Ordnung wiederherzustellen.

Menschen die nur destruktiv streiten können, versuchen sich selbst größer zu machen, indem sie die Vorzüge des Streitgegners entwerten. (...) Da leider sehr viele Menschen destruktiv streiten, liegt es nahe, dass Deine dritte Abwertung die unmittelbare Folge von der zweiten Abwertung ist.

Das finde ich schlüssig und nachvollziehbar. Ich denke noch ein wenig darüber nach, stimme aber unter diesem Vorbehalt gerne zu.

Da ist eine ganze Menge dran! Daniel macht nämlich ANGST!

Klar. Genau wie die "Jammermaskus" manchen Männern (und Frauen) Angst machen. Als Bewältigungs-Strategie greifen sie dann zu Beschimpfungen oder dem Versuch des Lächerlich-Machens. Wobei bei Männern da natürlich noch ganz normales Balzverhalten hineinspielt: "Mädels, diese Typen sind ja alle Schrott, nehmt lieber mich." Bei den Essentialistinnen wird diese Werbestrategie auch Erfolg haben. Viele Frauen erwarten von einem Mann doch, dass er besonders männlich ist, und von einer Frau erwarten viele Männer, dass sie besonders weiblich ist. Ich werde seit über einem Jahr im Laufe der Forenkriege immer wieder damit persönlich angegriffen, dass ich bestimmte angebliche Zeichen von Männlichkeit vermeintlich nicht erfülle. Dies allerdings bezeichnenderweise nur von der Essentialisten-Fraktion. Irgendwie checken die nicht, dass die mich nicht mit Herabsetzungen angreifen können, die nur in deren Weltbild funktionieren. Ein Heterosexueller mag sich durch die Behauptung, er sei schwul, angegriffen fühlen; ein Homosexueller (nach seinem Coming-Out) nicht.

Nun ja ... nun landen wir wieder da, wo die Illusion eine größere Rolle, als die Realität einnimmt. Wenn sich junge Männer "femininisiert" fühlen, woran liegt es? Daran, dass sie "umgepolt" werden? Oder daran, dass sie nicht vor den Gender-Axiom-Gläubigen bestehen können?

Vielleicht möchten sie auch einfach nur Wesenszüge beibehalten, die ihnen anerzogen worden sind, die sie für sich persönlich als richtig und wertvoll erkannt haben und an die sie sich gewöhnt haben?

Das hat mich im übrigen dazu verleitet hier nun ein klitzekleines *g* Posting zu hinterlassen. Ihr seid von der objektiven Ebene nach Susu's letztem Posting wieder in das Regelsystem gerutscht.

Auf der objektiven Ebene waren wir uns ja eh einig. Ich wollte die Erfahrungen, die manche Männer machen und die sie offenbar als belastend empfinden, nicht ganz außen vor lassen. Wobei man sich natürlich fragen kann, ob "der Feminismus" hier der richtige Prügelknabe ist, wie es der von Ferdi zitierte Artikel nahelegt. Das Ganze wäre durch den Wechsel von der industriellen zur Dienstleistungsgesellschaft, die Erfindung der Pille usw. sowieso passiert. Manche Männerrechtler wie Neil Lyndon und Esther Vilar behaupten ja nicht ganz zu Unrecht, sehr oft vollziehe sich zuerst der gesellschaftliche Wandel, und die ihn stützenden politischen Ideologien marschierten nur hinterher.

Ich habe mein Posting gerade geschrieben, als ich sehe, dass es bereits neue Einwände von Rüdiger gibt. Für eine Antwort darauf seid ihr aber vermutlich durch euer Vorwissen besser prädestiniert. Vor allem Susu könnte vermutlich einiges zur Männlichkeit-ist-biologisch-These sagen, nehme ich an. Außerdem verpasse ich sonst "Erin Brockovich" noch ganz ... ;-)

Herzlicher Gruß

Arne

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Alex, Monday, 10.03.2003, 10:50 (vor 7907 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Arne Hoffmann am 09. März 2003 21:04:24:

Huhu Arne,

und danke für die Antwort :o)

*händereib und Tasten vorheiz* *g*

Auf der einen Seite ist es mir schon ein Anliegen, die Position "der Männer" zu vertreten.

Kein Problem damit. Für mich stellen "die Männer" eben nur einen kleinen Teil einer übergeordneten Problematik da. Später in diesem Posting schreibst Du "ersetze Männer eben durch [Bündel von Eigenschaften]"... ok, wir wissen beide was gemeint ist, ich werde [Männer] schreiben und damit dann ein Bündel von Eigenschaften meinen, wie Du es ansprichst.

Auf der anderen Seite bin ich ziemlich angepisst von dem Biologismus, wie er momentan aufgrund pseudowissenschaftlichen Büchern wie dem von Alan und Barbara Pease Hochwasser hat. Meine Ablehnung einer Haltung, der zufolge Frauen und Männer in ihrem Wesen grundverschieden sein sollen, zieht sich ja auch als ständiger Subtext durch "Sind Frauen bessere Menschen?" Andererseits habe ich mich noch nicht näher mit dem Konzept von Postgender beschäftigt, obwohl ich natürlich weiß, wer Judith Butler ist.

Zustimmung! Die gehen von Voraussetzungen aus, die entweder nicht vorhanden, oder von Forschungen die schwachsinnig interpretiert, sind.

Wobei wir aber in einer Welt leben, die diese Teilung vornimmt. Das heißt, wenn eine Person in eine der beiden Waagschalen geworfen wird, dann muss sie entweder Kriegsdienst leisten, oder es bleibt ihr erspart. (Nur mal als Beispiel.)

Das läßt sich schwerlich bestreiten. Schlimmer noch: Kaum jemand wagt es überhaupt über berechtigte Zweifel an dieser Teilung wenigstens zu diskutieren, geschweige denn daran zu rütteln.

<li>Fast jede Ansicht die ein Mensch vertritt bietet ihm Vorteile
Dem würde ich widersprechen, aber ich weiß nicht, ob so ein Exkurs hier etwas bringt. :-)

Warum nicht? Außerdem waren die drei Punkte im Zusammenhang zu sehen! Der wichtigste Punkt war der, dass die "Vorteile" oft nur für denjenigen gelten, der gewisse Tätigkeiten verübt, oder eine Ansicht hat. Deswegen mein Beispiel mit der Autoaggression! Objektive Vorteile hat ein sich selbst verletzen sicherlich nicht... für denjenigen hat es sie aber dennoch. Du verstehst?

Deswegen Susu's Ausflug in die Statistik, bzgl. der tertiären Geschlechtsmerkmale. Die Mathematik wäre hier ein wirklich objektives Werkzeug... und sie sagt: Bei den tertiären Geschlechtsmerkmalen läßt sich keine Aussage bzgl. männlich/weiblich mehr treffen.
Zumindest keine eindeutige Zuordnung, nein. Möglicherweise eine Häufigkeitsverteilung. Je nachdem, welches tertiäre Geschlechtsmerkmal man heranzieht.

Selbst die Häufigkeitsverteilung (insbes. der Gaußpeak) ist teilweise schon derart, dass kein Statistiker mehr eine Aussage tätigen würde.

Dann ersetze von mir aus "Männlichkeit" durch "Bündel von Merkmalen, das bislang diesem Begriff zugeordnet wurde". Manche Männer möchten dieses Merkmalsbündel eben beibehalten und finden es unfair, deshalb abgewertet zu werden.

Abwertung ist immer unfair und dient meist dazu den, der abwertet "größer" zu machen. Wer das Prinzip durchschaut ist so nicht mehr angreifbar. Leute die destruktiv diskutieren laufen bei mir schreiend davon *g* weil ich ihnen bis sie nicht mehr können ihre Unsachlichkeit vor's Gesicht halte.
Die einzige Art etwas zu erreichen ist konstruktiv. Und das impliziert, dass man nicht bewußt den Gesprächspartner verletzt oder herabsetzt, bzw. dies wenigstens nicht als Waffe benutzt.
Und generell: Wer es nötig hat, den Gesprächspartner herabzusetzen gibt zu verbal unterlegen zu sein, keinen besseren Weg zu wissen.... ein intellektuelles Armutszeugnis.

Ja. Vor einigen Jahren hatte der "Spiegel" mal eine Cover-Story, in der er behauptete, es bilde sich eine androgyne Gesellschaft heraus. Stattdessen: Backlash. Die Leute kaufen massenweise die Bücher des Ehepaar Pease, weil sie darin bestätigt bekommen, dass Männer und Frauen seit der Urzeit durch evolutionäre Prägung sozusagen unterschiedliche Spezies geworden sind. Mars und Venus. Die Frau findet die Butter im Kühlschrank, der Mann nicht. Oder ein paar andere Sätze aus diesem Mega-Bestseller:

*lol* nun bin ich ernsthaft gespannt... sowas zersäge ich zum Frühstück *g*

"Ihr hoher Testosteronhaushalt macht aus Männern wandelnde Zeitbomben.

<li> Es gibt Frauen mit höherem Testosteron-Spiegel.
<li> Alle Hormone sind aggressive Stoffe, auch Östrogen und Gestagen.
<li> Testosteron erhöht die körperliche Leistungsfähigkeit und ist weniger aggressiv als Adrenalin... sehr nützlich bei vielen Tätigkeiten

"Wenn Männer unter Druck stehen, fallen sie in andere Länder ein; Frauen hingegen fallen in Einkaufszentren ein."

*loooool* ich kenne kaufsüchtige Männer... ich sag das denen mal, dass sie stattdessen wenigsten in den nächsten Stadtwald einfallen könnten... wär billiger

"Während Jungen verbale oder körperliche Gewalt anwenden, versuchen Mädchen, den Konflikten aus dem Weg zu gehen oder sie zu entschärfen."

och nöööö.... Mädchen bekommen durch diese Gender-Sozialisation oft offene Aggressionen "aberzogen" vorhanden sind sie trotzdem und äußern sich, wenn sie aberzogen sind, eben versteckt, als Intrigen beispielsweise.... nur "hintenrum" machts eben nicht besser oder edler, oder weniger gefährlich. Bruce Lee sagte mal: Der gefährlichste Schlag ist der unverhoffte.... für ihn gibt es kaum eine Abwehr.

Im übrigen funktioniert auch bei Jungen das Aberziehen offener Aggression gleich gut.... und führt zu dem selben Ergebnis.
Wer nicht lernt gut (z.B. Sport, Streit auf Sachebene zurückholen, Ignorieren eines Angreifers....) mit Aggressionen umzugehen, wird andere verletzen. Jeder egal welchen Geschlechts, egal ob offen, oder hinterhältig.

"Die meisten Männer können besser sehen als denken."

*kicher* zumindest steht hier schon mal "die meisten" und nicht "alle" *g*
Da ich kluge Denker bei beiden Geschlechtern kenne, müßten die Männer darunter eine Mücke am Horizont noch an der Rückenfärbung erkennen können... oder sind diese nun ausgenommen gewesen? *schmunzel*

"Männer haben einen weitaus stärkeren Sexualtrieb als Frauen und können praktisch immer und überall."

hmmm, das kenn ich andersrum. Ich hatte mehr als eine Freundin, vor der ich mich kaum "retten" konnte, und ich bin beileibe kein Mönch *g*
Ich tippe mal drauf, dass die Behauptung von jemand stammt, der kein sonderlich anregendes Sexualleben hatte und die eigene Unzufriedenheit auf die Allgemeinheit projeziert, nur weil er/sie nicht fähig war es mit dem Partner besser hinzubekommen.
Ein ganz anderes Problem ist es, dass vielen Kindern beigebracht wurde, dass sog. "eheliche Pflichten" existieren. Eine der oben genannten Frauen "vor der ich mich kaum retten konnte" hatte nur deshalb den Eindruck Männer hätten einen stärkeren Trieb, weil sie sich selber nie ausleben konnte. Nachdem für uns geklärt war, dass Sex NUR GEMEINSAM schön sein kann, war sie kaum zu halten. Ich hätte niemals Lust auf Sex mit einer Frau, die das als Pflicht betrachtet. Entweder es passiert aus Lust aufeinander, oder garnicht.

