Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Feministische Sprachkritik

Jörg, Thursday, 20.02.2003, 19:33 (vor 7739 Tagen)

<table border="0" cellpadding="0" cellspacing="0" width="500[/link]<tr><td>
<h2>"Liebe Mitglieder und MitgliederInnen ..." - Ist unsere Muttersprache frauenfeindlich?</h2>
"Was bestellt eine Feministin bei McDonalds? Eine Cola und eine Hamburgerin."
Volksmund

"Feministische Sprachkritik" hört sich im Vergleich zur Mißbrauchsdebatte oder Brutalitäten in der Partnerschaft sehr harmlos und abgehoben an. Wir sollten aber andererseits nicht so tun, als sei die Umgestaltung unserer Sprache völlig unwichtig und uninteressant. Die allermeisten Sprachwissenschaftler sind sich einig darüber, daß die Art, wie wir über etwas sprechen, auch beeinflusst, wie wir es wahrnehmen. Berühmtestes Beispiel dürfte die politisch vorgeschriebene Sprache des Großen Bruders in George Orwells "1984" mit ihren Formulierungen wie "doppelplusungut" sein. Auch Feministinnen möchten unsere Sprache nach ihrem Willen umgestalten. Zu einem großen Teil ist ihnen das auch schon gelungen. Natürlich würden sie es weit von sich weisen, daß dies in totalitärer Absicht geschieht. Sinn der Sache ist natürlich einzig und allein die Befreiung der Frau.

<hr>

Alle Menschen werden Schwestern
These: In der deutschen Sprache wird die Frau an den Rand gedrückt

Wenn man heutzutage Stellenanzeigen liest, fällt einem durchgehend auf, wie sehr bei den Formulierungen auf eine Ausgewogenheit für beide Geschlechter geachtet wird. Gesucht wird zum Beispiel "ein Abteilungsleiter/eine Abteilungsleiterin, der bzw. die folgende Voraussetzungen erfüllen sollte ..." oder auch (inzwischen immer öfter) "eine(n) SprachtherapeutIn". Noch in den Siebzigern war das ganz anders: Man wählte ganz einfach die männliche Form und fertig. Nicht nur in den Stellenanzeigen, sondern auch sonst war die Rede von "Kunden", "Mitarbeitern" und "Bürgern", statt wie heutzutage z. B. von "Bürgern und Bürgerinnen". Daß Frauen immer nur mitgemeint, sozusagen "eingemeindet" seien, empörte feministische Sprachwissenschaftlerinnen wie Luise Pusch, die auf dieses Problem mit provokativen Fragen aufmerksam machte: "Warum sind 99 Lehrerinnen und ein Lehrer zusammen hundert Lehrer?" Kein Wunder, daß die Frau in der Gesellschaft unterdrückt wurde, wenn sie schon in der Sprache nicht angemessen vorkam! Jeder, der eine Stellenanzeige las, in der "ein Abteilungsleiter" gesucht wurde, würde vielleicht gar nicht auf den Gedanken kommen, daß sich auch Frauen für diesen Posten bewerben konnten. Moment - jeder, der? Da sind doch schon wieder irgendwo die Frauen verschwunden, schließlich waren es doch vor allem weibliche Bewerber - also: Bewerberinnen, verdammtnocheins - die hier benachteiligt wurden. Man möchte glauben, die Erfinder und Erfinderinnen der deutschen Sprache hatten das mit Absicht gemacht! Man möchte glauben? Frau vielleicht nicht? Die doch besonders! Man kann ja ... es ist ja noch nicht einmal ein Satz spontan zu formulieren, ohne daß über irgendwelche Sexismen gestolpert wird! Das Deutsche ist offensichtlich eine "Männersprache".

Soweit schien das alles jeder verständlich. Nur wenn frau sich darüber mit einem ernsthaften Linguisten bzw. einer ernsthaften Linguistin unterhielt, dann schüttelte diese bzw. dieser betrübt sein bzw. ihr Haupt.

