Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Das Matriarchat (Gesellschaft)

wkit, Wednesday, 17.10.2012, 16:08 (vor 4180 Tagen)

Männer sind die >Allergrößten«, >Klügsten« und >Mächtigsten«, haben immer Recht, aber in Wirklichkeit nichts zu melden, seit Jahrtausenden nicht, heute weniger denn je zuvor. Denn in unserer angeblich >Männerdominierten« Gesellschaft schreiben Männer eine >patriarchalische« Kultur- und Familiengeschichte, die ihnen von Frauen - ihren Müttern, Gattinnen, Töchtern usw - diktiert wird, ohne daß dies öffentlich zutage tritt, ohne daß Männer dies in Frage stellten oder gar nennenswert dagegen aufbegehrten.

Doch nicht immer bestimmten Frauen so subtil wie heute die Menschheitsgeschicke. Folgt man den Thesen der Matriarchatsforscherinnen, dann gab es Zeiten, in denen Frauen als >Führerinnen>, >Matriarchinnen«, >Gottköniginnen« oder >Große Muttergöttinnen« öffentliche Macht trugen. Aus dieser öffentlichen Herrschaft verabschiedeten sich die Frauen in dem Maße, wie die Bevölkerungs-, Gesellschafts- und Verteilungsprobleme der Vorzeit wuchsen. Zunehmend stellten sie ihre dressierten Männer in die erste Reihe, wenn es darum ging, Verantwortung und Schutzfunktionen zu übernehmen. Frauen erhoben, als der institutionalisierte Krieg erfunden wurde, die Männer zu neuen Herrschern über Familie und Volk, ohne ihre Macht je wirklich zu verlieren. Frauen verfestigten sogar im Patriarchat ihren Einfluß, indem sie außerhalb öffentlicher Kontrolle nun mit vorgeschobener Schwache und Ohnmacht auf viel bequemere Weise die >patriarchalische« Gesellschaft lenken konnten.

Erst das Patriarchat ermöglichte es der schon immer übermächtigen Eva, genial zu verschleiern, wer Amboß oder Hammer war, weil von nun an der Mann glaubte, er sei selbst Herr der Dinge, die er in Wirklichkeit bis heute für sie verrichtete. Was im Matriarchat noch nicht gelang, glückte den Frauen im Patriarchat, nämlich ein Bild vom knallharten Kerl zu kultivieren, dem gar nichts anderes übrigblieb, als IHR Held zu sein, als solcher IHRE Kriege zu fuhren und als IHR getreuer Kavalier IHRE öffentlichen Geschäfte zu verrichten. Als Dank für seine selbstlose Manpower machte sie ihren Kernbeißer obendrein zum Synonym für alle dunklen und brachialen Negativgewalten, vielleicht, weil Eva es vorzog, die Rolle der Sanftmutigen, Engelhaften und Lebensspendenden weiterhin zu pachten und zur immerwährenden Frauenrolle zu kultivieren.

Methodisch betrachtet, durfte es Eva gar nicht so schwer gefallen sein, aus der >Gebär-« eine >Phalluskultur« zu entwickeln. Denn jeder Mann erblickt zunächst einmal als Sohn das Licht der Welt, womit bis heute entschieden ist, daß der Mann niemals den weiblichen Machtvorsprung wird aufholen können, ganz unabhängig davon, ob es nun die ominösen Ur- Frauenreiche gab, oder ob schon immer der Mann in der ersten Reihe von Macht und Verantwortung stand. Aber überzeugen Sie sich doch bitte selbst von der Muttermacht im Männerstaat, im Mutter-Patriarchat!

Am Anfang war die >Große Mutter«

Einmal unterstellt, die >Reporterinnen der Jungsteinzeit« wie Heide Göttner-Abendroth, Marilyn French, Marija Gimbutas, Marie König, Josefine Schreiner, Elizabeth Gould Davis, Gerda Weiler und ihre Kolleginnen hatten mit ihren unterschiedlichen Thesen vorpatriarchalischer Frauenreiche recht - dann aber hatten die Damen aus ihren Erkenntnissen die falschen Schlüsse gezogen. Denn wie soll es später eine die Erde ausbeutende Männergesellschaft und Männertechnik gegeben haben, wenn sie nicht ihre lebenspraktischen, wissenschaftlichen, technischen, agrarischen, bürokratischen, religiösen und psychosozialen Wurzeln im Matriarchat hatte? Was anderes hatten Männer denn später praktizieren können, als das, was sie an weiblichen Kulturvorgaben, Machtregeln und Ausbeutungs-Einmal-Eins von Frauen gelernt hatten? Der später von Frauen kultivierte >böse Mann« wäre doch nichts anderes als das Resultat aus dem >weiblichen« Kulturerbe.

Zwar stimmt die Feministinnen-These, daß mit zunehmen- der Maskulinisierung und Patriarchalisierung der abendländischen Kultur parallel auch Kriege und Gewalt zugenommen haben. Ein Trugschluß ist es jedoch, deshalb anzunehmen, Männer hatten den Krieg erfunden. Alt-Feministin Marilyn French behauptet in >Jenseits der Macht« >Um herrschen zu können, mußten Männer die Macht der Frauen auf drei Ebenen brechen. Sie mußten die Bande des Zusammenhalts zerstören und durch ein Machtverhältnis ersetzen, die Bande des Zusammenhalts unter den Frauen sprengen und schließlich die Liebesbande zwischen Mutter und Kind zertrennen« French und viele Radikalfeministinnen glauben allen Ernstes an die hanebüchene These, nach der der kriegerische Mann die ursprünglich friedliche Frauenkultur, in der >nur Liebe und Geborgenheit herrschte«, aus patriarchalischer Habgier zerstörte. Sie setzen die Geburt des Patriarchats, der sogenannten Vaterherrschaft, mit der Zerstörung des Matriarchats, dem Verlust weiblicher heilbringender Macht, gleich. Der Mann wird dabei zwangsläufig zum gesellschaftlichen >Rambo« ersten Ranges, denn die feministische Utopie von einer friedlicheren Frauenkultur ist nur dann haltbar, wenn der Mann für Gewalt, Habgier und ausbeuterische Hierarchien bei den Menschen verantwortlich zu machen ist. Nur unter dieser Prämisse können die >bewegten« Frauen weiterhin propagieren, daß einzig eine Verweiblichung der Gesellschaft die Menschheit vorm Untergang bewahren könne