"Männer sind ständig auf der Suche nach neuen Frauen, während Frauen außerordentlich treu sind."

*lol* soll ich darauf ernsthaft antworten? Untersuchungen scheinen zu belegen, dass Frauen nur geschickter im Betrügen sind. Von meinem Bekanntenkreis kenne ich (von den Fremdgehenden) im Verhältnis 60% Frauen zu 40% Männern die fremdgehen, wobei das natürlich nur mein Umfeld und nicht eine aussagekräftige statistische Erhebung darstellt.

"Praktisch alle sexuellen Normabweichungen treten nur bei Männern auf."

Def. falsch! Ich kenne drei Windel-Fetischistinnen, zwei Gummi/Latex Fetischistinnen, eine koprophag veranlagte Frau, und einige die alle möglichen Varianten des SM praktizieren. Mir würden bestimmt noch mehr einfallen, wenn ich ein bisschen nachdenke... aber reicht ja

"Frauen können vernetzter denken als Männer, weil sie über ein dickeres Corpus Callosum (Hirnbalken) verfügen."

Stimmt sogar statistisch (das mit vernetzter denken; bei dem Corpus Callosum weiß ich es nicht, ob der sich biologisch unterscheidet, oder erst durch Nutzung wächst)... ist aber die Folge der genderspez. Sozialisation und kann bei Jungen genauso erreicht werden... also keine biologische Geschichte

Es gibt in diesem Buch in weit geringer Dosis denselben Schwachsinn über Frauen, die angeblich von Natur aus völlig unfähig sein sollen, Berufe wie den einer Pilotin auszuüben.

Immer diese Verallgemeinerungen... ist ja übel

Dabei ist völlig durchschaubar, dass die Peases sehr oft nicht die geringste Ahnung haben, wovon sie überhaupt reden.

Sieht so aus *g* höchst amateurhafte Interpretation irgendwelcher Statistiken, von denen sie nicht mal die Versuchsrandbedingungen kannten, scheint mir.

Etliche Fachleute haben ausgeführt, wie unwissenschaftlich ihre Behauptungen sind. Manche Behauptungen lassen sich ja schon rein methodisch nicht sinnvoll belegen, beispielsweise, dass jede Frau ein Reservoir von 20.000 Wörtern pro Tag hat, die sie in Telefongesprächen etc. loswerden muss.

*schmunzel* die sollten mal meine Telefonrechnung sehen *ggg*
Ich habs schon geschafft auf den Monat verteilt, täglich im Schnitt 7 Stunden zu telefonieren. Privat wohlgemerkt... beruflich zählt da noch dazu.

Jetzt ist die Frage: Warum halten dermaßen viele Leser diesen Unfug allen Ernstes für Wissenschaft? Offenbar hat die Aufweichung der Geschlechtergrenzen etliche Leute dermaßen verunsichert, dass sie inzwischen nach dem letzten Strohhalm greifen, um die alte Ordnung wiederherzustellen.

Die Grenzen sind nicht "aufgeweicht". Das Problem scheint mir mehr, dass es für viele überhaupt eine "Ordnung" diesbezüglich geben muß. Und dann wählt man noch eine Ordnung, der eigentlich kaum jemand gerecht werden kann, und das Chaos ist perfekt.

Da ist eine ganze Menge dran! Daniel macht nämlich ANGST!
Klar. Genau wie die "Jammermaskus" manchen Männern (und Frauen) Angst machen. Als Bewältigungs-Strategie greifen sie dann zu Beschimpfungen oder dem Versuch des Lächerlich-Machens. Wobei bei Männern da natürlich noch ganz normales Balzverhalten hineinspielt: "Mädels, diese Typen sind ja alle Schrott, nehmt lieber mich."

Auch Frauen haben Balzverhalten. Diesbzgl. ist die sog. Evolutions-Psychologie auch sehr interessannt. Dabei wurde u.a. versucht einen Sinn in Geschlechterrollen bei Tieren im Laufe der Evolution zu finden. Die Ergebnisse zeigen eigentlich, dass es schon im Tierreich fast alles gibt, was wir Menschen glauben erdacht zu haben. Z.B. auch die völlige Inversion der "Geschlechterrollen" bei einem afrikanischen Vogel - Männchen brüten die Eier aus und kümmern sich um die Jungen - Weibchen balzen um passive Männchen und liefern sich brutalste Kämpfe - Weibchen unterhalten einen Harem von bis zu vier Männchen.

Bei den Essentialistinnen wird diese Werbestrategie auch Erfolg haben. Viele Frauen erwarten von einem Mann doch, dass er besonders männlich ist, und von einer Frau erwarten viele Männer, dass sie besonders weiblich ist. Ich werde seit über einem Jahr im Laufe der Forenkriege immer wieder damit persönlich angegriffen, dass ich bestimmte angebliche Zeichen von Männlichkeit vermeintlich nicht erfülle. Dies allerdings bezeichnenderweise nur von der Essentialisten-Fraktion. Irgendwie checken die nicht, dass die mich nicht mit Herabsetzungen angreifen können, die nur in deren Weltbild funktionieren. Ein Heterosexueller mag sich durch die Behauptung, er sei schwul, angegriffen fühlen; ein Homosexueller (nach seinem Coming-Out) nicht.

Selbst einem Hetero kann es ziemlich egal sein als "schwul" bezeichnet zu werden. Es ist immer eine Frage ob man das als Abwertung sieht, oder eben nicht. Wer Homosexualität als etwas völlig gewöhnliches sieht, was es auch ist (siehe Evolutions-Psychologie bzw. Tierreich), der wird sich kaum abgewertet fühlen.
Ich hab selbst schon auf Fragen: "Bist Du schwul" geantwortet: "Wieso? Suchst Du 'n Date? Sorry.... Und der Fall war erledigt.
Wie oben schon gesagt: Aggression ist ein Zeichen von Schwäche. Wenn man etwas bewegen will, diskutiert man auf Sachebene. Und bzgl. Partnersuche und Erwartungen von Frauen: Also ich hatte eigentlich nie Probleme mit Erwartungen von Frauen... und ich kann sowohl extrem [männlich], als auch extem [unmännlich] sein... genauso [weiblich] wie [unweiblich}... Probleme hatte ich in frühster Jugend mal, als ich selber meinte in eine Rolle passen zu müssen (was interessannterweise aber nur die Liebe betraf, ansonsten hatte ich immer nur Verständnislosigkeit für Rollenverhalten übrig).

Vielleicht möchten sie auch einfach nur Wesenszüge beibehalten, die ihnen anerzogen worden sind, die sie für sich persönlich als richtig und wertvoll erkannt haben und an die sie sich gewöhnt haben?

Wo ist dann das Problem? Es kann mir doch niemand verbieten für mich wertvolle Wesenszüge zu pflegen?!?

Auf der objektiven Ebene waren wir uns ja eh einig. Ich wollte die Erfahrungen, die manche Männer machen und die sie offenbar als belastend empfinden, nicht ganz außen vor lassen.

ok. Kein Problem, auch wenn die objektive Ebene noch einiges bereit hält :o)

Wobei man sich natürlich fragen kann, ob "der Feminismus" hier der richtige Prügelknabe ist, wie es der von Ferdi zitierte Artikel nahelegt. Das Ganze wäre durch den Wechsel von der industriellen zur Dienstleistungsgesellschaft, die Erfindung der Pille usw. sowieso passiert. Manche Männerrechtler wie Neil Lyndon und Esther Vilar behaupten ja nicht ganz zu Unrecht, sehr oft vollziehe sich zuerst der gesellschaftliche Wandel, und die ihn stützenden politischen Ideologien marschierten nur hinterher.

Als "Prügelknabe" taugt Feminismus sicherlich nicht. Es war sicherlich notwendig einige Veränderungen in den traditionellen Rollenbildern anzuregen... und sowas funktioniert meist nur als Gruppe.
Andererseits ist es wohl wie bei Gewerkschaften auch: Es kommt vor, dass man übers Ziel hinaus schießt. Und es nutzt keinem, wenn der Tarif toll ist, aber die Firma in Konkurs.
Und für objektive Gender Betrachtungen scheinen werder Femis noch Maskus als Gruppe zu taugen, da sie zu sehr in festgefahrene Ideologien eingebunden sind.... einzelne Menschen aber sehr wohl!

Ich habe mein Posting gerade geschrieben, als ich sehe, dass es bereits neue Einwände von Rüdiger gibt. Für eine Antwort darauf seid ihr aber vermutlich durch euer Vorwissen besser prädestiniert. Vor allem Susu könnte vermutlich einiges zur Männlichkeit-ist-biologisch-These sagen, nehme ich an.

Ich hab schon geschrieben, und Susu wird, denke ich, bestimmt auch :o)

Außerdem verpasse ich sonst "Erin Brockovich" noch ganz ... ;-)

Oooch :o) Das hier is doch spannender *g*
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*grummel* hier is ja ne Schreibsperre nach 0 Uhr... nun isses 0:02 und ich muß das Teil Morgen schicken.... ich sollte mir ein Passwort organisieren... ich schreib nämlich recht oft nach 0 Uhr
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Liebe Grüße

Alex

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Arne Hoffmann, Monday, 10.03.2003, 11:36 (vor 7906 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Alex am 10. März 2003 08:50:52:

Hi Alex,

ich sehe, ich habe mit dir prinzipiell dasselbe "Problem" wie mit Susu. Unsere Positionen sind nicht weit genug auseinander, um eine Debatte nötig bzw. möglich zu machen.

Das läßt sich schwerlich bestreiten. Schlimmer noch: Kaum jemand wagt es überhaupt über berechtigte Zweifel an dieser Teilung wenigstens zu diskutieren, geschweige denn daran zu rütteln.

Was man insbesondere am Fall des Soziologiestudenten Michel/Birgit Reiter gut beobachten konnte, der bei der Geburt keinem eindeutigen Geschlecht zugeordnet werden konnte und in seinen Pass eine Eintragung als "Zwitter" wünschte. Das konnte er letztlich aber nicht durchsetzen. Der zuständige Richter befand: "Die rechtliche Bedeutung des Geschlechts ist zwar in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland zurückgegangen. Wehrpflicht und Ehe sind aber nur zwei der wesentlichen Institute, die eine Zuordnung des Menschen zu einem der beiden Geschlechter voraussetzen."

Warum nicht? Außerdem waren die drei Punkte im Zusammenhang zu sehen! Der wichtigste Punkt war der, dass die "Vorteile" oft nur für denjenigen gelten, der gewisse Tätigkeiten verübt, oder eine Ansicht hat. Deswegen mein Beispiel mit der Autoaggression! Objektive Vorteile hat ein sich selbst verletzen sicherlich nicht... für denjenigen hat es sie aber dennoch. Du verstehst?

Ja. Ich möchte deswegen keine Debatte über diese Frage, weil sie zu weit von unserem Thema wegführen würde. Deshalb erst mal generelle Zustimmung im Zusammenhang, um den es hier geht.

Selbst die Häufigkeitsverteilung (insbes. der Gaußpeak) ist teilweise schon derart, dass kein Statistiker mehr eine Aussage tätigen würde.