In der deutschen Sprache gibt es ein natürliches Geschlecht (Sexus) und ein grammatisches Geschlecht (Genus). Beides wird von feministischen Linguistinnen gerne verwechselt, um nicht zu sagen: wild durcheinandergeworfen. Dabei können auch sprachwissenschaftliche Laien, wenn ihr Blick nicht ideologisch getrübt ist, den Unterschied leicht erkennen. Erstens nämlich gibt es drei Genusformen (maskulin, feminin, neutrum), aber nur zwei biologische Geschlechter (männlich und weiblich). Zweitens wird das Genus auch für Objekte ohne jede erkennbare Parallele zum natürlichen Geschlecht verwendet: der Herd, die Straße oder das Buch. Auch daß der Busen maskulin, die Eichel feminin und das Glied neutrum sind, beruht ganz offensichtlich nicht auf irgendwelchen biologischen Hintergründen. Ähnlich verhält es sich z. B. mit der Leser oder der Kunde. Während der Genus übergeschlechtlich verwendet wird (der Gast, der Mensch, die Person, die Waise, das Kind, das Individuum), stellt der Sexus eine weitere Aufsplitterung in männlich und weiblich dar:

<div align="center[/link]<table border="1" cellpadding="3" cellspacing="2" width="400[/link]<tr><td colspan="2" align="center[/link]der Kunde</td><td align="center[/link](Genus)</td></tr><tr><td align="center[/link]der Kunde Herr Mayer</td><td align="center[/link]die Kundin Frau Müller</td><td align="center[/link](Sexus)</td></tr></table></div>

Wir haben es hier mit etwas zu tun, was man in der Sprachwissenschaft "Synonymie" nennt. Synonyme sind gleichlautende Wörter, die aber unterschiedliche Dinge meinen. Ein "Flügel" kann beispielsweise der Teil eines Vogels sein, der Teil einer Fußballmannschaft oder ein Klavier. Manchmal sind diese Synonyme nicht so leicht auseinanderzuhalten, und da kommt es dann zu Mißverständnissen wie in der feministischen Sprachwissenschaft. "Kunden" kann nämlich ebenfalls zweierlei bedeuten: "Menschen, die einkaufen" ebenso wie "Männer, die einkaufen". Indem Sprachkritikerinnen behaupten, mit "Kunden" seien nur Männer gemeint, erzeugen sie den Eindruck, Frauen würden sprachlich unterdrückt. Sie richten sich nicht danach, was Menschen meinen, wenn sie etwas sagen, sondern danach, was sie ihnen unterstellen, was sie meinen: "Sie reden ja nur von den Männern! Uns Frauen lassen Sie mal wieder unter den Tisch fallen!" Aber das ist ebenso nervtötend wie falsch.

Aus eben den soeben erklärten Gründen sind 99 Lehrerinnen und ein Lehrer zusammen hundert Lehrer: Es wird nämlich der grammatikalische Oberbegriff verwendet, sobald eine auch nur irgendwie gemischte Gruppe besteht. Ohne einen solchen Oberbegriff, der für beide Geschlechter gilt, würden sich bestimmte Sachverhalte auch überhaupt nicht formulieren lassen (etwa "Jeder dritte Unternehmer in Österreich ist eine Frau." oder "Wir kennen nicht mal das Geschlecht des Verdächtigen.") Eine solche Aufsplittung gibt es im Deutschen übrigens nicht nur bei den Geschlechterfragen, wie das folgende Beispiel zeigt, dem man schwerlich Diskriminierung unterstellen dürfte:

<div align="center[/link]<table border="1" cellpadding="3" cellspacing="2" width="400[/link]<tr><td colspan="2" align="center[/link]der Tag</td></tr><tr><td align="center[/link]der Tag</td><td align="center[/link]die Nacht</td></tr></table></div>