Als Belege für die untergegangenen weiblichen Hochkulturen, die von 50 000 bis ca. 1000 v. Chr. in Südosteuropa, im Nahen Osten, Kleinasien und Nordafrika vorgeherrscht haben sollen, werden über 30 000 Venusfiguren aus Stein und Elfenbein an über 3000 Fundorten, Höhlenmalereien, Statuetten, Schreine und Gräber zur Frauen- und Göttinnenverehrung angesehen. Insbesondere seit der franzosische Archäologe Leroi-Gourhan das sogenannte >Doppelauge« steinzeitlicher Höhlenmalereien als Symbol der Vulva deutete, war der Weg frei, um an Kultstätten und Höhlendekorationen überall weibliche Vorherrschaft auszumachen. Ebenso wie an einem Fries von Tier- und Menschenfiguren in einer Steinzeithohle bei Angles-sur-L'Anglin in Frankreich entdeckte Dreieckskritzeleien als weibliche Formen identifiziert wurden, so mußte auch andernorts nach der Überprüfung archäologischer Funde die Entwicklungs- und Kulturgeschichte der Menschen umgeschrieben werden.

Als wichtigste Beweise einer vorpatriarchalischen Göttinnen- Kultur fuhren die Matriarchats-Forscherinnen folgende Fundstellen auf:

- 25 000-15 000 v. Chr. (Megalithkulturen) >Venus-Statuetten« aus Elfenbein und Stein werden gefunden in Europa (ältester Fund Venus von Willendorf, ca. 30 000 Jahre alt, in Osterreich) und in Ägyptens Nilschlamm.

- 12 000-9000 v. Chr. in Dolni Vestonice, Tschechoslowakei, sowie in Shanida, Irak. Nachweis feierlicher Steinzeitbegräbnisse zu Ehren der Großen Mutter. Leichname wurden mit rotem Ocker bedeckt, was auf diese Göttinverehrung hindeutet. Noch heute erfüllt bei den Rif-Berbern, einem matriarchalen Stamm in Nordafrika, die rote Ockerfarbe religiöse Funktionen zur Huldigung der >Großen Mutter«

- 7000 v. Chr.: die ersten Schreine werden in Jericho der >Großen Mutter« gewidmet

- 6000 v. Chr.: Chatal Hüyük, die weltalteste Steinzeitstadt im Anatolien der heutigen Türkei, verfügt auf nur 32 Morgen über 40 der >Großen Göttin« gewidmete Schreine. Der international anerkannte Archäologe James Mellaart, der Entdecker von Chatal Hüyük, wies nicht nur nach, daß entgegen dem herkömmlichen Geschichtsbild nicht erst der Ackerbau zur Seßhaftigkeit und Verstädterung führte, sondern daß es schon in der Altsteinzeit, als Menschen noch Jäger und Sammler waren, regen Austausch von Wissen, Dienstleistungen und Gütern gab, und altsteinzeitliche Höhlen, Felsunterkünfte und offene Siedlungen bereits Seßhaftigkeit (auch Verstädterung) anzeigten. Damit soll nachgewiesen werden, daß Frauen die ersten Gerätschaften, Wirtschafts-, Verwaltungs- und Dienstleistungs-Formen erfanden, die Toten bestatteten und die Religionshoheit innehatten. Mellaart bewies dies anhand der ca. 40 offengelegten Schreine, wonach die drei Inkarnationen der Göttin (Jungfrau, Mutter, altes Weib) eine uralte Göttindreiheit wie in anderen Matriarchaten sein mußten.

- 5000 v. Chr.: In Hacilar, Türkei, stellt eine Statuette symbolisch den Liebesakt der Göttin dar.

- 4000 v. Chr.: In Erech, dem heutigen Uruk, in Sumeria tritt, wie erste Tempelinschriften verraten, die Große Göttin als >Himmelskönigin« auf.

- 3000 v. Chr.: Funde (Statuetten, Fresken, Schreine und Schriften) aus jener Zeit deuten auf das Vorhandensein des Göttinglaubens in der gesamten Welt hin.

- 3000- 1400 v. Chr.: Das minoische Reich auf Kreta ist eine Theakratie (Göttinherrschaft). Die vergessene minoische Zivilisation wurde zu Beginn des 20. Jahrhundert von Sir Arthur Evans wiederentdeckt.

- 2000 v. Chr.: Es bestehen Zusammenhänge zwischen den frühen Mythen der Großen Göttin bei den frühen Hebräern, den Griechen und Kelten insofern, als alle drei Volksstämme durch das gleiche ägäische Mittelmeervolk zivilisiert wurden. Der englische Historiker Robert von Ranke-Graves hat 1948 die Verwandlung des Mythos von der >Weißen Göttin« vom Mittelmeerraum bis nach Nordwesteuropa beschrieben.

- 200 v. Chr.: Keltenstämme entsenden Priester nach Anatollen zur heiligen Verehrungsfeier der Göttin Gybele.

Die Wiege des Göttinnglaubens vermutet man in den Steppen von Südrußland, von wo aus er sich in den Mittelmeerraum und über das Tal des Indus bis nach China hinein ausbreitete. Grundelement all dieser Mythologien, in denen Männer bedeutungslose Nebenrollen spielen, war der Glaube an eine partnerlose >Ur-Mutter«, aus der alles Leben entstand. Die Muttergöttin-Mythologie war auf der einfachen Stufe eine Mythologie der Erdmutter. Die rituellen Feste wurden im Jahreszeiten- Zyklus gefeiert. Auf der hochentwickelten Stufe wird die Erdgöttin-Religion durch eine astrale Religion ergänzt, die das Zusammenspiel von Mond und Sonne berücksichtigt. Der Glaube rankt sich hier um die Dreifaltigkeit der Mondgöttin als Mädchen-Frau-Greisin, die ewig war wie die kosmische Nacht. Indem der weibliche Leib mit dem der Erde in enge Beziehung gebracht wurde, konnte der Glaube an die große Urmutter, die >magna mater«, verfestigt werden. Die älteste Inkarnation der Großen Göttin war die der Mutter, ein Archetypus, der bis heute prägend ist. Man denke nur an die auf den ägäischen Isis-Kult zurückgehende Marienverehrung. Beider Mütter Schöpfungsmacht symbolisierten ihre auf ihren Schößen sitzenden Söhne. Bei der altägyptischen Isis war es Horas (Gott der Zeit), bei Maria war es seit dem 500 Jh. n. Chr. das Jesuskind. Jeder Frau haftete etwas Göttliches an, weil sie verwoben war in das Prinzip weiblicher Schöpfungskraft. Der weitverbreitete Göttinmythos zwang Männer überall zur blinden Demut gegenüber dem mächtig Weiblichen.