Meinst du? Ich habe den Eindruck, bestimmte tertiäre Geschlechtsmerkmale, beispielsweise eine kräftige Statur, der typische "männliche Körperbau", findet sich weit überwiegend tatsächlich bei Männern.

Und generell: Wer es nötig hat, den Gesprächspartner herabzusetzen gibt zu verbal unterlegen zu sein, keinen besseren Weg zu wissen ...

Und nervt trotzdem. :-)

*lol* nun bin ich ernsthaft gespannt... sowas zersäge ich zum Frühstück *g*

Danke für deine Rückmeldungen zu den einzelnen Behauptungen. Ich halte dem zur Ergänzung und zum Vergleich mal entgegen, was ich dazu auf der Grundlage meiner Recherchen für "Sind Frauen bessere Menschen?" geschrieben habe. Wobei das natürlich arg verkürzt ist:

"Ihr hoher Testosteronhaushalt macht aus Männern wandelnde Zeitbomben." Entgegen dem landläufigen Vorurteil ist die Datenlage zu Testosteron mehr als dürftig und die Untersuchungen widersprechen einander stark. Auf dem Jahrestreffen der Gesellschaft für Hormonforschung 1995 wurden sogar Berichte verteilt, denen zufolge ein MANGEL an Testosteron aggressives Verhalten erzeuge. Die Aussagekraft von Tierversuchen, bei denen etwa Ratten in überfüllten Käfigen gehalten werden und gelegentlich einen Elektroschock bekommen, gilt ohnehin nicht als groß, da diese Lebensumstände mit dem Alltag eines Mannes doch nur in groben Grundzügen zu vergleichen sind. Sowohl die Zufuhr als auch die Rücknahme von Testosteron erzeugen jedenfalls keine beobachtbare Verhaltensänderung. In ihrem Buch "Sex im Gehirn" verweist es auch Annette Bolz deshalb ins Reich der Legenden, dass Testosteron Feindseligkeit oder Östrogen Sensibilität und soziale Kompetenz förderten.

- "Wenn Männer unter Druck stehen, fallen sie in andere Länder ein; Frauen hingegen fallen in Einkaufszentren ein." Dieses Klischee übergeht, dass Männer nicht aus persönlichem Druck oder Aggression heraus in den Krieg ziehen, als ob es eine Kneipenschlägerei wäre. Stattdessen spielen in diese politische Entscheidung die unterschiedlichsten Faktoren mit hinein, etwa Leichtgläubigkeit, Gehorsam, Altruismus, Pflichtbewusstsein, Ehrgeiz, der Wille zur Selbstbehauptung, Angst vor sozialer Ablehnung, Gewinnstreben, Sicherheitsbedürfnis und vieles andere. Zwar benutzt unsere Gesellschaft fast ausschließlich das männliche Geschlecht, um sein Leben an der Front zu riskieren (was in anderen Kulturen und Epochen keineswegs immer der Fall war), aber bei Umfragen für oder gegen militärische Aktionen unterscheiden sich Frauen von Männern kaum voneinander. Und auch weibliche Staatsführerinnen, ob Margaret Thatcher, Tansu Ciller oder Golda Meir, waren sehr wohl in der Lage, die Söhne ihres Landes in den Krieg zu schicken.

- "Während Jungen verbale oder körperliche Gewalt anwenden, versuchen Mädchen, den Konflikten aus dem Weg zu gehen oder sie zu entschärfen." Ende 2001 zog die Bielefelder Soziologin Christiane Schmerl ein Resümé über den Stand der Aggressionsforschung und kam zu dem Schluss, dass sich Männer und Frauen hier kaum voneinander unterscheiden. Speziell bei Kindern und Heranwachsenden lässt sich zwar sagen, dass Jungen mehr raufen. Mädchen halten sich dafür jedoch an üble Nachrede, Freundschaftsentzug und Verspotten und sind dabei mindestens so aggressiv wie Jungen.

- "Die meisten Männer können besser sehen als denken." Dass aus biologischen Gründen Männer eher auf optische Reize fixiert seien als Frauen, widerlegen die Autoren selbst, ohne dass es ihnen auffällt: An einem öffentlichen Platz wie einem Strand lassen ihren Untersuchungen zufolge weitaus mehr Frauen als Männer ihre Blicke schweifen. Tatsächlich ergab 1993 eine Umfrage der Gesellschaft für Rationelle Psychologie unter etwa tausend Frauen, worauf diese besonders viel Wert legen: Mit 93% stand eine stattliche Größe ganz oben auf dem Wunschzettel, gefolgt von muskulösen Armen (87%), einem großen Glied (81%), breiten Schultern (74%) und einem männlichen Gesicht (73%). "Intelligenz" wurde nur von zwanzig Prozent gewünscht

- "Männer haben einen weitaus stärkeren Sexualtrieb als Frauen und können praktisch immer und überall." Einer Studie des Hamburger GEWIS-Institutes zufolge fordern Frauen dreimal pro Woche Sex, während Männer im Schnitt zweimal schon okay finden. Professor Werner Habermahl, verantwortlich für diese Studie, kommt zu dem Schluss, dass Frauen deutlich "schärfer" als Männer seien. Aus anderen Ländern liegen vergleichbare Ergebnisse vor.

- "Männer sind ständig auf der Suche nach neuen Frauen, während Frauen außerordentlich treu sind." Eine unter der Leitung des prominenten Sexualwissenschaftlers Gunter Schmidt durchgeführte Erhebung über das Sexualverhalten von Studierenden ergab, dass die Studentinnen der neunziger Jahre, was ihre "Koitusfrequenzen" und ihre "Partnermobilität" angeht, heterosexuell aktiver waren als ihre männlichen Kommilitonen. Schon Shere Hite fand in ihren umfangreichen Befragungen heraus, dass 70 Prozent aller Frauen, die mehr als fünf Jahre verheiratet waren, sexuellen Kontakt außerhalb der Ehe unterhielten. Und einer Umfrage von Ende 2000 zufolge nutzen sechsmal mehr Frauen Betriebsfeiern für einen Seitensprung als Männer.

- "Praktisch alle sexuellen Normabweichungen treten nur bei Männern auf." Homosexualität soll auch bei Frauen schon beobachtet sein. Knapp die Hälfte aller Sadomasochisten sind einer aktuellen Studie zufolge weiblich. Exhibitionistische Tendenzen zeigen mehr Frauen als Männer, auch wenn der Gesetzgeber solche Entblößungen nur bei Männern unter Strafe stellt. Zoophilie kommt bei Männern wie Frauen gleichermaßen selten vor.

- "Frauen können vernetzter denken als Männer, weil sie über ein dickeres Corpus Callosum (Hirnbalken) verfügen." Größe und Form des Corpus unterscheiden sich bei Angehörigen desselben Geschlechts stärker voneinander als zwischen den Geschlechtern. Bei Blindstudien, bei denen also die Forscher nicht wussten, ob sie ein männliches oder ein weibliches Gehirn vor sich hatten, konnten sie sogar überhaupt keine Größenunterschiede des Balkens feststellen. Pseudowissenschaftliche Erkenntnisse über diesen Hirnbalken gab es übrigens schon Anfang des letzten Jahrhunderts: Nur wurde damals eine gänzlich andere Reihenfolge festgelegt: Weiße Männer hatten den größten Hirnbalken, es folgten weiße Frauen, dann schwarze Männer, zuletzt schwarze Frauen. Auf dieser Grundlage, so wurde argumentiert, seien bestimmte Berufe von Frauen schlichtweg nicht auszufüllen. Heutzutage diffamiert man mit derselben Logik eben Männer. <<<

Ein ganz anderes Problem ist es, dass vielen Kindern beigebracht wurde, dass sog. "eheliche Pflichten" existieren. Eine der oben genannten Frauen "vor der ich mich kaum retten konnte" hatte nur deshalb den Eindruck Männer hätten einen stärkeren Trieb, weil sie sich selber nie ausleben konnte. Nachdem für uns geklärt war, dass Sex NUR GEMEINSAM schön sein kann, war sie kaum zu halten.

Es hängt ja auch vom Alter ab. In jungen Jahren sind die Jungs schärfer und die Mädels eher zurückhaltend. So ab Mitte dreißig verkehrt sich das, und die Frauen sind fordernder as die Männer. So gesehen wäre "ältere Frau und jüngerer Mann" eine sinnvolle Paar-Konstellation.

Def. falsch! Ich kenne drei Windel-Fetischistinnen, zwei Gummi/Latex Fetischistinnen, eine koprophag veranlagte Frau, und einige die alle möglichen Varianten des SM praktizieren. Mir würden bestimmt noch mehr einfallen, wenn ich ein bisschen nachdenke... aber reicht ja.

In der Tat. Eine Koprophagin kenne ICH ja nicht mal.

Sieht so aus *g* höchst amateurhafte Interpretation irgendwelcher Statistiken, von denen sie nicht mal die Versuchsrandbedingungen kannten, scheint mir.

Sie sind eigentlich Kommunikationswissenschaftler. Das allein muss ja nichts heißen; ich selber bin ja eigentlich Medienwissenschaftler. Aber wo ich 22 Seiten mit Quellenangaben habe, haben die Peases, glaube ich, anderthalb. Im Prinzip wiederholen sie ständig stur dieselbe These, nämlich dass unser Geschlechterverhalten noch aus "unserer" Zeit als Neandertaler stamme.

Die Grenzen sind nicht "aufgeweicht".

Findest du nicht? Immer mehr Frauen in Männerberufen, immer mehr Männer mit Kinderwagen? Bei uns im Dorf war mein Vater der erste, der mit Kinderwagen zu bestaunen war, weil das vorher als Domäne der Mutter galt.

Selbst einem Hetero kann es ziemlich egal sein als "schwul" bezeichnet zu werden. Es ist immer eine Frage ob man das als Abwertung sieht, oder eben nicht. Wer Homosexualität als etwas völlig gewöhnliches sieht, was es auch ist (siehe Evolutions-Psychologie bzw. Tierreich), der wird sich kaum abgewertet fühlen.

Jain. Ich würde mich zumindest genervt fühlen, wenn ich als etwas bezeichnet werde, was ich nicht bin. Dabei wird ja meine persönliche Identität verletzt.

Wo ist dann das Problem? Es kann mir doch niemand verbieten für mich wertvolle Wesenszüge zu pflegen?!?

Nein. Aber wenn solche Züge ständig als "Dinosaurier-Verhalten" und "längst überholt" etc. angegriffen werden, dann ist das irgendwann schon störend.

Andererseits ist es wohl wie bei Gewerkschaften auch: Es kommt vor, dass man übers Ziel hinaus schießt. Und es nutzt keinem, wenn der Tarif toll ist, aber die Firma in Konkurs.

Das ist das Problem.

Und für objektive Gender Betrachtungen scheinen weder Femis noch Maskus als Gruppe zu taugen, da sie zu sehr in festgefahrene Ideologien eingebunden sind ... einzelne Menschen aber sehr wohl!

Naja, die neue Männerbewegung in Deutschland ist wenige Jahre alt und meiner Wahrnehmung nach sehr heterogen - nicht nur was die Splittung zwischen emanzipatorischen und anti-emanzipatorischen Männern betrifft. Welche "festgefahrenen Ideologien" entdeckst du denn bei den "Maskus"?

Außerdem verpasse ich sonst "Erin Brockovich" noch ganz ... ;-)

Oooch :o) Das hier is doch spannender *g*

Naja, aber so ein richtig schöner Die-toughe-Frau-gegen-lauter-doofe-Männer-Film ... :-)

Lieber Gruß

Arne

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Alex, Monday, 10.03.2003, 15:12 (vor 7906 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Arne Hoffmann am 10. März 2003 09:36:05:

Huhu Arne!