Ein "Tag" mit seinen 24 Stunden besteht aus Tag und Nacht, genauso wie "der Kunde" männlich oder weiblich sein kann - unabhängig von seinem grammatischen Geschlecht. Ähnlich verhält es sich mit "die Katze": Die weibliche Form steht als Oberbegriff sowohl für das weibliche Tier als auch für das männliche, das wir, wenn wir es genauer spezifizieren möchten, als "der Kater" bezeichnen (so wie "der Kunde", wenn weiblich, zu "die Kundin" wird). Zu behaupten mit "der Kunde" seien nur Männer gemeint, allein weil "der" davorsteht, ist grammatisch ungefähr so durchdacht wie es die Argumentation ist, mit "die Kunden" seien offenbar nur Frauen gemeint, weil "die" davorsteht. In Wahrheit drückt natürlich keiner der beiden Artikel den Sexus aus: "die" bezieht sich auf die Pluralform, "der" auf den Genus. Erst durch die konsequente Doppelbenennung in der feministischen Sprache "die Kunden und Kundinnen" wird der Sexismus in die Sprache eingeführt, wo er vorher durch den geschlechtsunabhängigen Oberbegriff nicht vorhanden war.

Vielleicht scheint es auf den ersten Blick (und viel weiter kommt man ja oft nicht) etwas "unfair", daß bei Menschen das grammatische maskuline Geschlecht "der" mit dem männlichen biologischen Geschlecht übereinzustimmen scheint. Aber auch das ist keineswegs immer der Fall. Nehmen wir das folgende Beispiel:

<div align="center[/link]<table border="1" cellpadding="3" cellspacing="2" width="400[/link]<tr><td colspan="2" align="center[/link]die Führungskraft</td><td align="center[/link](Genus)</td></tr><tr><td align="center[/link]die Führungskraft Herr Mayer</td><td align="center[/link]die Führungskraft Frau Müller</td><td align="center[/link](Sexus)</td></tr></table></div>

Hier hat der arme Herr Mayer noch nicht einmal sein maskulines Genus behalten (und das als Führungskraft!), sondern wurde einfach "eingemeindet". Er sollte sofort eine Selbsthilfegruppe gründen.

Andere Beispiele dieser Art gibt es zuhauf: Das Mädchen, das Weib und das Top-Model oder Mannequin sind vom Genus her Neutrum, vom Sexus her aber weiblich. Spiegelverkehrt ist das Männchen und das Genie vom Genus her ebenfalls Neutrum, aber vom Sexus männlich. Natürlich gibt es in Einzelfällen auch weibliche Genies. (Nein, schreiben Sie mir nicht! Nicht deswegen!) Die Schildwache ist in der Regel männlich, der Libero ist in einer Damenfußballmannschaft weiblich, ohne daß man deswegen auf die Idee käme, aus ihm eine "Libera" oder "Liberesse" zu machen, zumindest bis jetzt nicht. (Vermutlich bringe ich gerade einige Leute auf dumme Gedanken.) "Ich sah eine Person auf mich zukommen; es war ein Mann." Wieder wird hier so ein armer Kerl erst zum Femininum, dann gar zum Neutrum! Wo sind die maskulistischen Sprachwissenschaftler, die hier auf die Barrikaden gehen?

Manche Sprachkritiker, so Arthur Brühlmeier unter http://www.sprachkreis-deutsch.ch/hochdeutsch/extremfeminismus.shtml argumentieren gar, dass in der deutschen Sprache in Wahrheit die Männer unterdrückt würden, indem man sie unsichtbar mache: Wenn etwa von "Fußgängerinnen" die Rede sei, wisse man ganz eindeutig, dass es sich um Frauen handele. Geht es um "Fußgänger" so können sowohl rein männliche Personen als auch Personen beiderlei Geschlechts gemeint sein. Zielt man speziell auf das männliche Geschlecht ab, muss man es eigens zur Erwähnung bringen: "männliche Fußgänger".

