Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Staatsdoktrin: Gleichheit - aber bitte auch Vielfalt. Wie verträgt sich das? (Allgemein)

MannPassAuf, Tuesday, 12.06.2012, 15:57 (vor 4334 Tagen)

Ist euch das auch schon aufgefallen?

Einerseits will man Gleichheit, Gleichberechtigung, Gleichstellung. Man will Jungen in Frauenberufen, Mädchen in Männerberufen; man will "Vater" und "Mutter" ersetzen durch "Elter 1" und "Elter 2"; man will die auf Ergänzung angelegten polaren Ordnungen sowie die hierarchischen Ordnungen beseitigen. Weg mit den Unterschieden!

Anderseits will man Vielfalt. Heterosexualität soll ersetzt werden durch unzählige Varianten "sexueller Präferenz". Das Zeichen der Schwulenbewegung ist die Regenbogen-Flagge. Sie soll zeigen, daß jede Farbe, jede Spielart erlaubt sei.

Besteht da nicht ein Widerspruch?

Nur äußerlich, wenn man den tieferen Zusammenhang durchschaut. Gleichheit ist hier nämlich zu verstehen als Chaos. Chaos ist der ungeordnete Zustand, der einer vergangenen Ordnung nachfolgt und einer neuen Ordnung vorausgeht. Er ist ein Übergangszustand.

Darum ist der Identitäts-Feminismus (Schwarzer: "Der kleine Unterschied...", welcher geleugnet wird) notwendig die Vor- oder Durchgangsstufe zu einem Differenz-, d.h. "Wir-Frauen-sind-besser"-Feminismus. Der Weg zum Umsturz führt immer über "gleiche Rechte für Alle", über die Gleichheits-Ideologie.

Maskulisten, die ebenfalls Gleichberechtigung fordern, sollten darüber nachdenken.

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Nun hat die Sache aber einen noch tieferen Sinn.

Vor mir liegt ein Buch mit dem Titel "Der Computer und das Menschenbild der Philosophie. Leibniz' Monadologie und Hegels System auf dem Prüfstand". Autor ist der Anthroposoph und Professor für öffentliches Recht und Staatslehre an der Universität er Bundeswehr in Hamburg, Prof.Dr. Michael Kirn.

Da dieses schmale Buch äußerst konzentriert geschrieben ist und philosophisches Wissen voraussetzt, kann ich jetzt nicht mehr tun, als einzelne, aber entscheidende Gedanken herausgreifen.

Kirn unterscheidet Ordnung von Steuerung.

Unter Steuerung verstehen wir die Zusammenführung solcher Einheiten, die sich nicht aus sich selbst heraus zueinander in Beziehung setzen, die vielmehr gegeneinander neutral und ebenso auch dagegen gleichgültig sind, ob sie nebeneinander bleiben (durch eine äußere Kraft nebeneinander gehalten werden) oder vielmehr auseinanderfallen.

Der Unterschied dieser Ontologie zu derjenigen der Ordnung ist etwa der gleiche wie der zwischen einem Sandhaufen und einem Ameisenhaufen.

Jener rieselt zufälligerweise hier und dort, er kann vom Wasser weggespült oder vom Wind verweht werden, falls er nicht durch eine äußere Begrenzung zusammengehalten ist.

Der Ameisenhaufen dagegen erscheint als ein architektonisch-sozialer Organismus, der sich durch hochgradige Arbeitsteilung selbst erhält, ernährt, der ständig neu gebaut, gegen Feinde verteidigt usw. wird, so daß ja gerade durch dieses Bild der Mensch immer wieder veranlaßt war, nach den zusammenhaltenden Kräften der eigenen sozialen Organisation zu fragen.

Offenbar sind, um die letzteren zu begreifen, ganz andere Gedanken notwendig als diejenigen, mit welchen wir zum Beispiel die Wanderung von Sanddünen oder Verkehrsströme berechnen oder Volkszählungen durchführen.

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Nun sehen wir uns daraufhin einmal die beiden Fraktionen der Männerbewegung an.

Die eine Fraktion, die der "Hierarchisten", zu der auch ich mich rechne, sieht hinter sozialen Gebilden immer ein Ordnungsgefüge; nicht gerade einen Ameisenstaat, aber jedenfalls eine hierarchische Organisation, die nur bedingt frei wählbar ist. Sicher, der Mensch ist frei, aber stets nur in Grenzen.

Die andere Fraktion, die der Gleichberechtiger, sieht die sozialen Gebilde gleichsam zusammengesetzt aus Leibniz'schen Monaden; aus lauter Individualitäten, die durch das Steuerungs-Prinzip der staatlich verordneten Gleichberechtigung vereinheitlicht worden sind.

Dies einmal angenommen, erkennen wir auch sofort, was die Gynokratie mit uns vorhat. Sie will keine Ontologie der Ordnung, d.h. sie will keine bürgerliche Selbstregulierung nach Prinzipien einer aus dem Gewissen geborenen Sittlichkeit.

Nein, sie will ein von oben gesteuertes Gemeinwesen von "Sandkörnern". Gleichschaltung? Ach seht doch, kein Sandkorn gleicht dem anderen! Da herrscht Vielfalt, jede nur mögliche Form ist vertreten! Jedes Sandkorn darf tun, was es will, darf seinen Farben und "Präferenzen" folgen - sofern es aus dem Container bzw. aus dem Steuerungs-System nicht herausfällt.

Wir sind Schüttgut. Gesteuert und berechnet anstatt selbst-organisiert.

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Der geistige Hintergrund des Steuerungs-Wesens geht aber noch viel tiefer. Jetzt kann ich wirklich nur noch einzelne Aspekte herausgreifen.

