Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Frauenaengste und Opferkultur

Maesi, Saturday, 02.11.2002, 14:04 (vor 7840 Tagen) @ Beatrix

Als Antwort auf: Re: Frauenaengste und Opferkultur von Beatrix am 25. Oktober 2002 01:08:50:

Hallo Beatrix

Eine Frau, die z.B. im Frauenhaus arbeitet und täglich mit schwer traumatisierten, geschlagenen Frauen mit null Selbstwertgefühl zu tun hat, der wird es wohl schwer fallen, sich vorzsutellen, daß sehr viele mehr Frauen ganz anders sind. Daß sie selbstbewußt sind, selbstbestimmt leben und sich von Männern nichts Gefallen lassen. Es wird wohl so sein, daß manche Erfahrungen betroffener Frauen zu sehr verallgemeinert werden.

Zustimmung

Andererseits sind aber die eingefrderten gelder nicht ganz pauschal errechnet, sondern sind ganz konkret für die betroffenen Frauen und die zu erwartenden ähnlichen fälle in der Zukunft berechnet. Ich bin sogar ziemlich sicher, daß eigentlich noch viel mehr Geld nötig wäre, um wirklich allen Betroffenen wirksam zu helfen.

Geld ist bekanntlich nie genuegend da, um alle gerechtfertigten Ansprueche abzudecken (von den ungerechtfertigten ganz zu schweigen). Deshalb muss notgedrungen priorisiert werden. Momentan ist es so, dass in Sachen 'Haeusliche Gewalt' ein grosser Teil der Geldmittel (nahezu alles) in feministische oder feministisch inspirierte Projekte geht. Wenn jetzt zunehmend auch Maennerprojekte (nichtfeministischer Natur) oeffentliche Mittel beanspruchen, wird es angesichts der leeren Kassen natuerlich zu Verteilkaempfen kommen.
Was ich bei den vielen sozialen Projekten (nicht nur Frauenprojekten) vermisse, ist ein Nachweis der Effektivitaet. Kleines Beispiel GewSchG: das Gesetz war gerade mal 9 Monate in Kraft und schon wurden die ersten Erfolgsmeldungen veroeffentlicht. Als Beleg wurde eine gewisse Anzahl Wohnungsverweise (zum weit ueberwiegenden Teil gegen Maenner) vorgelegt. Das ist fuer mich jedoch keine Erfolgsmeldung. Eine Erfolgsmeldung ist fuer mich, wenn die Zahl der Gewalttaetigkeiten spuerbar zurueckgeht; immerhin wurde das Gesetz ja als Praeventivmassnahme gegen 'Haeusliche Gewalt' verkauft. Nach so kurzer Zeit ist es aber gar nicht moeglich, einen solchen Effekt (sofern ueberhaupt vorhanden) nachzuweisen. Es ist deshalb unserioes, bereits jetzt eine Bilanz zu ziehen. Trotzdem wird genau das getan, natuerlich mit dem obligaten Hinweis, dass dieses Gesetz laengst nicht ausreichend sei. Solch unserioese Machenschaften sind bei Sozialprojekten an der Tagesordnung: meist werden sie als voller Erfolg gefeiert, obwohl noch kein sozialer Effekt gemessen werden kann, und gleichzeitig noch hoehere Ansprueche angemeldet.

An dieser Stelle sei auch die sich erst formierende Maennerrechtsbewegung gewarnt. Lasst Euch nie derart blenden, wie viele Feministinnen es taten. Verliert nie Recht und Unrecht aus den Augen, orientiert Euch stets an der Realitaet, anstatt diese zu verzerren und haltet Euch immer an wissenschaftliche Erkenntnisse,

Damit unterstellst Du indirekt den Frauen, die für Fraueninteressen arbeiten, daß sie all dies tun, nämlich die Wirklichkeit verzerren und unwissenschaftlich vorgehen etc. Das halte ich für stark übertrieben. Bei einigen Frauen mag das der Fall sein. Aber nicht bei der Mehrheit.

Ich unterstelle es nicht indirekt den Frauen sondern direkt den Feministinnen. Ich unterstelle jedoch der Mehrheit der Menschen (sowohl Maennern wie Frauen), dass sie die feministischen Mythen und Halbwahrheiten ohne naehere Pruefung und sehr unkritisch einfach uebernehmen.