Die Große Göttin hatte zahlreiche Namen. Sie hieß >Inanna« bei den Sumerern (heutiger Irak), wo Männer ihrem >Honigschoß« und ihrer üppigen Vulva huldigen mußten. >Ischtar« nannten sie die Babylonler, bei denen sie das Symbol des kosmischen Uterus schlechthin war. Ihr Gewand bildeten die Sterne des Tierkreises. In Alt-Ägypten waren am bekanntesten Nut und Isis, auf der Insel Kreta beherrschte Demeter das minoische Reich.

In Tibet war die >Gott-Mutter des Landes« die Verkörperung von ungestümer, übermenschlicher Energie. In Indien wurde sie als >traditionelle Mutter«, >Mata-Devi«, gezeigt, mit üppigen Brüsten, die für die Menschheit Milch des Lebens preßt. Ein anderer Mythos in den weit voneinander entfernt gelegenen Kulturkreisen der Inselkette Polynesien im östlichen Ozeanien und dem am oberen Tigris angesiedelten alten asiatischen Reich Assyrien berichtet von der Großen Mutter, die nicht die Menschenrasse, sondern das viel mächtigere, endgültige >Welt-Ei« schuf.

Im hohen Norden geht der Windgott (der den Menschen das Leben einhaucht, den Lebensodem) der Sage nach aus der Scheide der Allmutter Ginnungagab hervor. In Griechenland auf dem allerheiligsten Höhepunkt der Eleusinischen Mysterien ist es die Göttin, beziehungsweise ihre weltliche Vertreterin, die eine Kornähre gebiert und somit ein weiteres archetypisches Symbol der Verknüpfung von Frau und Natur zur >Mutter- Natur« gibt. Noch bei den Römern, als die männliche Zeugungskraft langst bekannt war, wurde der Großen Mutter, der Gäa, dem Prinzip der weiblichen Urkraft, gehuldigt. Sie, die Mutter Erde, ging der Legende nach aus einer gigantischen Urvagina hervor und war gleichzeitig auch Abgrund des >Allwissens« und >Allfühlens«.

Der geheimnisvolle weibliche Zyklus in Anlehnung an die Mondphasen sowie das Wunder der Geburt verlieh der Frau im magisch-kosmischen Zeitalter Göttlichkeit, die heiligste und bedeutendste Macht der Welt, der Männer nichts entgegenzusetzen hatten. Solange die Rolle der Zeugung unbekannt war, galten Väter als nicht verwandt mit ihren Kindern, nächste Verwandte waren Mutter, Schwester und die Kinder der Schwester. Frauen entdeckten die Blutsverwandtschaft in weiblicher Linie, bestehend aus der machtigen Hauptachse >Mutter-Tochter-Enkelin«. Alle Güter, Rechte, Würden und Kenntnisse wurden hiernach in dieser geraden Mutterlinie vererbt. >Söhne und Brüder hatten daran nur Anteil, wenn Aufgaben und Würden von Mutter oder Schwester an sie delegiert wurden. In dieser Rolle genossen sie Ansehen, aber nicht als Gatten und Väter. Biologische Vaterschaft war unbekannt, die Gattenbeziehung flüchtig und bedeutungslos, feste Eheformen existierten nicht. So bestand die matriarchale Familie aus Mutter, Tochter, Sohn. Die matriarchale Sippe bestand aus der Sippenmutter, Töchtern, Enkelinnen, die im Sippenhaus zusammenwohnten (Matrilokalitat). Söhne und Brüder waren zugeordnet und nicht immer anwesend. Die Sippenmutter besaß auf natürliche Weise die höchste Autorität.« Die Muttermacht jener Tage offenbart auch das altsumerische Wort für Freiheit, >amargi«, das noch im dritten Jahrtausend v. Chr. >Rückkehr zur Mutter« bedeutet hat.

In den Fängen der >Großen Unersättlichen«

Für die Frauenforscherinnen war die Domestizierung des Mannes eine paradiesisch friedliche Sache :>Freiwillig« warfen sich die Männer der Großen Mutter zu Füßen >Ihre Symbolik und Kulte ermöglichten es den Menschen, unerbittliches Schicksal, Tod, Zerstörung und Furcht sinnvoll in ihren Lebenszusammenhang zu integrieren, damit umzugehen und sich eine Anschauung über Transformation, Wiedergeburt, Erneuerung, Kreativität und eine Ethik zu bilden, deren Werte Gerechtigkeit, Wahrheit und Weisheit waren.« Und weil nirgends in den Quellen etwas davon steht, ob einstmals die Männer mit ihrem Leben einverstanden waren oder ob sie sich gar gegen ihre muttergöttliche Unterdrückung zu wehren versuchten, ist für die Matriarchatsforschung dieser Aspekt für ihre >Heile- Welt«-Thesen untergegangener Frauenkulturen genauso bedeutungslos wie der Mann an sich.