Betrachten wir die Sozialordnung der vor-revolutionären Chinesen, im Besonderen in älteren Zeiten. Das war (und ist teilweise selbst heute noch) ein ausgeprägt kollektivistisches Gefüge, in dem der Einzelne kaum zählte; ein Gefüge, in dem das Sozialverhalten - ein individuelles gab es ja ohnehin kaum - sehr stark ritualisiert, "gesteuert" war. Was getan wurde, das wurde getan, weil es vorgeschrieben war. Da gab es nichts zu hinterfragen; es wurde Folge geleistet, besonders am Hofe. Fehler, Irrtümer konnten den Tod nach sich ziehen.

Dort entstand das Orakel I Ging. In bildlicher Form besteht es aus dem Zeichen für Bejahung oder "mal 1": - (langer Strich), und dem Zeichen für Verneinung oder "mal 0": -- (zwei kurze Striche). Interessant ist nun, daß sie dem durch Leibniz erfundenen binären Zahlensystem, der Dyadik, irgendwie entsprechen.

Im allgemeinen wurden 6 Stellen verwendet, es konnte also bis 64 gezählt werden, wobei sich folgende Darstellung ergab:

[image]

[...] Der Sage nach gehen die Zeichen "-" und "--" auf den König Fo-hi (Fuhsi) zurück, der ca. 3000 Jahre v.Chr. gelebt haben soll und als Vater der chinesischen Staatsorganisation, der Wissenschaft, Künste und auch der Schriftzeichen betrachtet wird. Er soll jene Symbole auf dem Rücken einer Schildkröte oder eines Drachen erblickt und sie sogleich zu einer Folge von 64 sechsstelligen Zahlenbildern (nämlich mit den Zahlenwerten von 0-63) zusammengesetzt haben. [...]

Was Leibniz betrifft, so hatte er jedenfalls sein binäres oder dyadisches Rechensystem bereits fertig entwickelt, als er auf dessen chinesische Wurzel stieß. Hiervon gibt er 1703 die folgende Darstellung:

"Vor nicht ganz 2 Jahren teilte ich dem Pater Bouvet, einem berühmten französischen Jesuiten, der in Peking lebt, meine Zählmethode mit 0 und 1 mit, und er sah in ihr sofort in ihr sofort den Schlüssel zu den Figuren des Fo-hi. Als er mir am 14. November 1701 schrieb, schickte er mir die große Figur dieses königlichen Philosophen, die bis 64 geht und keinen Zweifel an der Wahrheit unserer Auslegung läßt. Man kann also sagen, daß dieser Pater das Rätsel des Fo-hi mit Hilfe meiner Angaben entziffert hat. Und da diese Figuren das älteste Denkmal der Wissenschaft darstellen, das auf der Welt existiert, erscheint ihre Enträtselung nach so langer Zeit umso denkwürdiger."

Leibniz glaubte, die in China in Vergessenheit geratene Lösung des Geheimnisses der Figuren des I Ging im Dualzahlensystem gefunden und den Chinesen zurückgegeben zu haben.

Ich kann jetzt leider nicht genauer auf die Konsequenzen der Dyadik im Computerwesen und auf das Prinzip der Verrechnung und Steuerung eingehen. Bemerkenswert ist allerdings, daß Leibniz in seinem Denken noch in anderer Weise mit dem (alt-)chinesischen Denken verbunden war.

Um dies zu zeigen, müßte man seine Monadologie untersuchen. Ein kurzes, angenehm zu lesendes Buch übrigens; während meines Philosophie-Studium hatte ich darüber eine gut benotete Arbeit geschrieben. Die Monaden, Entitäten, die man sowohl mit Atomen als auch mit geistigen Individualitäten vergleichen kann, haben "keine Fenster", sind also nicht miteinander organisiert; es ist allein Gott, hier eine Art Steuermann, der sie miteinander harmonisiert (Prinzip der prästabilierten Harmonie).

Als Kritiker der alten Metaphysik hatte Hegel allen philosophischen Grund, gegen Leibniz in Stellung zugehen. Er kritisierte ihn aber auch wegen dessen Toleranz, die ihn, eigenem Bekenntnis nach, in allen Meinungen das Verbindende, den richtigen Kern erblicken ließ. Übrigens kritisierte Hegel auch, in langen Fußnoten, Leibniz' Infinitesimalrechnung, aber auch seine Idee einer logischen Universalsprache.

Leibniz' Problem, nach Kirn:

Er wollte im Grunde das menschliche Denken steuerbar machen.

Und heute scheint dieser Fall eingetreten zu sein. Das Leibniz'sche Denken der bezeichneten Art kehrt heute, nach dem von mir zitierten Autor, M. Kirn, in der ökologischen Weltanschauung wieder. Toleranz findet sich hier verbunden mit Auslöschung der wahren menschlichen Individualität.

Wir können dies aber auch auf die Gedankenformen anwenden, in denen uns heute die Gynokratie gegenübertritt.

Da wird uns - auf gewisser Ebene - unbegrenzte Toleranz nicht zugesichert, sondern aufgezwungen. Und dieses Aufzwingen, Steuern, Gleichschalten, das ist nicht zuletzt ein solches, das unser Denken ergreifen und unser Gewissen austreiben soll. Um zu durchschauen, was da - den Agitatoren sicher nicht durchgehend bewußt - vor sich geht, ist eine sehr gründliche Betrachtung notwendig, wie sie in dem zitierten Buch gegeben wird.

Vielleicht kann der eine oder andere Forum-Leser sich dieses - z.Z. vergriffene - Buch einmal besorgen und durchstudieren. Doch Vorsicht: Man wird erschlagen durch die Tiefe der darin eröffneten Perspektiven. Mir jedenfalls ging es so. Ich bin immer noch nicht "zuende" damit.


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