Nun wird eine feministische Linguistin vermutlich einwenden: Schön und gut, aber was spricht dagegen, daß ich, wenn es sich um Bezeichnungen für Menschen handelt, die Frau ausdrücklich miterwähne, um wirklich klarzumachen, daß nicht nur Männer gemeint sind? Drei Einwände:<ol>

<li>Sehr oft funktioniert es einfach nicht. Michael Jackson zum Beispiel ist ein Superstar. Was ist mit Madonna? Ist sie eine Superstarin? Was ist mit ihren weiblichen Fans? 99 weibliche Madonna-Fans und ein männlicher sind einhundert Fans und nicht hundert "Fans und Faninnen". - "So ein Blödmann, der benutzt jetzt Ausdrücke aus dem Englischen!" mag eine feministische Linguistin einwenden. Was soll ich darauf antworten? "Selber Blödmännin?" "Blödfrau"? Wenn sie eine Dickschädelin bzw. eine Querkopfin ist, läßt sie sich dadurch nicht beeindrucken. Nun ist mir eine Frau, die eine ernsthafte Auseinandersetzung sucht, immer noch lieber als eine Miesepetra, eine Feiglingin, eine Prola, eine Schnarchsäckin, eine Unholde, eine Schlappschwänzin, eine Waschlappin, eine Windbeutelin oder jefraud andere, die frau ungern als Gästin in ihrem Hause haben möchte. Wenn sie hingegen eine Frechdächsin oder eine Rotschopfin wäre, wäre sie vielleicht sogar erotisch meine Typin. Klingt ja alles sehr kreativ, genau wie Wortschöpfungen a la "der Hebamm", "der Nutt" oder "der Schlamp" - nur hat dieser Kauderwelsch nichts mehr mit der deutschen Sprache zu tun.

<li>Wenn man ein Kulturgut wie die deutsche Sprache willentlich verstümmelt, sollte man nicht fragen "Was spricht eigentlich dagegen?" sondern besser "Was spricht dafür?" Ich bin jedesmal überrascht, wenn ich in meiner eigenen Branche die Stellenanzeigen lese und dort "ein/e LektorIn" gesucht wird. Gehen die Verlage davon aus, daß Frauen, bei denen für solche Stellen in der Regel ein Germanistikstudium vorausgesetzt wird, den Unterschied zwischen Sexus und Genus nicht beherrschen? Oder daß sie denken: "Oh, offensichtlich veröffentlicht dieser Verlag Texte, die nur von Männern verstanden werden können. Schade, wieder keine Stelle für mich."
Anderes Beispiel: Wenn "der Manager" vom Genus her maskulin ist, liegt es wirklich daran, daß man in den Führungsetagen der Wirtschaft so wenig Frauen findet? Mal angenommen, dieses Buch hier ist erfolgreich und ich werde in mehreren Beiträgen zur Geschlechterforschung zitiert (Was wir ja alle hoffen wollen, nicht wahr?). Könnte ich mir dann ausmalen, in ein paar Jahren vielleicht mal die Koryphäe auf dem Gebiet des Maskulismus zu sein, die oberste Autorität, die erste Instanz, die Kapazität, die Leitfigur, wenn nicht gar die Legende oder die Lichtgestalt? (Ich steigere mich hier natürlich nur aus grammatischen Gründen so hinein - daß das klar ist!) Oder würde ich mir einreden, daß wegen des weiblichen Artikels solcher Ruhm nur Frauen zukommen könnte? Wenn ich andererseits mit meinem Buch bös auf die Schnauze falle und es kein Mensch liest, könnte ich dann nicht mal als eine Schreibkraft unterkommen (auch nicht als eine Vertretung), weil mich das Genus so irritiert? Das ist ja wohl mehr als lächerlich. Wenn die Verwendung des grammatischen Geschlechts derartige Auswirkungen auf die Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft hätte, dann wäre das Leben im Iran unzweifelhaft das feministische Paradies: Das Persische kennt nämlich überhaupt kein grammatisches Geschlecht.