Hi Alex,
[quote]ich sehe, ich habe mit dir prinzipiell dasselbe "Problem" wie mit Susu. Unsere Positionen sind nicht weit genug auseinander, um eine Debatte nötig bzw. möglich zu machen.
[/quote]

och... Spaß machts trotzdem... bin ich nun [weiblich]? Weil ich Kommunikation betreibe, ohne ein spez. Ziel im Auge zu haben? *schmunzel*

Was man insbesondere am Fall des Soziologiestudenten Michel/Birgit Reiter gut beobachten konnte, der bei der Geburt keinem eindeutigen Geschlecht zugeordnet werden konnte und in seinen Pass eine Eintragung als "Zwitter" wünschte. Das konnte er letztlich aber nicht durchsetzen. Der zuständige Richter befand: "Die rechtliche Bedeutung des Geschlechts ist zwar in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland zurückgegangen. Wehrpflicht und Ehe sind aber nur zwei der wesentlichen Institute, die eine Zuordnung des Menschen zu einem der beiden Geschlechter voraussetzen."

Klar... und dann überdenken wir nicht die Einteilung... NEIIIIN... dann pressen wir den Menschen in eine Schublade, in die er offensichtlich nicht passen KANN.... super bequeme Lösung.... zumindest für den Richter.

Selbst die Häufigkeitsverteilung (insbes. der Gaußpeak) ist teilweise schon derart, dass kein Statistiker mehr eine Aussage tätigen würde.
Meinst du? Ich habe den Eindruck, bestimmte tertiäre Geschlechtsmerkmale, beispielsweise eine kräftige Statur, der typische "männliche Körperbau", findet sich weit überwiegend tatsächlich bei Männern.

Es hängt stark vom betrachteten Merkmal ab. Wenn ich als "männlichen Körperbau" z.B. das Skelett nehme, lassen sich Aussagen treffen. Bei einzelnen Knochen geht das aber z.B. wieder fast nicht. Seriöse Anthropologen geben auch immer eine Wahrscheinlichkeit an, mit der ein gewisses Skelett einem Geschlecht zugeordnet werden kann...
Wohlgemerkt wird hier die herkömmlich Definition von Geschlecht benutzt, die diese Einteilung in zwei Geschlechter vornimmt, und von deren Wert ich nicht überzeugt bin. Sie beschreibt einfach zu wenig der realen Welt (s.o. z.B.)

Und generell: Wer es nötig hat, den Gesprächspartner herabzusetzen gibt zu verbal unterlegen zu sein, keinen besseren Weg zu wissen ...
Und nervt trotzdem. :-)

Hält sich in Grenzen. Wenn jemand offensichtlich unterlegen ist und mich deswegen abwerten will gähne ich eher und versuche den Rest Wachsamkeit zu erhalten um auf wirkliche Angriffe vorbereitet zu sein.

Danke für deine Rückmeldungen zu den einzelnen Behauptungen. Ich halte dem zur Ergänzung und zum Vergleich mal entgegen, was ich dazu auf der Grundlage meiner Recherchen für "Sind Frauen bessere Menschen?" geschrieben habe. Wobei das natürlich arg verkürzt ist:

Jo :-) Fein! Ich hab halt nicht wirklich argumentiert, sonden meist persönliches Wissen genannt. Korrekt ist natürlich bei Veröffentlichungen der Weg über saubere Recherchen und Angabe der Quellen, so dass für den Leser die Glaubwürdigkeit von Thesen abschätzbar wird, bzw. er sich kundig machen kann wie eine Studie durchgeführt wurde.
Und was man auch daran sieht ist, wie schwierig es ist mittels wissenschaftlicher Forschungen zu streiten. Wenn man genügend sucht, findet man alle möglichen Studien und Ergebnisse. Wie viele davon methodische Fehler oder fehlerhafte Schlußfolgerungen enthalten läßt sich selten beurteilen. In Deinem Text wird wenigstens mit ersichtlich, dass in der Wissenschaft schwere Fehler vorkommen. Flach finde ich dagegen Argumentation nach dem Schema: DIESE Studie zeigt EINDEUTIG, dass....
Eine Studie zeigt oder beweist zunächst mal garnichts. Sie ist i.d.R. eine stat. Auswertung einer großen Datenmenge mittels der Tendenzen interpretiert werden. Sowohl bei der Datenerfassung als auch bei der Auswertung und der Interpretation war kein Leser anwesend und kann somit auch nicht beurteilen, welche möglichen Fehler darin enthalten sind. Somit ist man als Leser entweder auf Vertrauen oder auf eigene Recherche angewiesen. Wenn eigene Recherche zu aufwendig wäre hilft nur die Glaubwürdigkeit der Quelle ABZUSCHÄTZEN und sich nicht ZU SEHR auf diese zu verlassen.
Das wird aber leider gerne übersehen.

Es hängt ja auch vom Alter ab. In jungen Jahren sind die Jungs schärfer und die Mädels eher zurückhaltend. So ab Mitte dreißig verkehrt sich das, und die Frauen sind fordernder as die Männer. So gesehen wäre "ältere Frau und jüngerer Mann" eine sinnvolle Paar-Konstellation.

Hängt in meinen Augen stark mit der geschlechtsdifferenzierten Sozialisation zusammen. Bei der heutigen Jugend scheint es mir (nach meinem subjektiven Eindruck) umgekehrte Tendenzen zu geben.

In der Tat. Eine Koprophagin kenne ICH ja nicht mal.

*schmunzel* ich auch nur durch einen Zufall, der ihr schwer zu schaffen gemacht hat. Wir kannten uns und begegneten uns ohne dies zu wissen im A3-Chat. Ich hab sie erkannt. Hab kein Problem damit, ist ja ihre Neigung... und so is sie ne ganz Nette.

Sie sind eigentlich Kommunikationswissenschaftler. Das allein muss ja nichts heißen; ich selber bin ja eigentlich Medienwissenschaftler. Aber wo ich 22 Seiten mit Quellenangaben habe, haben die Peases, glaube ich, anderthalb. Im Prinzip wiederholen sie ständig stur dieselbe These, nämlich dass unser Geschlechterverhalten noch aus "unserer" Zeit als Neandertaler stamme.

Weia! Naja, dann ham die sich wohl auf lukrative Einweg-Kommunikation spezialisiert *g* Da stört saubere Recherche nur das Kosten/Nutzen Verhältnis

Die Grenzen sind nicht "aufgeweicht".
Findest du nicht? Immer mehr Frauen in Männerberufen, immer mehr Männer mit Kinderwagen? Bei uns im Dorf war mein Vater der erste, der mit Kinderwagen zu bestaunen war, weil das vorher als Domäne der Mutter galt.

Auf dieser Ebene magst Du Recht haben. Für mich sind Gleichberechtigung und Gender-Grundlagen aber unterschiedliche Dinge. Sie gehen zwar oft in einander über, aber ich versuche da zu unterscheiden. Ich finde nicht, dass es eine Frau weniger [weiblich] macht, wenn sie Chefin einer KfZ Werkstatt ist. Oder ein Mann weniger [männlich] ist durch den Kinderwagen.
Ich denke alle Gender-Graustufen gab es immer und überall, nicht nur Schwarz und Weiß. Nur ist es heute sichtbarer, da es weniger Restriktionen, als noch vor 50 Jahren beispielsweise, gibt.
Es gibt irgendwo einen Indianerstamm, in dessen Kultur zwar auch zwei Rollen existieren, die aber nicht mit dem biologischen Geschlecht korreliert werden... jeder Mensch kann frei wählen (verzeih mir, wenn ich auch hier wieder keine Quelle nennen kann... ich hab früher nicht daran gedacht solche Dinge irgendwo nachvollziehbar darzustellen... ich gelobe Besserung und werde in Zukunft Quellen und Daten notieren, wenn ich auf etwas Interessanntes stoße).

Selbst einem Hetero kann es ziemlich egal sein als "schwul" bezeichnet zu werden. Es ist immer eine Frage ob man das als Abwertung sieht, oder eben nicht. Wer Homosexualität als etwas völlig gewöhnliches sieht, was es auch ist (siehe Evolutions-Psychologie bzw. Tierreich), der wird sich kaum abgewertet fühlen.
Jain. Ich würde mich zumindest genervt fühlen, wenn ich als etwas bezeichnet werde, was ich nicht bin. Dabei wird ja meine persönliche Identität verletzt.

Nö! Wo denn? Nur wenn ich Homosexualität als etwas statusmäßig unter mir stehendes betrachte. Tue ich das nicht, kann ich einfach sagen: Da liegst Du verkehrt. Und das Thema ist durch.
Ob derjenige es als Abwertung GEMEINT hat, weil es für IHN eine Statusherabsetzung ist, geht mir dann am A*** vorbei. Ich merke mir dann nur, dass da ein potentieller Gegner ist, der eine schlechte Streitkultur bevorzugt.

Nein. Aber wenn solche Züge ständig als "Dinosaurier-Verhalten" und "längst überholt" etc. angegriffen werden, dann ist das irgendwann schon störend.

Schafft es damit wirklich jemand Dir diese Vorzüge auszureden? Wohl kaum, oder? So labil scheinst Du mir nicht.

Naja, die neue Männerbewegung in Deutschland ist wenige Jahre alt und meiner Wahrnehmung nach sehr heterogen - nicht nur was die Splittung zwischen emanzipatorischen und anti-emanzipatorischen Männern betrifft. Welche "festgefahrenen Ideologien" entdeckst du denn bei den "Maskus"?

Bei Femis wie bei Maskus stört mich, dass mehr gegeneinander als miteinander diskutiert wird. Es erinnert mich manchmal an Kindergarten: "Mein Bauklötzchen, Dein Bauklötzchen"
Sowas kann man in möglichst objektiven Grundsatzüberlegungen nicht brauchen.

Bei anti-emanzipatorischen Maskus stört mich die Nostalgie-Verherrlichung... das gibts nicht nur hier, wenn ich ältere Leute sagen höre "Früher war alles viel besser" stört mich das genauso. Es war früher nicht besser, sondern anders... und das Leben ist immer Veränderung... Stillstand ist der Tod. Anpassungsunfähigkeit ist der erste Schritt in den Tod.

Bei emanzipatorischen Maskus scheint mir die "Bauklötzchen"-Mentalität noch stärker verbreitet und auch schon eine Art Ideologie zu sein

Liebe Grüße

Alex

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Arne Hoffmann, Monday, 10.03.2003, 17:37 (vor 7906 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Alex am 10. März 2003 13:12:25:

Hi Alex,

och... Spaß machts trotzdem... bin ich nun [weiblich]? Weil ich Kommunikation betreibe, ohne ein spez. Ziel im Auge zu haben? *schmunzel*

Sowas würde MIR ja nieee einfallen ... :-)

Jo :-) Fein! Ich hab halt nicht wirklich argumentiert, sonden meist persönliches Wissen genannt.

Aber das fand ich ja gerade interessant, da die Überschneidungen zwischen spontaner Beurteilung aufgrund persönlicher Erfahrung und den vorliegenden Forschungsergebnissen zu sehen. Wir haben da sozusagen zwei Formen von Realität: Die wissenschaftliche Realität und die Erfahrung-im-Alltag-Realität einerseits. Beide sagen uns, dass z. B. Frauen nicht treuer als Männer sind. Andererseits haben wir aber die Medienrealität, wo in Büchern zur Geschlechterfrage, in Nachmittag-Talkshows und Fernsehfilmchen weit überwiegend der Mann als untreuer Fremdgeher dargestellt wird. So sickert diese zweite Realität anscheinend in die Köpfe vieler Leute ein.