Die Herrschaft der >Großen Mutter« war aber alles andere als immer friedlich, wie die auf Vasen, Wandmalereien und in Skulpturen festgehaltene minoische Männerknechtschaft im antiken Minos auf Kreta zeigt. Im minoischen Reich, einer kulturellen Wiege Europas, wo so bekannte Legenden wie die Europa-Sage, die phantastische Geschichte vom Stiermenschen Minotaurus und dem Labyrinth von Knossos, vom Ariadne- Faden usw. angesiedelt sind, herrschte für Männer Streß. Diese mußten nicht nur, um ihre Manneskraft zu beweisen, über den berüchtigten wilden kretischen Stier springen. Sie waren auch überall dort willkommen, wo es galt, Frauen Arbeit abzunehmen. Sie hatten nur Pflichten, kaum Rechte, und wenn, dann nur durch >ihre Gnaden«. Zahlreiche Fresken und Vasen zeigen eine emsig schuftende Mannheit. Schweißtreibende Arbeit und Muskelkraft waren Symbole maskuliner Leistungsfähigkeit. Der Höhepunkt weiblicher >Friedfertigkeit« in frühen Frauenkulturen war aber, daß Männer wie Tiere geopfert werden durften. Menschenopfer waren also Erfindungen von Frauen und nicht von Männern, wie immer wieder behauptet wird. Was im >friedlichen« Minoa nie für möglich gehalten wurde, entdeckte Ende der 80er Jahre das weltbekannte Archäologenehepaar Sakallarakis: In dem Tempel Anemospilia auf dem heiligen Berg Kretas fanden sie im Tempelwestraum Überreste einer rituellen Hinrichtung zur Huldigung der Großen Göttin. Sakellarakis, der in Heidelberg zum Thema >Minoische Tieropfer< promoviert hat: >Ein Stiergefäß hatte ich schon gefunden, entdeckte dann ein Bronzemesser mit einer vierzig Zentimeter langen Klinge, kurz darauf Knochen - und ich wartete auf den Stier, das bedeutendste unter den damaligen Tieropfern. Auf dem Altar aber lag ein Mensch. Ein junger Mann, zum Zeitpunkt seines Todes etwa 18 Jahre alt. Es ist ausgeschlossen, daß sich de Junge freiwillig geopfert hat <.

Auch als Sexknechte waren die minoischen Männer bei den Frauen beliebt. Im minoischen Reich erinnert an dieses Drohnendasein besonders die hochausgeschnittene Hüftbinde mit hervorstehendem Phallus-Halfter der Männer und die Mannbarkeitsproben, etwa der Sprung über den kretischen Stier. So ist auch das Paradox zu erklären, daß in der zutiefst weiblich geprägten minoischen Kultur männliche Körperkraft verehrt wurde. Männer- und Stierkraft verkörperten nämlich zugleich höchste erotische Attraktivität, die symbolisch in der Vereinigung der unersättlichen Königin Pasiphae mit dem kretischen Stier gipfelte. Der Wert des Mannes in solchen Frauenkulturen bemaß sich nach seinem muskulösen und sexuellen Nutzen. Schwächlinge, Feiglinge, Weichlinge ernteten nur Verachtung, auch von Männern, die sich diese von Frauen geschaffenen männlichen Ideale überlegener körperlicher Starke zu eigen machten. Ohne entsprechende Mannesqualitäten hätten sie in dieser Zeit niemals eine Sexualpartnerin, geschweige denn sonstige Anerkennung gefunden. Männer standen bereits damals unter Erfolgszwang.

Diese sexuelle Urangst der Männer vor den Frauen wird besonders in den antiken Mythen beschrieben, in denen Männer mit Göttinnen sexuell verkehren mußten: So verlangte die Göttin vom Manne nicht nur Befriedigung, sondern seine Essenz - seinen Tod. Im alten Griechenland personifizierte sich die männliche Sucht vor der alles verschlingenden weiblichen Sexualität in der gefräßigen Göttin Lamiam, deren Name >Schlund« oder >Vagina« bedeutet. In frühen assyrischen und babylonischen Schriften wird der >Geschlechtsakt als ein >Nehmen< seitens der Frau und >Genommenwerden< oder >Sichhinlegen<« seitens des Mannes betrachtet. Wie die Feministin Rosalind Miles nachzuweisen versucht, gehörten Sexualität und Genuß der Göttin allein >In jedem Kulturkreis hatte die Göttin viele Liebhaber (...) Sie war Lebensquelle und Lebenskraft - und somit zeitlos und endlos. Im Gegensatz dazu kamen und gingen die Männer. Ihre einzige Funktion war der Dienst an der göttlichen >Gebärmutter< oder >Vulva<, wie die Göttin in den meisten Kulturen heißt.« Babylonische Siegel zeugen von der göttlich-gewaltigen Sexualmacht der Frauen. So ist dort die Szene eingraviert, in der die Göttin Skorpione zur Flucht bewegt, indem sie ihnen hemmungslos ihre ehrfurchterregende Scham zeigt. Und die sumerische Königin Ischtar soll nach einer enttäuschenden Liebesnacht sogar gedroht haben, die >Toten auf die Lebenden« zu hetzen, wie das Gilgamesch-Epos 2000 v. Chr. Berichtet.

Immer wieder müssen Männer - zumindest symbolisch - beim Geschlechtsakt sterben. Die unzähligen Mythen von Königsmorden in grauer Vorzeit belegen den einstigen weiblichen Blutdurst >König« hießen in archaischer Zeit oftmals jene Männer, die von der Göttin als Beischläfer auserwählt wurden, was für die sterblichen Männer stets tödlich endete. Ob es wirklich so verlockend war, von den Priesterinnen der Großen Göttin als >König des gemeinsamen Lagers« gekrönt und von diesen Göttin-Dienerinnen bis zum Tode >vernascht« zu werden, wie es die Legende immer wieder berichtet, dürfte recht zweifelhaft sein. Denn die qualvollen Ängste der Opfer, als orgiastische Götterspeise serviert zu werden, durften die Freude über die >Rückkehr zur Großen Mutter« bei weitem übertreffen haben. Doch wer als Göttinnendrohne auserwählt war, hatte keinerlei Möglichkeit, sein >Ehrenamt« auszuschlagen. In zig Versionen wurde der rituelle Opfertod des jungen Königs beschrieben. Das Grundmuster ist in allen Fallen ähnlich: Die unsterbliche Urmutter, eine ältere, dabei jedoch prinzipiell alterslose Frau, greift sich einen sterblichen, jüngeren Geliebten, um ihre Weiblichkeit zu demonstrieren. Das war so bei Ischtar und Tammuz, Venus und Adonis, Cybele und Attis, Isis und Osiris, Demeter und Iasion. Iasion wird beispielsweise nach dem Liebesakt mit Demeter in einer Ackerfurche vom Donnerschlag hingestreckt. Die rituelle Tötung des Königs (Liebhabers) symbolisiert die gewaltige Sexualmacht der Frauen über die Männer. Es ist kaum vorstellbar, daß Jünglinge, die Opfer der Sex-Folterinnen wurden, diesen Akt als Tat des Friedens aufnahmen. Beispielsweise forderte die Göttin Anaitis von Ninive jährlich den schönsten Knaben als Sexopfer. Der nackte Knabe wurde kunstvoll bemalt, mit Schmuck behangen, in rote Gewänder gehüllt und mit einer Doppelaxt der Göttin bewaffnet. In einer wahren Orgie mußte er dann unter einem offenen Purpurbaldachin etwa 24 Stunden, für alle sichtbar, mit den Priesterinnen der Anaitis verbringen. Nach dem Martyrium wurde der mehrfach vergewaltigte, Entkräftete auf ein Lager mit Gewürzen, Edelhölzern und Weihrauch gelegt, mit einem Goldtuch bedeckt und bei lebendigem Leibe angezündet. Von friedlicher Frauenkultur war hier, wie auch anderenorts, nichts zu spüren.