<li>Selbst wenn die Theorie akzeptabel wäre, hapert es spätestens an einer praktikablen Umsetzung. Auch hier gibt es mehrere Gründe:</ol><ul><ul>

<li type="circle[/link]Wenn man keine halben Sachen macht, werden die Texte unerträglich - wie folgende Verordnung der saarländischen Kommission zur Kräftigung der Bildung recht anschaulich macht: "Üben infolge vorzeitiger Beendigung der Amtszeit weder die Rektorin bzw. der Rektor noch die Prorektorin bzw. der Prorektor ihr bzw. sein Amt aus und kann die Wahrnehmung der Geschäfte nicht ohne schweren Nachteil für die Fachhochschule bis zur Neuwahl einer Rektorin bzw. eines Rektors ruhen, so bestellt die Ministerin bzw. der Minister für Wissenschaft und Kultur eine Professorin auf Lebenszeit bzw. einen Professor auf Lebenszeit der Fachhochschule als komissarische Leiterin bzw. komissarischen Leiter. Sie bzw. er ..." Genau das, was wir brauchen: bürokratisches Amtsdeutsch das mit feministischen Zwangsneurosen durchsetzt ist! Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Ihren Apotheker oder Ihre Ärztin oder Ihre Apothekerin. JedeR VerlagslektorIn, der/die sein/ihr Honrorar wert ist, kürzt solche Stellen ohnehin radikal - andernfalls würden die Bücher unlesbar werden, und kein Mensch würde sie kaufen. Was ja auch nicht Sinn der Sache sein kann.

<li>Wenn man solche Formulierungen aussprechen, etwa in einer Rede vortragen muß, kommt man in Schwierigkeiten: Zum einen ist es in der gesprochenen noch viel weniger als in der geschriebenen Sprache zumutbar, die Leute ständig mit "er bzw. sie" hantieren zu lassen. Kurzformen wie "StudentIn", "Student(in)" oder "Student/-in" lassen sich aber nicht aussprechen, ohne daß die Zuhörerschaft den Eindruck gewinnt, es sei ausschließlich von Frauen die Rede. Feministinnen empfehlen hier allen Ernstes den Einschub von "stop" - also "Student, stop, Innen" oder von Knackgeräuschen. Das hört sich für manche vielleicht gerade noch zumutbar an - wenn man übersieht, daß die Einführung von Großbuchstaben mitten im Wort mittlerweile auch für Begriffe wie "jedeR" verlangt wird. "Jede-knack-R Student-knack-In möchte seine-knack-ihre ...": Die feministische Linguistik wäre so auf dem besten Weg, unsere Sprache in ein ideologisch korrektes Gekrächze und Gestammel zu verwandeln.

<li>Was machen Sie in Überschriften oder anderen Textstellen, die durch Lettern hervorgehoben werden sollen? Das Wortungetüm STUDENT(INN)EN werden Sie aus gutem Grund niemals in Schlagzeilen größerer Zeitungen erleben. Noch fataler ist, daß auch hier das große I mitten im Wort verschwindet. Aus "55 % der StudentInnen sind weiblich" wird "55% DER STUDENTINNEN SIND WEIBLICH". Dies ergibt offensichtlich nicht viel Sinn. In akademischen Kreisen versucht man hier ein wenig mit dem Partizip herumzutricksen und von "Studierenden" zu sprechen, damit eindeutig beide Geschlechter gemeint sind. Aber was macht man dann mit Jugendlichen (Gemerkt? "Jugendliche" sind geschlechtsneutral!), die die Hauptschule besuchen? "55% DER HAUPTSCHULENDEN SIND WEIBLICH"? Wollen Sie´s umschreiben? "55% DER DIE HAUPTSCHULE BESUCHENDEN SIND WEIBLICH"? Auch das runiert jede Überschrift. Man sieht: Das gesamte System ist so durchdacht wie ein Amoklauf.