Ich persönlich halte die FrauenLesben-Referate an den deutschen Hochschulen für einen unnötigen Auswuchs. Allerdings hab ich dazu wenige Informationen. Das, was ich mal gelesen habe, fand ich wirklich nicht erfreulich. Ich glaube aber kaum, daß man gerade die Haltungen von Frauen, die als Studentinnen frauenpolitisch tätig sind, so ohne weiteres verallgemeinern kann.

FrauenLesben-Referate an deutschen Hochschulen moegen ein Auswuchs sein. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Studentinnen (auch) die Fuehrungskraefte und Expertinnen von morgen sind. Die latente Maennerfeindlichkeit im Mainstream-Feminismus deutscher Praegung und die verdaechtige Stille gemaessigter feministischer Kreise auch zu den abstrusesten Pseudoerkenntnissen des Radikalfeminismus' zeigen mir, dass auch viele gemaessigte Feministinnen mit maennerfeindlichen Extrempositionen kokettieren.

Grundsätzlich halt eich appelle, sachlich zu bleiben und sich an meßbaren Fakten zu orientieren, immer für sinnvoll.

Zustimmung

Jetzt kommt der Punkt, wo ich nicht zustimme:

Nicht der pathologische Schwerverbrecher wird als Gefahr fuer die Gesellschaft deklariert, sondern der freundliche Herr Nachbar, der angeblich Frau und Kinder schlaegt, der Lehrer oder der liebe Onkel, der womoeglich Kinder sexuell ausbeutet,...

Das Problem ist aber nun mal, daß es tatsächlich immer wieder gerade die Menschen sind, die den Frauen nahestanden, von denen sie hinterher Gewalt erfahren haben. Überfälle durch wildfremde Männer sind vergleichsweise selten.

Die Frage ist: wie gross ist die Wahrscheinlichkeit Opfer von Gewalt zu werden. Hier wird eindeutig uebertrieben. In einem Drittel aller Partnerschaften trete Gewalt auf, wird behauptet. Diese Zahl kann durch serioese wissenschaftliche Untersuchungen nicht erhaertet werden; trotzdem wird sie immer wieder genannt. Das Ausmass bzw. die Gewaltintensitaet wird offensichtlich uebertrieben. Ich kann sowas nicht anders bezeichnen, denn als Panikmache. Ausserdem erleiden auch Maenner in vergleichbarem Ausmass Gewalt in Partnerschaften. Durch das undifferenzierte Zusammenfassen von schweren, mittelschweren und harmlosen (physischen und psychischen) Gewalttaten sowie die Beschraenkung auf die ideologisch korrekte Mann=Taeter/Frau=Opfer-Konstellation erreichen Feministinnen einerseits die obskuren 33% gewaltbeladenen Partnerschaften und andererseits die sattsam bekannte Opfer/Taeter-Zuteilung. Es wird eine grosse Gefahr schwerer koerperlicher Misshandlung in Partnerschaften postuliert, die in Wirklichkeit eine eher geringe Wahrscheinlichkeit aufweist. Ausserdem wird diese Gefahr ausschliesslich als fuer Frauen relevant dargestellt. Hier ist eben eine erhebliche Verzerrung der Realitaet sichtbar.
Im uebrigen werden natuerlich auch Massnahmen gefordert, die die offenbar seltenen Ueberfaelle durch wildfremde Maenner verhindern sollen (z.B. Frauenparkplaetze, nur fuer Frauen reservierte Waggons in Zuegen, Frauentaxis, etc.).
Zudem sind die Gewaltsituationen weitaus komplexer, als es die feministische 'Gewaltforschung' glauben machen will. Schon die Ursachen von Gewaltanwendung sind wesentlich vielfaeltiger als das feministischerseits immer wieder postulierte 'patriarchale Machtgefaelle zwischen Mann und Frau in der Partnerschaft'. Gewaltanwendung ist haeufig das Resultat einer Eskalation wechselseitiger verbaler Gewalt. Das bedeutet aber auch, dass Gewalt in Familien nur unter Einbezug aller Beteiligten mittels geeigneter Therapie in den Griff bekommen werden kann; die einseitigen feministischen Maennergewalt-Therapien werden IMHO in den meisten Faellen nicht den erwuenschten Effekt erzielen, weil sie ja nur von allmaechtigen maennlichen Taetern und voellig hilflosen weiblichen Opfern ausgehen. Die Wirklichkeit ist normalerweise jedoch voellig anders. Das akademische Gerede von 'patriarchalen Strukturen' oder 'Machtgefaelle zwischen Mann und Frau' ist nichts als Nebelwerferei, das den Blick auf moegliche Loesungen eher verhindert als erhellt.