Was mich an etwas anderes in diesem Zusammenhang erinnert: Das Wissenschaftsmagazin "Geo" hat im Jahr 2000 von einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach berichtet, in der es unter anderem darum ging, das bei Deutschlands Frauen vorherrschende Männerbild zu ermitteln. Das Ergebnis war höchst aufschlussreich. Zwar konnte man über die Eigenschaften, die Frauen bei Männern generell wahrnahmen, zusammenfassen: "Fast alle herausragenden Konturen sind negativ." Männern wurde von weiblicher Seite vorgeworfen, wehleidig zu sein, stur, egoistisch, großspurig, nörgelnd und untreu. Dieses Bild entpuppte sich aber sofort als völlig übersteigerte Karikatur, sobald diese Frauen nach konkreten Männern aus ihrem Bekanntenkreis gefragt wurden. Die durch Medien und politische Gruppen erzeugten Klischeebilder ließen sich nicht mehr aufrechterhalten. "Wehleidigkeit" beispielsweise wurde jetzt statt von 63 Prozent nur noch von 29 Prozent der Befragten als typisch männlich benannt, "Sturheit" schwand von 61 auf 36 Prozent, "Untreue" von 41 auf 14 Prozent. Fazit: "Frauen erleben Männer konkret als offenbar weniger untreu, sehr viel einfühlsamer und sehr viel zuverlässiger, als sie generell unterstellen." Bedenklich ist, dass diese eigenen, persönlichen Erfahrungen an den sexistischen Vorurteilen bislang nichts zu ändern scheinen.

Eine Studie zeigt oder beweist zunächst mal garnichts. Sie ist i.d.R. eine stat. Auswertung einer großen Datenmenge mittels der Tendenzen interpretiert werden. Sowohl bei der Datenerfassung als auch bei der Auswertung und der Interpretation war kein Leser anwesend und kann somit auch nicht beurteilen, welche möglichen Fehler darin enthalten sind. Somit ist man als Leser entweder auf Vertrauen oder auf eigene Recherche angewiesen. Wenn eigene Recherche zu aufwendig wäre hilft nur die Glaubwürdigkeit der Quelle ABZUSCHÄTZEN und sich nicht ZU SEHR auf diese zu verlassen.

Klar. Zumal ja auch eine weitere Trivialisierung in der Berichterstattung stattfindet. Meinetwegen werden für eine Studie 300 Frauen und Männer befragt, 54 Prozent der Männer erweisen sich in der Befragung als beruflich besonders ehrgeizig gegenüber nur 49 Prozent bei den Frauen, und zum Schluss haben wir in einer Zeitschrift die Meldung "Studie beweist: Männern ist Karriere wichtiger als Frauen". Da repräsentieren dann eine Handvoll Leute ein ganzes Geschlecht.

*schmunzel* ich auch nur durch einen Zufall, der ihr schwer zu schaffen gemacht hat. Wir kannten uns und begegneten uns ohne dies zu wissen im A3-Chat. Ich hab sie erkannt. Hab kein Problem damit, ist ja ihre Neigung... und so is sie ne ganz Nette.

Ich hab mich schon gefragt, wie du überhaupt davon erfahren hast. "Na, was isst denn du am liebsten?" - "Och, ich mag Scheiße ganz gern." - "Ehrlich? Also mir schmeckt das viel zu säuerlich; ich hätte auch Angst vor Hepatitis und so." - usw.

Nö! Wo denn? Nur wenn ich Homosexualität als etwas statusmäßig unter mir stehendes betrachte. Tue ich das nicht, kann ich einfach sagen: Da liegst Du verkehrt. Und das Thema ist durch.

Wenn es durch ist, ist es ja auch gelöst. Aber wenn du beispielsweise Belgier bist und unaufhörlich als "Franzose" angesprochen wirst ... oder du bist Therapeut und jemand bezeichnet dich andauernd als "Psychologe" ... oder du zählst dich zur Linken, aber irgend jemand will dir ständig einreden, dass du als Männerrechtler gefälligst zur Rechten gehörst ... meiner Erfahrung nach fühlen sich Leute von falschen Zuordnungen auch dann genervt, wenn damit _keine_ Abwertung verbunden ist. Ein FtM wird es möglicherweise auch irgendwann dicke haben, wenn man ihn weiterhin als Frau bezeichnet - auch wenn er Frauen nicht als minderwertig empfindet.

Schafft es damit wirklich jemand Dir diese Vorzüge auszureden? Wohl kaum, oder? So labil scheinst Du mir nicht.

Von mir persönlich spreche ich doch in diesem Zusammenhang gar nicht. Das "Bündel im klassischen Sinne männlicher Verhaltensweisen" ist ja nicht mein Bündel. Das war nur eine Beobachtung.

Bei Femis wie bei Maskus stört mich, dass mehr gegeneinander als miteinander diskutiert wird. Es erinnert mich manchmal an Kindergarten: "Mein Bauklötzchen, Dein Bauklötzchen". Sowas kann man in möglichst objektiven Grundsatzüberlegungen nicht brauchen. (...) Bei emanzipatorischen Maskus scheint mir die "Bauklötzchen"-Mentalität noch stärker verbreitet und auch schon eine Art Ideologie zu sein.

Das ist eine hübsche Metapher, aber so unkonkret, dass ich keine Ahnung habe, ob ich sie richtig verstehe. Könntest du das ein bisschen ausführen?

Herzlicher Gruß

Arne

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Alex, Monday, 10.03.2003, 21:12 (vor 7906 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Arne Hoffmann am 10. März 2003 15:37:28:

ReHallo Arne!

Hi Alex,

och... Spaß machts trotzdem... bin ich nun [weiblich]? Weil ich Kommunikation betreibe, ohne ein spez. Ziel im Auge zu haben? *schmunzel*

Sowas würde MIR ja nieee einfallen ... :-)[/i]

*g*

Was mich an etwas anderes in diesem Zusammenhang erinnert: Das Wissenschaftsmagazin "Geo" hat im Jahr 2000 von einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach berichtet, in der es unter anderem darum ging, das bei Deutschlands Frauen vorherrschende Männerbild zu ermitteln. Das Ergebnis war höchst aufschlussreich. Zwar konnte man über die Eigenschaften, die Frauen bei Männern generell wahrnahmen, zusammenfassen: "Fast alle herausragenden Konturen sind negativ." Männern wurde von weiblicher Seite vorgeworfen, wehleidig zu sein, stur, egoistisch, großspurig, nörgelnd und untreu. Dieses Bild entpuppte sich aber sofort als völlig übersteigerte Karikatur, sobald diese Frauen nach konkreten Männern aus ihrem Bekanntenkreis gefragt wurden. Die durch Medien und politische Gruppen erzeugten Klischeebilder ließen sich nicht mehr aufrechterhalten. "Wehleidigkeit" beispielsweise wurde jetzt statt von 63 Prozent nur noch von 29 Prozent der Befragten als typisch männlich benannt, "Sturheit" schwand von 61 auf 36 Prozent, "Untreue" von 41 auf 14 Prozent. Fazit: "Frauen erleben Männer konkret als offenbar weniger untreu, sehr viel einfühlsamer und sehr viel zuverlässiger, als sie generell unterstellen." Bedenklich ist, dass diese eigenen, persönlichen Erfahrungen an den sexistischen Vorurteilen bislang nichts zu ändern scheinen.

Ein Thema, das leider in vielen Bereichen zutrifft! So wird aus Berichterstattung dann leider Propaganda.
Ich denke viele Gründe in einer solchen "gefärbten" Wirklichkeitsdarstellung sind in Sensationsgier und damit Quoten- bzw, Auflagenzwang zu finden. Sensationsmeldungen verkaufen sich gut, die Realität kennt ja jeder... blabla.... dass aber diese "Märchenstunde" dann u.U. üble Rückwirkungen auf die Realität hat, dass ist dann weniger toll, wird aber von den Verursachern offenbar ausgeblendet oder ignoriert.

Klar. Zumal ja auch eine weitere Trivialisierung in der Berichterstattung stattfindet. Meinetwegen werden für eine Studie 300 Frauen und Männer befragt, 54 Prozent der Männer erweisen sich in der Befragung als beruflich besonders ehrgeizig gegenüber nur 49 Prozent bei den Frauen, und zum Schluss haben wir in einer Zeitschrift die Meldung "Studie beweist: Männern ist Karriere wichtiger als Frauen". Da repräsentieren dann eine Handvoll Leute ein ganzes Geschlecht.

Solche "Wissenschaft" meine ich... und die ist leider nicht selten. Der Unkundige glaubts, oder zieht eine Gegenstudie gleicher "Qualität" aus der Tasche.... das meinte ich im Übrigen mit "Bauklötzchenspiel" weiter unten in meinem Posting.... die schmeißen sich gegenseitig "Forschungs-Ergebnisse" um die Ohren, nur weil irgendein Spinner den pseudowissenschaftlichen Dünnpfiff aus Auflagenzwang veröffentlichen mußte, mir fällt da Reinhard Mey ein: "Was in der Zeitung steht"

Wie soll etwas gelogen sein... was in der Zeitung steht...?

*schmunzel* ich auch nur durch einen Zufall, der ihr schwer zu schaffen gemacht hat. Wir kannten uns und begegneten uns ohne dies zu wissen im A3-Chat. Ich hab sie erkannt. Hab kein Problem damit, ist ja ihre Neigung... und so is sie ne ganz Nette.
Ich hab mich schon gefragt, wie du überhaupt davon erfahren hast. "Na, was isst denn du am liebsten?" - "Och, ich mag Scheiße ganz gern." - "Ehrlich? Also mir schmeckt das viel zu säuerlich; ich hätte auch Angst vor Hepatitis und so." - usw.

Bähhhh... neeenee, laß mal... kulinarische Spezialitäten bei denen schon meine Geruchssensorik in den kleinen Zeh auswandern möchte, probiere ich auch nicht aus Neugier.

Wenn es durch ist, ist es ja auch gelöst. Aber wenn du beispielsweise Belgier bist und unaufhörlich als "Franzose" angesprochen wirst ... oder du bist Therapeut und jemand bezeichnet dich andauernd als "Psychologe" ... oder du zählst dich zur Linken, aber irgend jemand will dir ständig einreden, dass du als Männerrechtler gefälligst zur Rechten gehörst ... meiner Erfahrung nach fühlen sich Leute von falschen Zuordnungen auch dann genervt, wenn damit _keine_ Abwertung verbunden ist. Ein FtM wird es möglicherweise auch irgendwann dicke haben, wenn man ihn weiterhin als Frau bezeichnet - auch wenn er Frauen nicht als minderwertig empfindet.

Naja... vielleicht liegts an mir. Ich passe vielleicht so wenig in irgendeine Schublade, dass es mir mit der Zeit einfach egal geworden ist, in welche Schublade mich aktuell jemand grade stecken möchte.
Ansonsten hätt ich kaum noch was Zeit für andere Dinge.

Von mir persönlich spreche ich doch in diesem Zusammenhang gar nicht. Das "Bündel im klassischen Sinne männlicher Verhaltensweisen" ist ja nicht mein Bündel. Das war nur eine Beobachtung.

Dann wäre es vielleicht ratsamer den Betreffenden etwas an Selbstbewußtsein zu vermittlen, statt die "Angreifer" zu kontern.
Immunisieren statt seinerseits angreifen. Es gibt so viele Angreifer im Leben... und verhältnismäßig wenige lohnen den Aufwand und Energieverbrauch eines Konters.