In anderen Kulturkreisen, etwa in Irland, enthauptete die Oberpriesterin der Großen Mondgöttin ihr männliches Opfer eigenhändig, um es der >Großen Mutter zurückzugeben« und sein >Blut der Wiedergeburt« in einer Schüssel aufzufangen. Im Kopenhagener Museum zeugt der >Jutland-Kessel« vom Höhepunkt eines solchen Opferrituals. Grausam ging es auch bis ins 19. Jahrhundert hinein den Männern in den matriarchalen afrikanischen Bantu-Reichen an den Kragen. Die unvermählten Herrscherinnen nahmen sich Sklaven und Männer aus dem Volk als Liebhaber, die sie dann nach koitivem Gebrauch nach Belieben und Herzenslust zu Tode folterten. Die letzte Bantu- Königin Ashanti ließ, britischen Berichten der Kolonialverwaltung zufolge, regelmäßig Dutzende von Begattern qualvoll liquidieren, um wieder einen neuen Harem aufbauen zu können. Sogar wenn ein männlicher König den Thron innehatte, konnte die afrikanische Königin ihn zum Tode verurteilen und seine Todesstunde bestimmen.

Als Frauen die Männlichkeit erfanden

In matrizentrischen Hierarchien galt der Mann als Mensch wenig. Daran änderte auch die im soziohistorischen Dunkel liegende Entdeckung männlicher Zeugungskraft nicht viel, die immer wieder fälschlicherweise als Wendepunkt zwischen matrizentrischen und patrizentrischen Zeitaltern gesehen wird. Denn es ist bekannt, daß der Großen Göttin noch lange gehuldigt wurde, nachdem das Geheimnis des >kleinen Unterschieds« zwischen Frau und Mann gelüftet war. Die Zusammenhänge der biologischen Elternschaft müssen früher entdeckt worden sein, als angenommen wird. Phallusdarstellungen und -Skulpturen des älteren Neolitikum (9000-4000 v. Chr.) bezeugen im gesamten morgen- und abendländischen Kulturraum, wie es um die sexuelle Aufklärung der >Familie Feuerstein« stand. Ob in der Höhle von Les Combarelles in der französischen Dordogne eine 15 000 Jahre alte Wandmalerei einen zur Vulva gerichteten Phallus zeigt, oder die bis zu 20 Meter hohen Felsblöcke in menschlichen Frühsiedlungsgebieten im Nahen Osten, die männliche Fruchtbarkeit darstellen. Die Symbole sind eindeutig. Den Männern, an deren überdimensionalen symbolischen Steinphalli unfruchtbare Steinzeit-Schönheiten ihre Scheide rieben und um Kindersegen flehten, half das Wissen um den männlichen Zeugungspart wenig, denn die Manneskraft gehörte der Großen Mutter. Ja, der weiblich geprägte Glaube an das allmächtige Götterweib forcierte geradezu das demütige Herausstellen des immer dienstbereiten erigierten Penis. Erinnert sei beispielsweise an die Entdeckung einer neolithischen Feuersteingrube mit Altar nahe Grimes Grave in der englischen Grafschaft Norfolk. Zum Altar gehörten ein Kelch, sieben Hirschgeweihe (Symbol für Manneskraft) und ein mächtiger Kreidephallus, als Votivgaben vor der Figur der >Großen Mutter« ausgebreitet. Die Darbietung des Penis in seiner männlichsten Form war zweifelsohne Teil des Göttinkults. Frauen reduzierten den Mensch Mann auf sein wesentlichstes Merkmal, aber das mochten sie nur in brauchbarem, also erigiertem Zustand dargestellt sehen. Wer weiß, was im täglichen Sexualleben mit Männern geschah, die >keinen hochgekriegt« haben; waren sie doch noch weniger wert als der ohnehin schon auf sein Dildo-Dasein reduzierte Samenknecht. Thesen gibt es hierüber keine.

Das Ausmaß der Diskrepanz zwischen weiblichem Triumpf und männlicher Minderwertigkeit in den weiblich dominierten Kulturen illustriert anschaulich der ägyptische Papyrus von Tameniu aus der 21 Dynastie (ca 1102-952 v. Chr.). Hierauf überwölbt die nackte Große Mutter mit ihren sternenübersäten Brüsten, ihrem Bauch und gebärfreudigen Schoß die ganze Welt, während unter ihr der Knabengott Geb flach auf dem Boden liegt und mit seinem übertrieben groß dargestellten Phallus vergeblich versucht, an die göttliche Weiblichkeit heranzureichen. Die Götterfrauen spielten mit der im Vergleich zum weiblichen Verlangen unergiebigeren männlichen Sexualität. >Zur Zeit der Großen Mutter war die Frau das herrschende Geschlecht und der Mann ihr verängstigtes Opfer«, schlußfolgerte der bekannte Historiker Robert Ranke-Graves. Sehr wahrscheinlich hätten die verschämten Männer einen öffentlichen Vergleich zwischen ihrer und weiblicher Sexualität gescheut. So war es nachweislich kein Mann, der beispielsweise die ersten androzentrischen Kulte, wie den Phalluskult, etablierte, sondern unter anderem die ägyptische Göttin Isis. Nicht >paradoxerweise«, wie Rosalind Miles schreibt, sondern konsequenter und logischerweise begründete die Große Göttin selbst den Phalluskult, um Männer durch Konkurrenz zum Kräftemessen und Kultivieren der Stärke zu animieren. >Der Isiskult breitete sich vom Nahen Osten durch Asien und bis nach Europa aus. Im Mythos heißt es, daß die Göttin Isis selbst befahl, einen hölzernen lingam des Osiris in ihrem Tempel zu Theben zu errichten. Daraufhin wurde es Brauch, ihr phallische Symbole oder Gegenstande zu weihen.«
Dieses Beispiel belegt einmal mehr, daß der Phalluskult keinesfalls maskulinistischem Hegemoniestreben entsprang, sondern zu Ehren der Großen Göttin weiblichen Fruchtbarkeitswünschen entgegenkam. Bei der von Frauen erfundenen Männlichkeit ging es nicht um den Mann selbst, sondern um den heiligen Dienst an der weiblichen Fruchtbarkeit.