Angesichts der real existierenden Übergriffe halte ich die Angst nicht für künstlich geschürt. Und Selbstverteidigung ist immer gut, für Mädchen und auch für Jungen. Deshalb begrüße ich auch alle Projekte, die schon in Kindergärten dazu beitragen sollen, das Ich der Kinder zu stärken und ihnen zu hlefen, persönliche Grenzen zu setzen und außerdem Konflikte gewaltfrei zu lösen.

Tatsache ist jedoch, dass in erster Linie Maedchen zu mehr Selbstvertrauen verholfen wird, waehrend die Jungen vernachlaessigt werden in der Annahme, dass die eh schon genug (wenn nicht sogar zuviel) Selbstvertrauen haetten; manchmal werden Jungen IMHO sogar gezielt verunsichert.
Ich bin durchaus fuer Selbstverteidungskurse, wenn sie einhergehen mit der Ausbildung zu Selbstdisziplin und Selbstbeherrschung, damit die erworbenen Kenntnisse nicht unkontrolliert angewendet werden. Dann aber fuer alle (interessierten) Kinder und nicht bloss fuer Maedchen. Und dass nicht wenige Erzieherinnen bereits die Krise kriegen, wenn Jungs mal vergleichsweise harmlos raufen, Indianer-und-Cowboy spielen oder auch nur schon angeblich gewaltfoerdernde Sportarten (z.B. Fussball oder Eishockey) ausueben, halte ich nur noch fuer laecherlich.

Natuerlich traegt fast jeder Aengste in sich: z.B. vor Arbeitslosigkeit, Krankheit, Unfall mit nachfolgender Invaliditaet, Gewalt, Verbrechen, Vereinsamung, Armut, Scheidung/Trennung, ungewisser Zukunft, u.v.m. Ich habe gelesen, dass Psychologen die heutige Zeit als eine Epoche der Angst bezeichnen, da sie eine besorgniserregende Zunahme von Aengsten bei Menschen registrieren.

wo stand denn das? Wenn das stimmen sollte, kann es nur an der ständigen Negativberichtserstattungen in der Presse und am Senstionsjournalismus liegen. Der vermittelt ein sehr einseitiges Bild.

Das hab ich mal in einer Zeitung gelesen, ich weiss aber nicht mehr wo und wann. Der Hintergrund war, dass Psychologen und Psychiater festgestellt hatten, dass immer mehr Menschen mit als bedrueckend empfundenen Aengsten (nicht Phobien) zu ihnen kommen; die Aengste seien jedoch selten konkreter Natur sondern meist eher diffuser Art.
Dass im Bereich der Medien Negativmeldungen wesentlich hoeher gewichtet werden, ist ein altbekanntes Phaenomen. All die Negativmeldungen ueber Maenner ('Maenner sind gewalttaetig', 'Maenner weisen eine tiefere emotionale Intelligenz auf als Frauen', 'Maenner haben weniger Sozialkompetenz als Frauen', etc., etc.) in unserer Zeit einfach den Medien anzulasten, ist aber eindeutig zu billig. Zu oft werden solche Mythen von feministischen Anspruchsgruppen kolportiert und/oder gezielt erzeugt. Es gibt den maennerfeindlichen Feminismus, das ist nun einmal Fakt. Diese Form des Feminismus ist sehr ruehrig und strahlt weit ueber den maennerfeindlichen Teil der Feministinnen hinaus. Die Medien sind in dieser Beziehung nicht die Erzeuger der Nachricht sondern nur die Ueberbringer. Und die Medienkonsumenten bestimmen zu einem wesentlichen Teil mit, welche Nachricht sie gerne konsumieren wollen. Maennerfeindliche Nachrichten sind eben deshalb weit verbreitet, weil sie gerne gelesen/gesehen werden. Man(n) erinnere sich in dieser Beziehung auch an die ganze Frauenratgeberliteratur, in der Maenner generell pathologisiert werden und den Frauen mitgeteilt wird, wie sie ihren Maenne 'therapieren' und 'umerziehen' koennen.