"Die Beste Art einem Schlag zu entgehen ... ist einfach nicht da zu sein" (Per Anhalter durch die Galaxis; Douglas Adams)
Oder auch: "Siegen wird der, der weiß, wann er kämpfen muss und wann nicht" (The Art of War; Sun Tzu; ca. 400 v.Chr. Zhou Dynastie)

Bei emanzipatorischen Maskus scheint mir die "Bauklötzchen"-Mentalität noch stärker verbreitet und auch schon eine Art Ideologie zu sein.
[quote]Das ist eine hübsche Metapher, aber so unkonkret, dass ich keine Ahnung habe, ob ich sie richtig verstehe. Könntest du das ein bisschen ausführen?
[/quote]

Den regelrechten "Sport" sich Medienberichte und "Wissenschaft" um die Ohren zu hauen, ohne deren Sinn oder Unsinn irgendwie zu prüfen, oder gar ob sie irgendeinen ernsthaften Hintergrund enthalten.
Das vergeudet Energie bewirkt GARNICHTS und stört Versuche ernsthafter und kreativer Ansätze.

Es gibt in diesem und in thematisch ähnlichen Foren hunderte von Beispielen:
hier, oder hier, oder hier, auaaa, auch gut

Aber ich merke gerade, dass ich meine Kritik ein wenig zurücknehmen muß... solche Postings sind wohl in letzter Zeit echt seltener geworden... als ich das letzte Mal so durch geschaut hab, war das deutlich schlimmer...

Vielleicht tut sich ja was :-)

Liebe Grüße

Alex

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Ferdi, Monday, 10.03.2003, 22:14 (vor 7906 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Alex am 10. März 2003 19:12:36:

Hi Alex!

Aber ich merke gerade, dass ich meine Kritik ein wenig zurücknehmen muß... solche Postings sind wohl in letzter Zeit echt seltener geworden... als ich das letzte Mal so durch geschaut hab, war das deutlich schlimmer...

Weisst Du, warum es in diesen Foren so viele Postings dieser Art gibt? Es ist eine Art wütender Frust. Ich habe das in der Vergangenheit so empfunden: Man ist als Mann den Frauen irgendwie hilflos ausgeliefert, wenn die "Liebe" zuschlägt. Ich will das Bild mit dem Gott Amor, der Liebespfeile verschiesst, bemühen. Heute kannst Du davon ausgehen, dass viele derartige Pfeile vergiftet sind. Aber Du hast keine Möglichkeit, das zu erkennen. Zersetzende Strahlung radioaktiven Materials kannst Du mit einem Messgerät feststellen. Zersetzende Infamie von Frauen nicht. Dafür gibt es keinen Indikator, keine Vorwarnzeit - russisches Roulette in Reinkultur. Das ist das Eine.

Hinzu kommt eine gesetzliche, politische und gesellschaftliche Benachteiligung der Männer gegenüber den Frauen. Ich sage nur das: Wehrpflicht, Aufstockungsunterhalt, Benachteiligung am Arbeitsmarkt (Quotenregelungen), Beweislastumkehr beim Gewaltschutzgesetz, Verweigerung des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind im Scheidungsfalle, falsche Anschuldigungen im sexuellen Bereich.

Dazu gesellt sich dann noch die sogenannte "Geschlechterrolle", die den Mann behindert, sich so auszuleben wie er gerne sein möchte, die ihn hindert, Wünsche auch umzusetzen. Sie zwingt ihn, sich zu verstellen, sich zu verleugnen, eine Fassade aufzubauen, wenn er in der "Gesellschaft" was darstellen will (soziales Mobbing). Beispiel: Immer den harten Macker mimen müssen, Gefühle, die jeder Mann so wie die Frauen auch hat, unterdrücken zu müssen (macht auf die Dauer krank, Lebenserwartung!) uvam.

All das sind jedes für sich nur Kleinigkeiten, aber die Zusammenwirkung aller, dieses Gefühl, sich davon befreien zu müssen aber es nicht zu können, dieses dringende Bedürfnis, einmal wie Herkules ganz tief einzuatmen und diesen ganzen seelischen Gefängniskokon mit einem Riesenknall von sich abzusprengen und gleichzeitig die Gewissheit zu haben, es ja doch nicht fertigzubringen, weil man Angst vor eventuellen Konsequenzen hat, das erzeugt einen dermassen intensiven seelischen Frust, dass der sich in wütenden, giftigen und destruktiven Postings in den einschlägigen Foren entlädt. Wenn man dann noch erleben muss, wie man von Frauen, denen man mal vertraut hat, in die man Gefühle investiert hat, an der "Nase" (nicht die im Gesicht) herumgeführt wird und von ihnen mit Hilfe perverser Gesetze zum hilflosen Geldautomaten aus Fleisch und Blut gemacht wird, dann kann ich so manchen verbalen Ausbruch durchaus verstehen.

Ich habe es vor vier Jahren geschafft und habe seitdem die Luft der wirklichen Freiheit eingesogen und genossen. Ich habe konsequent nur noch an mich gedacht, getan was nur mir guttut (die Röcke gehören dazu, Alex!), ich habe die Konsequenzen aus der für Männer verheerenden Gesetzeslage gezogen und meine Wohnung zur frauenfreien Zone erklärt, und ich habe es bis zu dieser Sekunde nicht bereut. Ich habe mir dadurch neue Dimensionen von Freiheit und Lebensqualität eröffnet. Geld spielt für mich dabei überhaupt keine Rolle mehr, solange ich mein Leben damit so gestalten kann wie ich will. Ich habe mich diesem ganzen Sch**** einfach entzogen!

Freundliche Grüsse,
Ferdi

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Alex, Monday, 10.03.2003, 23:16 (vor 7906 Tagen) @ Ferdi

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Ferdi am 10. März 2003 20:14:59:

Huhu Ferdi.

Weisst Du, warum es in diesen Foren so viele Postings dieser Art gibt? Es ist eine Art wütender Frust. Ich habe das in der Vergangenheit so empfunden: Man ist als Mann den Frauen irgendwie hilflos ausgeliefert, wenn die "Liebe" zuschlägt. Ich will das Bild mit dem Gott Amor, der Liebespfeile verschiesst, bemühen. Heute kannst Du davon ausgehen, dass viele derartige Pfeile vergiftet sind. Aber Du hast keine Möglichkeit, das zu erkennen. Zersetzende Strahlung radioaktiven Materials kannst Du mit einem Messgerät feststellen. Zersetzende Infamie von Frauen nicht. Dafür gibt es keinen Indikator, keine Vorwarnzeit - russisches Roulette in Reinkultur. Das ist das Eine.

Ich war genauso unsensibel, dass ich nicht wußte, wem ich vertraue und wem nicht. Und Frauen sind das ebenfalls. In den Fällen in denen ich wirklich auf die Nase gefallen bin, waren es hauptsächlich Männer(Geschäftsbeziehung, Freunde), die mein Vertrauen enttäuscht haben, nur in einem Fall versuchte eine Frau bei einer Trennung einer Beziehung unfair zu werden. Deswegen kann ich diese Pauschalisierung, zumindest aus meinem eigenen Erfahrungsschatz nur schwer nachvollziehen. Entweder bin ich mittlerweile zu alt (33) um auf diese "unfaire Frau" reinzufallen, die viele immer schildern, oder ich hab durch meine Art immer rechtzeitig durchschaut, was passiert.
Was mich stört ist eine generelle Geschichte: Ich lehne Verallgemeinerungen jeglicher Art zutiefst ab.
Wenn jemand nun wirklich auf so eine "fiese Frau" reingefallen ist... warum lernt er dann nichts daraus? Ist das wirklich so schwer? Kann man daraus nicht eine gewisse Weisheit entwickeln, und sagen: "ok... es gibt miese Menschen... aber ich durchschaue das jetzt"?

Hinzu kommt eine gesetzliche, politische und gesellschaftliche Benachteiligung der Männer gegenüber den Frauen. Ich sage nur das: Wehrpflicht, Aufstockungsunterhalt, Benachteiligung am Arbeitsmarkt (Quotenregelungen), Beweislastumkehr beim Gewaltschutzgesetz, Verweigerung des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind im Scheidungsfalle, falsche Anschuldigungen im sexuellen Bereich.

Bähhhh....
<ul><li> Wehrpflicht: Nichts ändert sich von einem Tag auf den anderen... auch da werden viele Dinge passieren... ich tippe auf ein Berufsheer, dass bei uns in Zukunft die Armee darstellen wird
<li> Aufstockungsunterhalt: Dagegen gäbe es Eheverträge; Ich bin auch gegen eine Verpflichtung über gewisse Grenzen hinaus. Kinder wären MEINE Kinder, für die eine Verpflichtung lebenslang bestehen bleibt.. der Ex-Partner ist ein selbständiger Mensch, der sich um seinen Lebensstandard nach einer Trennung selbstverantwortlich zu kümmern hat (so er körperlich und geistig die Möglichkeit dazu hat).
<li> Quote: Sehe ich als "Anlaufhilfe", die nicht mehr lange leben wird (Denk mal in 10 Jahren an mich).
<li> Beweislastumkehr: Beruht immer auf einem Notstand in der Beweisführung. Ob die hier angebracht sind, oder nicht, müssen ernsthafte Studien beweisen. Ich denke nicht dass Gewalt eine geschlechtsspezifische Sache ist, und dementsprechend rechne ich damit, dass dieses Gesetz so nicht bestehen bleibt
<li> Umgangsrecht: Verstaubte Ansichten ändern sich langsam, aber auch hier tut sich was. Bislang herrscht oft die Ansicht, eine Mutter sei mit dem Kind enger verbunden als ein Vater. Da ich persönlich genügend Gegenbeispiele kenne, ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese verstaubten Ansichten revidiert werden.
<li> sex. Anschuldigungen: Locken nur noch dämliche Richter hinter dem Ofen hervor... schwarze Schafe gibt es überall, auch bei den Richtern. Im allgem. gilt aber: In dubio pro reo. Und nicht alle Richter sind dämlich und lassen sich einwickeln. Dass die Chance auf ein Fehlurteil besteht, bestreite ich nicht... aber die besteht bei jedem Vorwurf.</ul>

Dazu gesellt sich dann noch die sogenannte "Geschlechterrolle", die den Mann behindert, sich so auszuleben wie er gerne sein möchte, die ihn hindert, Wünsche auch umzusetzen. Sie zwingt ihn, sich zu verstellen, sich zu verleugnen, eine Fassade aufzubauen, wenn er in der "Gesellschaft" was darstellen will (soziales Mobbing). Beispiel: Immer den harten Macker mimen müssen, Gefühle, die jeder Mann so wie die Frauen auch hat, unterdrücken zu müssen (macht auf die Dauer krank, Lebenserwartung!) uvam.

Das hat aber jeder selbst in der Hand. Und wenn man unfähig ist, diese Eigenschaften an sich zu sehen oder zu akzeptieren... gibt es genügend Hilfen, die jeder in Anspruch nehmen KÖNNTE, wenn er wollte. Sei es durch eine Psychotherapie, oder Selbsterfahrungstraining, sei es durch bloßes Nachdenken über das eigene Selbst, oder eine banale Liste was stelle ich dar, und wie möchte ich sein.....

All das sind jedes für sich nur Kleinigkeiten, aber die Zusammenwirkung aller, dieses Gefühl, sich davon befreien zu müssen aber es nicht zu können, dieses dringende Bedürfnis, einmal wie Herkules ganz tief einzuatmen und diesen ganzen seelischen Gefängniskokon mit einem Riesenknall von sich abzusprengen und gleichzeitig die Gewissheit zu haben, es ja doch nicht fertigzubringen, weil man Angst vor eventuellen Konsequenzen hat, das erzeugt einen dermassen intensiven seelischen Frust, dass der sich in wütenden, giftigen und destruktiven Postings in den einschlägigen Foren entlädt.