Aber noch einmal zur frühgeschichtlichen Männerpsyche zurück: Aufgrund ihrer Minderwertigkeitsgefühle wollten die Männer einen kleinen Teil der weiblichen Fruchtbarkeit zumindest symbolisch >abbekommen«. So versuchten sie Frauenkraft zu imitieren, wo sie ihnen am göttlichsten erschien, nämlich in ihrer Menstruationsblutung, >einer unendlich blutenden Wunde, die nicht tödlich ist«. Noch in diesem Jahrhundert fand man, daß in einigen Primitivkulturen >die männliche Genitalverstümmlung als >Menstruation des Mannes< bezeichnet, die Wunde als Vagina beschrieben wurde, und die ganze Zeremonie den Zweck hatte, den Mann mit dem Geist der Mutter zu vereinen.« Ein derartiger Initiationsritus wurde beispielsweise bis in die fünfziger Jahre bei den australischen Arandas zelebriert: >... der Mann, der die heilige Operation vornimmt, ergreift den Penis des Knaben, schiebt einen langen dünnen Knochen in die Harnohre und hackt immer wieder mit einem Steinskalpell auf den Penis ein. Er schneidet durch die Fleischschichten bis zum Knochen. Dabei platzt der Penis auf wie ein gekochtes Würstchen.« Das Wort der Abonginals für >gespaltener Penis« ist eine Ableitung von Vagina. >Besitzer einer Vulva« wurde als Ehrentitel verliehen. Wie begehrt und wertvoll Weiblichkeit war, zeigt der Aboriginal-Brauch, in dem ältere Knaben auf Wunsch die Penis-Wunde rituell wieder öffnen lassen konnten, um die unsäglich schmerzhafte Imitation weiblicher Menstruationsblutungen zu wiederholen.

C. G. Jung sah in allen männlichen Initiationsriten das Bemuhen des Mannes um Neugeburt. Diese Riten waren stets auch symbolische Imitation von Gebärfähigkeit. Männer setzten sich dabei allen nur denkbaren Schmerzen, blutigen Wunden und Ängsten aus, um schließlich nicht als Kind, sondern als ein von der Mutter Gelöster, als Mann und Held, auf die Erde zu treten. Noch heute gibt beispielsweise das Hamatsa-Ritual der Kwakiutl-Indianer Kanadas ein eindrucksvolles Zeugnis von der männlichen Wiedergeburt: >Bei der endgültigen Aufnahme in den letzten Grad dieses Bundes muß sich der bereits erwachsene Initiand nackt, nur mit Zweigen bekleidet (als Zeichen seiner Rohheit), durch ein enges Loch einer eigens für dieses Ritual hergestellten Wand zwängen. Auf der Schauseite der Wand ist das Gesicht eines dämonischen Wesens aufgemalt, dessen geöffneter Mund den Initianden gleichsam ausspeit. Auf dieser Seite stehen die Tutoren des Initianden mit ausgestreckten Händen wie die Hebammen, um ihn aufzufangen. So wird der wahre höhere Mann durch Männer geboren. Bei dieser überdeutlichen Symbolik handelt es sich nicht etwa um einen aberranten exotischen Einzelfall (...) In allen Bünden mit derartigen Aufnahmeritualen schwingt die Vorstellung mit, daß die Geburt und die Erziehung durch eine Frau nicht reichen für die Entstehung eines richtigen Mannes.« Richtiger Mann bedeutet: vollwertiger Mensch, der >vollkommeneren« Frau ebenbürtig. So war und ist diese in Männerbunden und Stammesriten kultivierte >glorifizierte, höhere Männlichkeit« in Wirklichkeit nichts anderes als ein kulturelles Kompensationskonstrukt seelischer Männernote. Es war und ist letztlich eine unfreie und unreife frauenbezogene Pseudomännlichkeit, die nur vom Beifall der Frauen lebt. Das belegen insbesondere die völlig ungesunden gegenwärtigen Männlichkeitsbilder, die Männer wohl kaum ohne große spirituelle, soziale und sexuelle Not angenommen und zu ihrer eigenen Sache gemacht hätten. So stellten doch schon in der Frühzeit die meisten als männlich gepriesenen Tugenden enorme Belastungen für Seele und Gesundheit der Männer dar. Warum sollte der Mann aus freien Stucken alles was unangenehm, gefährlich, risikoreich, gesundheitsschädlich, schmerzhaft, kalt ist, männlich nennen und alles, was schon, harmonisch, rund, ausgeglichen, anmutig, friedlich, warm, geborgenheitsspendend und liebevoll ist, weiblich titulieren. Da hat Eva in archaischer Zeit ganz schon mitgemengt, um den >wilden Mann« zum dienstbaren Geist zu knechten. Nur in ihrer göttlichen Priesterinnen-Eigenschaft als Richterin über Leben und Tod (vgl. Mannesopfer, Kastration, Beschneidung, Phalluskulte) hatte Eva einst die Macht, die Weichen für eine unheilvolle, schizoide fremdbestimmte Männlichkeit zu stellen. Diese krankhaft leistungsbetonte Männlichkeit hat sie bis zum Exzeß ausgebeutet, wie die Geschichte des institutionalisierten Krieges zeigt, als Frauen ihre >guten Arbeitsgeister« zu >streitbaren Helden« kürten.

