Religion und Würde, Beleidigung und Glaube
Guten Morgen Nikos!
Gott kann nicht beleidigt sein, da hast du völlig recht. Ihn erreichen Beleidigungen durch Menschen überhaupt nicht, so wenig, wie es dich zum Beispiel beleidigt, wenn dein Kind wütend auf dich ist und auf dich schimpft. Du wirst dann wahrscheinlich so etwas wie Schmerz und Liebe zugleich empfinden, aber du wirst dich nicht beleidigt fühlen. Beleidigungen sind nur unter Gleichen möglich, oder von oben nach unten (Aufseher - Häftling etc.), niemals aber von unten nach oben.
Deswegen kann ein Gläubiger um so weniger von anderen Menschen beleidigt werden, je stärker sein Glaube ist. Es ist genau so, wie du sagst: Wer durch Beleidigung seiner Religion zur Missetat hingerissen wird, dessen Glaube ist schwach. Es erhebt sich indes die objektive Frage, was statt dessen zu tun sei, oder anders, ob Nichtstun die einzige Option für einen starken Glauben sei. Ich komme gleich darauf zurück.
Wenn jemand die Religion eines anderen Menschen beleidigt, dann will er immer ihn beleidigen und nicht seine Religion, denn das geht eigentlich gar nicht, und er möchte es eben ganz besonders böse tun, so, daß die Beleidigung dem anderen ganz besonders weh tut, weil ihm das Beleidigte eben so wertvoll ist.
Wenn dieser absichtlich zugefügte Schmerz beim anderen nach Vergeltung ruft, dann droht die scheinbar "religiöse" Eskalation - scheinbar deshalb, weil es eben nicht "Religionen" sind, die eskalieren, sondern Menschen, deren Religion von anderen in den Schmutz gezogen wurde. Man darf nicht erst diese Eskalation in seinen Blick nehmen, sondern auch den Anlaß: Es gibt kein "Recht auf Beleidigung"!
Klar ist auf jeden Fall: Das Böse geht hier primär aus von dem, der beleidigt. Jesus empfiehlt in einer solchen Situation, dem Beleidiger "die andere Wange auch noch hinzuhalten". Warum? Damit das Böse eben nicht eskaliere, sondern ins Leere laufe und den Beleidiger ins Unrecht setze und dadurch beschämt. Warum? Damit er sich selbst erkenne, das Unrecht seines Tuns begreife und es künftig unterläßt.
Das setzt freilich zwingend voraus, daß es sich um Gleiche handelt, was unter anderem auch bedeutet, daß beide einen gemeinsamen Grundethos teilen ("Man beleidigt nicht grundlos einen anderen Menschen"). Wenn dieser beiden gemeinsame Ethos fehlt, dann funktioniert das nicht. Wenn der KZ-Häftling den SS-Wärter durch Duldsamkeit beschämen wollte, dann setzte das voraus, daß sich der SS-Wärter überhaupt schämen kann. Auch wenn man das vielleicht nicht in jedem Einzelfall für völlig undenkbar halten muß, so ist doch jedem klar, daß dies unmöglich das regelhafte Verhalten eines KZ-Häftlings gegenüber einem SS-Wärter sein kann.
Es gibt Situationen - und sie nehmen heute rapide zu in dem Maße, wie die von allen geteilten Werte verlorengehen - wo dem Beleidiger auf andere Weise das Unrecht seines Tuns klargemacht werden muß. Wenn es überhaupt keine gemeinsame Ebene mehr gibt, dann bleibt als Allerletztes nur noch der Schmerz als Lehrmeister, weil diese Ebene bekanntlich allen Lebewesen gemeinsam ist. Mord jedoch ist niemals erlaubt! Es kann und darf in so einem Fall nur darum gehen, daß der Beleidiger empfindlich getroffen wird, sei es körperlich oder seelisch, und hernach genau erklärt bekommt, warum er soeben diesen Schmerz fühlt, verbunden mit der ernsten Aufforderung, sein Verhalten künftig so zu gestalten, daß er den gerade gefühlten Schmerz vermeidet.
Jeder gemeinsam geteilte Ethos unter Menschen entwickelt sich im Grunde genommen nach diesem Prinzip. Wo er völlig fehlt, gibt es viel Strafe. Wo er gelernt wurde, entsteht Kultur. Wo er vergessen wird, erhebt sich das Chaos der Barbarei. Wir betreten diese dritte Stufe. Das ist keine gute Nachricht.
Nick
P.S.: Einer Feministin die andere Wange hinzuhalten wäre für mich (Christ) zum Beispiel ein Verbrechen! Was meinst du: Ist dieser Satz wahr oder falsch? Wenn er wahr ist, was wäre dann statt dessen zu tun? Eben.
Ich weiß, daß wir da wahrscheinlich ähnlich denken, Nikos. Ich schreibe es wegen denen, die mitlesen.
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