Das ist aber unabhängig vom Geschlecht... so entstehen Amokläufer (auch weibliche)... dagegen sollte jeder selbst etwas unternehmen. Im Kleinen hilft es mal Holz hacken zu gehen, im Großen vielleicht eher sich bei Freunden auszuheulen, oder falls das nicht geht eben ein Psychologe... in sich reinfressen bis man platzt? Dazu zwingt einen niemand.

Wenn man dann noch erleben muss, wie man von Frauen, denen man mal vertraut hat, in die man Gefühle investiert hat, an der "Nase" (nicht die im Gesicht) herumgeführt wird und von ihnen mit Hilfe perverser Gesetze zum hilflosen Geldautomaten aus Fleisch und Blut gemacht wird, dann kann ich so manchen verbalen Ausbruch durchaus verstehen.

Das drückt zwar Deine Gefühle aus, und es ist immer sehr schmerzhaft, wenn Vertrauen enttäuscht wird, aber wenn Du glaubst sexuell an der "Nase" herumgeführt worden zu sein, wüßte ich gerne wie Du darauf kommst.

Ich habe es vor vier Jahren geschafft und habe seitdem die Luft der wirklichen Freiheit eingesogen und genossen. Ich habe konsequent nur noch an mich gedacht, getan was nur mir guttut (die Röcke gehören dazu, Alex!), ich habe die Konsequenzen aus der für Männer verheerenden Gesetzeslage gezogen und meine Wohnung zur frauenfreien Zone erklärt, und ich habe es bis zu dieser Sekunde nicht bereut. Ich habe mir dadurch neue Dimensionen von Freiheit und Lebensqualität eröffnet. Geld spielt für mich dabei überhaupt keine Rolle mehr, solange ich mein Leben damit so gestalten kann wie ich will. Ich habe mich diesem ganzen Sch**** einfach entzogen!

Ist doch wundervoll! Warum können andere nicht ähnlich konstruktiv agieren?
Warum müssen es sinnlose Postings sein?

Liebe Grüße

Alex

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Jolanda, Tuesday, 11.03.2003, 00:59 (vor 7906 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Alex am 10. März 2003 19:12:36:

Hallo Alex

Zuerst einmal herzlich Willkommen. Schön, dass du hier schreibst, es ist ein Vergnügen und es ist sehr lehrreich zu lesen, was du so alles "von dir gibst" ;-)

Ich wünschte mir sehr, dass es mehr Menschen gäbe, die auf einer so sachlichen und fairen Ebene Austausch betreiben, tut gut :-) Zudem hast du Humor und ich sage immer, mit Humor geht alles leichter ;-)

Aber ich merke gerade, dass ich meine Kritik ein wenig zurücknehmen muß... solche Postings sind wohl in letzter Zeit echt seltener geworden... als ich das letzte Mal so durch geschaut hab, war das deutlich schlimmer...
Vielleicht tut sich ja was :-)

---Wäre ja echt Klasse, also ich würde mich darüber freuen :-)

Es grüsst dich
Jolanda

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Alex, Tuesday, 11.03.2003, 11:04 (vor 7906 Tagen) @ Jolanda

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Jolanda am 10. März 2003 22:59:17:

Huhu Jolanda,

Hallo Alex
Zuerst einmal herzlich Willkommen. Schön, dass du hier schreibst, es ist ein Vergnügen und es ist sehr lehrreich zu lesen, was du so alles "von dir gibst" ;-)

dankeschön :o) auch für die Blümchen.

Ich wünschte mir sehr, dass es mehr Menschen gäbe, die auf einer so sachlichen und fairen Ebene Austausch betreiben, tut gut :-) Zudem hast du Humor und ich sage immer, mit Humor geht alles leichter ;-)

Den selben Wunsch habe ich auch. Es scheint mir auch der einzige Weg zu sein ernsthaft etwas zu erreichen.
Und Humor ist mir wirklich wichtig, das stimmt... wer sich selber so bitterernst nimmt verpasst zu viel vom Leben.
Ob das lehrreich ist, was ich schreibe weiß ich nicht. Es ist einfach meine Meinung. Was ich für mich in Anspruch nehme, sind wache Augen, die sehen was vor sich geht und ein gewisses Gespür für Dinge unter der Oberfläche.
In gewissen Bereichen habe ich es aber auch einfacher. Dadurch, dass ich nie an Rollenklischees oder -verhalten geklebt hab ist mir einiges viel leichter gefallen als anderen. Das von anderen Menschen ad hoc zu erwarten (auch wenn das vielleicht manchmal so klingt, in dem was ich schreibe) wäre nicht fair, und ist auch nicht so gemeint. Aber etwas provokant schreibe ich schon recht gerne :o) das bleibt besser im Gedächtnis...

Liebe Grüße

Alex

Re: Wer nicht fragt bleibt dumm.

Ferdi, Monday, 10.03.2003, 14:01 (vor 7906 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Alex am 10. März 2003 08:50:52:

Hallo!

Ich habe eine Frage: Was ist "koprophag"?

Gruss,
Ferdi

Re: Wer nicht fragt bleibt dumm.

Alex, Monday, 10.03.2003, 15:27 (vor 7906 Tagen) @ Ferdi

Als Antwort auf: Re: Wer nicht fragt bleibt dumm. von Ferdi am 10. März 2003 12:01:04:

Huhu Ferdi.

Hallo!
Ich habe eine Frage: Was ist "koprophag"?
Gruss,
Ferdi

Eine sexuelle Erregbarkeit durch Kot-Spiele. Wörtlich übersetzt heißt es "Kot essend". Und bis dahin können solche Spiele auch gehen.
In der Psychologie sind damit alle "Norm-Abweichungen" bezeichnet, die eine Erregung durch Praktiken mit Kot als Fetischobjekt beinhalten.

Gruß

Alex

Meine Güte, was es nicht alles gibt! (o. T.)

Ferdi, Monday, 10.03.2003, 17:38 (vor 7906 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Wer nicht fragt bleibt dumm. von Alex am 10. März 2003 13:27:42:

.

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Ferdi, Monday, 10.03.2003, 17:36 (vor 7906 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Alex am 09. März 2003 15:55:03:

Hi Alex!

Erstmal vielen Dank für Dein ausführliches Posting, ich glaube jetzt sehe ich schon klarer worauf Ihr hinauswollt. Aber ich muss noch eines klarstellen.

Ferdi ärgert sich, wenn jemand aufgrund des Röcketragens auf seine Männlichkeit schließt,

Da könnte ein Missverständnis entstehen. Ich ärgere mich nicht, wenn jemand auf meine "Männlichkeit" (ich hasse dieses Wort) schliesst. Ich ärgere mich nicht darüber, wenn jemand sagt, ich würde mich "unmännlich" verhalten. Das ist mir egal, habe ich nichts mit zu tun. Nein, ich ärgere mich über ganz was anderes: nämlich über die Tatsache, dass Frauen in dieser Hinsicht völlig unbehelligt gelassen werden. Niemand wird zum Beispiel sagen, Frauen, die Krawatten oder Sakkos und Hosen tragen, seien "unweiblich"! Das, diese gesellschaftliche Ungleichbehandlung, sehe ich nicht ein, das lasse ich mir nicht gefallen. Regelrecht wütend werde ich, wenn ich schon mal in der Presse lese, dass irgendein Unternehmen seinen männlichen Angestellten im heissen Hochsommer legere, luftige Kleidung untersagt (müssen ja nicht Röcke sein, auch Shorts werden den Männern manchmal verwehrt), während die Frauen sich durchaus leicht bekleiden dürfen. Auch das ist in meinen Augen eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes, auch wenn das in keinem Gesetz steht. Das darf nicht sein, wenn man die Gleichberechtigung der Geschlechter ernst nimmt.

Gruss,
Ferdi

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Alex, Monday, 10.03.2003, 17:56 (vor 7906 Tagen) @ Ferdi

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Ferdi am 10. März 2003 15:36:42:

Huhu Ferdi!

Hi Alex!
[quote]Erstmal vielen Dank für Dein ausführliches Posting, ich glaube jetzt sehe ich schon klarer worauf Ihr hinauswollt. Aber ich muss noch eines klarstellen.
Ferdi ärgert sich, wenn jemand aufgrund des Röcketragens auf seine Männlichkeit schließt,
Da könnte ein Missverständnis entstehen. Ich ärgere mich nicht, wenn jemand auf meine "Männlichkeit" (ich hasse dieses Wort) schliesst. Ich ärgere mich nicht darüber, wenn jemand sagt, ich würde mich "unmännlich" verhalten. Das ist mir egal, habe ich nichts mit zu tun.
[/quote]

Ah, ok! Hatte ich wohl mißverstanden :o)

Nein, ich ärgere mich über ganz was anderes: nämlich über die Tatsache, dass Frauen in dieser Hinsicht völlig unbehelligt gelassen werden. Niemand wird zum Beispiel sagen, Frauen, die Krawatten oder Sakkos und Hosen tragen, seien "unweiblich"!

Tja... es wird eine Zeit dauern, bis solche Ungleichbehandlungen ausgerottet sind. Wichtig ist aber schon mal, dass Dir persönlich ein Vorwurf "unmännlich" zu sein schnurz ist... Weil das wäre ein persönliches Problem... das andere ist ein gesellschaftlicher Mißstand, mit dem eine Marlene Dietrich vor vielen Jahren für die Frauen aufgeräumt hat... nun sind eben wir dran.

Das, diese gesellschaftliche Ungleichbehandlung, sehe ich nicht ein, das lasse ich mir nicht gefallen. Regelrecht wütend werde ich, wenn ich schon mal in der Presse lese, dass irgendein Unternehmen seinen männlichen Angestellten im heissen Hochsommer legere, luftige Kleidung untersagt (müssen ja nicht Röcke sein, auch Shorts werden den Männern manchmal verwehrt), während die Frauen sich durchaus leicht bekleiden dürfen. Auch das ist in meinen Augen eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes, auch wenn das in keinem Gesetz steht. Das darf nicht sein, wenn man die Gleichberechtigung der Geschlechter ernst nimmt.

Durchaus, ja. Das Problem ist dass Firmen gewinnmaximierend arbeiten müssen. Und das heißt im Einzelfall dass Verhaltensregeln aufgestellt werden, die auch einen konservativen Kunden dazu nötigen sein Geld rüberwachsen zu lassen.
Wenn es allerdings keine Maßnahme in diesem Sinne wäre, d.h. z.B. kein Kundenkontakt vorhanden wäre, ist es durchaus legitim, dass da auch mal eine Klage eingereicht wird.
Prinzipiell ist ja nunmal jede Ungleichbehandlung gesetzlich verboten. Einziger annehmbarer Grund für eine "Verkleidung" für mich, ist es, wenn die Firma dadurch Gewinneinbußen tragen oder befürchten müßte. In diesem Falle würde ich dann die Position der Geschäftsleitung vertreten.


Liebe Grüße

Alex

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Ferdi, Monday, 10.03.2003, 18:16 (vor 7906 Tagen) @ Alex

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Alex am 10. März 2003 15:56:25:

Hallo Alex!

Durchaus, ja. Das Problem ist dass Firmen gewinnmaximierend arbeiten müssen. Und das heißt im Einzelfall dass Verhaltensregeln aufgestellt werden, die auch einen konservativen Kunden dazu nötigen sein Geld rüberwachsen zu lassen.