<li>Ein ähnliches Problem stellt sich, wenn Sie in die unangenehme Situation kommen, Wörter grammatisch beugen zu müssen. Aus "dem Leserbrief" wird so "der Brief des/der Leser(s)In". Warum auch nicht? Wenn wir schon beim Sprechen in Zukunft nur noch herumstottern werden, dann lasset uns doch auch geschriebene Wörter mit allen möglichen eingeschobenen Satzzeichen entstellen! Dann kann sich auch niemand mehr auf den Inhalt des Gesagten konzentrieren, und da, wo das Geschlecht nie ein Thema war, wird es erst zu einem gemacht. Warum setzen wir uns nicht lieber mit der Botschaft des Sprechers auseinander, statt ihm wegen seiner Grammatik Frauenfeindlichkeit zu unterschieben? Weil es intellektuell weniger schweißtreibend ist, nur auf die Endungen zu achten?

<li>Viele, die Quotendeutsch sprechen wollen, sind bessere IdeologInnen als SprachwissenschaftlerInnen. Dann sucht eine Klinik "eine(n) leitende(n) Krankengymnastin(en)", und es ist plötzlich von "MitgliederInnen" die Rede, obwohl es das Mitglied heißt (geschlechtsneutral). Womöglich wird hier die Pluralform "MitgliedER" mit der männlichen Form "LehrER" durcheinandergebracht. In anderen flott hingehauenenTexten ist von "MitarbeiterInnen und AngestelltInnen" die Rede. Es heißt aber natürlich "die Angestellte", eine "Angestelltin" gibt es nicht. Grammatikalisch und ideologisch völlig korrekt ist der "Bürger- und Bürgerinnensteig", sprachästhetisch ist er eine Zumutung. Es gibt inzwischen mehrere Ratgeber für solche Problemfälle, etwa das "Handbuch zur nichtsexistischen Sprachverwendung in öffentlichen Texten", in dem z. B. empfohlen wird, Formulierungen mit "man" durch Passivsätze zu ersetzen, ebenso "jeder, der" durch "alle, die", maskuline Bezeichnungen durch Relativsätze und Personenbezeichnungen durch Sachbezeichnungen: Der "Amtsleiter" wird zur "Amtsleitung". So werden sämtliche amtlichen Formulare in eine noch unverständlichere und undurchsichtigere Sprache übersetzt, wofür man natürlich Massen von Personal braucht - damit hätten wir wenigstens diejenigen arbeitslosen GermanistikstudentInnen von der Straße weg, die sich mit Feminismus auskennen. Aber selbst viele von diesen bekommen keinen rechten Sinn in dieses System: "Wer sich aufmerksam den Leitfaden durchgelesen hat, wird feststellen, daß möglicherweise mehr Fragen aufgetaucht sind, als Antworten gegeben werden können", resümiert eine Gleichstellungsbeauftragte.
So veranstaltet auch die "Gesellschaft für deutsche Sprache" immer wieder neue Preisausschreiben für ungelöste Probleme der Sorte: Wie sagt man auf Feministisch? Zum weiblichen Gegenstück des Redakteurs wurde nicht etwa "die Redakteurin" gekürt, sondern "die Redakteuse". (War das zweite "r" in "Redakteurin" zu maskulin?) Aber wie nennt frau im umgekehrten Fall eine männliche Politesse? Politesserich? Polityp? Wie nennt man weibliche Croupiers oder Attacheés auf feministisch, ohne sich die Zunge zu verstauchen? Im Lokal sagt man "Herr Ober" – was, wenn es eine Frau ist? "Oberin" klingt etwas arg nach der "Mutter Oberin" im Kloster. Unter den Einsendungen fanden sich dann auch so kreative Vorschläge wie Obtesse, Kommteß, Serva, Kelly, Bella und Madame. Gewonnen hat "Frau Ober" mit dem überraschenden Argument, "Ober" werde geschlechtsunabhängig (!) für die berufliche Stellung gewertet. Das ist genau das, was Sprachwissenschaftler Feministinnen seit Jahren klarzumachen versuchen!
Ein paar weitere unterhaltsame Übungen dieser Art schlägt Arthur Brühlmeier auf der oben verlinkten Website vor. Versuchen Sie beispielsweise die folgenden Sätze vom Deutschen ins Feministische zu übersetzen: "Ein guter Lehrerberater sollte zuvor auch ein bewährter Schülerbetreuer gewesen sein. Müllers sind Schweizer. Als Eheleute seid ihr nicht Gegner, sondern Partner, ja Freunde! Auf fünf Schweizer trifft es einen Ausländer. Die Eltern sind die ersten Erzieher der Kinder. Frauen sind die vernünftigeren Autofahrer." Bei manchen funktioniert es, wird dadurch aber unlesbar/unaussprechlich; bei anderen bekommen Sie satzlogisch enorme Probleme.</ul></ul>