Vom Frauenbesitz zum >Männerkrieg«

Die Geschichte des organisierten Kampfes beginnt in den frühen Ackerbaukulturen der Jungsteinzeit, einer von Muttergöttin-Kulten geprägten Ära, in der sich kriegerische Manifestationen häufen und zu kollektiven Erscheinungen werden. >Das hat einen einfachen Grund: Die Lebens- und Ernährungsbedingungen haben die Bevölkerung stark anwachsen lassen. In dieser Zeit werden die ersten Dorfer errichtet, und die Produktion wachst. Unter den beweglichen Gütern tauchen jetzt große Vorratsgefäße auf, die man in der älteren Jungsteinzeit noch nicht kannte, ein Hinweis auf erhebliche Nahrungsvorräte, die den Neid von Habenichtsen erregten.«

Unterschiedlicher Erntesegen und Bodenschätze, das Know-how von Produktion (Handwerk, z.B. Waffen von der Bronze- zur Eisenzeit), Lagerhaltung und aufkommender Warenfluß (Tauschhandel) schufen erste jungsteinzeitliche Wohlstandsgefälle und unterschiedliche Lebensbedingungen. Jetzt galt es immer häufiger, den Besitz der Sippe zu sichern oder zu mehren. Wer aber waren die ersten Besitzenden in matriarchalen Kulturen? Natürlich Frauen, wie heute noch bei den afrikanischen Rif- Berbern, den Tuareg, den australischen Aboriginals oder den indonesischen Minangkabau (bei Sumatra). Bei letzteren heißt es heute noch >Häuser und Land gehören den Frauen (...) Für die Frauen und ihre Kinder bedeutet das eine sichere ökonomische Grundlage - und Einfluß auf alle wichtigen Entscheidungen des Clans... Der Mann hat die Ehre, die Frau den Besitz.« Nicht Männer, sondern wachsendes weibliches Besitz- und Verlust- Denken aufgrund zunehmender ökonomischer Ungleichgewichte stifteten Unfrieden und ließen Menschen verstärkt zur Verteidigungs- oder Eroberungswaffe greifen. >Die durch die Anhäufung von Nahrungsressourcen begünstigte Überbevölkerung erzeugt einen Bedarf nach weiteren Ländereien, und zwischen den Gemeinschaften kommt es zu Kämpfen um den Besitz von Territorien. Plünderungen und Eroberungen werden zu einer verbreiteten Praxis.«

Für die einst >göttlichen« Frauen, die es bald vorzogen, ihre anfänglich amazonenhafte Schlachtfeld-Anwesenheit gegen die schützenden vier Höhlen- oder Lehmbauwände daheim einzutauschen, war es ein Leichtes, die muskulöseren Männer zu ihren lebenden Schutzschilden oder Angriffswaffen zu erheben. Denn die unter Minderwertigkeitsgefühlen leidenden Männer fühlten sich geschmeichelt, nun endlich eine Schlüsselposition für das Wohl und Wehe der gesamten Sippschaft zu erhalten. Der Krieger löste immer starker den Jäger der Ackerbaukultur ab und konnte damit sein im Zuge des Niedergangs der Jagd eingebüßtes Prestige zurückerobern. Die wesentlich zierlicheren Frauen feierten aufgrund ihrer Ängste vor Überfallen und Plünderungen die sie beschützenden Steinzeit- Rambos als Helden. Sie ließen Männer für sich, ihre Kinder und ihren Besitz kämpfen. Und indem sie Söhne zur selbstlosen Tapferkeit und Unerschrockenheit erzogen und heimkehrende Sieger triumphierend empfingen, perfektionierten sie eine vordergründig männliche Kriegskultur. Schwer fiel den schutzbedürftigen Damen die Kriegsknecht-Erziehung nicht, denn sie brauchten ja lediglich die Männlichkeitsbilder von Muskelstärke und Schutzpflichten etc. zu verstärken.

Skelettfunde in jungsteinzeitlichen Massengräbern (beispielsweise in unterirdischen Grabstätten der Höhlen von Roaix im Vaucluse, Frankreich), an denen gespaltene Schädel und mörderische Pfeilverletzungen festgestellt werden konnten (ausschließlich an männlichen Skeletten), belegen, daß Verteidigung, Angriff und Schlachtendienste Männeraufgabe waren. Die mit der Kriegswirtschaft einhergehenden Machtverschiebungen zwischen den Geschlechtern führen zur Entstehung von >Mütter-Patriarchaten«, in denen Frauen sich zunehmend hinter starken Männern verschanzen und aus dieser Position heraus die gesellschaftliche Sozial-Regie führen konnten.

Unhaltbar ist deshalb die beliebte feministische These, wonach das Patriarchat von außen über die >friedlichen Frauenkulturen« hereingebrochen sei. Es mag ja stimmen, daß die aggressiveren patriarchalischen Nomadenstämme der Archäer um ca. 1900 v. Chr. in das matriarchalische Griechenland eingefallen und die patriarchalischen Indogermanen-Stämme gegen 4000 bis 3000 v. Chr. in den Vorderen Orient und in den Mittelmeerraum vorgedrungen sind. Aber man kann aus diesen Völkerwanderungs- Gefechten keine generelle Eroberungstheorie konstruieren, der zufolge das Patriarchat durch Zerschlagung von Frauenkulturen entstand. Denn niemand weiß genau, seit wann die Archäer und Indogermanen-Sippen oder deren Ahnenstämme patriarchalisch waren, und ob sie nicht erst unter dem Druck ihrer Frauen patriarchalisch werden mußten, um ihre Wanderungs- und Eroberungszüge antreten und erfolgreich durchstehen zu können. Patriarchalisierungen erfolgten mit Sicherheit ungleichzeitig und unterschiedlich und stets frauenbezogen.

Vom Kriegsknecht zum dienstbaren (Gott)-Vater

Ein weiterer zentraler Irrtum, mit dem Matriarchatsforscher die gewaltsame Erschaffung von Patriarchaten durch den Mann propagieren, ist die These von der Etablierung eines Gottvaters als Voraussetzung kriegerischer Wanderungszüge. Doch die Etablierung eines mächtigen Gottvaters war niemals Ursache, sondern logische Konsequenz aus der kriegerischen Umbruchphase. Denn erst die kriegerischen Streif- und Eroberungszüge erweiterten durch die Konfrontation mit fremden Völkern und Kulturen den menschlichen Erfahrungs- und Denkhorizont. Dies führte schließlich zu einer revolutionären geistigen Bewußtseinserweiterung, die in der Etablierung männlicher Götter und schließlich eines Gottvaters gipfelte.