Ja ok, das kann ich noch nachvollziehen, obwohl ich der Ansicht bin, dass wenn das Produkt bzw. die Arbeitsleistung gut ist, solche Dinge eigentlich keine Rolle spielen sollten. Wenn das aber schon sein muss, dann kann ich mit Recht verlangen, dass auch den Frauen Kleidervorschriften gemacht werden müssen. Das wäre dann wieder Gleichbehandlung. Aber nur den Männern solche Dresscodes aufzuerlegen und die Frauen machen lassen was sie wollen, das geht nicht. Das ist und bleibt Benachteiligung wegen des Geschlechtes. Es geht mir hier ums Prinzip.

Dass das nicht unbedingt sein muss, siehst Du ja an mir selbst. Ich arbeite als Techniker an einer der konservativsten Universitäten mit auch in meinem Bereich starkem Publikumsverkehr. Dass ich hier bei dem herrlichen warmen Frühlingswetter in einem kurzen Jeansrock herumspringe stört hier keinen. Hauptsache die Arbeit wird ordentlich gemacht und ich sehe ordentlich und gepflegt aus. So sollte es überall sein.

Herzliche Grüsse,
Ferdi

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Alex, Monday, 10.03.2003, 21:36 (vor 7906 Tagen) @ Ferdi

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Ferdi am 10. März 2003 16:16:37:

Hallo Ferdi,

ich gebe Dir durchaus Recht. Auch wenn Universitäten da eine eingene Welt darstellen, die oft bedeutend offener mit Ungewöhnlichem umgeht.

Prinzipiell ist eine Gleichbehandlung absolut anzustreben!

Du verkennst aber, dass es in der freien Wirtschaft meist um reine Vertriebs-Psychologie geht... und da wird JEDER auch der kleinste Faktor begutachtet, der den Umsatz beeinflussen könnte.
Macht ein Management dies nicht, ist es meist deplaziert.

Es ist so, dass, wenn ich ein Produkt verkaufen möchte (und in der Regel bin ich nicht der Einzige, der dieses Produkt vertreibt), dass ich dann ein möglichst auf die Zielgruppe angepasstes Bild von dem Unternehmen sowie von dem Produkt erzeuge. Das ist reine Taktik... ein Schauspiel sozusagen. Und zu diesem Schauspiel gehört in der Regel auch ein Kostüm für die Darsteller.

Ich würde für das entsprechende Produkt ebenso in die andere Richtung entsprechend weit gehen, wenn dies die Verkaufschancen erhöht... stell Dir ein Produkt vor, zu dem es passt, dass die gesammte Firmenbelegschaft verpflichtet ist Röcke zu tragen.... das wäre dann das andere Extrem... verstehst Du worauf ich hinaus will?

Im heutigen Business ist nahezu alles Show, was an die Öffentlichkeit gelangt. Alles geplant und die Wirkung psychologisch geprüft. Klar passieren da auch Pannen, oder ein Manager glaubt die Regeln zu kennen, die er eigentlich ständig neu lernen muß, und handelt dann falsch. Aber sowas wird immer seltener, weil man ohne Show kaum eine Chance mehr hat.

Was glaubst Du, warum selbst Warenverpackungen im Supermarkt mit einem entspechenden Parfüm behandelt werden, dass das Produkt idealisiert widerspiegeln soll?

Geh davon aus, dass kaum etwas von dem was Du kaufst so ist, wie es Dir die Show zeigt.

Und die Konsequenz, dass auch die Firmenbelegschaft zur Show gehört ist da nicht fern, oder?

An dieser Stelle hat das auch nichts mehr mit unterschiedlicher Behandlung der Geschlechter zu tun. Es ist wie in einem Schauspiel, in dem ein Schauspieler den idealisierten Business-Mann spielt... eine Karrikatur dessen, was ein Mensch eigentlich ist.... und solange sich Menschen unter dem Businessman jemand in Anzug vorstellen, wird er eben so karikiert... ändert sich die Vorstellung, wird sein Kostüm angepasst...

Liebe Grüße

Alex

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

susu, Wednesday, 12.03.2003, 02:50 (vor 7905 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von Arne Hoffmann am 06. März 2003 21:11:04:

Hi Arne

Heißt das, du meinst, Alice Schwarzer sei existentialistisch? Inwiefern?

Insofern, daß einige ihrer zentralen Ideen von de Beauvoir kommen. Sonst ist da nicht viel...

Nachdem ich damit fertig war, mir mit dem Hörer vor Verzweiflung die Stirn blutig zu hauen, erklärte ich meiner Gesprächspartnerin, das SEI ja gerade mein Problem mit dem Buch. Untertitel, Einleitung und Ausblick bilden das harmonischste Gesäusel von einer Utopie, in der die beiden Geschlechter quasi ununterscheidbar sind, und in allen Kapiteln mittendrin erscheint der Mann schlechthin als zurückgebliebener, unreifer Sextourist, Pornograph, Kinderschänder und was weiß ich nicht noch alles. Es ist mir völlig schleierhaft, wie Schwarzer diesen reaktionär-feministischen Dummfug in diesen friedliebend-ausgleichenden Rahmen spannen kann, ohne zu merken, dass sich das komplett miteinander beißt. Ich kann mir das nur damit erklären, dass sie ja in gewisser Weise selbst schon eine Doppel-Persönlichkeit angenommen hat, spätestens seit sie die ständigen Anfeindungen damit überwinden wollte, sich z. B. als Ratetante bei Fuchsberger und in diversen Talkshows als massengängig zu präsentieren. Seitdem tritt sie im Fernsehen charmant auf, augenzwinkernd und sagt solche Dinge wie "Die Frauen sind nicht die besseren Menschen, sie hatten nur weniger Gelegenheiten, schlimme Sachen anzurichten." Aber sobald man dann ihre Bücher oder ihre Zeitschrift liest, ist das uralte Freund-Feind-Gut-Böse-Schema zwischen den Geschlechtern wieder da. Die Männer machen Krieg und die Frauen kämpfen für den Frieden.

Zum großen Unterschied fällt mir noch ein, daß die Argumentation Schwarzers zu Butler praktisch eine direkte Übersetzung eines Artikels von Martha Nussbaum in "the new republic" ist, inclusive einiger sarkastischer Bemerkungen... Wenn nur der Ansatz gleich gewesen wäre... Zu Nussbaum gibt es einen klasse Absatz in David Gauntlets auch sonst empfehlenswerten Buch "Media, Gender and Identity", das enlich die von mir so oft erhoffte Übersetzung von Judith Butler ins Englische enthält :) Gauntlet: "...Butler´s writing is like an explosion in a dictionary factory..." und dann kommt ohne Tausend Fußnoten und Fremdworte die Zusammenfassung der zentralen Punkte von "gender trouble".

Apropos ihm/ihr: Wie möchtest du eigentlich, dass auf DICH Bezug genommen wird? Auch in dieser Form, also "Susu hat mich seinen/ihren Text lesen lassen"? Oder anders? Oder wurscht?

Wurscht. Politisch korrekt wäre zie, aber es gibt wichtigeres auf der Welt als Pronomina :)

Da wir uns in allem anderen einig zu sein scheinen, möchte ich jetzt doch noch mal ein bisschen problematisieren. :-) Dazu möchte ich auf deine These von den zwei Abwertungen zurückkommen. Ich bin damit immer noch nicht ganz glücklich, weil ich immer noch glaube, dass da eine dritte Abwertung fehlt. Etwas unbeholfen und in Ermangelung eines besseren Ausdrucks möchte ich sie mal die "feministische Abwertung" nennen, obwohl es das nur so halb trifft. Meiner Einschätzung nach ist diese Abwertung eine, die zumindest einige Männer hier in den Foren so ärgert. Dabei geht es darum, dass klassische "männliche Tugenden" nicht mehr als solche erkannt, sondern umgedeutet werden: Aus Ehrgeiz wird meinetwegen Karrieresucht, aus Kampfesmut Aggression undsoweiter.

Nennen wir es einfach inverse 2.Abwertung. Ich hab dazu eine super Visualisierung im Kopf, muß die Bilder aber erst noch erstellen. Diese Abwertung trifft Interessanterweise die neuen Frauen besonders Hart, denn wenn die 2. Abwertung invertiert wird, sind sie es, die beide Abwertungen erfahren, die alten Frauen steigen auf die Position der alten Männer, und Männer, alt wie neu liegen dazwischen. Kann ich als Text schwer beschreiben, sagen wir einfach, daß das System der Abwertungen rotiert.

Klingt unzusammenhängend und konfus, wird aber mit Bild deutlicher...

Ich finde, <a href= http://www.novo-magazin.de/45/novo4512.htm >dieser NOVO-Artikel[/link] gibt zumindest einiges von dem wieder, was für mich mit dieser dritten Abwertung verbunden ist:

OK ich versuch´s mal mit ASCIIs... Der NOVO Artikel enthält nicht die Dinge, die ich mit der 1. Abwertung beschrieben habe. Bezeichne ich Männer mit M, Frauen mit F, Weiblichkeit mit w und Männlichkeit mit m, dann ergibt sich folgende Stuktur nach meinem Schema:
0 Abwertungen: Mm
1 Abwertung: Fm, Fw
2 Abwerungen: Mw
Mit invertierter 2. Abwertung ergibt sich:
0 Abwertungen: Fw
1 Abwertung: Mm, Mw
2 Abwerungen: Fm

Es ist zwar schön zu wissen, dass wir femininen Männer immerhin auf dem zweiten Platz stehen ;-) aber wenn ich ein Mann wäre, der die Werte traditioneller Männlichkeit verkörpert, würde ich mich heutzutage in vielem auch unfair behandelt - abgewertet - fühlen. John Wayne verkörpert heutzutage sicher nicht mehr die erwünschte hegemoniale Männlichkeit, vielleicht gilt er sogar mehr als das Sinnbild für eine reaktionäre Haltung, aber dabei wird doch übersehen, dass auch mit dieser "klassischen" Ausbildung von Männlichkeit viele positive Werte verbunden waren: Offenheit, Mut, Einstehen für seine Freunde, Tatkraft usw. Genauso wie deiner ersten Abwertung zufolge allzu "weibliche" Männer von gewissen Sanktionen betroffen sind, gilt doch heute dasselbe für allzu "männliche" Männer. Verstehst du, was ich meine?

Ja, wobei dabei bedacht werden muß, daß es verschiedene Männlichkeiten und Weiblichkeiten gibt, die nach den beiden Sorten von 2. Abwertung betroffen sind. Da muß der Grundsatztext noch überarbeitet werden, auch deshalb, weil er zu stark den Eindruck entstehen läßt, es gäbe nur jeweils eine Männlichkeit und eine Weiblichkeit.

Grüße
susu

Re: Wie versprochen: Grundsatztext

Arne Hoffmann, Wednesday, 12.03.2003, 11:30 (vor 7905 Tagen) @ susu

Als Antwort auf: Re: Wie versprochen: Grundsatztext von susu am 12. März 2003 00:50:04:

Hi Susu,

Nennen wir es einfach inverse 2.Abwertung. Ich hab dazu eine super Visualisierung im Kopf, muß die Bilder aber erst noch erstellen. Diese Abwertung trifft Interessanterweise die neuen Frauen besonders Hart, denn wenn die 2. Abwertung invertiert wird, sind sie es, die beide Abwertungen erfahren, die alten Frauen steigen auf die Position der alten Männer, und Männer, alt wie neu liegen dazwischen. Kann ich als Text schwer beschreiben, sagen wir einfach, daß das System der Abwertungen rotiert.

OK ich versuch´s mal mit ASCIIs ...

Faszinierend. Das ist ein Modell, das ich mir mal durch den Kopf gehen lassen werde.

Lieber Gruß

Arne

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