Wie so oft werden sämtliche sachlichen Einwände aber von ideologischem Eifer hinweggefegt. Das geht weit über Pluralendungen hinaus, statt dessen soll alles Männliche ausgemerzt werden. Anstelle "der Säugling" sei besser "das Baby" genannt, aus "himmlischen Heerscharen" werden "Siescharen", aus "Erziehung" "Sieziehung", aus "Otto Normalverbraucher" "Ottilie Normalverbraucherin". Die hessische Ministerin Blaul von den Grünen gab Schützinnenhilfe und brachte den Begriff "Schirmfrauschaft" ein. Der "Kaufmann" mutierte zur "Kaufperson" - was mit dem Wort "kaufmännisch" geschehen wird, ist noch ungeklärt. Im englischen Sprachraum wird genauso gewütet. Dass "history" entgegen der Sprachlogik zu "herstory" mutiert, mag noch durchgehen, wenn damit auf ein neues Verständnis der Geschichtsschreibung angespielt werden soll, aber da hörtes ja nicht auf: "seminar" wird zu zu "ovular", "Manhattan" zu "Personhattan", "theology" zu "thealogy" und der "chairman" (Vorsitzende) zur "chairperson" oder einfach zum "chair" (Stuhl). An der Technischen Universität Berlin werden weibliche Doktoranden als "Doctrix" bezeichnet, offenbar analog zu "Dominatrix" in gewissen Subkulturen. Nun gut, jeder das ihre.

Linguisten, die sich zu ethischen Fragen im Zusammenhang mit Sprache äußern, betonen, daß die Freiheit des eigenen Sprechens und Formulierens ein staats- und gesellschaftsfreier Raum sein sollte - natürlich solange ich mich an die Gesetze halte und nicht etwa zu Beleidigung und Volksverhetzung schreite. Wenn der Staat oder bestimmte gesellschaftliche Gruppen so weit in mein Privatleben eingreifen, daß ich nicht eimal mehr wählen darf, welche Worte ich benutze und welche nicht, ist damit ein Machtanspruch verbunden, der mit politischer Freiheit nicht mehr zu vereinbaren ist. Dies ist laut Brockhaus eines der Definitionsmerkmale von totalitärer Herrschaft, so wie feste Sprachregelungen ja auch tatsächlich in totalitären System wie dem Dritten Reich oder der DDR unverzichtbar waren. Wenn Feministinnen mir also den von ihnen bevorzugten Sprachgebrauch aufzwingen wollen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als meine eigene Wortwahl zu kriminalisieren. Genau das tun sie auch. So wettert die feministische Linguistin Senta Trömel-Plötz gegen "die Vergewaltigung von Frauen in Gesprächen", wenn etwa so anstößige Wörter wie "Damen" benutzt werden; etwa in Wendungen wie "Abfahrtslauf der Damen". Daß das ein Schlag ins Gesicht nicht in erster Linie der Männer, sondern von tatsächlichen Vergewaltigungsopfern ist, wird geflissentlich ignoriert. Und jemand, der etwa bei Stellenausschreibungen der Uni Hamburg die weibliche Endung unterschlägt, macht sich des "Verschweigens der Frauenexistenz" schuldig und hat damit einen Tatbestand des "Belästigungskatalogs" der Frauenbeauftragten erfüllt. So kann man einerseits die Statistiken für Sexuelle Belästigung in die Höhe treiben und andererseits mit dem Einnehmen einer völlig absurden Opferrolle seinen Mitmenschen vorschreiben, welche Worte sie gefälligst zu benutzen haben. Warum richten wir nicht gleich politische Kommissarinnen als Sprachwartinnen ein?