Aber der Reihe nach: So ist soziohistorisch exakt nachvollziehbar, daß neben den Fruchtbarkeits- und Jagdriten der frühen magisch-kosmischen Kulturen der Jungsteinzeit (5000 bis 2000 v. Chr.) im Nahen Osten und mit steigender Bedeutung des Krieges in der Bronzezeit immer stärker andere religiöse und gesellschaftliche Vorstellungen in den Vordergrund treten: Kriegshäuptlinge, die es auch schon in halbpatriarchalischen oder matriarchalischen Kulturen gab, erlangen zunehmend eine tragende Vorrangstellung. >Der Dolch und das Schwert haben den Bogen des Jägers verdrängt... In der Bronzezeit tritt an mehreren Stellen Europas (aber auch im gesamten Orient) der Heldenkult auf. Die physische Kraft wird mehr denn je gerühmt. In vielen Gesellschaften dominiert eine Kriegsaristokratie. (...) Heldenverehrung und Huldigung dem Herrn der Welt und den Elementen treten an die Stelle der Verehrung der Mutter Erde, die sich zunehmend damit zu begnügen hat, passiv Keime in sich aufzunehmen. Überall, wo die Bronzezeit sich durchgesetzt hat, wird die Göttin zur subalternen Gattin, bevor sie die Bühne der Götter verläßt. In der einen Kultur wird die Göttin nach und nach verdrängt, in der anderen vermännlicht oder von dem männlichen Gott aus dem Pantheon vertrieben.«

Der mächtige Muttergöttin-Kult, der nach heutiger Datierung seit mindestens 100 000 Jahren v. Chr. den Menschen Geborgenheit schenkte, reichte nicht mehr aus und wurde zwischen 2500 und 1900 v. Chr. in weniger als einem Jahrtausend ersetzt durch einen Vatergott (Brahma, Jahwe, Zeus, Jupiter), aber nicht weil die Männer die Frauen unterjochen wollten, sondern weil der Zeitgeist mit Aufkommen der organisierten Kriege das >Kämpfenkönnen der Männer« höher bewertete als das >Fruchtbarsein der Frauen« Frauen und Männer wandten sich gemeinsam ab von weiblichen Gottheiten, da sie sich von männlichen Göttern besser beschützt fühlten. So ging beispielsweise die ägyptische Göttin Isis, die auch in der ganzen griechischen Welt verehrt wurde, in dem Gott Osiris auf. Die assyrische oder babylonische Göttin Ischtar wird zum männlichen Gott Aschtar. Die ursprünglich weibliche Sonne der Kelten (evtl. Sonnengöttin) mutiert zum Sonnenheld, später zum Sonnengott. Die keltische Hirschkuh- Göttin, das Symbol der Fruchtbarkeit, wandelt sich in einen Hirschgott.

Mit der Entdeckung (menschlichen Wunschvorstellungen eines schützenden Vaters) des dienstbaren Gottvaters im Himmel wurde analog nicht nur der starke, beschützende Vater auf Erden kreiert, der nach außen hin die Mutter als Familienoberhaupt ablöste und die öffentlichen Geschäfte zum Wohle der Familie, für Volk und Vaterland zu übernehmen hatte. Vielmehr vollzog sich weltweit mit großen kriegerischen Wanderungszügen eine geistige Revolution, die der Existenzphilosoph Karl Jaspcrs als >Achsenzeit« bezeichnet. Denn die Menschen nahmen Abschied vom magisch-kosmischen Zeitalter der >Mutter- Erde«. Sie entdeckten ihre transzendentalen Fähigkeiten, womit das mythologische Zeitalter eingeleitet wurde; eine Entwicklung, die bereits mit dem astralen Mutter-Göttinnen-Glauben begonnen hatte, aber mit der Entdeckung des alles befruchtenden kosmischen (heiligen) Geistes einen Höhepunkt fand. Der neue Gott sollte natürlich nicht weniger Attribute und Fähigkeiten haben als die alten Frauengötter. So war es nur allzu verständlich, daß man männlichen Göttern Gebärfähigkeit andichtete und Eva gar aus der Rippe Adams entstehen ließ. Es ging ja nicht um eine bloße Umkehrung alter Mythen zugunsten einer göttlichen Männerhegemonie, sondern um eine notwendige Ergänzung, da die neuen Götter erstmals den Geist verkörperten, eine wesentliche Neuentdeckung jener Zeit, die alle bisherigen Weltbilder relativieren und die menschlichen Möglichkeiten zur kulturellen und wissenschaftlichen Fortentwicklung erweitern sollte, wovon die griechische Philosophie wohl am eindrucksvollsten Zeugnis gibt.

Nach Platon (400 v. Chr.) stand am Anfang die Idee als reinste Form der Wahrheit, und nicht mehr bloß das, was Menschen im magisch-kosmischen Zeitalter durch visuelle Wahrnehmung als Wahrheit empfanden. In der Bibel heißt es später >Am Anfang war das Wort«, also die Idee, das Konzept. Das war eine revolutionäre geistige Erneuerung, die den Menschen endgültig aus dem >Tierreich« zur denkenden Individualnatur erhob, ihn aus dem Paradies seiner Unverantwortlichkeit warf, weil er von nun an vom >Apfel der Erkenntnis essen« konnte. Der Mensch wird vom magisch-kosmischen Menschen zum mentalen Geist-Körper-Wesen. Symbolisch dafür stehen die Mutter-Erde als Körper und Materie, die alles hervorbringt, und der Vaterhimmel als befruchtender Geist. Dieses seitens des Feminismus verteufelte >höhere Bewußtsein« hat weder den Menschen der Natur entrückt oder die Einheit von Natur und Mensch gespalten, noch war es besonders kriegstreibend. Feministinnen denken viel zu kurz, wenn sie dieses >Kopfprinzip« als männlich destruktiv brandmarken und das >Bauchprinzip« als weiblich friedensstiftend hochloben und zum Ansatz einer das >Männerprinzip« verdrängenden Frauenkultur erheben wollen. Vielmehr stand das die Kriege auslösende >Bauchprinzip« schon immer vor dem >Kopfprinzip«. Das ist bis heute so geblieben, weil die leicht emotionalisierbaren Massen seit jeher mehr aus dem Bauch heraus, statt durch Gebrauch ihres Intellekts, ihren >Hitlers« oder >Saddam Husseins« zujubelten. So verstanden, wäre das seitens der Feministinnen hochgelobte, sogenannte weibliche >friedliche Bauchprinzip« wohl schädlicher als das verteufelte >Männerprinzip«. Aber ganz davon abgesehen, sind Intellekt und Gefühl weder speziell weiblicher, noch männlicher Natur, sondern in jedem Menschen angelegt, eben mehr oder weniger.

[Felix Stern, "Und wer befreit die Männer?"]


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