Muß nicht immer sein. Außer den ständigen Presseberichten gibt es ja auch die Veröffentlichungen von Statistiken. Die Menschen heute wissen also viel besser als früher über mögliche Gefahren Bescheid. Wenn ich nur an die Gefahren durch Umweltverschmutzung und Krieg denke. Mal damals 'Global 2000' gelesen oder ähnliche Prognosen? Die Gefahren für unseren Planeten sind sogar so riesig, daß die Menschen inzwischen die meisten davon massiv verdrängen. Wenn wir uns ständig aller Gefahren bewußt wären, könnten wir gar nicht mehr in Ruhe weiter leben.

Die von Dir zitierten Gefahren bedrohen jedoch alle Menschen und nicht nur Frauen. Auf Umweltverschmutzung und Kriegsgefahr gehe ich nicht naeher ein, weil sie mit dem Geschlechterthema nichts zu tun haben. Nur soviel: die wissenschaftlichen Langzeitprognosen beispielsweise zur Klimaentwicklung sind teilweise ziemlich unterschiedlich und haengen sehr von den eingesetzten Modellen bzw. den Annahmen, die darin getroffen wurden, ab.
Frauen sind in unserer Gesellschaft nicht gefaehrdeter als Maenner, im Gegenteil. Ein Mann hat beispielsweise ein hoeheres Risiko Opfer eines Gewaltdelikts zu werden als eine Frau; in der feministischen Panikmache wird es jedoch so dargestellt, als ob Frauen gefaehrdeter seien. Subjektiv moegen Frauen tatsaechlich groessere Angst empfinden, objektiv gesehen, entbehrt dies jedoch jeglicher sachlicher Grundlage.

Was nicht heissen soll, dass Aengste grundsaetzlich unberechtigt sind (z.B. Arbeitslosigkeit, Vereinsamung, Scheidung/Trennung). Die Gefahr einem Verbrechen zum Opfer zu fallen, in Armut zu versinken oder Gewalt zu erleiden wird IMHO aber weit ueberschaetzt bzw. die eigenen Handlungsmoeglichkeiten, gegen solche Gefahren anzugehen, weit unterschaetzt.
Mag sein. Es bleiben noch genug Gefahren übrig, vor denen man sich nicht so ohne weiteres schützen kann.

Es gibt natuerlich Gefahren, auf die man wenig bis gar keinen Einfluss hat. Mit den Gefahren, vor denen man sich kaum oder gar nicht schuetzen kann, muss man lernen zu leben.
Vielen Gefahren des Alltags kann man jedoch ausweichen oder deren Eintreffenswahrscheinlichkeit minimieren. Bei den ueberschaubaren Familienkonflikten gibt es beispielsweise durchaus Handlungsoptionen der Beteiligten; die Maer von der macht- und deshalb schuldlosen Frau und dem allmaechtigen und deshalb allein verantwortlichen Mann trifft hier eindeutig nicht zu.

Die Menschen (nicht nur Frauen, aber v.a. diese) werden heute viel zu sehr als unmuendige Opfer ohne eigene Handlungsoptionen betrachtet. Diese Opferkultur wird in der feministischen Ideologie wie ein religioeser Ritus geradezu zelebriert.

Schön wär's ja, wenn wir wirklich soviel Freiheit und soviel Handlungskompetenzen hätten. Ich gönn dir ja, daß du es so siehst, aber in dem Punkt bin ich weit weniger optimistisch.

Es ist ein Zeichen von Selbstbewusstsein, sich nicht nur als Opfer sondern auch als Subjekt mit eigenen Handlungsmoeglichkeiten zu betrachten. Im sozialen Nahbereich hat jeder von uns Moeglichkeiten zur Einflussnahme und spielt diese Moeglichkeiten auch mehr oder weniger erfolgreich aus.

Unterschätze nicht die Dummheit der Menschen, die Trägheit und Bequemlichkeit, die Machtgier und Geldgier und das Ausmaß der Manipulationen durch die wirklich Mächtigen.

Die 'Maechtigen' sind keineswegs eine homogene Gruppe, als die Du sie so gerne darstellst; es gibt auch dort verschiedene Fraktionen, die sich teilweise gegenseitig bekaempfen.
Die von Dir genannten negativen Eigenschaften sind bei Menschen sehr wohl anzutreffen. Aber es gibt auch viele gute Eigenschaften bei denselben Individuen. Und ob es Dir passt oder nicht: Du musst die Mitmenschen so akzeptieren, wie sie sind; mit all ihren Vorzuegen und negativen Seiten.

Gruss

Maesi


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