Die Ausmaße, die diese Sprachhysterie erreichen kann, werden immer grotesker. So beschloß die 34.000-Einwohner-Stadt Buchholz (Kreis Harburg), laut Gemeindebeschluß von Dezember 1994, in der amtlichen Behördensprache ausschließlich weibliche Funktionsbezeichnungen zu verwenden. Regiert wird sie seitdem, so steht es auf allen Dokumenten, von "Bürgermeisterin Joachim Schleif". Vermutlich kann Herr Schleif noch froh sein, daß man ihn nicht zur Bürgerinnenmeisterin gewählt hat, wie es eigentlich konsequent gewesen wäre. Ähnliches geschieht in Gemeinden wie Hasloh (Kreis Pinneberg) oder Rostock, wo Formulierungen wie "Unser Betrieb hat 30 Mitarbeiterinnen, ein Drittel davon sind männlich" an der Tagesordnung sind.

Aber selbst das geht feministischen SprachkritikerInnen noch lange nicht weit genug. "Keine zufriedenstellende Lösung, sondern ein fauler Kompromiß" urteilt Luise Pusch und stellt zwei Vorschläge zur Auswahl: zunächst natürlich ihren eigenen, der ihrer eigenen Darstellung nach schon vor 19 Jahren in Fachkreisen als "der verrückte Pusch-Vorschlag" bekannt wurde. Demnach sollen das Neutrum stärker eingesetzt und die femininen Endungen einfach abgeschliffen werden. Luise Pusch gibt dafür folgendes Beispiel:

<blockquote>Birgit ist eine gute Student; ihre Professor ist sehr zufrieden mit ihr. ... Für ihre Dissertation suchen wir noch ein zweites Gutachter, am besten ein Dozent, das sich in feministischer Theorie auskennt.</blockquote>

Finden Sie doppelplusungut? Wie wäre es dann mit dem Vorschlag eines Herrn, der anscheinend ebenfalls nicht recht ausgelastet ist, nämlich Matthias Behlert aus Berlin? Hier wird der Genus gleich ganz abgeschafft und in Zukunft aus Frauenfreundlichkeit nur noch die verwendet. Was bei Pusch noch umständlich die, der und das Arbeiter wäre, ist bei Behlert die Arbeiter (geschlechtsneutral), die Arbeiterin (weiblich) und die Arbeiteris (männlich). Der Plural von Arbeiteris ist übrigens Arbeiterisse. Ein Märchen wie die Geschichte vom Däumling würde in dieser Version folgendermaßen beginnen:

<blockquote>Es waren einmal zwei arme Bauern, die saßen abends beim Herd und schauten dem Feuer zu, wie es tanzte und nach allem Seiten ausleckte. Da sprach die Mann: "Wie ist's so traurig, daß wir keinen Kinder haben! Es ist so still bei uns, und in anderem Häuser ist's so laut und lustig."</blockquote>

Frau Puschs Urteil zu Behlerts Vorschlag ist positiv: "Gerecht und bequem, nur etwas ungewohnt". Auf den Einwand, daß sich so etwas schwer durchsetzen lasse, da Sprache sich natürlich entwickle und nicht durch künstliche Eingriffe steuern lasse, entgegnet sie selbstbewußt: "Die Sprachgeschichte zeigt ... ein ganz anderes Bild. Jede, auch die unwahrscheinlichste Sprachreform läßt sich durchsetzen, wenn der politische Wille dazu da ist." Und das sollte doch kein Problem sein, wenn es darum geht, die "Vergewaltigung" und "Belästigung" von Frauen in Gesprächen zu unterbinden, oder?

Sie glauben trotzdem nicht, daß dermaßen absurde Vorschläge in Deutschland je Wirklichkeit werden? Sprechen Sie doch mal mit Bürgermeisterin Joachim Schleif darüber.</td></tr></table>


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